Protocol of the Session on July 3, 2003

te wie Aufwand und Effekt, Wettbewerb, Angebot und Nachfrage zu neuer Geltung.

Die Landesförderung jedenfalls muss sich vorrangig auf die eigenen Kultureinrichtungen konzentrieren, also auf solche, die durch das Land getragen werden. Das sind insbesondere die Landesstiftungen im Kulturbereich.

Ich will dem Landeskulturkonzept nicht vorgreifen, aber die nahe liegenden Schwerpunktsetzungen sind dabei natürlich das kulturelle Erbe, wobei man das soziokulturell aufschließen kann - das wird dann richtig spannend - und nicht nur wie Götzen anbeten sollte: die UnescoWeltkulturerbestätten, bedeutende Museen, Denkmäler mit hoher kulturtouristischer Attraktivität, übrigens auch einige der Traditions- und Heimatpflege.

Des Weiteren ist die Theaterlandschaft zu nennen, die im Land nach wie vor sehr dicht ist, und überregional relevante Kulturereignisse bzw. besondere innovative Projekte, also etwa Highlights wie die Musikfestspiele, die Landeskunstausstellung, die Medienkunstbiennale usw. Viel mehr ist leider gar nicht möglich.

Dass der Bereich der Soziokultur im engeren Sinne dabei nicht an vorderer Stelle der Prioritätenliste steht, entspricht durchaus dem Subsidiaritätsprinzip. Generell muss beachtet werden, dass die Soziokultur in besonderer Weise durch ihre Verankerung im kommunalen Gemeinwesen gekennzeichnet ist, so wie Sie das selbst in Ihrer Rede eben ausgewiesen haben.

Gemäß Artikel 36 der Landesverfassung sollen Kunst und Kultur gemeinsam durch das Land und durch die Kommunen gefördert werden. Das weist auf eine Arbeitsteilung hin. Land und Kommunen setzen jeweils ihre eigenen Akzente. Sie müssen sich in erster Linie um die Kultureinrichtungen kümmern, deren Träger sie sind.

Gestatten Sie mir abschließend noch eine kurze Bemerkung zu den Förderverfahren. Für die Breitenkultur gibt es zwar kein beratendes Gremium von Sachverständigen wie in anderen Bereichen, also etwa Kunstbeirat, Literaturkommission, Filmbeirat etc., die bei den Förderentscheidungen mitwirken. Dennoch bin ich sicher, dass Anträge unter Mitwirkung der Regierungspräsidien gewissenhaft geprüft und beschieden werden.

Allerdings gibt es auch berechtigte Klagen seitens der Antragssteller. Die Förderrichtlinien sehen vor, dass die Projekte spätestens bis zum 30. November beantragt werden müssen, wenn sie im Folgejahr realisiert werden sollen. Im ungünstigsten Fall bedeutet das einen Vorlauf von über einem Jahr. Für den gelegentlich auch spontanen Charakter soziokultureller Events ist das natürlich nicht gerade inspirierend. Die Zuschüsse wiederum können erst nach der Freigabe der Haushaltsmittel bewilligt und ausgezahlt werden. Wenn dann noch eine Haushaltsperre hinzukommt, ist es klar, dass es erheblich Probleme gibt.

Im Regelfall geschieht die Freigabe der Haushaltsmittel dann im Haushaltsvollzug am Ende des ersten Quartals. Von den Zuwendungsempfängern, also den ehrenamtlich tätigen Vereinen, wird dann noch eine aufwendige Verwendungsnachweisführung verlangt.

Dies alles ist mir natürlich bekannt und auch ein Dorn im Auge. Zumindest im Hinblick auf die Förderverfahren dürfte sich ohne Mehrkosten einiges modernisieren und verbessern lassen. Eine solche Verbesserung des Zuwendungsrechts, an der mein Haus arbeitet, und der

administrativen Praxis ist überall, im einen wie im anderen Bereich, dringend geboten. Ich hoffe, dass ich bei dieser Aufgabe Ihre Unterstützung habe. - Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Olbertz. - Wir kommen nun zur Debatte der Fraktionen. Für die FDP-Fraktion spricht Herr Rauls.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Soziokultur in ihrer Begrifflichkeit zu fassen scheint kompliziert. Die Landesregierung greift in der Beantwortung der Großen Anfrage zur Soziokultur in der Antwort auf die Frage 1.1 auf ein Material der Kultusministerkonferenz aus dem Jahr 1995 zurück und macht die Soziokultur an verschiedenen Elementen fest, die zusammengefasst ein nichtkommerzielles Angebot an alle Bürger mit starker lokaler Anbindung und kultureller Vielfalt ausmachen.

Die im Oktober 2002 neu gegründete Landesarbeitsgemeinschaft soziokultureller Zentren und Initiativen in Sachsen-Anhalt, die sich als Dachverband versteht, beschreibt ihre Tätigkeit unter anderem als ein „genreübergreifendes und lebensraumnahes 365-Tage-Veranstaltungsprogramm“. In der Anlage 7.2 der Untersuchung zum Landeskulturkonzept im Jahr 2002, das vom Minister schon mehrfach angesprochen wurde, sprechen die Wissenschaftler von „gewissen Problemen der Begriffsbestimmung“ und damit von Problemen bei der Zuordnung von Institutionen zu diesem Bereich.

Welche Assoziationen haben eigentlich Sie, meine Damen und Herren, wenn Sie an Soziokultur denken? Was verbindet sich für Sie damit? - Dabei wird Ihre persönliche Biografie eine Rolle spielen. - Anfang der 70erJahre in der damaligen Bundesrepublik als Reaktion auf das Establishment entstanden, verstand sich die Soziokultur als Gegenkultur, als Alternativkultur, die aber im Laufe ihrer nunmehr über 30-jährigen Existenz doch sehr viel gemäßigter und in Vereinen und Verbänden institutionalisiert und organisiert auftritt. Auch Joschka Fischer hat inzwischen seine Turnschuhe abgelegt.

In der damaligen DDR gab es Soziokultur sicher weniger oder kaum als Gegenkultur, aber als Möglichkeit, kulturelle Freizeitaktivitäten zu gestalten: in Jugendclubs, Studentenclubs, staatlichen, betrieblichen oder gewerkschaftlichen Kulturhäusern, mit starkem regionalen Bezug, finanziert vom Staat - darin liegt das Problem -, in der inhaltlichen Ausrichtung kontrolliert und bei wirklichen Gegenentwürfen reglementiert vom Staat.

Meine Damen und Herren! Die Landesregierung antwortet in ihrer Antwort auf die Frage 1.3 zur Entwicklung der Soziokultur seit 1991 in Sachsen-Anhalt unter anderem wie folgt - ich zitiere -:

„Damals wurde für diesen Bereich“

gemeint sind Jugendklubs und Kulturhäuser

„der in den alten Ländern gebräuchliche Ausdruck ‚Soziokultur’ übernommen, in seinen inhaltlichen Bedeutungen jedoch teilweise an hiesige Verhältnisse angepasst.“

Glücklich bin ich mit dieser Formulierung nicht. Es klingt, als wurde eine Schublade passend gemacht, die naturgemäß irgendwann klemmen muss.

Übergangsfinanzierungen von Bund und Land sorgten nach der Wende dafür, dass das, was unter „Soziokultur“ subsumiert wurde, die Möglichkeit bekam, sich neu zu organisieren. Das war notwendig, weil die bisherige materielle Basis nicht mehr existierte. Inhaltliche Angebote in großer Breite und Vielfalt haben sich schnell entwickelt und konnten sich etablieren. Wenn auch das eine oder andere Mal infrage gestellt, waren und sind die Menschen im Osten Deutschlands durchaus kreativ und ambitioniert.

Das Problem, das sich heute stellt, ist weniger eine Frage der Organisation als vielmehr der Trägerschaft und damit der Finanzierung. Der Untersuchung zum Landeskulturkonzept ist zu entnehmen, dass sich über 70 % der Häuser, die soziokulturelle Angebote unterbreiten, und ca. 50 % der soziokulturellen Einrichtungen in kommunaler Trägerschaft befinden. Der Trägerwechsel von kommunaler in Vereinsträgerschaft sei noch nicht abgeschlossen.

Meine Damen und Herren! In Zeiten knapper Kassen ist es kompliziert zu wichten, wofür das wenige Geld, das nicht zweckgebunden in den Haushalten zur Verfügung steht, ausgegeben werden soll. Vor diesem Problem stehen die Kommunen und das Land gleichermaßen. Eine Festschreibung von Mitteln, wie es die PDS in Ihrem Antrag zur Stärkung der Soziokultur in SachsenAnhalt in der Drs. 4/859 fordert, halte ich für zu plakativ. Es ist unredlich, in der heutigen Zeit derartige Forderungen aufzumachen, ohne gleichzeitig zu sagen, wo die dafür notwendigen Mittel eingespart werden sollen.

Unabhängig davon denke ich, dass beispielsweise eine institutionelle Förderung der Soziokultur auch inhaltlich nicht angebracht wäre. Gerade dieses kulturelle Angebot unterliegt schnellen Veränderungen. Vielmehr sollten insbesondere Möglichkeiten der Zusammenarbeit, der gemeinsamen Nutzung von Kapazitäten gefunden und verstärkt praktiziert werden.

Meine Damen und Herren! D i e Soziokultur gibt es nicht, wie es nicht die Kultur an sich oder die Volkskultur gibt. Für Kultur lässt sich sicher ein gemeinsames Grundverständnis, das nicht zuletzt von einem gemeinsamen Wertekanon geprägt ist, definieren, aber darüber hinaus ist die Kultur kein statischer Begriff. Sie unterliegt in ihren Differenzierungen ständigen Veränderungen, Ergänzungen und Entwicklungen, so eben auch die Soziokultur.

Wenn ich beispielsweise an den Bereich der Kunst denke, versteht man darunter sicher nicht das mundartliche Bauerntheater oder die Pflege des traditionellen Liedgutes einer Region, wohl aber das Experimentieren mit neuen, innovativen künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten und Inhalten als Formen der Auseinandersetzung und damit als ein Angebot an mögliche Interessenten.

Ich habe in dieser Woche ein Gespräch mit dem Intendanten der Freien Kammerspiele in Magdeburg geführt. Der Minister wies schon darauf hin. Herr Wellemeyer stellte das künstlerische Profil seines Hauses vor, zu dem, wie er es formulierte, auch das soziokulturelle Angebot „Fly me to the moon - Nachtcafé“ gehört, beschrieben als Clubbing, Tanzen, Trinken, Schwatzen, Entspannen, Ende offen. Präsentiert wird alles, was Spaß macht. Es geht um das Miteinander, die Kommunikation.

Gleiches könnte von der „Feuerwache“ in Magdeburg gesagt werden, einem aktiven und mit viel Engagement betriebenen soziokulturellen Zentrum der Landeshauptstadt.

In diesen Häusern wird Kooperation betrieben, kommen Anliegen und Initiativen der Soziokultur zum Tragen, werden Synergieeffekte möglich. Dies ist nach meinem Dafürhalten ein Weg, der in der Soziokultur gegangen werden muss. Staatliche Einflussnahme halte ich für absolut fehl am Platz.

Lassen Sie mich meine Ausführungen mit einem Satz eines bedeutenden liberalen Politikers schließen:

„Mit Politik kann man keine Kultur machen, aber vielleicht kann man mit Kultur Politik machen.“

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Rauls. Möchten Sie eine Frage von Frau Hein beantworten?

Bitte.

Bitte, Frau Hein.

Vielen Dank. - Herr Rauls, die Tatsache, dass Kunstarten zunehmend gattungsübergreifend arbeiten, ist seit Jahren eine Tatsache. Das ist nichts Neues. Würden Sie aus dieser Tatsache auch folgern wollen, dass den zuständigen Dachverbänden, die es im Land gibt, die institutionelle Förderung, die sie derzeit bekommen, infrage gestellt werden sollte?

Frau Dr. Hein, ich habe ausgeführt, dass ich in dem Metier der Soziokultur eine institutionelle Förderung eigentlich nicht für angebracht halte, sondern dass der freien Entwicklung, die es in unmittelbaren örtlichen Beziehungen ebenfalls gibt, freien Lauf gelassen werden sollte.

(Frau Dr. Hein, PDS: Künstlerverbände ganz ge- nauso!)

Vom Staat in diese einzugreifen, halte ich für nicht richtig.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Rauls. - Nun spricht für die SPD-Fraktion Herr Reck. Ich erteile Ihnen das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer glaubt, durch viele Fragen viel Neues zu erfahren, irrt, zumindest dann, wenn er die Große Anfrage zur Soziokultur in Sachsen-Anhalt als Maßstab nimmt. Es hat sich scheinbar zwischen Regierung und Parlament eine Art Wettbewerb entwickelt, der da heißt: Wir als

Abgeordnete fragen viel, und die andere Seite ist bestrebt, auf diese Fragen so wenig wie möglich zu antworten.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Das war bei uns ganz an- ders! - Heiterkeit bei allen Fraktionen - Herr Schomburg, CDU: Oh!)

- Das war schon immer so, Herr Dr. Püchel, das war auch zu unserer Zeit so.

Es scheint aber noch einen Wettbewerb zu geben, und zwar zwischen den Ministerien. Der Maßstab dort ist: Wer kann das am besten? Wenn man diesen Wettbewerb auswertet, muss man sagen, dass das Kultusministerium mit der Beantwortung dieser Großen Anfrage einen Etappensieg errungen hat.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und bei der PDS)

Aber, liebe Landesregierung, wir werden nicht lockerlassen. Wir fragen weiter, weil das die einzige Möglichkeit ist, wenigstens etwas von dem zu erfahren, was Sie vorhaben.