Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist beantragt worden, den Bericht der Landesregierung, Drucksache 19/2313, dem Finanzausschuss zur abschließenden Beratung zu überweisen. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Das sehe ich nicht. Dann ist das einstimmig so beschlossen.
Streichung des Begriffs der „Rasse“ aus sämtlichen nationalen und internationalen Rechtstexten und dessen Ersetzung durch einen zeitgemäßen Begriff
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete und Fraktionsvorsitzende Dr. Ralf Stegner.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Mitglieder des Parlamentarischen Rates standen 1949 vor einer enormen Herausforderung, nicht nur eine staatliche Ordnung für die zu gründende Bundesrepublik zu entwerfen, sondern auch Antworten zu finden auf den totalen moralischen Bankrott in den zwölf Jahren der nationalsozialistischen Diktatur. Heute, mehr als 70 Jahre später, zeigt sich, wie verantwortungsvoll und wegweisend die Väter und Mütter des Grundgesetztes ihrer Aufgabe gerecht geworden sind. Das Grundgesetz ist eine andauernde Erfolgsgeschichte.
Artikel 3 des Grundgesetzes in seiner Fassung von 1949 besagt, dass niemand „wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt“ werden dürfe. Das war nicht zuletzt der beabsichtigte und konsequente Bruch mit dem Rassenwahn der Nationalsozialisten, der - wir alle wissen - in millionenfachem Mord und staatlich organisierter Verfolgung gipfelte.
Dem Rassewahn der Nazis lag mit der sogenannten Rassenkunde eine der groteskesten und folgenschwersten Verirrungen zugrunde, die die Geschichte der Wissenschaft kennt. Die Rassenkunde hatte sich bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts als Zweig der Anthropologie etabliert und versucht, die Einteilung von Menschen in Rassen mit bestimmten intellektuellen und charakterlichen Eigenheiten vorzunehmen oder mittels Eugenik zu steuern. Ernst zu nehmende Wissenschaftler anderer Forschungsbereiche - in Biologie, Medizin oder Psychologie - haben das aufgegriffen und sich daran beteiligt. Die Befreiung Deutschlands durch die Alliierten beendete den staatlichen Rassenwahn, nicht jedoch die Idee von abgrenzbaren menschlichen Rassen. Es gehört zu den wissenschaftsgeschichtlichen Realitäten, dass das bis in die 90er-Jahre verfolgt worden ist.
Die Möglichkeiten der Molekulargenetik haben dazu geführt, dass sich die gesamte Systematik aller Lebewesen in den letzten Jahrzehnten entscheidend
verändert hat. Lehrbücher aus den 70er-Jahren sind heute obsolet. Die wissenschaftlichen Methoden haben gezeigt, dass die vermutete nahe Verwandtschaft von Menschen ähnlicher Haut- und Haarfarbe und die vermutete entfernte Verwandtschaft von Menschen unterschiedlicher Haut- und Haarfarbe ein Hirngespinst ist. Es gibt keine Menschenrassen.
Erst recht gibt es keinen Zusammenhang von intellektuellen oder charakterlichen Eigenschaften mit der Haut- oder Haarfarbe. Das wissen wir mit Gewissheit. Dass Menschenrassen einmal Stand der Wissenschaft waren, darf im Übrigen niemals als Rechtfertigung akzeptiert werden für rassistische Verbrechen der Vergangenheit oder Gegenwart.
Wir müssen in aller Schärfe denjenigen widersprechen, die das Konzept von Rassen noch heute politisch verwenden - nicht aus Unwissenheit, sondern aus rassistischer Gesinnung. Ich verweise auf Björn Höcke, immer noch führendes Mitglied der sogenannten Alternative für Deutschland, der von einem Gegensatz des „lebensbejahenden afrikanischen Ausbreitungstyps“ und des „selbstverneinenden europäischen Platzhalter-Typs“ gesprochen hat - extrem und ekelhaft, rassistische Denkmuster, die immer noch anzutreffen sind. Das ist einer der Gründe dafür, dass solche Leute aus Parlamenten herausgeworfen, herausgewählt werden müssen.
Wenn es wissenschaftlich keine Menschenrassen gibt und der Begriff der Rasse gleichzeitig fast ausschließlich bei denen Verwendung findet, die ihn missbrauchen wollen, dann müssen wir etwas tun und das Grundgesetz überprüfen - wobei natürlich keineswegs das bestehende Schutzziel abgeschwächt werden darf, wie der migrationspolitische Dialog dieser Tage zeigt. Allerdings gilt auch Artikel 1 Satz 1 des Grundgesetzes:
Das Grundgesetz ist nicht nur ein zeithistorisches Dokument, sondern es ist auch wegen seiner Anpassungsfähigkeit eine Erfolgsgeschichte. Einen Beleg dafür finden wir im Übrigen in Artikel 3 GG, den ich zu Beginn unvollständig zitiert habe. Er wurde 1994 um das Verbot der Benachteiligung von Menschen mit Behinderung erweitert. Das war ein konkreter Fortschritt, den wir erreicht haben.
Nun hat die Koalition einen Alternativantrag vorgelegt. Mich überrascht ja nicht mehr viel, aber das, was Sie gern beschließen wollen, ist doch wirklich enttäuschend. Keine klare Aussage zum Begriff Rasse, keinerlei Arbeitsauftrag an die Landesregierung, das ist wirklich fast nichts. Sie wollen das Ob und Wie prüfen, und Sie wollen das im Bundesrat positiv begleiten.
Meine Damen und Herren, wenn wir eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag und Bundesrat erreichen wollen, muss man das nicht nur positiv begleiten, sondern dann muss man aktiv etwas tun. Dazu fordere ich Sie auf.
Ich weiß nicht, ob es an der Liberalität und Weltoffenheit der Nord-CDU liegt - ich habe keine Ahnung -: Wir schaffen Rassismus nicht aus der Welt, indem wir die Rasse aus dem Grundgesetz streichen. Aber wir können damit zumindest einen Begriff aus dem offiziellen Sprachgebrauch tilgen, der wissenschaftlich nicht haltbar und politisch schädlich ist. Dieses Signal wäre sehr positiv.
Ich rufe Sie dazu auf, statt Formelkompromisse zu schließen, die nichts nützen, mitzuhelfen und dafür zu sorgen, dass ein vernünftiger Begriff, auch in alle Rechtsverordnungen kommt, um einen Beitrag zu leisten und zu bekräftigen: Rassismus hat in unserer Gesellschaft nichts verloren, wir wollen davon überhaupt nichts haben.
Wir haben in diesem Haus einen großen Konsens, und ich appelliere, dass wir den auch in Bund und Ländern herstellen und durch einen zeitgemäßen Begriff im Grundgesetz und in den Verordnungen ersetzen. In der Sache, dass wir Rassismus verurteilen und bekämpfen wollen, sind wir doch weitgehend einig - außer ein paar Wirrköpfen, die hier rechts sitzen. - Vielen herzlichen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf der Tribüne! Herr Stegner, ich habe mich schon gefragt, was die Intention dieses Antrags ist, ob es Ihnen wirklich darum geht, den Begriff im Grundgesetz zu ersetzen, oder ob es um die Frage geht, dass wir als Koaliti
Wenn Sie nämlich ein Interesse daran gehabt hätten, dass es wirklich darum geht, dass wir als Schleswig-Holsteiner ein Signal Richtung Berlin und Bundesrat schicken, hätten Sie im Vorfeld Gespräche gesucht oder versucht, das mit uns gemeinsam zu einen.
Als im Mai dieses Jahres George Floyd von einem weißen Polizisten in den USA erschossen worden ist, ist weltweit eine Debatte um Rassismus entfacht worden, und zwar auch explizit um Anti-Schwarzen-Rassismus, auch hier in Deutschland. Da ging es um die Frage: Wie begegnen wir diesem Thema?
In diesem Zusammenhang haben Robert Habeck, mein Bundesvorsitzender, und ich als eine der wenigen schwarzen afrodeutschen Abgeordneten und antirassismuspolitischen Sprecherinnen, einen Gastbeitrag formuliert. Es war uns wichtig, diesen Beitrag gemeinsam zu schreiben. Wir haben in diesem Gastbeitrag unterschiedliche Forderungen gestellt, einerseits die Forderung nach Polizeibeauftragten, andererseits Antirassismustraining in der Polizei.
- Ja, in Schleswig-Holstein, aber bundesweit haben wir das nicht. - Wir haben in diesen Gastbeitrag außerdem geschrieben, dass wir wollen, dass diese Gesellschaft Rassismus verlernt. Eine der Forderungen war auch, das Wort „Rasse“ aus dem Grundgesetz zu streichen und zu ersetzen. Uns war wichtig, das als Grüne, als Partei deutlich zu machen, weil wir den Eindruck hatten, dass sich in der Bundesrepublik in den ersten Wochen wenige Parteien posi
Im Laufe der Zeit haben sich immer mehr Parteien positioniert, das ist wahr; aber zu diesem Zeitpunkt - das weiß ich sehr wohl - gab es keine klare Positionierung. Deswegen haben wir diesen Gastbeitrag geschrieben.
Wir wollten an dieser Stelle ein Signal senden an schwarze Menschen in Deutschland, Menschen, die von Rassismus betroffen sind, dass wir uns mit dieser Thematik auseinandersetzen, dass wir sie hören, dass wir sie vertreten und dass wir politische Antworten darauf haben.