Protocol of the Session on February 6, 2003

Gesetzentwurf der Fraktion der PDS - Drs. 4/296

Entschließungsantrag der Fraktion der PDS - Drs. 4/297

c) Entwurf eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Schulgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt

Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 4/308

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft - Drs. 4/475

Entschließungsantrag der Fraktion der SPD - Drs. 4/481

∗ siehe Anlage zum Stenografischen Bericht

Entschließungsantrag der Fraktion der PDS - Drs. 4/495

Ich bitte nun Herrn Dr. Schellenberger, als Berichterstatter des Ausschusses das Wort zu nehmen. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Als Berichterstatter des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft möchte ich Sie über das Beratungsergebnis zum Entwurf eines Achten Gesetzes zur Änderung des Schulgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt - Gesetzentwurf der Landesregierung -, zum Entwurf eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Schulgesetzes des Landes SachsenAnhalt - Gesetzentwurf der Fraktion der PDS, Entschließungsantrag der Fraktion der PDS und Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und der FDP - informieren. Dabei werde auch ich mich auf das Wesentliche konzentrieren.

Der Landtag hat in der 8. Sitzung am 11. Oktober 2002 den von der Landesregierung vorgelegten Entwurf eines Achten Gesetzes zur Änderung des Schulgesetzes zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Bildung und Wissenschaft und zur Mitberatung in den Ausschuss für Finanzen überwiesen.

Der Ausschuss für Bildung und Wissenschaft führte in seiner Sitzung am 16. Oktober 2002 eine erste Beratung zur Gesetzesnovelle durch. Im Ergebnis der Beratung verständigte sich der Ausschuss darauf, für den 4. Dezember 2002 eine Anhörung zum Schulgesetz anzuberaumen.

In der 10. Sitzung des Landtages am 15. November 2002 brachten die Fraktion der PDS einen Gesetzentwurf zur Änderung des Schulgesetzes einschließlich eines begleitenden Entschließungsantrages sowie die Fraktionen der CDU und der FDP einen weiteren Novellierungsentwurf ein. Die Gesetzentwürfe und der Entschließungsantrag wurden nur an den Ausschuss für Bildung und Wissenschaft zur Beratung überwiesen.

In der Sitzung am 21. November 2002 verständigte sich der Ausschuss für Finanzen, dem der Gesetzentwurf der Landesregierung zur Beratung überwiesen worden war, darauf, auch die Gesetzentwürfe der Fraktion der PDS und der Fraktionen der CDU und der FDP zu beraten, da er diese als finanzrelevant ansah.

Am 4. Dezember 2002 fand die Anhörung im Ausschuss für Bildung und Wissenschaft statt. Daran nahmen Vertreterinnen und Vertreter von 23 Verbänden und Institutionen teil.

Im Anschluss an die Anhörung verständigten sich die Mitglieder des Ausschusses darauf, die Beratung zum Schulgesetz am 11. Dezember 2002 fortzusetzen, in der Sitzung am 18. Dezember 2002 eine vorläufige Beschlussempfehlung an den Ausschuss für Finanzen abzugeben und die abschließende Beratung und Beschlussfassung am 15. Januar 2003 vorzunehmen. Der Ausschuss erklärte außerdem den Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen in der Drs. 4/308 zur Grundlage der weiteren Beratung.

In der Ausschusssitzung am 11. Dezember 2002 legten die Fraktionen der CDU und der FDP ihre Änderungsanträge für die Beschlussfassung zum Gesetzentwurf vor.

Am 18. Dezember 2002 erarbeitete der Ausschuss die vorläufige Beschlussempfehlung zu dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen, die dem Ausschuss für Finanzen zur Stellungnahme überwiesen wurde. Mehrheitlich den durch die Fraktionen der CDU und der FDP eingebrachten Änderungsanträgen folgend, beschloss der Ausschuss für Bildung und Wissenschaft den Gesetzentwurf.

Da die Gesetzentwürfe der Landesregierung und der Fraktion der PDS mit dem Beschluss, den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und der FDP zur Grundlage der Beschlussfassung zu machen, durch den Ausschuss für Bildung und Wissenschaft als hinfällig angesehen wurden, wurde der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen zum Entwurf eines Achten Gesetzes zur Änderung des Schulgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt umbenannt.

Der mitberatende Ausschuss für Finanzen stimmte in der Sitzung am 9. Januar 2003 dieser Beschlussempfehlung mehrheitlich zu.

Die abschließende Beratung zur Gesetzesnovellierung erfolgte am 15. Januar 2003. Im Ergebnis der abschließenden Beratung bestätigte der Ausschuss für Bildung und Wissenschaft mit 7 : 6 : 0 Stimmen die vorläufige Beschlussempfehlung zum Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und der FDP in unveränderter Fassung.

Der Ausschuss empfiehlt dem Landtag weiterhin, die Gesetzentwürfe der Landesregierung und der Fraktion der PDS aufgrund der Beschlussfassung zum Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen für erledigt zu erklären und den Entschließungsantrag der Fraktion der PDS in der Drs. 4/297 abzulehnen.

Im Namen des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft bitte ich den Landtag, der vorliegenden Beschlussempfehlung die Zustimmung zu geben. - Danke.

(Beifall im ganzen Hause)

Vielen Dank, Herr Dr. Schellenberger. - Bevor ich Minister Herrn Olbertz das Wort erteile, freue ich mich, Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Martineum Halberstadt auf der Besuchertribüne begrüßen zu können.

(Beifall im ganzen Hause)

Nun bitte Minister Herr Olbertz.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Mit der vorliegenden Beschlussempfehlung der Regierungsfraktionen zum Schulgesetz werden entsprechend der Koalitionsvereinbarung weitere wichtige Vorhaben im Schulwesen umgesetzt. Die wichtigsten Änderungen betreffen die Arbeitsweise der Sekundarschule und des Gymnasiums sowie die Dauer der Schulzeit bis zum Abitur.

Die Schuljahrgänge 5 und 6 werden künftig an allen Schulformen, die an die Grundschule anschließen, geführt, und zwar nach im Wesentlichen gleichen Rahmenlehrplänen bzw. künftigen Standards - natürlich mit unterschiedlichen Akzenten - und einer im Kern analogen Stundentafel. In diesen Schuljahrgängen soll in allen Schulformen eine intensive Förderung stattfinden, um den Schülern die Möglichkeit zu eröffnen, sich zu erproben und ihre Stärken herauszufinden.

Damit eröffnet der Gesetzentwurf die Möglichkeit, das Gymnasium wieder ab der 5. Klasse zu besuchen. Dass die wenigen Gymnasien, die in den letzten Jahren aufgrund ihres besonderen Profils mit Klasse 5 beginnen konnten, jährlich drei Viertel ihrer Interessenten, also rund 300 Schüler pro Jahr, abweisen mussten, gehört damit der Vergangenheit an.

Dem Übergang zum Gymnasium ab Klasse 5 wird eine Schullaufbahnempfehlung vorausgehen, und zwar in Gestalt einer intensiven Elternberatung, der eine verlässliche Leistungsdokumentation zugrunde liegt.

Nach dem 6. Schuljahrgang ist neben dem Elternwillen dann außerdem die Feststellung der Eignungsvoraussetzung für den Besuch der weiteren Bildungsgänge von Belang.

Zur Ergänzung der allgemeinen Leistungsdokumentation wird in den Schuljahren 4 und 6 übrigens auch jeweils eine Klassenarbeit mit zentral gestellten Aufgaben geschrieben. Das soll dazu beitragen, dass Schüler, Eltern und Lehrkräfte sich des erreichten Leistungsstandes vergewissern können, und es korrespondiert überdies mit Vorhaben der KMK, landes- und bundesweite Vergleichsarbeiten einzuführen.

Das ist die Voraussetzung für die Einführung bundesweiter Bildungsstandards für alle Schuljahrgänge und Fächer; denn die Maßstäbe müssen vereinheitlicht werden, nicht aber die Wege dorthin. Hier sollten weiterhin Vergleich und Wettbewerb vorherrschen und nicht die Bundeseinheitsschule, die ich gelegentlich aus den Reden der Bundesbildungsministerin heraushöre.

Die Sekundarschule, meine Damen und Herren, ist in den letzten Jahren immer wieder einer Vielzahl von umstrittenen Änderungen unterzogen worden. Mit der so genannten neuen Sekundarschule wurde beginnend mit dem Schuljahr 1999/2000 in Sachsen-Anhalt das System der äußeren Fachleistungsdifferenzierung eingeführt, und zwar mit dem Ziel, die Trennung der mittleren Bildungsgänge aufzuheben und damit die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die diese Schulform mit dem Hauptschulabschluss verlassen, deutlich zu verringern.

Das Gegenteil ist jedoch eingetreten. Die Zahl der erfolgreichen Schulabgänger mit Realschulabschluss ist seitdem in Größenordnungen gesunken. Vor allem aber verlässt jährlich ein immer größer werdender Anteil an Schülerinnen und Schülern die Schule ganz ohne Abschluss.

Inhalte und Struktur der Sekundarschule sollen darum so verändert werden, dass die Schülerinnen und Schüler wieder ein Bildungsangebot erhalten, das ihren Lernvoraussetzungen und ihrer Lernbereitschaft entspricht, das an ihre Stärken anknüpft, also Lernerfolg ermöglicht und klare Lern- und Abschlussziele aufzeigt.

Mit den Kompetenzen, die in der Sekundarschule erworben werden, ist ein breites Spektrum von Möglichkeiten für den weiteren Bildungs- und Berufsweg und die daraus resultierenden Lebenschancen verbunden. In dem auf den Hauptschulabschluss und den Realschulabschluss bezogenen Unterricht sollen nachhaltige Kompetenzen vermittelt und verlässliches Wissen gesichert werden. Dazu sind insbesondere die Kernfächer Deutsch, Mathematik und Englisch zu stärken.

Vor allem aber soll damit - das will ich noch einmal unterstreichen - der Besorgnis erregend hohe Anteil von Schülerinnen und Schülern verringert werden, die erfolg

los die Schule verlassen. Eigentlich dürfte es gar keine Schule geben, die man ohne Abschluss verlässt.

Die allgemeine Schulpflicht wird daher auf neun Jahre festgelegt, wobei der Erwerb des Realschulabschlusses natürlich weiterhin zehn Jahre umfassen wird.

Denjenigen Schülerinnen und Schülern aber, die nach dem Jahrgang 9 aus den verschiedensten Gründen in der Schule einfach nicht mehr gut aufgehoben sind, weil sie nicht zurechtkommen, weil sie die Leistungsanforderungen nicht erfüllen, aus welchen Gründen auch immer, wird so die Chance gegeben, das System Schule gleichsam erhobenen Hauptes, also mit einem Abschluss und nicht mit dem Stigma „Ziel verfehlt“ auf der Stirn zu verlassen. Vor allem werden sie nicht gezwungen, wie es gegenwärtig noch der Fall ist, das 10. Schuljahr aus dem formalen Grund der Einhaltung der Schulpflicht noch irgendwo mehr oder weniger abzusitzen, sei es in einem Berufsvorbereitungsjahr oder im letzten Jahr der Schule, das dann nicht selten die 7. Klasse ist. Sie können direkt an die Schule eine Berufsausbildung oder ein Berufseinführungsjahr anschließen, können unmittelbar gefördert werden und sie gewinnen ein Jahr.

Ich lasse mir hier auch nicht den altbackenen Vorwurf der Selektion entgegenhalten. Das Leben sortiert mit viel größerer Härte, wenn wir durch simple Gleichmacherei oder aus Angst vor Differenzierung wahlweise entweder die allgemeinen Maßstäbe herabsetzen oder hinnehmen, dass eine wachsende Gruppe von jungen Leuten einfach auf der Strecke bleibt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Mit der 7. Klasse erfolgt also eine abschlussbezogene Differenzierung nach Klassen oder festen Lerngruppen, falls die Anzahl der Schülerinnen und Schüler, die den neunjährigen Weg einschlagen, für eine Klassenbildung nicht ausreicht. Dort werden die Lernenden entsprechend ihrem Leistungsniveau, ihrer Lerndisposition und mit Bezug auf den angestrebten Abschluss unterrichtet. Die Stabilität von Klassen oder Lerngruppen fördert übrigens die sozialen Beziehungen, die Leistungsentwicklung und auch die Zielorientiertheit.

Der damit eingeschlagene Weg hat zur Voraussetzung, dass es gelingt, die Qualität und damit die Reputation der Bildungsgänge der Sekundarschule auch in der öffentlichen Wahrnehmung ganz entschieden zu erhöhen, sodass die Sekundarschule wirklich zu einem dem Gymnasium gegenüber gleichwertigen Bildungsgang, aber anderen Profils, entwickelt werden kann.

Dazu müssen wir als Erstes lernen, die Sekundarschule nicht ständig an den Ansprüchen des Gymnasiums zu messen, sondern als Bildungsgang gleichen Qualitätsanspruchs, aber eben unterschiedlichen Qualifikations- und Zielprofils zu verstehen, das sich entlang der modernen Realien ausgestalten kann. Moderne Realien sind Medienkompetenz, moderne Sprachen, kaufmännisches Wissen und Können, technisches Vermögen und so weiter. Ich nehme ganz bewusst den traditionellen Begriff der Realien, der eigentlich aus dem 18. Jahrhundert stammt, aber mit heutigem Inhalt durchaus einen sehr modernen Anspruch der lebenspraktischen Vorbereitung auf die Berufsausbildung beinhaltet.

Solange das nicht gelingt, wird die Sekundarschule immer als Verliererschule dastehen und dann auch entsprechend vernachlässigt. Die Gymnasien werden unter diesen Umständen zu Fluchtburgen. Bildungsgangent

scheidungen können dann nicht mehr rational getroffen werden.

Ziel der Reform der Sekundarschule ist es, die Voraussetzungen für eine nachhaltige Verbesserung der Qualität des schulischen Unterrichts zu schaffen und die Bildungsdefizite gerade in diesem Bereich, gerade bei diesen jungen Leuten zu überwinden.

Dann zum Stichwort Schulzeit. Das novellierte Gesetz regelt die Wiedereinführung des zwölfjährigen Abiturs, das von der alten Regierung ohne Not und völlig jenseits eines schon damals erkennbaren Trends abgeschafft wurde, und zwar zu einem Zeitpunkt, als überall in Europa längst über eine Verkürzung der Schulzeiten nachgedacht wurde.