Protocol of the Session on March 20, 2013

Ich würde mich freuen, wenn Sie sich in Zukunft wenigstens bemühen würden, eine Frage zu stellen und nicht eine Anmerkung zu machen. Weil Sie wissen, dass Sie genau dort, wo die Entscheidungen in dieser Frage fallen, niemals hinkommen, geht es Ihnen ein Stück weit um Ihr Vermächtnis. Natürlich beteilige ich mich gerne an diesem Nachruf.

Meine Damen und Herren, der Kollege Hilberer hat ausgeführt, dass sich das Gesetz gewandelt hat. Wir begrüßen das sehr. Es hat sich sehr stark gewandelt im Diskussionsprozess, dass Kleinsttextteile und insbesondere das einfache Posten von einem Link in sozialen Netzwerken, in Twitter, eben davon nicht erfasst sind. Das Ehrenamtliche, das Nichtkommerzielle ist davon nicht erfasst, und das muss man laut sagen. Wenn Sie Angst schüren, dann tun Sie das aus einem einfachen und ganz billigen politischen Kalkül. Es trifft nicht zu, was Sie sagen, denn diese Form der Informationsfreiheit und Informationsweitergabe wird von diesem Gesetz nicht erfasst.

Was das Gesetz allerdings erfasst, sind Nachrichten-Aggregatoren, die vorhandene verlegerische Leistungen, die sehr teuer in der Erstellung sind, ausnutzen, indem die Dienste kostenlos, zu einem nicht vorhandenen Preis zur Verfügung gestellt wer

(Abg. Hilberer (PIRATEN) )

den und somit nach und nach die verlegerische Leistung an Wert verliert. Deshalb ist es ein Problem in der heutigen Zeit, dass wir zunehmend eine Aushöhlung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Verlage erleben. Dabei gab es nicht nur Probleme bei der Frankfurter Rundschau oder bei der Financial Times Deutschland, das ist nur die Spitze des Eisbergs. Wir erleben seit Jahren eine zunehmende Konzentration auf dem Zeitungsmarkt, ein Zusammenlegen von Redaktionen und damit einhergehend ein zunehmendes Aushöhlen des Instituts der freien Presse. Das ist das Problem, über das wir reden. Wir reden darüber, wie es auch in Zukunft in diesem Land einen Qualitätsjournalismus, eine freie Presse geben kann, die auch den Anforderungen von Artikel 5 GG Genüge tut. Das ist die Frage, über die wir reden, und das ist genau das, worum es auch in diesem Gesetz geht.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Weil der private Bereich rausgenommen worden ist damit gehe ich genau auf das ein, was Sie gesagt haben -, gibt es durchaus einen Graubereich mit der Frage, wann ein Blog eine kommerzielle Veranstaltung ist, wann daraus so viel Umsatz und Einnahmen generiert werden, dass wir hierbei von einem ausgeführten und eingerichteten Gewerbebetrieb sprechen können. Es sind eben nicht die Kleinstanzeigen, die letztlich zur Refinanzierung der Webpräsenz da sind. Es sind vielmehr die ausgeführten und eingerichteten Gewerbebetriebe, die auch tatsächlich solche Erträge erzielen, dass sie sich die Frage stellen, wie sie es schaffen, Rechtssicherheit für die Leistung zu bekommen, die jemand anderes erstellt hat.

Das kreative Potenzial, das von diesen mitgenutzt wird, muss letztlich auch mit vergütet werden. Genau das schafft das Gesetz, indem eben Rechtssicherheit geschaffen wird auf der einen Seite für die kommerziellen Anbieter und auf der anderen Seite für die Nutzer, dass diese Artikel weiterhin kostenlos zur Verfügung stehen. Denn es geht hierbei auch um einen fairen Ausgleich der Interessen der Urheber und mit ihnen der Verlage auf der einen Seite und der Internetnutzer auf der anderen Seite, die zu Recht erwarten, dass es eine frei verfügbare Information im Netz gibt. Das ist der Ausgleich, über den wir reden, und das ist der Ausgleich, bei dem es eben auch darum geht, dass künftig der Wert der geistigen Erstellung, der Schöpfung von Werken nicht völlig unterminiert wird.

Insofern sprechen Sie eine Frage in Ihrem Antrag durchaus zu Recht an, wie es nämlich gelingen kann, dass das, was die Verlage an Mehrerträgen schaffen, auch dort, also beim Urheber, ankommt. Das ist eine berechtigte Frage. Sie ist aber letztlich auch dort genauso wie andere Begriffe Teil des Urheberrechts, das eine angemessene Vergütung vor

sieht. Daher stellt sich im Grunde genommen das Problem, dass die Angemessenheit sehr wohl eine Frage ist, wo auf dem Verhandlungsweg oder auch oft auf dem gerichtlichen Weg genau das festzustellen ist. Es ist nicht nur die Aufgabe von Journalistenverbänden, dies im Rahmen des Gesetzes einzufordern, sondern es ist eben auch eine Aufgabe von Gewerkschaften und Journalistenverbänden, dafür Sorge zu tragen, dass das Geld dorthin kommt, wo es auch hinkommen soll, nämlich zu den Journalisten und den Verbänden.

Sie sagen, es geht darum, die Meinungsfreiheit und die Informationsfreiheit zu sichern. Ich habe deshalb deutlich gemacht, dass die Meinungs- und Informationsfreiheit im Institut der freien Presse dringend Verlage benötigt, die wirtschaftlich in der Lage sind, auf der einen Seite Qualitätsjournalismus anzubieten und auf der anderen Seite all jenen, die Informationen im Internet anbieten, eine Rechtssicherheit, dass sie eben nicht abgemahnt werden. Insofern bietet dieses Gesetz genau all jenen Privaten, aber auch jenen Kommerziellen - die meisten Kommerziellen wissen sehr genau, dass sie kommerziell sind die Möglichkeit, über ein Leistungsschutzrecht die entsprechenden verlegerischen Leistungen zu nutzen.

Es gäbe im Übrigen noch ein anderes Instrument, das ist das Instrument des unlauteren Wettbewerbs. Das würde eben genau diese Sperre vorsehen. Das ist genau das Gleiche. Diese Sperre wäre möglich vonseiten der Verlage selbst, indem sie sagen, sie möchten nicht mehr bei Google erscheinen. Aber genau das wäre sozusagen die Verhinderung. Genau das, was Sie letztlich fordern, ist die Verhinderung des freien Informationsflusses. Sie sagen nämlich den Verlagen: Schaltet eure Webseiten und eure Informationsangebote ab. Genau aus diesem Grund lehnen wir Ihren Antrag ab.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Herr Hilberer, Sie haben einen grundsätzlichen Antrag und ein grundsätzliches Problem. Dieses grundsätzliche Problem muss benannt werden. Ihr grundsätzliches Problem ist: Sie haben ein gestörtes Verhältnis zu geistigem Eigentum. Das ist das Grundfundament der PIRATEN: ein gestörtes Verhältnis zu geistigem Eigentum.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Ich darf an dieser Stelle einen Satz aus dem von Ihrer Bundespartei mit Unterstützung durch Ihre Landespartei verabschiedeten Programm wiedergeben. Sie reden von einem veralteten Verständnis des sogenannten geistigen Eigentums. Sie reden auch nicht über die Frage, wie man Urheber im Sinne einer Verstärkung ihrer materiellen Basis stärker herausheben kann. Sie reden alleine von der immateriellen. Die Liebe und das Geld sind die beiden Punk

(Abg. Conradt (CDU) )

te des Urheberrechts. Meine Damen und Herren, wir reden an dieser Stelle über das Geld, damit es auch Qualitätsjournalismus gibt. Sie wollen das Urheberpersönlichkeitsrecht nach vorne stellen. Das ist die Seite der Liebe. Das ist vielleicht romantisch, aber es führt am Ende nur dazu, den Konzerninteressen von Google & Co. zu dienen. Das ist der Punkt.

Sie machen noch etwas viel Weitergehendes. Sie stellen diejenigen an den Pranger, die Urheber sind, denn Sie sagen: Jeder greift bei der Schaffung eines Werkes in erheblichem Maß auf den Schatz öffentlicher Schöpfungen zurück. Sie reden davon, dass dieser Schatz zurückgeführt werden soll. Sie sagen also nichts anderes, als dass jeder Urheber letztlich gar kein echter Urheber ist; er missbraucht vielmehr nur die Schöpfungen von anderen und ist insofern gar kein Urheber. Sie reden genauso weiter über die Abkommen, die in hohem Maße unsere Industrie und unsere gesamte Wirtschaft schützen, nämlich das Gewerberecht und das Patentrecht. Über 80 Prozent unserer Gesamtwertschöpfung basiert auf Wissen und geistigem Eigentum. Genau diese wirtschaftliche Basis unseres Landes greifen Sie an, wenn Sie nicht nur das Leistungsschutzrecht, sondern auch das Patentrecht kritisieren. Sie haben ein gestörtes Verhältnis zu geistigem Eigentum.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Deshalb ist die Frage, ob Ihr Schlachtruf letztlich nichts anderes ist als der Schlachtruf „Junkerland in Bauernhand“. In welcher Tradition stehen Sie? Stehen Sie in der Tradition eines John Locke, für den Eigentum ein natürliches Recht und die Voraussetzung für die menschliche Existenz war? Stehen Sie in der Tradition der Erklärung der Menschenrechte der UNO, wonach jeder das Recht auf Eigentum hat?

(Sprechen bei der LINKEN.)

Niemand darf willkürlich seines Eigentums beraubt werden. Nein. Sie stehen für Willkür. Selbst für Jean-Jacques Rousseau war das Eigentum als das heiligste aller Bürgerrechte in gewissen Beziehungen noch wichtiger als die Freiheit.

(Sprechen.)

Sie stehen nicht auf der Seite des Eigentums. Das haben Sie klargemacht. Sie haben heute klargemacht, Sie stehen letztlich für das - um es anders herum zu sagen -, was ich die Legalisierung geistigen Diebstahls nenne. Sie haben heute deutlich gemacht, dass es zu Ihrem großen Schatz gehört, am Volkstrauertag öffentlich zu tanzen, wahrscheinlich in Volltrunkenheit.

(Sprechen.)

Eine weitere wesentliche Forderung Ihrer Partei ist die Legalisierung von harten Drogen. Ich bin wenig

stens froh, dass nur der Gründer der schwedischen PIRATEN-Partei und nicht die deutschen PIRATEN auch noch die Legalisierung von Kinderpornografie fordern.

(Lautes Sprechen.)

Meine Damen und Herren, das ist ein politischer Abgrund. Das ist ein politisches Geisterschiff, das die PIRATEN hier anführen. Es ist bemerkenswert, dass die GRÜNEN auf dieses Geisterschiff springen. Ich möchte es selber gar nicht bewerten. Ich möchte nur eine Überschrift und ein Mitglied von Ihnen wiedergeben. Es ist eine Überschrift aus der Welt: „DigitalSozialismus - Der intellektuelle Konkurs der PIRATEN-Bewegung“. Ein Mitglied von Ihnen hat gesagt: Wir machen uns alle lächerlich. Ich glaube, mehr kann man zu Ihnen nicht sagen. - Vielen Dank.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Das Wort hat nun der Abgeordnete Prof. Dr. Heinz Bierbaum von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich würde gerne zu dem Inhalt des Antrages zurückkommen und habe nicht die Absicht, eine Grundsatzauseinandersetzung mit der Position der PIRATEN zu führen.

(Beifall bei der LINKEN.)

Ich halte dies angesichts dieses Gesetzes für völlig übertrieben, weil es im zentralen Punkt nicht um die Frage des Urheberrechts geht. Sie wird so gut wie überhaupt nicht angesprochen. Ich weiß sehr wohl, dass es einen generellen Konflikt gibt - ein sehr ernsthafter Konflikt -, was die Themen Urheberrecht, geistiges Eigentum und dergleichen angeht. Es betrifft auch die materielle Basis von Autoren, Künstlern und dergleichen. Das will ich ausdrücklich betonen. Das halte ich für ein außerordentlich ernstes Anliegen. Wir haben sicherlich Differenzen zu Positionen, wie sie auch von den PIRATEN vertreten werden. Ich sage das, damit es ganz klar ist.

Eines ist aber auch klar: Das Leistungsschutzrechtsgesetz in seinem jetzigen Entwurf eignet sich überhaupt nicht dafür, diese Grundsatzauseinandersetzung zu führen. Das können wir an anderer Stelle tun. Hier müssen wir ganz einfach fragen: Ist ein solches Schutzrecht überhaupt notwendig oder nicht? Es ist darauf hingewiesen worden, dass schon heute die Möglichkeit besteht, den Suchmaschinen verweigern zu können, darauf zuzugreifen. Das ist möglich.

Eines möchte ich in dem Zusammenhang deutlich machen. Der Kollege Conradt hat sehr stark die Interessen der Journalisten herausgestellt. Es ist aber etwas merkwürdig, dass sich der Deutsche Journa

(Abg. Conradt (CDU) )

listen-Verband gegen dieses Gesetz ausspricht und zwar deswegen, weil er meint, dass mit diesem Gesetz die Urheberrechte gar nicht groß erwähnt und die Leistungen der Journalisten nicht genügend gewürdigt werden. Es betrifft alleine das Verlagsinteresse. Es wird nicht deutlich gemacht, dass die Grundlage des Verlages die Leistung der Journalisten ist. So weit zur Argumentation des Journalistenverbandes. Damit wird deutlich, dass es von der Berufsgruppe, die Sie, Herr Conradt, besonders angesprochen haben, keineswegs eine Zustimmung zu diesem Gesetz gibt. Von daher halten wir es für fragwürdig, ob das Schutzrecht durch dieses Gesetz überhaupt notwendig ist. Wir kommen zu der Auffassung, dass es in der Form, wie es heute vorliegt, nicht notwendig ist.

(Beifall bei der LINKEN.)

Es gibt ein zweites großes Problem. Dieses Gesetz hat, wenn Sie die Diskussion verfolgen, zu erheblichen Unsicherheiten geführt. Man findet seitenweise die Frage, ob es überhaupt allen Verlagen nützt oder nur den großen Verlagen. Außerdem gibt es die Frage des Zitatrechts. Das ist auch angesprochen worden. Das ist ein Punkt, der unterschiedlich diskutiert wird. Der zentrale Einwand ist der - das kann man nicht ganz von der Hand weisen -, dass dieses Gesetz unter anderem dazu führt, dass die Kommunikationsfreiheit eingeschränkt wird. Das ist das große Problem, das wir sehen. Deswegen sind wir der Auffassung, dass dieses Gesetz in der vorliegenden Form nicht geeignet ist, die Interessen zu verteidigen, die Sie dargestellt haben. Vielmehr muss es in dieser Form verändert beziehungsweise abgelehnt werden.

Um es auf den Punkt zu bringen und keine Grundsatzauseinandersetzung zu führen, unterstützen wir bezogen auf dieses Gesetz deswegen die PIRATEN in der Richtung, dass eine entsprechende Initiative im Bundesrat eingebracht wird, damit genau diese Gefahren, die hiermit verbunden sind, angegangen werden. In dieser Richtung ist es im Antrag formuliert. Ich bitte darum, dass es auf diesen Kreis reduziert wird und dass wir nicht anhand einer solchen Geschichte eine Grundsatzdiskussion hochziehen, die ich in der Form, wie sie hier dargestellt wurde, für völlig überzogen halte. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN.)

Vielen Dank, Herr Prof. Dr. Bierbaum. - Das Wort hat nun Hubert Ulrich, Fraktionsvorsitzender von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Die SPD will nicht reden, dann bin ich dran. Einverstanden. - Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten

Damen und Herren! Kollege Conradt, ich muss Ihnen sagen, ich habe mich eben etwas fremdgeschämt bei dem, was Sie am Ende Ihres Redebeitrages im Zusammenhang mit der Kinderpornografie gebracht haben. Das meine ich ernst. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Das ist ein sehr ernstes Thema. Als Vertreter einer anderen Fraktion sage ich: Sie wissen ganz genau, dass keiner von den PIRATEN, der hier sitzt und auch andere, eine solche Forderung erhebt. Dann zu sagen, als Nächstes würden die PIRATEN noch für Kinderpornografie eintreten, das tut man nicht. Dafür sollten Sie sich bei den PIRATEN entschuldigen. Das gebietet der Anstand im Plenum.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Abg. Conradt (CDU) mit einer Zwischenfrage: Herr Kollege Ulrich, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass ich gesagt habe, ich sei froh, dass sie zumindest nicht die Forderung erheben - im Gegensatz zum Vorsitzenden der PIRATEN-Partei in Schweden -, dass es legalisiert werde? Das ist etwas ganz anderes. Ich habe gesagt, ich bin froh, dass sie das nicht tun.

(Abg. Prof. Dr. Bierbaum (DIE LINKE) : Das ist einfach nur eine subtilere Form der Diskreditierung. - Abg. Spaniol (DIE LINKE): Das gehört nicht hierher. Das ist doch lächerlich. - Weitere Zurufe von den Oppositionsfraktionen.)

Sollte dies allerdings missverständlich sein, nehme ich die Bemerkung gerne zurück. Sollte es weitergehen, würde ich mich dafür entschuldigen. Okay?

(Vereinzelt Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)