einem sprunghaften Anstieg der Nutzung kann also gar keine Rede sein, schon eher davon, dass während der verordneten Einschränkungen mehr zu Fuß gegangen worden ist.
45 % aller Verkehrswege allerdings wurden immer noch mit dem Pkw zurückgelegt. Vorher war es weniger; das ist richtig. Aber viele Pendler stiegen vom ÖPNV auf das Auto um, und daran wird sich auch in Zukunft wenig ändern; denn Busse und Bahnen werden in Zeiten von Corona und nach einer möglichen zweiten Welle aus Sorge vor Infektionen weiterhin gemieden werden.
Nach einer deutlichen Delle im Frühjahr erreichten die Zulassungszahlen für Pkw im Juli bei einigen Herstellern fast das Vorjahresniveau. Ein bayerisches Motorenwerk konnte sogar mehr Fahrzeuge absetzen als 2019. Einzelne Kleinwagen- und Mittelklassemodelle, aber auch Transporter fanden ganz entgegen dem Trend - mehr Käufer als im letzten Jahr.
- Ich komme gleich zu dem Punkt. - Dabei wurden alle Antriebsmodelle nachgefragt, Verbrenner, Hybrid und Elektro. - Das passte so gut zu Ihren Ausführungen, Herr Dr. Tietze, was die Verkaufszahlen für Fahrräder angeht. Das gilt eben auch für manche Autos.
Die immer wieder propagierte Verkehrswende bleibt also auch trotz Corona reines Wunschdenken, da ein Rückgang des Autoverkehrs nicht absehbar ist und das Fahrrad nach wie vor kein Bestandteil des Massenverkehrs ist, von einzelnen Großstädten einmal abgesehen, in denen das Liniennetz des ÖPNV sehr dicht ist. Es ist deshalb vollkommen illusorisch, in Schleswig-Holstein darauf zu setzen, dass das Fahrrad im Berufsverkehr eine Alternative zum Auto werden könnte. Denken Sie einfach einmal ein paar Wochen weiter. Wenn sich das Wetter ändert, wird sich noch einmal einiges Richtung Auto ändern.
Viele Berufspendler seien angeblich auf das Fahrrad umgestiegen. „Viele“, was heißt das? Wird das irgendwo nachgewiesen? Das glaube ich, ehrlich gesagt, nicht. Die Statistik spricht eine andere Sprache. Zudem haben die Radwege in den Städten auch nicht die Aufgabe, den Autoverkehr zu ersetzen, sondern sie bilden nur eine Ergänzung der Infrastruktur. Es soll hier bitte nicht darum gehen, einzelne Mobilitätsformen gegeneinander auszuspielen. Das hatte Herr Kollege Richert auch erwähnt.
Aber - jetzt komme ich zum positiven Teil - wirkliche Perspektiven für das Fahrrad gibt es in Schleswig-Holstein vor allem im Bereich des Tourismus. Hier liegen daher auch die Schwerpunkte der Radstrategie, die wir als AfD gerne unterstützen. Nach wie vor muss das Radwegenetz im Land ausgebaut werden, da Landesstraßen nur zu 64 % und Kreisstraßen lediglich zu 41 % mit Radwegen ausgestattet sind. Die Nutzung von Straßen, die nicht über Fahrradwege verfügen - das ist bei mir in Ostholstein auch der Fall -, stellt für die Radfahrer oft ein hohes Risiko dar, und das zieht auch leider die Touristen, die wir an der Küste in Unmengen haben, nicht ins Binnenland. Das ist leider ein großes Problem. Herr Minister hat auf meine Anfrage hin darauf hingewiesen, dass natürlich der Baumbestand leiden müsste, wenn man mehr Radwege baut. Also muss man eben abwägen, was man will.
Wir begrüßen es, dass die für die Radstrategie zur Verfügung stehenden Mittel zunächst mit einem besonderen Schwerpunkt auf den Radwegeausbau eingesetzt werden sollen. Die Investition in Radwege ist grundsätzlich richtig und hat das Potenzial, den Binnentourismus weiter nach vorne zu bringen. Deswegen unterstützen wir die Radstrategie insgesamt. Das ist ein ganz richtiger und wichtiger Schritt in diese Richtung.
Von den insgesamt sieben Handlungsfeldern im Aktionsplan befürworten wir daher vorrangig die Weiterentwicklung des Radverkehrsnetzes, die Verbesserung der Qualität der Radwege sowie neben dem Ausbau der Radfernwege die Förderung radtouristischer Angebote.
Dass Schleswig-Holstein zu den Top 3 im Radtourismus gehören soll, ist sehr ambitioniert, aber ein sinnvolles Ziel, das wir auch sehr gerne unterstützen. Entscheidend ist und bleibt, dass SchleswigHolstein seine Potenziale im Radverkehr mit den richtigen Schwerpunkten nutzt. Diese Schwerpunkte liegen aus unserer Sicht ganz klar im Tourismus. Dem Antrag insgesamt können wir trotz einiger Abstriche gerne zustimmen. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste! Der Wirtschaftsminister ist angetreten, dem Fahrrad eine bessere Infrastruktur zur Ver
fügung zu stellen. Das ist lobenswert, und mit der Einbindung verschiedenster Gruppen von Akteuren ist seinem Haus tatsächlich ein großer Wurf gelungen.
- Mit der Einbindung. - Wenn Expertise zusammengeführt wird, kommt meistens etwas Sinnvolles dabei heraus. Die Erkenntnisse im BYPAD-Verfahren sind beileibe nicht neu, aber sie wurden auf eine transparente Weise diskutiert und zusammengestellt. Es ist jetzt am Wirtschaftsministerium, die Vorschläge und Prioritäten umzusetzen.
Ich habe mir erlaubt, das Wort „Strategie“ im Duden nachzuschlagen. Von einem genauen Plan des eigenen Vorgehens ist da die Rede, der dazu diene, das politische Ziel zu erreichen.
Schauen wir uns einmal die konkreten Maßnahmen an, die diese Strategie umsetzen sollen. Genannt werden Prüfung, Bericht, Errichtung von Fahrradbügeln, Netzplanung, Runder Tisch, SelfserviceStationen und eine Mängel-App. Aus dieser Liste erschließt sich die Strategie nicht unmittelbar. Dabei sind die Voraussetzungen doch gar nicht so schlecht.
Mit den elektrisch unterstützten Fahrrädern erschließen sich gerade jetzt ganz neue Distanzen, Wegemöglichkeiten und geografische Landschaften. Das Rad ist als Fortbewegungsmittel beliebter als je zuvor. Ohne Pedelec die Hänge der Flensburger Förde zu erklimmen, ist ganz schön sportlich. Mit einem E-Bike ist das aber auch eher untrainierten Menschen möglich geworden. Der Weg von und zur Arbeit ist mit diesem Gefährt eine gesunde und ökologische Alternative.
Daraus resultiert aber auch eine wachsende Erwartungshaltung, was den Zustand der Radinfrastruktur angeht. Doch nicht einmal die Instandhaltung der bestehenden Radwege ist gewährleistet. Das belegt die Umfrage der „Husumer Nachrichten“, deren Leserinnen und Leser im Handumdrehen ein Dutzend schlimme Radstrecken nannten.
Auf Nordstrand verunglückte eine Frau in einem Elektrorollstuhl, weil der Radweg durch Wurzelaufbrüche marode ist. Dessen Sanierung liegt in weiter Ferne; denn der Kreis Nordfriesland hat schon vor Jahren im Rahmen der Haushaltskonsolidierung beschlossen, dass Fahrradwege an Kreisstraßen nur dann saniert werden, wenn die betroffenen Gemeinden den Eigenanteil übernehmen. Das können sich die kleinen Gemeinden aber oft nicht leisten. So
Ein weiteres Beispiel aus dem Kreis RendsburgEckernförde: Dort ist der Radweg von Borgstedt nach Schirnau erneuert worden, bis Holtsee geht es dann aber auf 50 cm Breite weiter. Das ist für Ortsunkundige eine böse Überraschung und ziemlich gefährlich.
Der Wirtschaftsminister verweist auf die Kommunen. Er hat ihnen angeboten, die Hälfte der Planungs-, Bau- und Grunderwerbskosten zu übernehmen. Die Kommunen haben abgelehnt. Das Geld fehlt sogar für die Vorarbeiten; Finanzmittel für einen Ausbau sind nicht vorhanden.
Darum müssen wir die Gemeinden ganz gezielt unterstützen. Der vorliegende Änderungsantrag ist dafür ein erster Ansatz. Es geht um die Unterstützung der Gemeinden nicht nur beim Neubau, sondern auch und gerade bei der Instandhaltung. Hieran hapert es besonders. Die Gemeinden wissen nämlich ganz genau, wo ein Radweg zu schmal oder durch Wurzelaufbrüche quasi nicht mehr nutzbar ist. Sie kennen ihre Stadt gut, haben aber nicht die nötigen Mittel zur Sanierung. Das wollen wir ändern, damit die Zahl der Schilder, die vor schadhaften Radwegen warnen, nicht noch weiter anwächst.
Eine Strategie, die die Menschen langfristig zum Umsteigen aufs Rad bewegen will, muss über die Instandsetzung hinaus den Ausbau des Radnetzes in Angriff nehmen. Auch hierbei geht es viel zu schleppend voran. Im Fahrradportal des Bundeswirtschaftsministeriums wurden im März die Neubauprojekte der einzelnen Bundesländer aufgelistet. Schleswig-Holstein: Fehlanzeige. Die Gründe sind neben fehlendem Geld auch die Strukturen. So gibt es keine gemeindeübergreifende Planung in Schleswig-Holstein; Radwege enden im Nichts.
Auch RAD.SH kann wohl kaum dieses Vakuum füllen. Es gibt keine flächendeckende Möglichkeit der Fahrradmitnahme im öffentlichen Nahverkehr. Die Schulwege rangieren beim Radwegebau nicht ganz oben.
Die Liste der Probleme und Baustellen könnte ich fortsetzen. Grundsätzliche Strukturverbesserungen sind auch mit der Radstrategie noch nicht zu erkennen. Aber zumindest bekommen wir bald 10.000 neue Fahrradbügel. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Lieber Herr Dirschauer, die Destruktivität, die Sie zuletzt an den Tag gelegt haben, als Sie sagten, wir brauchten nur Fahrradbügel, kann man nicht so stehen lassen.
Ich habe ja deutlich gemacht, dass ich Ihren Antrag teile. Ich verstehe allerdings nicht, warum sich der SSW nun um die Städte und nicht um den ländlichen Raum kümmert, da es auch touristische Radwege gibt. Mich hat das gewundert. Sie werden Ihre Gründe haben. Wahrscheinlich müssen Sie das im ländlichen Raum, in Nordfriesland und in Schleswig-Flensburg, einmal selbst erklären.
Was mich aber ärgert, ist, dass Sie nicht zur Kenntnis nehmen, dass wir über den Kommunalpakt 20 Millionen € in die kommunalen Radwege hineingeben.
Jetzt können Sie sagen, das reiche nicht. Dann können wir gern darüber diskutieren, aber so zu tun, als täten wir nichts, kann ich Ihnen an dieser Stelle leider nicht durchgehen lassen. - Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollege Dirschauer, nachdem der Kollege Dr. Tietze einiges zur Finanzierung und zur Struktur gesagt hat, möchte ich noch etwas zur Strategie sagen.
Sie haben gesagt, aus den Punkten unseres vorliegenden Antrags könnten Sie die Strategie nicht erkennen. Das glaube ich Ihnen sogar. Dies sind ja auch nur einzelne Punkte aus der Gesamtstrategie. Die Gesamtstrategie ergibt sich aus dem Gesamtpapier. Da ich an Ihrer Rede erkennen konnte, dass Sie mit der Gesamtstrategie im Einzelnen nicht ver
traut sind, verspreche ich Ihnen, dass ich mich stark dafür mache, dass das Ministerium sie Ihnen zusendet. Danach können Sie ja Ihre Kritik relativieren. Danke.
Für die Landesregierung hat der Minister für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus, Dr. Bernd Buchholz, das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ja, diese Landesregierung hat sich vorgenommen, Schleswig-Holstein zu einem fahrradfreundlicheren Land zu machen.
Lieber Kollege Vogel, lassen Sie mich sagen, das war auch nötig angesichts der Tatsache, dass zusammenhängende Konzepte für das Thema Fahrradfahren in Schleswig-Holstein seit dem Jahr 1998, als das letzte Konzept für ein fahrradfreundliches Schleswig-Holstein entstanden ist, in diesem Land nicht mehr entstanden sind, auch nicht in Ihrer Regierungszeit.