Herr Günther hat sich im vergangenen Jahr als Bundesratspräsident dieser Formulierung dankenswerterweise angeschlossen, nachdem Frau WieczorekZeul empörenderweise von der damaligen rot-grünen Bundesregierung zurückgepfiffen wurde und hinterher sagen musste, es sei ihre Privatmeinung gewesen, die sie da vorgetragen habe.
Erst 2016 erkannte eine Bundesregierung offiziell die Vernichtung der Herero und Nama als Völkermord an, allerdings ohne die Anerkennung konkreter Rechtsfolgen. Seit fünf Jahren verhandeln Deutschland und Namibia nun über ein Vertragspaket zur Aufarbeitung der deutschen Verantwortung. Vorgestern verkündete Ruprecht Polenz, der für Deutschland diese Verhandlungen führt, dass man kurz vor einer Einigung stehe. Aus meiner Sicht sollte man auch vor individuellen Entschädigungen nicht haltmachen.
Die AfD hat es kürzlich im Bundestag in einem Antrag als „gravierendes Defizit“ bezeichnet, „dass die gewinnbringenden Seiten der deutschen Kolonialzeit erinnerungspolitisch keinen Niederschlag finden, sondern im Zuge einer ‚normativen Vergangenheitsdeutung‘. die kulturmarxistisch inspiriert ist, absichtlich verdunkelt werden, …“
In Großbritannien haben Demonstranten in den letzten Tagen Statuen von Männern gestürzt oder in Hafenbecken entsorgt, die in Würdigung ihrer Verdienste als Förderer von Schulen, Kirchen, Krankenhäusern und so weiter errichtet worden waren. Was dabei auf der Strecke blieb, war die unbestreitbare Tatsache, dass das riesige Vermögen, mit dem ein Edward Colston in Bristol oder ein Robert Milligan in London vor Jahrhunderten ihre vermeintlich philanthropischen Projekte finanzierten, aus dem Sklavenhandel stammte; damit hatten sie ihr Vermögen erwirtschaftet.
Das ist allerdings kein rein englisches Phänomen. Für die Schimmelmanns in Ahrensburg gilt zum Beispiel dasselbe. Daran sollte man denken, wenn man sich bei einem Besuch an deren Stadtschloss erfreut.
Ich danke der Landesregierung und ihren Mitarbeitern für die Antwort auf die Große Anfrage und komme zum Schluss. Deutschland hat bei der Aufarbeitung historischen Unrechts und der Entwicklung von Erinnerungskultur gute Ansätze gezeigt, aber wir sind längst nicht fertig. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Liebe Gäste auf der Tribüne! Die aktuelle Debatte um Rassismus in Deutschland kann man nicht begreifen, wenn man nicht um die kolonialen Verbrechen von Deutschland weiß. Die Debatte um antischwarzen Rassismus in Deutschland ist so oberflächlich, weil wir so wenig Allgemeinwissen darüber haben. Eine Debatte um Kolonialismus kann man nur führen, wenn benannt wird, wer unter diesen unmenschlichen Verbrechen gelitten hat und bis heute die Auswirkungen dessen spürt: schwarze Menschen.
Um zu begreifen, dass es sich um eine Ideologie handelt, die wissenschaftlich auch hier in Deutschland vorbereitet worden ist, müssen wir zurückblicken. Dass es eben nicht nur um ein rassistisches Momentum geht, sondern auch um koloniale Verbrechen und Kontinuitäten, die bis in das Heute wirken - das ist die Kerndebatte, die wir eigentlich führen müssten.
Deshalb bin ich froh, dass der SSW mit seiner Großen Anfrage hier eine Debatte losgetreten hat. Die Mär von „Deutschland war nur ganz kurz Kolonialmacht im Vergleich zum Beispiel zu Großbritannien, und deswegen war diese Zeit harmlos“ muss heraus aus den Schulen! Das ist nämlich eine Verharmlosung. Diese Behauptung verkennt schlichtweg, dass sich Deutschland an unmenschlichen Verbrechen beteiligt hat. 30 Jahre deutsche Beteiligung sind für mich persönlich keine kurze Zeit.
Mit der deutschen Ausbeutung des afrikanischen Kontinents fing auch die Suche nach evolutionstheoretischen Gründen für die Unterordnung schwarzer Menschen innerhalb des menschlichen Geschlechts an. Eine pseudowissenschaftliche Basis dafür zu schaffen haben unter anderem Kant, Hegel, Winckelmann und viele andere unternommen.
In dieser vermeintlich kurzen Zeit von 30 Jahren hat Deutschland Kolonien im heutigen Togo, in Kamerun, Tansania und Namibia gehabt. Schwarze Menschen wurden entmenschlicht, getötet und versklavt. Weiße Europäerinnen und Europäer verstanden sich als Kulturvölker; Afrikanerinnen und Afrikaner dagegen wurden als kulturlos angesehen und demnach als „Naturvölker“ bezeichnet.
In dieser vermeintlich kurzen Zeit wurde eine Rassenideologie verfestigt, um die Verbrechen, die man beging, zu legitimieren.
Die Geschichte geht weiter und führt uns in den Nationalsozialismus. In jener Zeit bekamen schwarze deutsche Menschen ihre Staatsbürgerschaft entzogen; einige wurden in Konzentrationslagern getötet. Die antischwarze Gesetzgebung reichte aber auch über diesen Zeitraum hinaus.
Deshalb stelle ich mir die Frage: Wieso lesen wir in Schulen nicht Bücher wie „Farbe bekennen: Afrodeutsche Frauen auf den Spuren ihrer Geschichte“ von May Ayim und Katharina Oguntoye? Wieso lesen wir in Schulen nicht Bücher wie „Deutsch sein und schwarz dazu: Erinnerungen eines Afro-Deutschen“ von Theodor Michael, einem Zeitzeugen des Nationalsozialismus, der im letzten Jahr verstorben ist? Dort lernen wir all das und beginnen zu begreifen.
Im Aktionsplan gegen Rassismus muss für den Bildungsbereich als Ziel formuliert sein, dass das Bildungsmaterial ausreichend Kolonialismus beinhaltet, um Rassismus und Stereotypenzuschreibungen vorzubeugen und entgegenzuwirken. Natürlich muss dem vorgelagert sein, dass das in der Lehramtsausbildung stattfindet.
Es muss Forschungsprojekte dazu geben sowie Denkmäler für die Opfer der Kolonialzeit. So fordern es auch die Vereinten Nationen im Rahmen der UN-Dekade für Menschen afrikanischer Abstammung weltweit.
Im Bundesland Berlin gibt es schon parlamentarische Beschlüsse dazu, dass man sich seiner kolonialen Verantwortung stellen möchte. Das sollten wir hier in Schleswig-Holstein genauso tun.
Mit Robert Habeck habe ich - unter anderem - außerdem gefordert, dass der Begriff „Rasse“ im Grundgesetz ersetzt werden soll, zum Beispiel durch den Begriff „rassistische Zuschreibungen“, weil es eben keine unterschiedlichen menschlichen Rassen gibt. Dafür gibt es viel Zuspruch: von der Kanzlerin über den Bundesinnenminister, der Integrationsbeauftragten, der Bundesjustizministerin bis hin zu den Bundestagsfraktionen der Grünen, der FDP, der SPD und der Linken. Ich habe auch einige verwirrende Artikel gelesen, in denen sich viele CDUler, gerade Mitglieder der Bundestagsfraktion, dagegen aussprechen, weil der Begriff „Rasse“ zwar inhaltlich falsch sei, man aber irgendwie trotzdem gegen die Ersetzung sei. Das verstehe ich persönlich nicht. Aber nun gut. Die Debatte im Deutschen Bundestag läuft weiter. Ich bin gespannt, wie sie sich entwickeln wird.
Es wird natürlich auch interessant sein, wie wir uns hier in Schleswig-Holstein positionieren. Ich persönlich hoffe natürlich, dass wir uns für die Ersetzung dieses Begriffs einsetzen und ich Ihre Unterstützung bei diesem Vorhaben haben werde.
Wir müssen weg von den Debatten, Menschen nach ihren persönlichen Rassismuserfahrungen auszuquetschen. Wir haben die Verantwortung, Rassismus zu verstehen und im historischen Kontext unseres Landes zu begreifen. Einzufordern, dass Minderheiten ihre persönlichen traumatischen Erlebnisse darstellen - zum Verständnis der Mehrheit -, wird dabei nicht helfen. Um Kolonialismus aufzuarbeiten, muss man mit schwarzen Akteurinnen und Akteuren zusammenarbeiten. Die Liste der Großen Anfrage beinhaltet gerade einmal eine schwarze Organisation aus Schleswig-Holstein. Ich bin im Austausch mit schwarzen Expertinnen und Experten sowie mit entsprechenden Organisationen in Schleswig-Holstein und bundesweit. Fragen Sie mich!
Abschließend: Es ist wichtig, dass wir über die Verbrechen des Kolonialismus und darüber hinaus gegenüber schwarzen Menschen sprechen. Aber was auch wichtig ist: dass wir über schwarzes Leben in Schleswig-Holstein und Deutschland heute sprechen. Denn wir sind hier, wir sind Teil dieser Gesellschaft und gestalten sie mit. - Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mein Dank geht zunächst an Lars Harms und den SSW, dass sie mit ihrer Großen Anfrage hier im Landtag eine Debatte über SchleswigHolsteins Kolonialgeschichte angestoßen haben. Es ist gut und richtig, dass wir uns mit diesem Thema auseinandersetzen. Es reicht nämlich meines Erachtens nicht aus, dass wir uns nur über den Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialem Kontext befassen, wie es auch berichtet worden ist. Es ist wichtig, aber wir müssen darüber hinaus weitere Maßnahmen ergreifen, um uns mit diesem Teil unserer Geschichte auseinanderzusetzen.
viele Menschen hat. Es ist eine mutige Botschaft unseres Ministerpräsidenten gewesen, als er sich bei seinem Besuch in Namibia im Jahr 2019 als Bundesratspräsident zur deutschen Schuld bekannte und dort offiziell erklärte:
„Die Folgen der damaligen Verbrechen wirken bis heute nach. Diese historische Schuld erkennen wir ohne Wenn und Aber an.“
Deutschland gehörte sicherlich nicht zu den großen Kolonialmächten, und die Kolonialzeit Deutschlands beträgt nur wenige Jahrzehnte. Dennoch ist auch das Deutsche Reich dafür verantwortlich gewesen, dass Menschen in den deutschen Kolonien Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts ihrer Rechte beraubt, drangsaliert, unterdrückt und ermordet wurden. Die Gräueltaten im heutigen Namibia sind Beispiele für eine wirklich menschenverachtende Haltung der sogenannten Kolonialherren, die uns bis heute mit Scham erfüllen muss und die es rechtfertigt, dass wir uns heute noch dieser historischen Schuld stellen.
Denn eines ist klar: Die Ausbeutung der Kolonien, die Zerstörung der dortigen Gesellschaften und Strukturen sowie die Unterdrückung der einheimischen Bevölkerung wirken bis heute nach und sind Ursache existentieller Probleme in den ehemaligen Kolonien. Deshalb stehen alle Kolonialmächte, und damit auch Deutschland, auch heute noch in der Verantwortung für ihr damaliges Handeln.
Vor diesem Hintergrund halte ich es für erforderlich, dass wir uns mit der Frage beschäftigen, wie wir mit unserer kolonialen Vergangenheit, mit kolonialen Denkmälern und Straßennamen umgehen wollen. Darauf fokussiere ich meine heutige Rede. Meine unmittelbare Heimat ist mit einem besonders widerwärtigen Denkmal geschlagen, denn in Aumühle steht das sogenannte „Deutsch-OstafrikanerEhrenmal“ zu „Ehren“ von Paul von Lettow-Vorbeck, der zwischen 1904 und 1906 am Völkermord an den Herero und Nama in Namibia unmittelbar beteiligt war und der diesen Völkermord ausdrücklich befürwortete, wie man nachlesen kann.
Natürlich stellt sich dann die Frage, ob wir ein solches sogenanntes Ehrenmal stehen lassen können oder ob es zu beseitigen ist. Ich habe darüber lange nachgedacht und bin der Auffassung, dass wir auf eine Beseitigung verzichten sollten; denn die Besei
tigung wirkt am Ende wie das Leugnen unserer eigenen Geschichte, das Unsichtbarmachen einer Vergangenheit, der wir uns stellen müssen.
Deshalb befürworte ich eine Umwidmung eines Ehrenmals zu einem Mahnmal. Das dürfte sinnvoller sein, um sich dann mit dem kolonialen Erbe unseres Landes kritisch auseinanderzusetzen.
Dabei ist es sicherlich nicht ausreichend, lediglich auf einer Tafel auf die Verbrechen des mit dem Denkmal „geehrten“ Verbrechers, so müsste man wohl sagen, zu verweisen, sondern wir sollten hier in Schleswig-Holstein gemeinsam ein Erinnerungskonzept erarbeiten und entwickeln, wie wir mit solchen Denkmälern und Straßennamen umgehen wollen, die auf Menschen verweisen, die sich wirklich schwerwiegender Verbrechen im Kolonialismus Deutschlands schuldig gemacht haben.
Ich finde den Ansatz von Barbara Plankensteiner aus Hamburg, der Direktorin des Hamburger Museums am Rothenbaum für Kulturen und Künste, viel besser geeignet als die Beseitigung solcher Denkmäler. Sie schlägt vor, Gegendenkmäler zu errichten, also Denkmäler zu schaffen und Straßennamen auszuwählen, die gezielt an die Opfer des deutschen Kolonialismus und auch an die Menschen erinnern, die sich schon damals gegen den deutschen Kolonialismus ausgesprochen haben.