zweite Rederunde. Es beginnt wieder die Fraktion BÜNDNISGRÜNE. Herr Kollege Liebscher, bitte schön, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Vorab meiner Rede: Ich bin ganz begeistert, mit welchem Enthusiasmus und welcher Begeisterung die AfD für Fotovoltaik argumentiert.
Vor zwei Stunden haben wir darüber gesprochen, welche Relevanz strategische Industriepolitik für unseren Standort Sachsen hat. Wir haben nun die Möglichkeit, einmal tief in die Praxis zu schauen – teilweise wurde das schon angesprochen. Im letzten Jahr sind die Preise für Fotovoltaikmodule um 35 % oder sogar mehr gefallen. Man möchte meinen, jedem GRÜNEN geht dabei das Herz auf. Aber kann ein bündnisgrüner Politiker, ein Landespolitiker im Freistaat Sachsen allein mit diesen Zahlen zufrieden sein? Nein, muss ich Ihnen sagen, leider nein; denn die Zahlen reflektieren nicht den Marktpreis der Module. Diese Zahlen resultieren aus dem harten Standortwettlauf, den sich China und auch die USA derzeit liefern. Es herrscht da draußen eine regelrechte Subventionsschlacht um eines der Filetstückchen der Energiewende.
Die Solarenergie ist ein Kernelement der Energiewende. In der EU werden bis zum Jahr 2030 voraussichtlich 0,4 Terawatt – das ist eine ungeheure Menge an Fotovoltaikleistung – installiert. Deutschland hat sich zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2045 die Leistung von 400 Gigawatt im Bundesgebiet zu erreichen. Solar ist zudem eine demografische Technologie, möchte ich sagen, die wir zusammen mit Bürgerinnen und Bürgern stetig aufbauen. Jede und jeder kann die Entlastung im eigenen Geldbeutel spüren.
Die derzeitige Gefahr für unsere Solarindustrie ärgert mich als sächsischer Landespolitiker gleich doppelt; denn wir Sachsen haben derzeit die wenigen noch überlebenden Produzenten Europas im Land gebündelt. Das wäre übrigens einmal eine Bildungsreise für Ausschüsse: Dresden, Freiberg, Nünchritz, Chemnitz und Thalheim gleich in unserer Nachbarschaft. Ich und Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion waren im letzten Jahr viel in Gesprächen mit Unternehmen und Unternehmerinnen aus der Solarindustrie – soweit keine Überraschung. Die strategisch wichtige Einsicht aus diesen Gesprächen möchte ich gern mit Ihnen teilen.
In vielen Bereichen der Fotovoltaikwertschöpfungskette haben wir in der EU eine starke Position. Auf unseren Polysiliziumsektor können wir stolz sein. Wir sind zudem stark in den nachgelagerten Schritten wie Wechselrichter usw. Gleichzeitig aber drohen wir bereits in mehreren kri
tischen Fertigungsschritten in der vorgelagerten Wertschöpfungskette zu verlieren. Oder wir haben schon gar nicht die Technologie hier in Europa. Auf Deutsch heißt das: Wir sind in Deutschland heute alleine nicht in der Lage, Solarpanels herzustellen, auch nicht mit der Industrie, die wir in Sachsen vorrätig haben.
Um dieser Abhängigkeit entgegenzuwirken, gibt es im Rahmen der europäischen Solarinitiative einige Ansätze, die Produktion wieder anzusiedeln. Gleichzeitig ist das ein hoch innovativer Markt. Die angebotenen Zellen und Module werden immer komplexer. Vielleicht geht es Ihnen wie mir, wenn ich bisweilen begeistert die neuesten technologischen Entwicklungen im PV-Bereich verfolge. Daher benötigen wir für weitere Innovationen aus Europa auch weitere Investitionen aus Europa. Wenn wir die Solarindustrie vor Ort bewahren wollen, sind auch die steigende Nachfrage in Europa und neue Produktionstechniken eine Chance für die Transformation des Energiesektors und eine Chance für den Standort Sachsen.
Wir BÜNDNISGRÜNE legen daher höchstes Gewicht in die laufende Abstimmung zur Unterstützung der heimischen Solarindustrie zusammen mit der sächsischen Koalition, wofür ich mich in diesem Falle bedanken möchte; denn diese Klimaschutzinvestitionen generieren ganz greifbare Wertschätzung hier vor Ort. Ich habe heute Morgen dazu ausgeführt: Die veränderte Weltmarktlage und der Angriffskrieg Russlands beschränken die freie Marktwirtschaft in der bisher gelebten Form. Es gilt, Europa vor neuen geopolitischen Abhängigkeiten in Kernbereichen unserer Industrie zu bewahren. Wir wollen die Produktionslinie der Solarindustrie stärken. Dazu benötigen wir viel Investitionsgeld und guten Willen auch von Europa. Wir brauchen dafür starke Partner und eine funktionierende Vernetzung der Wirtschaft in Sachsen.
Kollege Liebscher von der Fraktion BÜNDNISGRÜNE eröffnete die zweite Rederunde. Nun übergebe ich an Kollegen Clemen von der CDU-Fraktion. Bitte schön, Herr Kollege.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Einige von uns in diesem Hohen Haus erinnern sich noch an so stolze und wohlklingende Namen wie Solarworld, Q Cells oder Choren Industries. In den Hochzeiten der Solarindustrie beschäftigten diese in Sachsen ungefähr 20 000 Menschen. Nach ihrer Blütezeit und dem Peak im Jahr 2012 kam es jedoch ab dem Jahr 2013 zu einem rasanten Absturz. Im März 2018 musste nach vielen Jahren des Kampfes auch Solarworld Insolvenz anmelden. Q Cells wurde 2019 durch die Hanwha-Gruppe übernommen, während Choren Industries bereits 2011 ihren Betrieb einstellen musste. Wir sehen an diesen Beispielen, wie schnell eine einstmals vorhandene Weltmarktführerschaft wieder verloren gehen bzw. verspielt werden kann.
Vielen Dank für die Möglichkeit der Zwischenfrage. Sie haben gerade erzählt, dass durch diese Insolvenzen rund 10 000 Menschen mehr oder weniger von heute auf morgen in die Arbeitslosigkeit geschickt wurden. Ist Ihnen denn bekannt, wer damals den Bundeswirtschaftsminister, die Bundesregierung oder auch die Landesregierung gestellt hat und unter anderem die EEG-Umlage für Solarzellen abgeschafft bzw. massiv gesenkt hat? Das hat dazu geführt, diese Produktionsstandorte nicht mehr aufrechtzuerhalten. Ist Ihnen das bekannt? Was würden Sie heute tun, um das wieder nach vorne zu bringen?
Herr Böhme, das ist mir natürlich bekannt. Wer von uns ohne Fehl und Tadel ist, werfe den ersten Stein. Vielleicht sollten wir aber heute daraus lernen, welche Fehler wir in der Geschichte gemacht haben, damit wir es nicht ein zweites Mal tun.
Heute verfügen wir im Freistaat Sachsen wieder über eine leistungsfähige Solarindustrie mit Modulherstellern wie – es wurde bereits genannt – Meyer Burger, Solarwatt und Heckert Solar. Wie mein Fraktionskollege Jan Hippold bereits ausgeführt hat, befindet sich diese Renaissance der Solarindustrie jedoch in großer Gefahr. Der MDR berichtete erst am Montag, dass die Firma Solarwatt in Dresden über eine Werksschließung nachdenkt. Auch Meyer Burger hat nach mehreren Hilferufen im vergangenen Jahr Anfang Januar angekündigt, im Februar über die Zukunft des Produktionsstandorts in Freiberg zu entscheiden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir stehen also vor einem zweiten Kahlschlag der sächsischen Solarindustrie. Dieser muss unbedingt verhindert werden. Anderenfalls geht uns ein wichtiger Bereich zukunftsträchtiger und umweltfreundlicher Fertigung verloren. Dazu habe ich mich auch bereits mehrfach in den Medien geäußert.
Die Solarindustrie ist die einzige der erneuerbaren Energieformen, die in Sachsen auf breite positive Resonanz stößt, die unproblematisch ausgebaut werden kann – und das in qualitativ hochwertiger und umweltfreundlicher Form. Wieso muss Meyer Burger für die Einfuhr des für die Solarzellen benötigten Siliziums jährlich Zölle in Millionenhöhe zahlen? Chinesische Solarprodukte können zu Dumpingpreisen in die EU eingeführt werden. Hier muss die Bundesregierung dringend gegensteuern.
Was spricht aber aus Umweltsicht für die in Sachsen gefertigten Module? Zum einen haben sie einen kleineren CO2Fußabdruck als die chinesische Konkurrenz. In der Produktion gibt es weniger Ausschuss. Die Module von Meyer
Burger und Solarwatt enthalten kein Blei und sind aus recycelbarem Solarglas gefertigt. Dagegen ist in den chinesischen Modulen in großen Mengen Antimon im Glas enthalten, was ein Recycling fast unmöglich macht. Die sächsischen Module zeigen bessere Energieerträge bei höheren Temperaturen und einer hohen Langlebigkeit. Die Produktion erfolgt umweltfreundlich. Stickstoffoxide werden nicht verwendet. Chemikalien werden in geringerem Maße eingesetzt. Nur in geringen Mengen wird Silber verwendet, und es werden deutlich weniger Schadstoffe produziert als von der chinesischen Konkurrenz. Die in Sachsen produzierenden Unternehmen haben sich zur Müllvermeidung verpflichtet und kurze Transportwege etabliert.
Alle diese Aspekte verpflichten uns zum Einsatz für unsere heimische Solarindustrie. Insofern fordere ich unseren Umwelt- und Energieminister Wolfram Günther und unseren Wirtschaftsminister Martin Dulig dazu auf, sich in Berlin und in Brüssel intensiv für den Erhalt unserer sächsischen und mitteldeutschen Solarindustrie stark zu machen.
Kollege Clemen sprach für die CDU-Fraktion. Jetzt kann die AfD zum Thema sprechen. Kollege Urban eilt schon zum Rednerpult. Bitte schön, Herr Kollege.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Zu Beginn vielleicht einmal: Herr Liebscher, guten Morgen! Sie haben es verstanden: Die AfD ist für Technologieoffenheit und in diesem Zusammenhang selbstverständlich auch für Fotovoltaik.
Das Wohl und Wehe in jeder exportorientierten Industrienation ist zuverlässige und preiswerte Energie. Ich sage es immer wieder. Das wollen Sie aber nicht. Sie wollen es aus ideologischen Gründen nicht, die anderen Parteien aus politischen. Deutschland ist heute das Hochpreisland der Welt. Wir haben die höchsten Energiepreise aller OECDStaaten.
Wir können aber auch ganz unten anfangen, und zwar bei Sachsens Energiepolitik und bei Staatsminister Günther. Seine eigenen Energiewendeziele hat er komplett verfehlt. Angekündigt waren 200 zusätzliche Windräder. Nach vier Jahren Legislatur sind es weniger, als es vorher waren.
Aber wer glaubt, dass Minister Günther nun vielleicht zur Besinnung kommt und sich einen besseren Weg überlegt, der wird erwartbar enttäuscht. Nein, Herr Günther will die Kohlekraftwerke schon 2030 abschalten.
Wer Zukunft gestalten will, der sollte einmal in die Vergangenheit schauen. Sachsens Aufstieg als Wirtschaftsmacht in Europa kam eben nicht durch erneuerbare Energien – im Gegenteil. Schauen wir in das Jahr 1821: Bei Zwickau wird die Steinkohle entdeckt.
Sie bildet fortan die Grundlage für die industrielle Entwicklung. Die Dampfmaschine löst die Wasserkraft ab. In diesen Regionen entstehen später die Automobilindustrie und der Maschinenbau.
Dort wird auch der Ausbau der Eisenbahn vorangetrieben, die ebenfalls mit Kohle fährt. Alle Länder, die den Sprung zum Industrieland geschafft haben, konnten das nur, indem sie sich mithilfe von Kohle, Öl und Gas unabhängig gemacht haben von Wind, Wasser und Sonne. Nennen Sie mir ein Land, in dem das anders war! Das gibt es nicht, das gab es nicht und das wird es nicht geben.
Das Land mit dem stärksten Wirtschaftswachstum ist heute unbestritten China. Deren Rückgrat der Energieversorgung ist die Kohle und neuerdings die Kernenergie sowie Erneuerbare. Damit Deutschland wieder wettbewerbsfähig wird, braucht es eine sichere und günstige Energieversorgung und einen rationalen Mix aus Kernkraft, fossiler Energie und – dort, wo es sinnvoll ist – auch Erneuerbaren.
Unsere direkten Wettbewerber China, die USA und Japan machen es uns vor. Windenergie in siedlungsfernen, aber windreichen Regionen ist wirtschaftlich und wird auch akzeptiert. Fotovoltaik ist in sonnenreichen Regionen ebenso wirtschaftlich, aber nicht im wind- und sonnenarmen Sachsen. Hier verursachen die Erneuerbaren nur zusätzliche Kosten. China subventioniert die Ansiedlung von Windrad- und PV-Modul-Herstellern. Deutschland subventioniert dauerhaft den unwirtschaftlichen Betrieb dieser Anlagen. China baut sich also ein Milliardengeschäft auf, und die Bundesregierung subventioniert ein Milliardengrab.
Im Moment vertreibt die deutsche Politik die Produktion in die Länder mit den niedrigsten Umweltstandards, den dreckigsten Energieproduzenten und den schlimmsten Arbeitsbedingungen. Windenergie und Solarhersteller sind bei uns und von uns herzlich willkommen. Sie könnten in Sachsen günstig und umweltfreundlich produzieren und in sonnen- und windreiche Länder exportieren. Mit preiswerter Energie, mit weniger Bürokratie und ohne Ideologie ist das möglich.
Deshalb: Entweder Deutschland leistet sich weiter die ideologische Energiewende oder Deutschland wird wieder ein attraktiver Industriestandort. Beides zusammen geht nicht.
Mit der Aufhebung der unnützen Energieverbote und mit Steuersenkungen könnte man die heutigen Kosten für Energie fast halbieren und die Energiesouveränität wiederherstellen. Aber für Steuersenkungen müsste die Regierung ihre Ausgaben senken, also bei sich selbst sparen. Für die Rückwärtsrolle beim Atom- und Kohleausstieg müssten Sie Ihre Ideologie über Bord werfen. Für günstige russische Energie müssten Sie Ihren transatlantischen Gehorsam beenden. Sie müssten den Gürtel enger schnallen. Sie müssten sich Fehler eingestehen. Sie müssten einen Teil Ihrer Macht abgeben. Die Bereitschaft dazu kann ich bei Ihnen allen nicht sehen.