Protocol of the Session on May 4, 2022

Werte Damen und Herren! Mit der aktuell steigenden Inflation sind erneut niedrige Einkommen stärker belastet, da diese keine Möglichkeit haben, auf Rücklagen zurückzugreifen. Für viele Menschen bedeutet „Zeitenwende“, jeden Euro vor dem Einkaufen zweimal zu wenden. Die Antwort muss daher sein, zielgerichtet die niedrigen Einkommen zu schützen. Die gezielte Unterstützung durch die Bundesregierung kann jedoch keinen vollen Inflationsausgleich leisten. Löhne müssen entsprechend steigen, um die

Kaufkraft der Bürgerinnen und Bürger zu stabilisieren. Tarifgebundene Arbeitsverhältnisse geben den Beschäftigten planerische Sicherheit.

Meine Damen und Herren! Die Politik hat nach Vorstellung der genannten Zahlen und der außen- wie der innenpolitischen Bedrohung durch Feinde der Demokratie die dringende Verantwortung, einen sozialen Ausgleich herbeizuführen, um Härten abzufedern und sozialer Spaltung vorzubeugen. Soziale Sicherungssysteme sind dringend solidarisch umzubauen. Die Vorhaben der Ampel im Bereich der Kindergrundsicherung sind schnellstmöglich umzusetzen.

Auch steuerpolitisch müssen wir solidarische Antworten entwickeln, um notwendige Investitionen zu tätigen und Ungleichheiten auszutarieren. Die Besteuerung besonders hoher Vermögen ist eine Option, die erneut auf den Tisch muss. Die Pandemie verstärkt auch in Deutschland die Vermögenskonzentration. Während die Wirtschaft pandemiebedingt global einbrach, erweiterten die Superreichen bei uns ihr Vermögen auf 100 Milliarden Euro, was laut DIW ungefähr 3 % der deutschen Wirtschaftsleistung entspricht. Eine Besteuerung besonders hoher Einkommen wäre nach bündnisgrüner Position an Ausgaben im Bildungsbereich zu koppeln und käme damit direkt dem Abbau sozialer Spreizung zugute.

Vielen Dank.

(Beifall bei den BÜNDNISGRÜNEN, der CDU und der SPD)

Vielen Dank an Herrn Kollegen Liebscher für die BÜNDNISGRÜNEN. – Gibt es weiteren Gesprächsbedarf von den anderen Fraktionen? – Herr Gahler, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Was wir jetzt gehört haben, ist alles schön und gut, trifft aber gar nicht so die Realität. Ich nenne einmal einige Zahlen: 1 800, 2 800 und 3 800 Euro. Das sind unterschiedliche Bruttoeinkommen. Wenn wir die netto herunterrechnen, kommen wir auf 1 300, 1 800 und 2 300 Euro. Das heißt, immer, wenn ich 1 000 Euro mehr verdiene, werden mir 50 % davon genommen. Das heißt, Leistung lohnt sich aufgrund der Nebenkosten nicht, der Lohnnebenkosten, die uns abgezogen werden.

(Sabine Friedel, SPD: Das ist doch keine Frage der Leistung!)

Warum ist das so? – Weil die Krankenversicherungsbeiträge nicht sinken, sondern steigen. Warum ist das so? – Weil wir uns den Luxus leisten, dass wir mehr als 100 gesetzliche Krankenversicherungen haben, anstatt dies abzuschaffen und zu ändern, in eine gesetzliche Krankenversicherung. Die Kosten könnten sinken. Aber dieser Verwaltungsapparat wird nicht abgeschmolzen.

Dann zum 1. Mai: Wir hatten eine schöne Veranstaltung in Annaberg-Buchholz vom DGB. Das Wichtigste, was dort

gesagt wurde, war: Die Spitzensteuersätze müssen steigen, die Vermögensteuer soll wieder eingeführt werden.

(Zurufe von der SPD und den LINKEN)

Was bringt das? – Das bringt in dem Sinne erst einmal gar nichts, weil es erst rechtlich geklärt werden muss.

(Zurufe von den LINKEN und den BÜNDNISGRÜNEN)

Aber ich weiß, dass diejenigen, die jetzt überhaupt noch etwas haben, aufgrund der Inflation höhere Werte haben. Unter die Vermögensteuer fallen auch Grundstücke, und Grundstückspreise sind explosionsartig gestiegen. Was passiert dann? – Die, die noch etwas haben, müssen auch davon etwas abgeben, sprich: die kleinen Grundstückseigentümer, nicht nur die großen. Wenn das so ist, was passiert dann? – Wir haben die niedrigste Eigentumsquote in Europa, auch die würde noch sinken. Das kann nicht der Sinn der Sache sein.

Sie sagen, es sei eine wichtige Sache, dass wir die kleinen und mittleren Einkommen stärken.

(Zuruf der Abg. Sabine Friedel, SPD)

Was wir 2021 erlebt haben, dass die Gaspreise um 47 % gestiegen sind – da war noch kein Krieg. Das Heizöl ist um 41 % gestiegen, die Strompreise um 23 %. Das muss der kleine Verdiener auch bezahlen. Das hat nichts mit dem Krieg zu tun, und auf den wird alles abgewälzt. Aber die Fehlentwicklungen waren in der Vergangenheit: der Ausstieg aus der Atomenergie, der Ausstieg aus der Kohle usw. Das treibt die Preise.

(Beifall bei der AfD)

Die Wirtschaftsentwicklung ist doch von ganz anderen Dingen abhängig, und das war schon vor diesen Kriegshandlungen, die wir sehr verurteilen, so. Das muss ich noch einmal sagen. Allerdings: Wenn wir sehen, mit welcher Leichtigkeit 100 Milliarden Euro für Rüstung ausgegeben werden und nicht für Rentner, Kinder oder Kinderkrankenhäuser, muss man sich doch fragen, woran das liegt.

(Zuruf der Abg. Sabine Friedel, SPD)

Wenn ich höre, dass eine grüne Bundessprecherin eine Kriegssteuer einführen will, weil es schon eine Sektsteuer gibt und der Begriff belegt war, dann muss man sich überlegen: Wo sind wir denn? Noch mehr Steuern braucht keiner.

(Beifall bei der AfD)

Herr Dierks sagte: große Unternehmen der Zukunft ansiedeln. Warum entwickeln wir nicht eigene, hier vorhandene Unternehmen weiter? Warum wollen wir denn große Unternehmen von auswärts ansiedeln? Da wird doch wieder das Kapital von auswärts begünstigt. Wir sehen es in Brandenburg mit Tesla, eine Ansiedlung, die mit 100 Milliarden Euro gefördert wird, und dann haben wir die Probleme. Wir werden dann genauso reagieren müssen wie in Brandenburg, wo sie danach zum Beispiel Grundwasserprobleme haben. Aber das ist eine andere Sache.

(Zurufe von den LINKEN, den BÜNDNISGRÜNEN und der SPD)

Wir haben eine andere Betrachtung.

(Valentin Lippmann, BÜNDNISGRÜNE: Sie werfen uns Industriefeindlichkeit vor, wollen aber keine Industrie haben!)

Nein, nein. Wir wollen die Industrie – –

(Unruhe)

Wir wollen, dass die Unternehmer handeln können, aber das Problem ist: Die Unternehmer müssen genauso wie die Arbeitnehmer die Energiepreise bezahlen, und energieintensive Unternehmen, wie wir sie in Sachsen haben, können sich das bald nicht mehr leisten, egal, ob das eine Gießerei ist oder anderes. Aufgrund der höheren Preise haben sie das Problem, dass sie nachdenken müssen, ob sie Leute entlassen müssen, weil sie es sich nicht mehr leisten können.

Das andere ist: Warum betrifft es die kleinen und mittleren Einkommen in Ostdeutschland? Das liegt daran, dass die Führungspositionen nicht mit Ostdeutschen besetzt werden. Bei der letzten Ministerbesetzung haben wir es doch gesehen. Aus Ostdeutschland ist keiner gekommen, sondern es wurde jemand aus den alten Bundesländern.

(Zuruf des Abg. Henning Homann, SPD – Unruhe)

Deshalb ist es notwendig: Wir müssen unsere Leute wieder in Führungspositionen bringen. Dadurch werden auch die Einkommen gestärkt.

Damit bedanke ich mich.

(Beifall bei der AfD)

Das war Herr Gahler für die AfD-Fraktion. Ich sehe keinen weiteren Redebedarf von den Fraktionen, deshalb Frau Staatsministerin Petra Köpping, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Wir haben eine tiefgreifende Krise und einen tiefgreifenden Wandel. Heute früh hat mein Kollege Martin Dulig in seiner Fachregierungserklärung genau gesagt, wie der Iststand ist und was wir als Staatsregierung daraus machen wollen.

Ja, der Krieg in der Ukraine ist eine Zeitenwende. Ich fand es, ehrlich gesagt, heute ziemlich frappierend, immer wieder zu hören, mit welchen Dingen „Zeitenwende“ von bestimmten Abgeordneten verwendet wurde. Das ist einfach Unsinn. Zeitenwende bei einem Krieg in der Ukraine – ich glaube, das ist der richtige Begriff.

Wir stehen als Gesellschaft vor einer Vielzahl von Herausforderungen. Das ist doch völlig klar. Die Menschen werden älter. Das heißt, es werden weniger Menschen arbeiten. Der Klimawandel bedroht unsere Natur und die Lebensweise, und wir haben eine rasante technische Entwicklung,

die unser Leben grundlegend verändert, und mittendrin ist jeder einzelne Mensch mit seinen einzelnen Problemen. So viel Veränderung – da gebe ich Herrn Dierks sehr gern recht – erzeugt auch Chancen. Aber sie erzeugt bei den Menschen auch Unsicherheiten und Ängste.

Corona – eine Krise; Krieg – eine Krise. Zukunftsaufgaben stellen unsere Gesellschaft wirklich auf eine harte Probe. Der Sozialstaat und der innere Frieden, da besteht ein enger Zusammenhang; das hat Henning Homann noch einmal ganz deutlich gesagt.

Martin Dulig hat heute früh von den gewaltigen Aufgaben gesprochen, die unserer Wirtschaft bevorstehen. Er hat auch seine Pläne und sein Handeln vorgestellt. Ohne es explizit sagen zu müssen: Alle seine Maßnahmen dienen dem Erhalt von Arbeitsplätzen. Sie haben gerade kritisiert, dass dafür niemand etwas tun würde. Da muss man wirklich einfach einmal zuhören, was hier vorgestellt wird.

Wandel wird es geben. Aufgabe der Politik ist es, diesen Veränderungen einen Rahmen zu geben, damit die Menschen sich darin nicht verlieren. Hier greift der Sozialstaat – was Sie vonseiten der AfD offensichtlich anders definieren. Wir müssen den anstehenden Wandel mit Versprechen für soziale Sicherheit begleiten. Das ist die Aufgabe, die wir haben.

Der Ukraine-Krieg stellt Gewissheiten infrage und zeigt die Wichtigkeit von Frieden. Äußerer Frieden spielt dabei eine wesentliche Rolle, weil er zu sozialer Sicherheit führt. Umgekehrt ist der innere Frieden aber genauso wichtig.

Bereits 2020 habe ich in einer Fachregierungserklärung dargestellt, dass viele Menschen von Unsicherheit, teils von Ängsten vor einem Abstieg und der Bedrohung des sozialen Friedens gesprochen haben. Die jüngste AllensbachStudie ist beunruhigend. 45 % der Ostdeutschen scheinen der Meinung zu sein, wir würden in einer Scheindemokratie leben, in der die Bürgerinnen und Bürger nichts zu sagen hätten. Deshalb ist es unsere Aufgabe, hier Vertrauen aufzubauen. Vertrauen aufbauen ist eine Aufgabe, die Politik, Institutionen und eben der Staat leisten müssen. Das ist unser aller Sache, nicht nur die Aufgabe von Einzelnen.

Der Sozialstaat ist dabei ein wichtiger Rahmen und sorgt für verlässlichen Schutz und gesellschaftlichen Zusammenhalt gerade in dieser Zeit der Krisen. Sozialstaat muss Sicherheit geben, insbesondere soziale Sicherheit. Aber auch der Sozialstaat selbst muss Vertrauen zurückgewinnen. Die Ampelkoalition setzt dafür wichtige Ideen um; eine der Ideen ist heute mehrfach angesprochen worden: das Thema Mindestlohn. Der Sozialstaat ist nicht nur ein Instrument für Hilfsgelder, sondern der Sozialstaat muss vorausschauend gedacht und gemacht werden.

Es gibt viele Menschen mit kleinen Gehältern, die keine Sozialleistungen beziehen und die wirklich stolz darauf sind, dass sie keine Sozialleistungen beanspruchen müssen. Sie schnallen deshalb eher den Gürtel enger, als Leistungen zu beantragen. Genau sie brauchen und verdienen unseren Schutz.

Sozialstaat heißt aber auch: Prävention. Zu niedrige Löhne bedeuten spätere Altersarmut – und damit auch Sozialleistungen. Mit einem Mindestlohn von 12 Euro wird ein Versprechen eingelöst. Damit geht – auch das will ich noch einmal sagen; Kollege Homann hat es bereits erwähnt – auch mehr Respekt für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einher. Die Zahlen zum Mindestlohn sind alle genannt worden.

Ein weiterer Schritt ist das Bürgergeld. Wie oft wurde Hartz IV kritisiert und wurde postuliert, es müsse überwunden werden. Das geschieht jetzt. Hubertus Heil hat ein wichtiges Projekt auf den Weg gebracht, nämlich dieses Bürgergeld.

Sicherheit in Corona-Zeiten: Während der Coronakrise hat der Staat gezeigt, dass wir vielen Bürgerinnen und Bürgern mehr Sicherheit in dieser Zeit gegeben haben. Zugegeben: nicht allen, aber sehr vielen Bürgern. Bund und Länder haben mit wichtigen Unterstützungsprogrammen gearbeitet: Kurzarbeitergeld, Sozialbereich, Corona-Schutzschirm, verschiedenste Programme, auch finanzielle Unterstützung in schweren Lagen, Aufholen nach Corona, viele Einzelprojekte in der Schulsozialarbeit, aber eben auch die Jugendpauschale, Riester-Programme oder die Aufstockung der Programme von „Frühe Hilfen“ sowie Unterstützungsleistungen für viele Familien mit kleinerem Einkommen, um nur einige zu nennen.