Protocol of the Session on August 27, 2020

für, dass hier immer wieder Kontakte aufrechterhalten werden konnten.

Ich komme jetzt zur Konferenz zur Zukunft Europas. Sie geht ja zurück auf einen Vorschlag des Präsidenten Macron. Angekündigt wurde sie bereits 2019 infolge der Wahlen zum Europaparlament und der Bildung der neuen Kommission sowie der Wahl zur neuen Kommissionspräsidentin. Trotz der Beschlüsse von Parlament und vom Ausschuss der Regionen zu Beginn 2020 war lange Zeit unklar, ob es nur ein Wahlversprechen der neuen Präsidentin war oder das Anliegen wirklich engagiert verfolgt werden würde.

Wir haben daher in der Tagung im Juni in unseren Landtagsbeschluss unter anderem die Aufforderung an die deutsche Ratspräsidentschaft aufgenommen, darauf hinzuwirken, dass eine angemessene Beteiligung von Regionen und Kommunen sichergestellt wird. Außerdem haben wir noch den weitergehenden Schritt in Richtung eines EU-Verfassungskonvents nach Artikel 48 mit dem Ziel aufgenommen, Verträge fortzuschreiben.

Die Bundeskanzlerin und der französische Präsident haben dieses Anliegen im Rahmen der Initiative „Next Generation EU-Fonds“ aufgegriffen und das im EU-Rat bestätigen lassen. Eine wirksame Beteiligung der Regionen, Städte und Kommunen ist - ich glaube, das ist uns allen klar - unverzichtbar. Die Kommunen und Regionen tätigen die Hälfte aller öffentlichen Investitionen in der EU sowie ein Drittel der öffentlichen Ausgaben. Gleichzeitig werden mehr als ein Viertel der Steuereinnahmen unmittelbar generiert. Große Teile der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen der Coronakrise werden in den Kommunen und Regionen getragen. Nur mit den Kommunen und Regionen können große Teile der Energiewende und des Klimaschutzes zeitnah und effizient in der EU umgesetzt werden. Der schnelle Erfolg des Europäischen Green Deals als integrierende Wachstums- und Erfolgsstrategie hängt daran, dass viele mitgenommen werden. Daher wird man auch über konkrete Vorschläge wie die eines direkten Zugangs von Städten und Regionen zu EU-Fonds reden müssen, damit Mittel schneller abgefordert werden können und besonders Staaten mit rechtsstaatlichen Problemen ein bisschen mehr an die Kandare genommen werden können.

Gehen wir in eine neue Beteiligungskultur der Bürgerinnen und Bürger sowie der Kommunen und Regionen. Setzen wir den nationalistischen und populistischen Wellen etwas entgegen. Sie tragen immer EU-kritische Schaumkronen und sorgen durch

ihre Fakes für ziemlich unruhiges Fahrwasser. Europa verändert sich. Wir müssen Antworten darauf haben und mitgestalten. Die Vorschläge, in welchem Format die Konferenz stattfinden soll, sind vielfältig. Sie beinhalten Elemente der Bürgerbeteiligung wie einen Bürgerrat mit gewählten Mitgliedern.

Herr Abgeordneter, Sie müssen zum Schluss kommen.

Im Ergebnis wird ein Konvent die gemeinsamen Verträge Europas fortentwickeln. Nehmen wir die Herausforderung an.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, FDP und SSW)

Das Wort für die Fraktion der FDP hat der Abgeordnete Stephan Holowaty.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen! Herr Minister, ich möchte Ihnen erst einmal ganz herzlich für den umfassenden Bericht danken. Die Ostsee ist für alle Anrainer, auch für unser Land, Chance und Herausforderung zugleich - als Wirtschaftsraum, als geschichtlicher Kulturraum, aber auch als Treffpunkt unterschiedlicher politischer Positionen und Interessen. Wir wissen natürlich, dass dieser Bericht noch nicht die Lage unter Coronabedingungen widerspiegelt. Aber die grundsätzliche Botschaft wird auch weiterhin dieselbe sein: Kooperation ist der Treibstoff für die Zusammenarbeit in der Ostseeregion.

(Beifall FDP)

Ob im Tourismus, Meeresschutz, bei der Bewältigung von Altlasten wie zum Beispiel der Munitionsrückstände, auch bei der Zusammenarbeit der Regionen in kleineren Projekten, teils jenseits der Interessen zentraler Regierungen, über die Ostsee fließen nicht nur Güter und Dienste, sondern über die Ostsee fließen auch Ideen und Verständigung.

(Beifall FDP)

Corona wird vieles auf die Probe stellen. Abschottung, Ängste, aber auch fehlende Möglichkeiten zum persönlichen Austausch stellen Herausforde

rungen dar. Die Ostseeparlamentarierkonferenz zum Beispiel lebt zu einem guten Teil nicht nur von Formulierungen in Resolutionen, sondern auch vom persönlichen Kontakt der Abgeordneten aus den verschiedenen Regionen. Das schafft Verständnis und Gesprächskanäle. Ich hoffe sehr, dass wir im nächsten Europabericht lesen können, dass diese Gesprächskanäle weiter offengeblieben sind und ausgebaut werden können.

(Beifall FDP)

Meine Damen und Herren, vor 70 Jahren begann mit der Schuman-Erklärung ein erster zaghafter Schritt in Richtung einer europäischen Einigung. Sie wissen, das führte dann zur Montanunion als dem allerersten Schritt. Heute haben wir auch jenseits von Handy-Roaming, einer gemeinsamen Währung oder der Reisefreiheit im Schengen-Raum enorm viel für Frieden und Wohlstand im gesamten vereinigten Europa erreicht. Aber die Tragik großer Errungenschaften ist, dass sie morgen bereits wieder von gestern sind.

Genauso schnell haben sich nämlich auch Krisen mitentwickelt, vom Brexit über COVID-19 bis hin zu den geostrategischen Verschiebungen der letzten Jahre, die auch den Ostseeraum betreffen. Denken wir nur an die Auswirkungen, was die Krim und Belarus, was die Spannungen angeht, die wir an den östlichen Grenzen Europas oder zumindest denen des vereinigten Europas haben. Diese Krisen zeigen auch die Verletzlichkeit des geeinten Europas. Die europäischen Institutionen gelten als schwerfällig. Es fehlt eine gemeinsame Außenpolitik, die Orientierung an gemeinsamen demokratischen, freiheitlichen und rechtsstaatlichen Werten ist nicht mehr in jedem Mitgliedsland selbstverständlich.

Es ist daher Emmanuel Macron und Ursula von der Leyen durchaus hoch anzurechnen, mit der Initiative zur Konferenz zur Zukunft Europas einen Prozess der Neuorientierung und Weiterentwicklung angestoßen zu haben; denn wer stehenbleibt, der fällt zurück.

(Beifall FDP und Hartmut Hamerich [CDU])

Deshalb auch mein Dank an die SPD-Fraktion dafür, dass sie dieses Thema noch einmal auf die Tagesordnung gebracht hat, sodass wir ein Signal aus dem Kieler Landtag senden können. Ich glaube, wir werden uns da sehr intensiv mit einbringen. Es ist gut, dass alle demokratischen Fraktionen diesen Antrag mittragen und ein deutliches Zeichen aus Kiel heraus senden.

(Bernd Voß)

Aber meine Erwartung zur Konferenz zur Zukunft Europas ist nicht nur, geeignete Beteiligungsformate zu entwickeln. Wir Freie Demokraten haben auch klare Erwartungen an die andere Seite, an den Rat, die Kommission, das Parlament. Die Konferenz darf nicht zum Alibi werden. Sie darf nicht versanden. Sie darf nicht nach dem Motto „Wenn du nicht mehr weiterweißt, gründe einen Arbeitskreis“, betrieben werden.

Die Kommissionsvizepräsidentin Frau Šuica hat bereits klargemacht, dass sie keine Verpflichtung sieht, die in den Debatten geführten Diskussionen oder erzielten Lösungen wirklich weiterzuentwickeln. Sie hat bisher nur davon gesprochen, dass das weiterverfolgt werden soll. Mir persönlich ist das ein Stück zu wenig Commitment. Ich möchte Ergebnisse haben. Ich möchte mehr Energie für Europa aus der Konferenz ziehen.

(Beifall FDP)

Ich erwarte daher, dass Kommission und Parlament aus ihrer Brüsseler Blase herauskommen und notwendige Veränderungen angehen. Ich erwarte, dass der Rat, also die nationalen Regierungen, zuhören, mitarbeiten und auch Konsequenzen ziehen. Das hat möglicherweise auch Vertragsänderungen zur Folge, also institutionelle Änderungen in Europa. Wir haben heute über das Thema Europäisches Parlament, Antragsrecht, Initiativrecht, europäische Listen und all diese Dinge diskutiert. Wir müssen aber auch mit den Großmächten in der Welt auf Augenhöhe bleiben. Wir müssen also eine gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik auf den Weg bringen. Wir dürfen insbesondere von vornherein keine Denkverbote, keine Tabus in irgendeiner Form hineinbringen.

(Beifall FDP)

Mir ist wichtig, auf die gemeinsamen Werte zu drängen. Es wäre aber naiv zu glauben, dass nur überzeugte Pro-Europäer an der Konferenz teilnehmen werden. Natürlich werden wir auf dieser Konferenz auf das gesamte Meinungsspektrum, das wir in Europa haben, treffen. Die demokratischen Beteiligten haben deshalb eine hohe Verantwortung das setzt sich auch in unserem Raum fort -, sie haben eine hohe Verantwortung für die Gestaltung der Konferenz.

Meine Damen und Herren, die Konferenz zur Zukunft Europas muss einen großen Wurf für die Zukunft Europas bringen. Sie darf sich nicht im KleinKlein verheddern - übrigens auch nicht im KleinKlein regionaler Spezialinteressen, sondern sie muss die Regionen beteiligen, aber nicht nur auf

sich selbst bezogen. Europa ist dafür zu wichtig. Vielen Dank.

(Beifall FDP, Burkhard Peters [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Jette Waldinger- Thiering [SSW])

Das Wort für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Volker Schnurrbusch.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der vorliegende Antrag zitiert am Schluss das Europäische Parlament mit seiner Entschließung, dass die Europäische Union reformiert werden müsse. In der Tat, wer wollte das bestreiten - wir ganz bestimmt nicht.

Wir haben uns mittlerweile daran gewöhnt, dass die neue Präsidentin der Kommission das ganz große Wort im Munde führt. So geht es ihr also mal wieder um nicht weniger als um die Zukunft Europas. Darunter macht es Frau von der Leyen nicht.

Die Zukunft Europas wird im Moment - während wir hier sprechen - wohl eher in Weißrussland oder vor der Küste Zyperns gefährdet, wo sich Kriegsschiffe gegenüberstehen, also von Griechenland und von der Türkei. Dazu bleibt die EU-Spitze wie immer stumm. Denn es gibt bis heute keine ernstzunehmende Außenpolitik, trotz eines Beauftragten.

Das Pathos derartiger Ankündigungen ändert nichts daran, dass sich die EU gerade jetzt, in Zeiten der Krise, wieder einmal als handlungsunfähig erwiesen hat. Gehandelt haben die Nationalstaaten, ohne auch nur einen Augenblick an Brüssel und sonstige Regulierungswut zu denken. Die Unfähigkeit der EU-Kommission, auf die Coronawelle angemessen zu reagieren, ist umso bedauerlicher, als gerade die Ostseeregion zahlreiche positive Beispiele für die durchaus gelungene Kooperation zwischen europäischen Nachbarn bereithält. - In diesem Zusammenhang: Vielen Dank, Herr Minister, für den Bericht.

Hierzu, zu dieser gelungenen Kooperation, zählen wir neben der Zusammenarbeit mit Dänemark besonders den Ostseerat, dem neben den EU-OstseeAnrainern auch Norwegen und Russland angehören. Der Ostseerat hat sich an der Stärkung der regionalen Identitäten sowie einer sicheren Gesamtregion verpflichtet. Wir halten gerade diese Zusammenarbeit mit Russland - auch in den anderen Ostseegremien - für sehr wichtig, um jede Frontstellun

(Stephan Holowaty)

gen zu überwinden, die Europa auf Dauer sonst nur Schaden zufügen werden.

Die europäischen Staaten - das klang eben auch schon an - sind zu einer pragmatischen Zusammenarbeit geradezu verpflichtet, denn die entscheidende Gefahr, nicht nur für die wirtschaftliche Stabilität Europas, ist nicht Russland, sondern der auch in der EU stetig wachsende Einfluss Chinas. Davon bin ich überzeugt.

Wir begrüßen es daher, dass der Ostseebericht auch der Partnerschaft mit dem Gebiet Kaliningrad, also dem ehemaligen nördlichen Ostpreußen, einen ausführlichen Abschnitt widmet. Diese Kooperation besteht mittlerweile mehr als 20 Jahre und wird über Delegationsbesuche hinaus von wichtigen Kontakten kultureller Einrichtungen, also Universitäten, Theatern, Musikschulen und Museen, ergänzt.

Wir sehen also: Abseits der EU-Bürokratie in Brüssel existieren zahlreiche konkrete und zielgerichtete Kooperationen, mit denen den Bürgern die Bedeutung einer europäischen Zusammenarbeit anschaulich gemacht werden kann.

Es besteht daher durchaus auch ein Sinn darin, den Meinungsaustausch innerhalb der EU erneut zu fördern - so, wie die Kommission das jetzt plant. Eines muss jedoch klar sein - der Kollege Holowaty hat dankenswerterweise darauf hingewiesen -: Die Kritiker der derzeitigen Kommission und der gegenwärtigen EU-Wirtschaftspolitik dürfen in diesem Diskurs nicht ausgegrenzt werden, denn auch sie wurden - auch wenn es manchen wehtut - demokratisch gewählt und haben bei der letzten Wahl ordentlich dazugewonnen.

Eine Diskussion ohne wirkliche Debatte, ohne echte Meinungsvielfalt, bliebe inhaltsleer und unglaubwürdig - wie die EU manchmal insgesamt. Die Kommission hat nicht zuletzt deswegen einen 8 Millionen € schweres Medienprogramm aufgelegt, mit dem sie eine EU-freundliche Berichterstattung fördern will. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Aber das ist ein anderes Thema.

Zurück zur geplanten Konferenz und zum Antrag der SPD. Auch die EU-kritischen Kräfte brennen darauf, sich in den überfälligen Diskussionsprozess einzubringen. Daran werden wir als AfD zusammen mit unseren Kollegen aus der Fraktion Identität und Demokratie gern mitarbeiten. Von daher freuen wir uns auf einen ernsthaften Ideenaustausch zur Reform der EU - sofern wir nicht wieder wie bei der Besetzung der Ausschüsse letztes Jahr im Parlament ausgegrenzt werden.

(Zurufe SPD: Oh!)

- Ja, ist halt so.

Wir freuen uns auf die Debatte und vor allem auf die guten Ideen für eine lange überfällige und grundlegende Reform der EU. Denn so kann es mit der EU nicht weitergehen. Von daher: Danke für den Antrag, wir werden ihm gern zustimmen, und wir werden auch gern anreisen. - Danke.

(Beifall AfD)

Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat die Abgeordnete Jette Waldinger-Thiering.