Protocol of the Session on September 23, 2020

Die aktuelle Diskussion, die in Deutschland geführt wird, ist dabei wenig hilfreich. Nicht einer derjenigen, die heute fordern, der Beitragserhöhung die Zustimmung zu versagen, vermögen überzeugend darzulegen, dass die Ermittlung des Finanzbedarfs des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch die KEF in irgendeiner Weise fehlerhaft gewesen ist.

Ministerpräsident Haseloff versuchte mit seiner Blockadehaltung im Frühjahr dieses Jahres scheinbar eine Gemeinschaftseinrichtung der ARD in das eigene Bundesland zu bekommen, wobei offenbleibt und sogar angezweifelt werden muss, ob der Landtag und insbesondere seine eigene Fraktion der Beitragserhöhung dann auch zustimmen würde. Im Augenblick jedenfalls scheinen Teile der CDU in Sachsen-Anhalt generell der Beitragserhöhung nicht zustimmen zu wollen, und sie machen dann auch noch gemeinsame Sache mit der Linken. Andere argumentieren, dass die Folgen der Coronakrise der Beitragserhöhung entgegenstehen würden. Es wäre dem Bürger gegenwärtig nicht zumutbar, jetzt auch noch höhere Rundfunkbeiträge hinzunehmen, wobei diese natürlich erst im Jahr 2021 kommen würden.

Das sind alles Argumente, die mit dem verfassungsrechtlichen Anspruch unserer Rundfunkanstalten überhaupt nichts zu tun haben.

(Beifall FDP)

Die Rundfunkanstalten, meine Damen und Herren, haben einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf eine auskömmliche Finanzierung, und das haben wir zu beachten, wenn wir über die Rundfunkbeitragserhöhung hier und heute beschließen werden.

Wenn wir also die Rundfunkbeiträge in irgendeiner Weise absenken oder auch nur einfrieren wollen, müssen wir an den Rundfunkauftrag und die Struktur. Wir Bundesländer haben die Möglichkeit, über

den Rundfunkstaatsvertrag diesen zu gestalten und im Einzelnen festzulegen, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunkauftrag künftig ausgestaltet werden soll. Das sollte auch von den Politikern verstanden werden, die jetzt lautstark das Einfrieren oder das Absenken der Beiträge aus sachfremden Erwägungen fordern.

(Beifall FDP)

Meine Damen und Herren, ich fordere all diejenigen, die sich gegen die Beitragserhöhung stellen, aber auch alle übrigen Medienpolitiker auf, die für eine Beitragssenkung notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, die auch einer verfassungsrechtlichen Überprüfung standhalten.

Wenn wir es ernst damit meinen, dann sollten wir gemeinsam den Rundfunkauftrag und die Strukturen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks reformieren und das Angebot auf eine neu zu bestimmende Grundversorgung beschränken.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Stegner?

Herr Kollege Rossa, was Sie ausführen, ist so ein bisschen das Gegenteil zu dem, was der Ministerpräsident ausgeführt hat, was die eigentliche Notwendigkeit für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk angeht. Sie werden sich doch sicherlich daran erinnern, dass wir im Mai gemeinsam einen Antrag beschlossen haben, der zwei Anteile hatte, und zwar sowohl den öffentlich-rechtlichen Rundfunk so zu versorgen, dass es kostendeckend ist, aber auch die privaten Medien zu unterstützen. Es geht doch beides, ohne dass man das eine gegen das andere schieben muss.

- Das Zweite habe ich akustisch nicht verstanden.

- Dass wir also sowohl den öffentlich-rechtlichen Rundfunk auskömmlich finanzieren und vielleicht sogar in die Richtung reformieren, die der Ministerpräsident angesprochen hat, und gleichzeitig dafür etwas tun können, die privaten Medien stärker zu unterstützen. Das haben wir gemeinschaftlich in dem Antrag im Mai beschlossen. Insofern muss man das

(Jan Marcus Rossa)

meines Erachtens nicht gegeneinander schieben.

- Das Hauptproblem, und das dürfen wir nicht aus dem Blick verlieren, ist, dass wir unterstellen müssen, dass ein durchschnittlicher Haushalt eine bestimmte Menge Geld für den Medienkonsum hat. Wenn ich von diesem Medienbudget immer größere Teile für einen Teil der Medienlandschaft abzweige, bleibt für andere Medienschaffende immer weniger übrig. Das ist ein Problem, und darüber muss ich mir Gedanken machen.

Ich bin der Auffassung, dass dies auch ein politischer Auftrag sein kann, hier die medienpolitische Vielfalt, die größer geworden ist, gerade was die bezahlten Medienangebote anbelangt - neben Printmedien, neben Kino, neben Privatfernsehen sind es heute Streamingdienste und ganz unterschiedliche Medienformen -, für den Einzelnen aufzuteilen. Wir müssen uns meines Erachtens überlegen, wie dieses Budget so für den Einzelnen aufgeteilt wird, dass eine möglichst große Medienvielfalt erhalten bleibt. Darum geht es.

(Beifall FDP)

Da ist es notwendig, sich über den öffentlich-rechtlichen Rundfunkauftrag, der verfassungsrechtlich zu gewährleisten ist - das würde ich auch überhaupt nie antasten wollen -, Gedanken zu machen. Aber wir haben konkrete Vorschläge unterbreitet, die ich auch noch ausführen könnte. Wir können das auch gern separat in einer Landtagsdebatte diskutieren.

(Dr. Ralf Stegner [SPD] geht zu seinem Platz)

- Ich würde das gern noch ausführen. Wir sind durchaus der Auffassung, dass man sich darüber Gedanken machen kann, ob es notwendig ist, dass wir zwei nationale Sender im Bereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks haben. Wenn wir den Rundfunkauftrag klar präzisieren, reicht meines Erachtens in der heutigen Medienlandschaft auch im Bereich Rundfunk - also Fernsehen und Hörfunk ein nationaler Sender aus. Das haben wir beim Rundfunk mit dem Deutschlandfunk ja auch. Im Übrigen kann es Regionalsender geben, wie wir sie heute schon haben.

Wir können uns ebenfalls darüber Gedanken machen - um das öffentlich-rechtliche Rundfunkangebot attraktiv zu gestalten -, was wir eigentlich brauchen. Müssen wir eigentlich so viele Sendeformate für sehr, sehr viel Geld fremdvergeben, oder ist es nicht möglich, das mit eigenem Personal deutlich preiswerter zu gestalten?

(Wortmeldung Dr. Ralf Stegner [SPD])

Herr Abgeordneter -

All diese Überlegungen, meine Damen und Herren, können wir einfach mal gemeinsam diskutieren. Dabei werden wir feststellen, dass sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk in einer Art und Weise ausgebreitet hat, die vielleicht nicht nötig ist, um den öffentlich-rechtlichen Rundfunkauftrag, wie er in der Verfassung steht, zu erfüllen.

(Beifall FDP)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Anmerkung oder Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Stegner?

Ich will das kurz machen. Das Angebot, darüber einmal ausführlicher zu diskutieren, sollten wir in der Tat nutzen. Zum einen finde ich, das Budget, das dafür zur Verfügung steht, für einen Liberalen ungewöhnlich planerisch ausgelegt. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass man Teile für Qualitätsmedienkonsum, in Form von anderen Ausgaben ersetzen könnte. Soweit würde meine Phantasie reichen. Das ist das eine.

Das Zweite ist, Sie haben zwar zu Recht festgestellt, dass die Angebote zugenommen haben, aber ich denke schon, dass der Qualitätsjournalismus durch viele Dinge bedroht ist und wir insofern gut daran tun, ihn zu verteidigen. Das war ein großer Teil des von uns gemeinsam beschlossenen Antrags. Insofern hätte ich ein bisschen mehr Sympathie für die Ideen des Ministerpräsidenten, die er vorhin angedeutet, aber noch nicht ausgeführt hat, von Ihnen erwartet, was die Modelle angeht. Denn es waren namentlich auch Sozialdemokraten, die dem, was Sie, Herr Ministerpräsident, vorgetragen haben, zugestimmt haben. Wir sollten die Debatte führen, aber Ihre Einengung irritiert mich ein bisschen für einen Liberalen.

(Jan Marcus Rossa)

- Nein, überhaupt nicht. Das ist überhaupt keine Einengung; denn Qualitätsjournalismus - dafür lege ich meine Hand ins Feuer - ist mir außerordentlich wichtig, und dafür müssen wir das Geld auch bereitstellen. Aber ob wir für andere Formate übermäßig viel Geld bereitstellen müssen, ob wir zum Beispiel für Fußballübertragungsrechte in der bekannten Form Millionenbeträge aufwenden

(Zuruf SPD: Ist doch sinnvoll!)

und durch öffentlich-rechtliche Rundfunkbeiträge finanzieren müssen, das ist doch eine Frage, die wir diskutieren können. Das hat aber mit gutem Journalismus erst einmal nichts zu tun. Natürlich sehe ich da die Hauptaufgabe, nämlich guten, fundierten, redlichen Journalismus zu unterstützen und zu finanzieren. Das ist die Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die unsere Rundfunkanstalten durchaus gut erfüllen. Das will ich überhaupt nicht in Abrede stellen. Im Gegenteil, ich halte unsere Rundfunkanstalten für außerordentlich wichtig. Sie machen überwiegend auch einen guten Job.

Nichtsdestotrotz muss man auch die andere Seite der Medaille betrachten, und da verweise ich auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2007. Das sind jetzt wieder längere Ausführungen, aber es ist offenbar notwendig: Das Bundesverfassungsgericht hat sehr deutlich gemacht, dass man bei der Bemessung der Rundfunkgebühren immer auch die Angemessenheit der Gebührenhöhe für die Beitragszahler im Blick behalten muss. Dass eine gewisse sozialliberale Tendenz bei mir zu finden ist, das haben Sie vielleicht schon gemerkt.

(Christopher Vogt [FDP]: Was? - Weitere Zu- rufe)

Vor dem Hintergrund bin ich ganz ehrlich der Meinung, dass es, wenn wir uns über das Medienbudget Gedanken machen, bei Ihnen eigentlich auf offene Ohren stoßen müsste.

(Beifall FDP)

Meine Damen und Herren, ich fordere daher auch die Kollegen von der SPD ausdrücklich auf, mit uns gemeinsam die Voraussetzungen zu schaffen, um das Profil des öffentlich-rechtlichen Rundfunkauftrags zu schärfen und die Strukturen zu verändern. Ich glaube, es wäre gut, die Medienvielfalt auch dadurch zu unterstützen, dass wir bei der Beitragsentwicklung in die andere Richtung gehen. Nur mit solchen Reformen wird es nämlich möglich sein, den Finanzbedarf der Rundfunkanstalten niedriger

werden zu lassen und damit die Beiträge in Zukunft wieder sinken zu lassen.

Unser Rundfunkpapier zur Auftrags- und Strukturreform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks liegt seit Monaten auf dem Tisch. Es wird Zeit, dass wir diese Ideen weiterentwickeln und endlich umsetzen. Ohne eine solche Reform, meine Damen und Herren, wird uns am Ende das Bundesverfassungsgericht erneut erklären, wie hoch ein Beitrag zu sein hat, wenn wir die Beitragserhöhung heute ablehnen. Es ist kein Zeichen besonnener und verantwortungsvoller Politik, wenn den Ländern wie 2007 wieder einmal bescheinigt würde, dass ihre Entscheidung über die Beitragshöhe einer verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht standhalten wird. Deshalb werbe ich heute tatsächlich aus voller Überzeugung dafür, der Beitragserhöhung zuzustimmen. Ich liege an der Stelle mit dem Ministerpräsidenten auch gar nicht so weit auseinander. Als Gesetzgebungsorgan sind wir an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden.

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Ende.

Dazu gehört eben auch, dass wir den öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten für die Erfüllung ihres aktuellen Rundfunkauftrags die nötigen Finanzmittel zur Verfügung stellen, und das gewährleisten wir mit dem Rundfunkänderungsstaatsvertrag. Vielen Dank.

(Beifall FDP und CDU)

Das Wort für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Volker Schnurrbusch.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Jetzt kommt der angekündigte Kontrapunkt in dem schönen harmonischen Konzert mit vielen Stimmen, aber kaum differenzierten Meinungen - bis auf die letzte. Über den Beitrag habe ich mich sehr gefreut. Ich komme auch noch einmal darauf zurück, fange aber erst einmal mit meiner vorgefertigten Rede an.

Das öffentlich-rechtliche Rundfunksystem ist aus unserer Sicht ein System, das aus der Zeit gefallen ist. Es ist über 70 Jahre lang zu einem riesigen Apparat gewachsen mit neun Landesrundfunkanstal

(Jan Marcus Rossa)

ten, zwei Dutzend Fernsehsendern und über 60 Radioprogrammen. Dem steht ein komplett verändertes Nutzungsverhalten gegenüber, bei dem ARD und ZDF nur noch eine Nebenrolle spielen. Das geben die Zahlen auch her. Die Zeit von Corona muss man davon ausnehmen; das ist ganz klar. Wir haben aber auch schon im Mai oder Juni 2020 gesagt, dass die Anstalten da einen sehr guten Job gemacht haben, genau wie übrigens auch die Zeitungskollegen.