Ich bin sofort fertig, dann beantworte ich die Fragen sehr gern. - Das bedeutet in der Praxis, dass wir die Thematik Anfang August in dem zuständigen Ausschuss oder in den zuständigen Ausschüssen - insbesondere im Europaausschuss, aber vielleicht auch im Wirtschaftsausschuss, wenn Sie es wünschen, meine Damen und Herren - trotz der Ferien erörtern. Ich stehe jedenfalls dafür bereit und freue mich darauf, dass wir diese sehr vielfältige Materie dort noch einmal umfassend - soweit Sie es wünschen - erörtern.
Es gibt bei dieser Problematik keine allgemein gültige Antwort, aber eine Tendenz, meine ich, ist schon legitim, nämlich die Tendenz zu sagen, wenn Private die Dienstleistungen mindestens so gut erbringen können wie die öffentliche Hand, sollten die Privaten Vorrang haben vor der öffentlichen Hand. Es ist nicht sinnvoll, dass sich öffentliche Einrichtungen an Aufgaben festhalten, die sie nicht mehr so gut erfüllen können wie die Privaten. - Vielen Dank.
Herr Rehberger, die eigentliche Frage, die uns in der Fraktion beschäftigt hat, war, ob die Landesregierung überhaupt eine Stellungnahme ohne unseren Antrag abgegeben hätte. Das würden Sie mir jetzt wahrscheinlich sowieso nicht beantworten können.
Ich habe ein Problem mit Ihrem Kommentar, der im Gegensatz zu Ihrem Antrag steht. Sie haben das Problem genannt, dass man bei der Frage, welche Aufgaben nun vom Staat oder von Privaten wahrgenommen werden sollten, nicht ideologisch herangehen sollte. Ich habe Sie so verstanden, dass man im Einzelfall prüfen solle, wie die Dinge aussehen, und dann entscheiden solle, wer es besser machen kann. Warum schreiben dann die Koalitionsfraktionen in ihrem Antrag „unterstützt grundsätzlich eine Politik der Liberalisierung im Bereich der Daseinsvorsorge“? Das ist für mich ganz klar eine ideologische Aussage und unterscheidet sich ausdrücklich von dem, was Sie eben gesagt haben.
Herr Gallert, erstens, jeder Antrag, der in diesem Hause gestellt wird, ist für die Landesregierung wichtig. Seien Sie so nett, zur Kenntnis zu nehmen, dass dieses Thema, nämlich eine Position der Landesregierung zum Grünbuch, schon vor Ihrem Antrag als wichtige Aufgabe erkannt worden ist. Wir werden deshalb im Juli einen entsprechenden Beschluss fassen.
Der zweite Punkt betrifft die Frage, wie man an diese Dinge herangeht. Sie haben völlig Recht, dass ein bestimmter politischer Standort eine erhebliche Rolle spielt.
Wenn man der Überzeugung ist, dass die öffentliche Hand die Dinge grundsätzlich besser machen kann und nur im Ausnahmefall die Privaten zum Zuge kommen sollten - das war bis 1989 in Ostdeutschland der Fall -, dann kommt man zu völlig anderen Ergebnissen, als wenn man der Überzeugung ist, dass Private in aller Regel solche wirtschaftlichen Aufgaben besser wahrnehmen können. Deswegen ist es kein Widerspruch und keineswegs in dem Sinne Ideologie, wenn die Koalitionsfraktionen sagen, dass von der Tendenz her - es gibt handfeste Beispiele, die beweisen, dass die Tendenz richtig ist; denken Sie an die Telekommunikation - das, was Private gemacht haben bzw. machen können, Vorrang vor der öffentlichen Hand hat, wenn die Belange der Allgemeinheit berücksichtigt worden sind.
Ich sehe eine kleine Korrektur bei der Zeitleiste. Es mag sein, dass die Bundesregierung an sich aufgefordert ist. Wir sind darauf gekommen, weil wir in dem Papier auf der Seite der EU gefunden haben, dass alle Interessenten, egal welcher Couleur, aus Kommunen oder Privatbetrieben aufgefordert sind, Stellung zu nehmen. Deshalb sind wir darauf gekommen, dass wir uns auch als Landtag positionieren müssen. Man kann sicherlich zweigleisig fahren, auf der einen Seite die Landesregierung und die Bundesregierung und auf der anderen Seite die kommunalpolitischen Vereinigungen, mit denen wir solche Wege gehen und Positionen erarbeiten wollen.
Frau Dr. Klein, das ist leicht aufzuklären. Die EU hat - ich möchte das nicht weiter bewerten - die Entscheidung getroffen - nicht nur in diesem Zusammenhang, sondern generell -, dass Entscheidungen der Kommission EU-weit zur Debatte gestellt werden und über das Internet oder sonstige Medien jeder dazu Stellung nehmen kann. Viel Vergnügen, was die Bürokratie anbetrifft. Wir stellen zum Beispiel bei der Chemikalienpolitik fest, dass Zigtausende von Stellungnahmen einzelner Personen, von Organisationen und von kommunalen Gebietskörperschaften in Brüssel eingehen. Ich bin gespannt, wie man das dann alles aufarbeiten will.
Aber das ist nicht mein Thema. Das Thema ist, dass für die Bundesrepublik Deutschland nach unserer Verfassungslage die einzelnen Länder nicht sprechen können, sondern für die Bundesrepublik spricht die Bundesregierung. Das ändert nichts daran, dass Bürger, Verbände und möglicherweise auch kommunale Gebietskörperschaften ihrerseits von dem EU-Angebot Gebrauch machen können.
Aber wir als Landesregierung halten uns an die Aufgabenteilung zwischen dem Bund und den Ländern und werden deshalb unsere Stellungnahme dem Bund über
Herr Minister, weil das eben so wichtig ist, muss ich jetzt noch einmal nachfragen. Ich hätte nämlich genau die gleiche Frage gestellt. Wenn die EU ausdrücklich in dieser Form die Diskussion zu dem Grünbuch führt, sind Sie dann völlig sicher, dass die Landesregierung und der Landtag nur die Möglichkeit haben, über die Bundesschiene zu gehen, weil das eine ganz prinzipielle und eine ganz wichtige Grundlage der Diskussion darüber ist?
Dann hätte ich noch eine Anmerkung: Soweit meine Information reicht - Sie hatten einen sehr historischen Einstieg zur Daseinsvorsorge - hat Forsthoff das schon fast 20 Jahre früher formuliert. Dabei ging es nämlich um eine brisante Entwicklung von Markt und Staat.
Was Ihre Frage betrifft, nämlich die Frage, wer Stellung nehmen kann: Es gilt nach wie vor das, was wir innerhalb der Bundesrepublik festgelegt haben, nämlich dass für die Bundesrepublik Deutschland nach außen nur der Bund sprechen kann. Das ändert nichts daran, dass zum Beispiel Sie persönlich eine Stellungnahme abgeben können. Das ist selbstverständlich Ihr gutes Recht. Aber für die Bundesrepublik Deutschland spricht nur die Bundesregierung. So ist es nun einmal nach unserer Verfassungsordnung, und die Landesregierung gedenkt nicht, diese zu durchbrechen.
Herr Minister Dr. Rehberger, das Thema steht in einem sachlichen Zusammenhang mit dem Zweiten Investitionserleichterungsgesetz, das derzeit in den Ausschüssen beraten wird. Wie Sie wissen, hat der federführende Rechtsausschuss auf Empfehlung des Wirtschaftsausschusses die so genannte Subsidiaritätsklausel im Gemeindewirtschaftsrecht weiter verschärft, und zwar dahin gehend, dass die Kommune künftig Aufgaben nur noch dann wahrnehmen soll - abgesehen von einer Bestandsschutzklausel -, wenn sie der Kommunalaufsicht nachweist, dass sie eine bestimmte Aufgabe wirtschaftlicher und effektiver erfüllen kann als ein Privater.
Vor dem Hintergrund, dass die Landesregierung eine weniger weitgehende Formulierung in ihrem Regierungsentwurf vorgeschlagen hat und in der Begründung zu dem Regierungsentwurf steht, dass eine weitere Verschärfung der Subsidiaritätsklausel als ein schwerwiegender Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung empfunden würde und als nicht gerechtfertigt erscheint, frage ich Sie: Vertritt die Landesregierung noch die Position einer maßvollen Verschärfung der Subsidiaritätsklausel, wie sie im Regierungsentwurf enthalten ist, oder macht sich die Landesregierung die sehr viel weitergehende Verschärfung der Subsidiaritätsklausel zu Eigen, wie sie die Koalitionsvertreter in den Ausschüssen beschlossen haben und wie sie in der Begründung zu dem Regierungsentwurf ausdrücklich abgelehnt wird?
Herr Kollege Rothe, niemand ist so klug, dass er sich nicht in der einen oder anderen Sache eines Besseren belehren lassen könnte. Das gilt zum Beispiel, wenn Frau Paschke mir in Sachen Forsthoff das eine oder andere noch mit auf den Weg gibt. Ich meine, dass der Vorschlag des Rechtsausschusses vorzüglich ist. Ich teile die Position, die darin zum Ausdruck kommt und bin mir ganz sicher, dass die Landesregierung diesem Vorschlag auch folgen wird.
Vielen Dank, Herr Minister Rehberger. - Nun kommen die Beiträge der Fraktionen. Für die FDP-Fraktion spricht Frau Röder. Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 21. Mai 2003 hat die EU-Kommission das Grünbuch vorgelegt. Dann wurden alle Beteiligten aufgefordert - auch das Land Sachsen-Anhalt über die Bundesregierung -, sich bis zum 15. September 2003 zu den darin aufgeworfenen Fragen zu äußern.
Nun stellt sich erst einmal die Frage, worum es sich bei diesen „Dienstleistungen von allgemeinem Interesse“ überhaupt handelt. Diese Dienstleistungen sind sehr komplexer Natur und in ständiger Entwicklung begriffen. Sie umfassen ein sehr großes Spektrum verschiedener Aktivitäten, angefangen bei den großen netzgebundenen Dienstleistungsbranchen wie dem Energiesektor oder der Post, dem Verkehr und der Telekommunikation über Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, also Abfallentsorgung, Wasserversorgung oder Rundfunk, bis hin zu nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten.
Diese Tätigkeiten haben eines gemeinsam: Sie werden von den Mitgliedstaaten oder der Gemeinschaft mit besonderen Gemeinwohlverpflichtungen verbunden, und sie werden im Interesse der Allgemeinheit erbracht. Keine Rolle spielt dagegen im Rahmen des Gemeinschaftsrechts, von wem sie erbracht werden, ob von einer staatlichen oder einer nichtstaatlichen Stelle. In vielen Fällen beschränken sich die Mitgliedstaaten auch schon heute darauf, Zielvorgaben festzulegen, die Dienstleistungen zu überwachen, zu regulieren oder sie mitzufinanzieren.
Die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse werden heute genau wie jede wirtschaftliche Leistung auf dem europäischen Markt innerhalb eines Rechtsrahmens er
bracht, der von der EU und von den einzelnen Mitgliedstaaten gesetzt wird. Das heißt, auch für diese Dienstleistungen gelten die europäischen Vorschriften über den Binnenmarkt, über den Wettbewerb und über staatliche Beihilfen. In Bezug auf die zuletzt genannten Gebiete, also in Bezug auf Wettbewerb und Beihilfen, sind diese Aktivitäten gegenüber normalen wirtschaftlichen Tätigkeiten privilegiert. Und das aus gutem Grund, nämlich aufgrund der Gemeinwohlverpflichtung.
Darüber hinaus gibt es noch sektorspezifische Regelungen, zum Beispiel bei der Post oder bei der Telekommunikation, und natürlich gelten auch allgemeine Bestimmungen, zum Beispiel Sicherheits-, Umweltschutz- oder Verbraucherschutzvorschriften. - Sie sehen, die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse sind in einen sehr komplexen rechtlichen Rahmen eingebettet.
In ihrem Grünbuch wirft die Kommission nun die grundsätzliche Frage auf, ob es sinnvoll ist, die Entwicklung hochwertiger Dienstleistungen in den Zielkatalog der Gemeinschaft aufzunehmen und der Gemeinschaft für dieses Gebiet auch noch zusätzliche Befugnisse zu geben. Daran schließt sich die Frage an, wie und in welcher Art und Weise das geschehen könnte.
Für die FDP-Fraktion steht fest, dass diese Aktivitäten im Sinne des Gemeinwohls eine besondere Bedeutung haben und gegenüber normaler wirtschaftlicher Betätigung im Sinne des Wettbewerbsrechts und des Beihilferechts durchaus privilegiert sein sollten.
Für uns steht aber auch fest, dass eine Liberalisierung und eine Marktöffnung sich bisher für den Verbraucher positiv ausgewirkt haben. Sie kennen die Beispiele der Telekommunikation oder der Stromversorgung. Das hat bisher wunderbar funktioniert, und dieser Weg ist deshalb auch weiter zu verfolgen.
Der dritte Punkt ist aus meiner Sicht fast der wichtigste, nämlich dass das Subsidiaritätsprinzip an dieser Stelle besonders beachtet werden muss. Wir haben schon erfahren: Diese Dienstleistungen umfassen ein riesengroßes Gebiet. Sie werden in den unterschiedlichen Ländern mit unterschiedlichen Wertigkeiten besetzt sowie auf unterschiedliche Weise erbracht und geregelt. Es ist einfach sehr schwierig, eine allgemeine Regelung auf europäischer Ebene zu finden, die alle diese Dienstleistungen umfasst und mit der alle beteiligten Mitgliedstaaten leben können.
Ich kann mir zum Beispiel vorstellen, dass der Bahnverkehr, die Kultur oder Schwimmbäder in Polen, Deutschland oder Frankreich völlig unterschiedlich eingestuft werden und dass jeder eine andere Meinung dahin gehend hat, ob dies nun besonders geschützt oder privilegiert werden muss. Aus diesem Grunde lehnen wir auf diesem Gebiet die Einführung einer allgemeinen europäischen Regelung ab.
Bisher haben sektorspezifische Regelungen sehr gut funktioniert, zum Beispiel auf dem Gebiet der Telekommunikation. Mit diesen sektorspezifischen Regelungen kann man auch den technischen und gesellschaftlichen Entwicklungen auf einzelnen Gebieten sehr gut Rechnung tragen. Diesen Weg kann man weitergehen.
Diesen inhaltlichen Punkten entspricht der Alternativantrag der Fraktionen von CDU und FDP. Wir stellen in dem Antrag klar, wo wir inhaltlich stehen und was die Landeregierung unserer Ansicht nach bei ihrer Stellungnahme beachten sollte. Gleichwohl bleibt es eine Aufgabe der Landesregierung als Exekutive und als Vertre
tung des Landes, diese Stellungnahme abzugeben. Sie hat sicherlich bereits zahlreiche Daten erhoben und gesammelt und arbeitet an dieser Stellungnahme.
Darüber hinaus wollen wir auch, dass der Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten über die Stellungnahme informiert wird. Dort kann auch auf zahlreiche weitere Fragen eingegangen werden.
Den PDS-Antrag müssen wir leider ablehnen, da uns zum einen die dort geforderte Unterrichtung als zu umfangreich erscheint. Es wird auch gefordert, darauf einzugehen, was andere gesagt haben, warum und wie man das eingebunden hat oder warum man das nicht eingebunden hat. Das erscheint uns zu umfangreich. Zum anderen fehlt uns in dem Antrag ein wenig die inhaltliche Festlegung, in welche Richtung die Landesregierung gehen sollte. Das ist in unserem Antrag enthalten. Darum bitte ich Sie, unserem Alternativantrag zuzustimmen. - Danke sehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um es vorwegzunehmen: Wir werden dem Alternativantrag zustimmen. Das Wort „grundsätzlich“ in dem Absatz zur Liberalisierung macht uns die Zustimmung möglich, weil dadurch eine gewisse Öffnung da ist, wir aber nicht von vornherein sozusagen alles liberalisieren wollen, obwohl wir durchaus auch positive Effekte sehen.
Ich will aber auf eines eingehen, das Herr Rehberger und andere Redner gesagt haben. Die Kommission wird mit besonderer Aufmerksamkeit eine Angelegenheit verfolgen, die ursächlich mit Sachsen-Anhalt zu tun hat, und zwar das Verfahren, das der Landkreis Stendal gegen Altmarktrans führt. Denn in diesem Rahmen wird dann vom EuGH entschieden werden, was als „Beihilfe“ einzustufen ist und was nicht. Das wird in den Diskussionen - auch auf EU-Ebene - immer wieder als Beispiel angeführt. Ich freue mich dann immer, wenn die Leute von sich aus die Stadt Stendal erwähnen und ich sagen kann, dass ich von dort komme. Das ist ein europaweit beachtetes, spannendes Thema.
Ich will noch erwähnen, dass in diesem Zusammenhang die Frage von Quersubventionen nicht ganz unwichtig ist. Wir hatten zum Beispiel in Stendal den Fall, dass die Stadtwerke aufgrund besonderer Verträge das neu gebaute Stadtbad mit Energie beliefert haben. Nun sind die Stadtwerke verkauft worden und die neuen Eigentümer haben gesagt, dass sie die Sonderverträge nicht mehr haben wollten. Damit sind die Kosten für das Stendaler Bad höher geworden und das Defizit, das die Stadt ausgleichen muss, ist dadurch ebenfalls größer geworden. Das bedeutet, dass hiermit Verluste sozialisiert werden. Die Stadt muss die höheren Verluste tragen. Vorher hätte es über die anderen Einnahmen, die die Stadtwerke haben, eine Quersubvention geben können.