Protocol of the Session on April 26, 2023

Das war Herr Kollege Flemming für die CDU-Fraktion. Für die BÜNDNISGRÜNEN spricht jetzt Herr Kollege Liebscher; bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! So alltäglich, so natürlich, so simpel – wir tun es alle: Wir gehen zu Fuß. Wir alle sind Fußgängerinnen und Fußgänger. Der eine oder andere zwar nur vom Fahrstuhl zur Tiefgarage oder vom Carport aufs Sofa, aber sei es drum. Die 10 000 Schritte pro Tag – in diesem Fall: geschenkt. Andere wiederum erschließen sich ihren Alltag nur oder zum Großteil zu Fuß. Nicht nur, weil es gesund ist, sondern auch, weil das Zu-Fuß-Gehen die preiswerteste, flexibelste und klimafreundlichste Mobilitätsform ist, wohlgemerkt: für alle Generationen. Dabei gehört das Zu-Fuß-Gehen – also der Fußverkehr – neben dem Radverkehr zur aktiven Mobilität, bei dem sich mit eigener Muskelkraft aktiv fortbewegt wird.

Warum braucht es diesen Antrag, wenn das Zu-Fuß-Gehen so alltäglich und fast banal ist? Die Antwort ist einfach: Das Zu-Fuß-Gehen wird stark unterschätzt und der Anteil der zu Fuß zurückgelegten Wege sinkt stetig. Kleine Ausnahme: Während der Corona-Pandemie erfuhr das Spazierengehen eine kurze Renaissance. Wie wichtig die Bewegung an frischer Luft für unser Wohlbefinden ist, wurde vielen wieder bewusst. Die viel umworbenen 10 000 Schritte werden dann alltäglich und nicht zum Sonderprogramm auf dem Ergometer, wenn die Randbedingungen stimmen und das Zu-Fuß-Gehen attraktiv und sicher ist.

Doch leider stimmen diese Randbedingungen auch im Freistaat Sachsen häufig nicht. Das Alltäglichste, das Gehen, fiel bei den Verkehrs- und Stadtplanungen der Vergangenheit allzu oft hinten runter, so auch der Fußverkehr in unseren Kommunen. Unsere Städte wurden auf den Autoverkehr ausgelegt. Mehrspurige, schnell befahrene Hauptstraßen sind nicht nur gefährlich beim Überqueren, sondern auch laut und abgasbelastet. Die Straßenränder und Plätze sind unübersichtlich, zugeparkt und häufig ohne barrierefreie Querungsmöglichkeit. Es gibt kaputte Gehwege, die nicht oder nur beschwerlich von mobilitätseingeschränkten Menschen genutzt werden können, und dazu gehören nicht nur Seniorinnen und Senioren oder Menschen mit Behinderung, sondern auch junge Eltern mit Kinderwagen oder Kindern.

Natürlich spielen viele weitere Faktoren hinein, ob ein Weg zu Fuß erledigt wird. Sind die Wege zum Supermarkt zu weit oder beschwerlich, wird ohne Frage schnell auf das Auto zurückgegriffen. Orte, seien es Städte oder kleine Gemeinden, mit kurzen Wegen zu den wichtigsten Nahversorgungseinrichtungen sind belebter und attraktiver. Zahlreiche Großstädte wie Paris, Oslo, Wien und Kopenhagen setzen auf die Stadt der kurzen Wege, die sogenannte 15-Minuten-Stadt, um wieder lebenswert zu werden und den

Menschen eine Unabhängigkeit vom eigenen Auto zu ermöglichen. Aber das ist ein anderes Thema.

Fokussieren wir uns auf den Fußverkehr und die Aspekte dieses Antrags für den Freistaat Sachsen. Der Antrag hat zunächst eine Bestandsaufnahme der Fußverkehrsförderung im Freistaat zum Ziel. Zum einen bitten wir die Staatsregierung um einen Bericht über die eigenen Maßnahmen seit dem Jahr 2017. Zum anderen erbitten wir von der kommunalen Ebene Berichte, welche Städte und Gemeinden bereits über Fußverkehrskonzepte und Fußverkehrsbeauftragte verfügen.

In einem zweiten Teil stellt der Antrag darauf ab, Fußverkehr-Checks in Sachsen zu etablieren und den Kommunen als niederschwelliges Beratungs- und Unterstützungsangebot anzubieten, durchgeführt entweder über die Beauftragung eines Dritten oder von der Landesverwaltung. Dabei haben wir den Inhalt eines solchen Fußverkehrschecks grob abgesteckt und das Rad muss dabei nicht noch einmal neu erfunden werden.

Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen machen sehr erfolgreich vor, wie die Kommunen mit FußverkehrsChecks die Attraktivität des Zu-Fuß-Gehens verbessern können. Im Fokus eines solchen Checks steht immer eine konkrete Aufgabenstellung für einen abgesteckten Rahmen und eine definierte Zielgruppe, beispielsweise die Wegebeziehung oder Schulwegsicherung für Schulkinder, eine Quartiersanalyse für Seniorinnen und Senioren und mobilitätseingeschränkte Gruppen oder soziale Wegsicherung mit der Untersuchung von Angsträumen, insbesondere in der Dunkelheit oder zur Nacht.

Gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern der Zielgruppen, aber auch mit der Verwaltung, Verbänden und der Politik werden die Qualität der Fußwege und Wegeverbindungen vor Ort bewertet und Verbesserungsvorschläge erarbeitet. Damit die entwickelten Maßnahmen schlussendlich nicht in einer Schublade verschwinden, hat der Antrag außerdem zum Ziel, die Kommunen bei der Umsetzung dieser Maßnahmen zu unterstützen und beim Aufbau einer systematischen Fußverkehrsförderung in Form von Fußverkehrskonzeptionen zu beraten.

Damit alle Kommunen von der gesamten Erfahrung profitieren können und nicht jede Kommune im stillen Kämmerlein ihre eigenen Maßnahmen plant und umsetzt, soll anhand der Erfahrungen ein Leitfaden zur Handreichung an die interessierten Kommunen und Vorschläge zur systematischen Stärkung und Förderung des Fußverkehrs im Freistaat entwickelt werden.

Letztendlich sollen in allen relevanten Bereichen die Belange des Fußverkehrs umfänglich berücksichtigt und einbezogen werden. Daher gilt es, diese Interessen auch bei der Novellierung der entsprechenden Förderrichtlinien, sei es bei der kommunalen Straßenbauförderung oder der ÖPNV-Förderung, zu berücksichtigen. Die notwendigen finanziellen Voraussetzungen für die Einführung der Fußverkehrs-Checks haben wir bereits in den vergangenen zwei Doppelhaushalten gelegt.

Ich bin froh, wenn es jetzt endlich losgeht. Damit können wir den Koalitionsvertrag umsetzen und den Fußverkehr – und damit die aktive Mobilität – weiter stärken. Auch wenn das Zu-Fuß-Gehen alltäglich erscheinen mag, ist es doch keine Selbstverständlichkeit. Legen wir mit diesem Antrag die Grundlage dafür, dass wieder mehr Menschen im Freistaat gern und sicher zu Fuß gehen. Das entlastet nicht nur die anderen Verkehrsträger, sondern belebt auch unsere Innenstädte, fördert die Gesundheit und ist klimafreundlich.

Vielen Dank.

(Beifall bei den BÜNDNISGRÜNEN, vereinzelt bei der CDU und des Abg. Henning Homann, SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Die Mikrofonanlage ist außer Betrieb.)

Ich muss jetzt ohne Mikrofon sprechen, denn hier ist gerade alles ausgefallen,

(Valentin Lippmann, BÜNDNISGRÜNE: Oh!)

sowohl dieses Mikrofon als auch das Mikrofon am Redepult. Zumindest sieht es so aus, dass wir nichts mehr bedienen können.

(Die Mikrofonanlage funktioniert wieder. – Valentin Lippmann, BÜNDNISGRÜNE: Ist wieder da!)

Ich möchte Ihnen außerdem mitteilen, dass auch unsere Redezeitanlage ausgefallen ist. Es ist uns aber sofort aufgefallen; keine Sorge. Deshalb rechnen die wunderbaren Damen und Herren hinter mir alles mit. Wir rechnen eher obendrauf, als dass wir etwas abziehen. Um Gottes willen!

Jetzt schauen wir einmal: Sie hören mich jetzt?

(Valentin Lippmann, BÜNDNISGRÜNE: Ja!)

Genau, aber ich kann mein Mikrofon nicht leise stellen. Herr Kollege Homann, kommen Sie doch bitte einmal ans Redepult und seien Sie unser Versuchskaninchen, ob das Mikrofon funktioniert. Ich kann es nicht bedienen.

(Henning Homann, SPD, tritt ans Redepult.)

Sagen Sie doch bitte etwas.

Frau Präsidentin!

(Das Mikrofon am Redepult ist außer Betrieb.)

Es ist leise. Richtig?

(Valentin Lippmann, BÜNDNISGRÜNE: Es ist aus!)

Es ist aus.

Ich wäre auch bereit, ohne Mikrofon zu reden.

(Der Redner ist wieder über das Mikrofon zu hören.)

Ich könnte Ihnen den Platz hier oben anbieten.

(Valentin Lippmann, BÜNDNISGRÜNE: Das würde ich annehmen an deiner Stelle! – Heiterkeit)

Ich kann auch das Saalmikrofon 4 oder irgendein anderes nicht bedienen. Ich könnte Ihnen jetzt meinen Platz hier oben anbieten, aber ich glaube, das gehört sich nicht.

Das gehört sich nicht und das würde ich auch nie von Ihnen verlangen, Frau Präsidentin. Sagen Sie mir gern, über welches Mikrofon. Ich rede auch gern ohne Mikrofon; das ist völlig in Ordnung.

(Valentin Lippmann, BÜNDNISGRÜNE: Nee, nee! – Weitere Zurufe: Es ist wieder an!)

Es wird mir gerade mitgeteilt, dass – –

Ich würde es nur ungern tanzen.

Es ist an? – Dann reden Sie einfach, Herr Kollege Homann.

Sehr gut. Wir werden also ohne Redezeit, Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, jetzt einmal merken, dass Redebeiträge manchmal für das Publikum 20 Minuten lang sind, während derjenige, der hier vorn steht, denkt, er redet nur zwei. Aber ich hoffe, dass ich Ihnen diese Irritationen ersparen kann.

Fußverkehr ist heute das Thema, meine sehr geehrten Damen und Herren, und für uns als Sozialdemokratische Partei Deutschlands ist klar, dass unser Anspruch an Verkehrspolitik eine umfassende Mobilitätspolitik ist, die Auto-, Bus-, Bahn-, Rad- und Fußverkehr nebeneinanderstellt. Wir diskutieren viel über Bus, Bahn, Auto und Rad, und heute diskutieren wir über Fußverkehr, weil das – das haben meine Vorrednerinnen und Vorredner schon richtig gesagt – eine oft unterschätzte Form des Fortbewegens ist. Manche erleben den Fußverkehr immer noch unter dem Motto des notwendigen Übels. Wenn einmal nichts anderes zur Verfügung steht, okay, dann muss ich laufen. Aber ich glaube, auch dabei hat es in den letzten Monaten und Jahren einen Mentalitätswechsel in diesem Land gegeben. Es gibt mehr Menschen, die bewusst zu Fuß gehen, die den Weg zur Arbeit bewusst nutzen, um etwas für ihre Gesundheit zu tun und das Klima zu schützen.

Das bedeutet, dass wir den Fußverkehr im Freistaat Sachsen neu stärken wollen. Das haben wir im Koalitionsvertrag festgeschrieben und wollen das mit diesem Antrag untersetzen. Ein wesentliches Element davon sind die Fußverkehrs-Checks, zu denen schon viel gesagt wurde. Wichtig ist für mich, dass das ein Beratungsangebot für die Kommunen ist. Die Frage, wie Fußverkehre vor Ort aussehen, wie Gehwege auszusehen haben, wie wir es schaffen,

sichere Wege von A nach B zu schaffen, sind Aufgaben, die die Kommunen vor Ort zu erledigen haben, und dort sind sie richtig angesiedelt.

Wir möchten aber mit diesen Fußverkehrs-Checks einen bewussten Impuls setzen, sich mit dieser Frage intensiver zu beschäftigen, nicht nur in den großen Metropolen, sondern auch in den vielen Mittelstädten und Grundzentren, die wir im Freistaat Sachsen haben. Uns geht es dabei um die Erhöhung von Lebensqualität. Sich als Fußgängerin oder Fußgänger im Verkehrsraum sicher bewegen zu können, hat etwas mit Lebensqualität zu tun. Es ist nicht schön, sich jedes Mal umblicken und das Gefühl haben zu müssen, dass man eventuell in einen Unfall verwickelt werden könnte. Deshalb ist eine Schwerpunktsetzung beim Fußverkehr richtig.

Es ist nicht nur eine Frage der Lebensqualität, sondern auch der Verkehrssicherheit und der Barrierefreiheit. Wer vielleicht in den letzten Jahren Eltern wurde – mein Sohn ist jetzt vier Jahre alt –, weiß, mit dem Kinderwagen durch eine Stadt zu fahren bedeutet, diese Stadt neu kennenzulernen. Dann merkt man, dass die Frage von Barrierefreiheit keine Frage von Menschen mit Handicaps, mit Rollstuhl oder Gehbehinderung ist, sondern auch für Familien ist die Barrierefreiheit eine wichtige Frage.

Das heißt, dass die Förderung des Fußverkehrs und unsere Fußverkehrs-Checks ein Beitrag zur Familienfreundlichkeit in diesem Land sind. Das ist ein weiteres gutes Argument, diesem Antrag zuzustimmen.

Das bedeutet aber nicht, dass wir mit den FußverkehrsChecks nur diejenigen fördern und belohnen wollen, die sich vor Ort auf den Weg machen, den Fußverkehr stärker in den Fokus zu stellen, sondern wir wollen die Interessen von Fußgängerinnen und Fußgängern stärker bei relevanten Förderrichtlinien berücksichtigt sehen. Das bedeutet, wir wollen unsere Gesellschaft, unsere Städte und Gemeinden und uns selbst dafür sensibilisieren, dass es neben den Autos, Bussen, Fahrrädern und Bahnen noch die Fußgängerinnen und Fußgänger gibt.

Ich glaube, das leistet dieser Antrag und bringt uns an dieser Stelle einen Schritt voran. Deshalb würde ich mich freuen, wenn wir diesen Antrag auch ohne Redezeit gemeinsam hier im Plenum beschließen könnten.