Für die einbringenden Fraktionen bitte ich Herrn Dr. Schrader das Wort zu nehmen. Bitte schön, Herr Dr. Schrader.
Durch die Liberalisierung können wir das ja ändern. - Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als der Landtag am 11. Oktober dieses Jahres das Thema Ladenschluss im Zusammenhang mit der Hochwasserkatastrophe auf der Tagesordnung hatte, hat die FDP eine fachgerechte, breite öffentliche Diskussion zur Liberalisierung des Ladenschlusses gefordert. Dass das so schnell gehen würde, hätten wir in unseren kühnsten Träumen nicht für möglich gehalten. Von SachsenAnhalt, speziell von der FDP angestoßen, ist eine bundesweite Debatte entfacht worden, bei der die Beteilig
Wie ist nun der heutige Stand? - FDP und CDU haben eine sehr konstruktive Anhörung mit gutem Ergebnis durchgeführt. Das Ergebnis war, dass eine Liberalisierung des Ladenschlusses erfolgen sollte. Die FDP und die CDU haben in der letzten Woche einen Kompromiss gefunden, der Ihnen in Form des Antrages vorliegt. Sie wissen, dass die FDP gern weitergehende Regelungen durchgebracht hätte, aber da wir uns in einer Koalition befinden, müssen auch Kompromisse eingegangen werden.
Meine Damen und Herren! Es geht nicht darum, ob die Geschäfte nun um 18 oder um 20 Uhr schließen, sondern es geht in erster Linie darum, dass mit dieser Initiative etwas in Gang gesetzt worden ist. Seit dieser Zeit - deswegen haben wir das erste Ziel erreicht - versuchen andere aufzuspringen und sich dabei gegenseitig zu übertreffen.
Der Bundeskanzler hat an demselben Tag der letzten Woche die Ausweitung des Ladenschlusses auf 20 Uhr für den Samstag angekündigt - wirklich erstaunlich. Ich denke, vor der Wahl wäre so etwas nicht passiert. Das Bundeskabinett hat einen ersten Beschluss gefasst. Respekt, sagen wir dazu. Es bleibt aber abzuwarten, inwieweit die SPD-Fraktion und auch die Grünen dem folgen werden.
Die SPD schickt sich an, den Vorreiter zu spielen, um ihrer Rolle als Reformmotor in diesem Lande gerecht zu werden - Fragezeichen. Die FDP begrüßt durchaus, dass sich auch die SPD in dieser Frage bewegt. Ob das nun aus taktischen Gründen oder aus Überzeugung geschieht, sei einmal dahingestellt.
Die SPD-Fraktion des Landtages will mit ihrem kurzfristig eingereichten Antrag möglicherweise einen Schachzug landen. In diesem Antrag ist von einem Ladenschluss am Samstag um 20 Uhr die Rede, aber zusätzliche Regelungen, meine Damen und Herren, zum Arbeitnehmerschutz sollen kurzerhand durch Präzisierungen im Arbeitszeitgesetz gesichert werden. Damit gibt es wieder neue Regelungen und entsteht wieder neue Bürokratie. Das ist wohl ein Zugeständnis an den Gewerkschaftsflügel; aber es nützt nichts, denn der Landesvorsitzende des DGB hat sich gestern in Magdeburg dazu geäußert. Herr Präsident, mit Ihrer Erlaubnis darf ich zitieren:
„Die SPD-Opposition muss von politischer Geistesverwirrung geschlagen sein, jetzt die CDUFDP-Regierung rechts überholen zu wollen.“
- Herr Püchel, wir haben öfter mit solchen Bemerkungen und Vorwürfen zu tun. Dass es jetzt Sie trifft, na gut. Aber wie gesagt, Respekt, dass Sie sich in dieser Sache wirklich bewegt haben.
Entscheidend ist, dass in die Ladenschlussdiskussion Bewegung gekommen ist. Die bundesweite Diskussion ist von Sachsen-Anhalt ausgelöst worden - ich glaube, das ist das Entscheidende - und ist auf fruchtbaren Boden gefallen; das freut uns.
Mit unserem Antrag wird die Landesregierung aufgefordert, in Sachen Ladenschlussgesetz über den Bundesrat tätig zu werden. Wir von der FDP-Fraktion würden es
Eines ist klar: Das Ladenschlussgesetz wird liberalisiert. Wie es dann konkret aussieht, sei im Moment dahingestellt. Für die FDP-Fraktion ist die Regelung „6 mal 24“ die klarste Lösung, also auch der Samstag vollkommen frei. Wir werden in den nächsten Wochen und Monaten sehen, wie die Lösung, die von Bundestag und Bundesrat im Endeffekt ausgehandelt wird, aussieht.
Kurz zum Inhalt des Ladenschlussgesetzes. Es muss mit einem Vorurteil und mit einem Trugschluss aufgeräumt werden. Die weitgehende Freigabe der Öffnungszeiten bedeutet nicht, dass die Geschäfte länger geöffnet haben müssen, sondern es bedeutet, dass sie dann geöffnet haben dürfen, wenn sie es für richtig halten. Die Geschäfte haben die freie Entscheidung - ein noch sehr ungewöhnlicher Vorgang in Deutschland.
Jeder Einzelhändler, jedes Geschäft geht mit seiner Wirtschaftsaktivität, Anbieter und Verkäufer von Waren zu sein, ein persönliches, ein unternehmerisches und somit ein wirtschaftliches Risiko ein. Deshalb muss ihm auch zugestanden werden, selbst entscheiden zu dürfen, wann er öffnen darf, um seine Waren zu verkaufen. Er muss einfach dürfen. Den Geschäften sollte man es selbst überlassen, wann sie öffnen. Sie öffnen nämlich entsprechend den Kundenwünschen. Sie werden keineswegs insgesamt länger geöffnet haben - davon bin ich überzeugt -, sondern sie werden angepasst öffnen. Viel wichtiger ist aber, den Kundenwünschen zu entsprechen.
Das Ladenschlussgesetz ist eines der schlimmsten und überreguliertesten Gesetze in Deutschland überhaupt, wenn nicht sogar das am meisten überregulierte. Es ist zu einer Lachnummer im Ausland geworden. Das Gesetz besteht nur noch aus Ausnahmen, die nicht mehr zu durchschauen und schon gar nicht zu begreifen sind.
Ganz kurz, welche Ausnahmen es alles gibt: Wir regeln den Verkauf von Waren in ländlichen Gebieten an Sonntagen während der Zeit der Feldbestellung und Ernte. Wir regeln den gesonderten Blumenverkauf auf Friedhöfen sowie im Umkreis von 300 Metern von Friedhöfen. Friseurbetriebe dürfen samstags bis 18 Uhr öffnen, dafür müssen sie aber montags bis 13 Uhr geschlossen bleiben. Auch die Ladenöffnungszeiten für Kur- und Erholungsorte sind minuziös geregelt.
Ich frage Sie ganz ernsthaft: Ist das in unserer Zeit noch zeitgemäß? Entspricht das den Bedürfnissen einer modernen Gesellschaft und der überwiegenden Zahl der Menschen und Unternehmen? - Überhaupt nicht! - Sind diese Regelungen wettbewerbsfähig und angepasst an das gemeinsame Europa? - Nein.
Meine Damen und Herren! Es muss im Ladenschlussgesetz liberalisiert werden; das verlangen wir als FDP schon lange. Was jetzt neu ist: Es wird liberalisiert. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Dr. Schrader. - Für die Landesregierung hat Herr Minister Rehberger um das Wort gebeten. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Landesregierung begrüßt nachhaltig den Antrag der Koalitionsfraktionen, der ein wichtiger Beitrag dazu ist, dass wir in Sachen Ladenschluss hoffentlich in den nächsten Monaten einen Schritt nach vorn tun können. Ich füge hinzu: Ich freue mich auch über vieles, was in dem Änderungsantrag der sozialdemokratischen Landtagsfraktion zum Ausdruck kommt. Er deckt sich ja in wesentlichen Bereichen mit dem Antrag der Koalitionsfraktionen.
Das macht deutlich, dass es hier wirklich um ein Thema geht, bei dem Reformbedarf in Deutschland besteht. Es ist einfach überfällig, dass wir die überreglementierte Regelung des Ladenschlussgesetzes weitgehend aufheben und denen, die im Bereich des Einzelhandels tätig sind, und denen, die als Verbraucher diese Einrichtungen in Anspruch nehmen, mehr Spielräume geben.
Meine Damen und Herren! Seit der Einführung des Ladenschlussgesetzes in den 30er-Jahren hat sich unsere Welt grundlegend verändert: Die Mobilität weiter Teile der Bevölkerung hat in den letzten Jahren und Jahrzehnten sehr stark zugenommen; wir haben völlig veränderte Arbeits-, Lebens- und Konsumgewohnheiten. Dem muss auch die Gesetzgebung Rechnung tragen.
Es kommt ein Weiteres hinzu - das war sicher auch für die Bundesregierung, für den Bundeswirtschaftsminister Veranlassung, nun seinerseits ganz kurzfristig eine Initiative zu ergreifen -: Wir haben eine anhaltende, massive Kaufzurückhaltung der Verbraucher. Das hängt auch mit psychologischen, nicht nur mit ökonomischen Faktoren zusammen. Die Vorstellung, dass man durch eine Liberalisierung des Ladenschlussgesetzes nicht auch zusätzlichen Konsum mobilisieren könne, ist unzutreffend. Zutreffend ist, dass die Frage, in welchem Umfang ein Verbraucher seine Mittel für bestimmte Zwecke einsetzt oder nicht, eben auch davon abhängt, in welcher Weise ihm bestimmte Angebote gemacht werden.
Insofern wird das inzwischen auch ein Thema für die Arbeitnehmer im Einzelhandel und für die Unternehmen. Wir haben noch nie, meine Damen und Herren, seit dem Jahr 1949 solche Einbrüche im Bereich des Umsatzes des Einzelhandels registrieren müssen wie im Jahr 2002, was in gewissem Umfang sicherlich auch eine Folge der allgemein nicht sehr erfreulichen wirtschaftlichen Entwicklung ist, aber auch deutlich macht, dass gerade im Einzelhandelsbereich in der Frage Ladenöffnung Handlungsbedarf besteht.
Zurzeit tagt die Wirtschaftsministerkonferenz; ich schwänze sie, weil die Sitzung des Landtags für heute und morgen anberaumt worden ist. Ich darf Ihnen wenigstens eines für die weitere Debatte mitgeben: Bei der Vorbereitung der Konferenz haben sich immerhin neun Länder, und zwar mit unterschiedlicher politischer Führung, dafür ausgesprochen, dass man die Wochentage von Montag bis Samstag komplett freigibt.
Vier weitere Länder - nur vier - waren dagegen und nur drei haben sich der Stimme enthalten. Aber auch die, die sich dagegen ausgesprochen haben bzw. sich der Stimme enthalten haben, sind zum Beispiel dafür, dass man Samstags bis 20 Uhr öffnet. Hieran wird deutlich, dass
Ich gehe davon aus, dass wir im Bundesrat und dann auch im Gespräch mit dem Bundestag gemeinsam eine Verbesserung, eine Liberalisierung erreichen müssen.
Die Gegenargumente, meine Damen und Herren, sind hinlänglich bekannt; sie sind nicht tragfähig. Sowohl die Überlegung, man könne mit dem Ladenschluss den Strukturwandel im Einzelhandel aufhalten, ist falsch, wie auch die Überlegung, dass man über die Ladenschlussregelungen Arbeitnehmerrechte sichern müsse.
Ich bin allerdings auch der Meinung, dass wir jetzt nicht anstelle des Ladenschlussgesetzes eine Novellierung des Arbeitszeitgesetzes bräuchten. Man kann nicht die eine Norm streichen, um anschließend zwei weitere zu erlassen. Es ist letztendlich eine Frage der Tarifverträge, und die sollten wir dort lassen, wohin sie gehört, nämlich in die Verantwortung der Tarifvertragsparteien und nicht in die Verantwortung des Staates oder des Gesetzgebers.
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Schluss Folgendes sagen: Über die Frage, wie man etwa den Samstag gestaltet, kann man natürlich durchaus unterschiedliche Meinungen haben. Es gibt ja auch hier im Hause darüber unterschiedliche Meinungen.
Herr Dr. Schrader hat vorgetragen, dass es die FDP am liebsten sähe, wenn wir auch den Samstag komplett freigäben. Die Sozialdemokraten schlagen vor bis 20 Uhr, in Übereinstimmung mit dem Bundeswirtschaftsminister. Die Christdemokraten tendieren zu einer Lösung, um 18 Uhr die Läden schließen zu müssen. - Dabei kann man über manches diskutieren.
Aber ich bitte Sie, mir abzunehmen, dass die Landesregierung fest entschlossen ist, im Bundesrat in den Kompromissgesprächen, die angesichts der unterschiedlichen Positionen unabdingbar sind, alles zu tun, damit wir in Sachen Ladenschluss einen kräftigen Schritt vorankommen, dass hier mehr Liberalisierung als bisher praktiziert wird.
Deswegen werden wir das, was der Landtag auch immer im Einzelnen beschließen sollte, als wichtigen Auftrag mitnehmen, aber gewiss nicht als eine abschließende Bindung der Landesregierung. Nach der Verfassung müssen wir im Bundesrat und auch im Gespräch mit dem Bundestag die Freiheit haben, so zu entscheiden, dass es wirklich zu einem kräftigen Schritt nach vorne kommt. An Sachsen-Anhalt wird die Liberalisierung des Ladenschlussgesetzes nicht scheitern.
Vielen Dank, Herr Minister Rehberger. - Nun beginnt die Debatte mit den Beiträgen der Fraktionen. Für die SPDFraktion spricht Frau Jahr. Bitte schön, Sie haben das Wort.
Werter Präsident! Meine Damen und Herren! Nicht nur im Parlament, sondern auch im Land wird viel über das Ladenschlussgesetz gesprochen. Letzter Höhepunkt war
die Zeit nach der Hochwasserflut. Das Gesetz wurde und wird systematisch unterlaufen und ausgehöhlt. Herr Ministerpräsident - Entschuldigung -, Minister Rehberger
(Heiterkeit bei der FDP - Herr Dr. Püchel, SPD: Zu spät, zu spät! - Minister Herr Dr. Rehberger: Stellvertretender!)
- stellvertretender - hat sich ebenfalls nach dem Hochwasser aus der Verantwortung gestohlen und es den Kreisen und Kommunen überlassen zu entscheiden, ob geöffnet werden darf oder nicht.