Protocol of the Session on June 18, 2020

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Volker Schnurrbusch das Wort.

Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Damen und Herren! Dieser Antrag dient dem Tierwohl und bietet den Tierhaltern durch zusätzliche Finanzierungsinstrumente eine solide Perspektive. Wir können den Fleischproduzenten nicht immer neue Auflagen zumuten, die Produktionsbedingungen erschweren und gleichzeitig Fleisch importieren, das nicht nach unseren eigenen hohen Standards produziert wurde. Die Regelung, dass nur nach deutschen Tierwohlbestimmungen hergestelltes Fleisch auf unseren Markt kommen soll, unterstützen wir daher ausdrücklich.

Die AfD fordert schon seit Langem, das Schächten oder die sogenannten Halal-Schlachtungen zu verbieten. nwieweit das mit EU-Recht und mit EUHandelsabkommen vereinbar ist, wird spannend zu beobachten sein. Aber einen Versuch ist es jedenfalls wert.

Wir haben es eben gehört: Die Landwirtschaft und die Politik haben sich mehr und mehr voneinander entfernt. Auf der einen Seite stehen links-grüne Romantiker, die glauben, die Welt retten zu können, indem sie meinen, die Landwirtschaft verteufeln, bekämpfen und zum Sündenbock abstempeln zu müssen. Auf der anderen Seite stehen die Landwirte, die immer wütender werden, weil sie sich unverstanden fühlen. Sie müssen auf einem globalisierten Markt mit ausländischen Mitbewerbern konkurrieren, die weniger strengen Kontrollen und Auflagen

unterliegen. Ein Importverbot von billig produziertem Fleisch, das nicht unseren Standards entspricht, kann helfen, diese unfaire Wettbewerbssituation zu vermeiden.

Auslöser für diesen Antrag war der nicht zustande gekommene Kompromiss beim Kastenstand in der Sauenhaltung, wir haben es eben gehört. Der Kompromiss, den die Minister aus NRW und SchleswigHolstein ausgehandelt haben, hatte keine Mehrheit gefunden, und deswegen wurde dieses Thema abgesetzt.

Offensichtlich waren es die grünen Landwirtschaftsminister, die nicht bereit waren, den ausgehandelten Kompromiss für eine Übergangszeit zu akzeptieren. Ob es dabei um mehr Tierwohl oder um die weitere Zermürbung unserer Landwirtschaft ging, bleibt offen. Auf jeden Fall haben die Grünen im Bundesrat durch ihre Blockadehaltung einmal mehr den deutschen Familienbetrieben und der deutlichen Mehrheit der Sauenhalter in SchleswigHolstein geschadet.

Um den Kastenstand hat sich im Laufe der letzten Jahren ein wahrer Glaubenskrieg entwickelt. Die Auslegung des sogenannten Magdeburger Urteils ist auch nach wie vor unter Experten höchst umstritten. Nichtsdestotrotz werden die Tierhalter langfristig mit Umbaumaßnahmen konfrontiert werden. Insofern ist es zu begrüßen, dass Umbaumaßnahmen, die dem Tierwohl dienen, finanziell gefördert werden können. Das ist ein wichtiger Punkt und gibt den Tierhaltern, die bereits hohe Beträge in Umbauten investiert haben und nun wahrscheinlich erneut umbauen müssen, eine Perspektive.

Von den Tierhaltern, die sich immer wieder auch an uns wenden, habe ich mitgenommen, dass es ihnen nicht nur ums Geld geht. Sie wollen faire Wettbewerbsbedingungen, eine Zukunftsperspektive und das Beste für ihre Tiere - kein Züchter zieht gerne seine toten Ferkel aus der Bucht -, sie verlangen aber auch, dass die hohen deutschen Standards ebenfalls für importierte Fleischwaren gelten.

Wenn der vorliegende Entwurf den Tierhaltern hier im Land helfen kann, eine sichere Perspektive zu haben, dann stimmen wir als AfD ihm gern zu.

(Beifall AfD)

Für die Abgeordneten des SSW hat ihr Vorsitzender, Lars Harms, das Wort.

(Oliver Kumbartzky)

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Der mündige Verbraucher möchte die Wahlfreiheit haben, auch und gerade wenn es um die Entscheidung geht, wo das Schnitzel herkommt und wie das Schwein gehalten wurde. Aus diesem Grund hat der Handel seit gut einem Jahr eine selbstverpflichtende Kennzeichnung zur Haltungsform etabliert. Diese Haltungskennzeichnung ist ein vierstufiges System, in dem die 1 für die klassische Stallhaltung steht und die 4 die Premiumstufe darstellt, bei der die Tiere ein größeres Platzangebot sowie Auslaufmöglichkeiten haben müssen. Mit ihr kommt der Einzelhandel dem Verbraucherwunsch nach mehr Transparenz nach.

Ganz deutlich muss ich sagen, dass es hierbei nur um den Stall geht, um nicht mehr und nicht weniger. Die Kriterien dafür sind recht dünn, und es wird klar, dass andere Aspekte des Tierwohls hiervon unberührt bleiben. Darüber hinaus ist dies eine reine Selbstverpflichtung. Hierin sehe ich einen kleinen Schritt des Einzelhandels in die richtige Richtung, aber wir sind noch weit entfernt vom staatlichen Tierwohllabel.

Der vorliegende Antrag ist aus meiner Sicht nicht ganz schlüssig. Im ersten Punkt ist die Rede von einer verpflichtenden Haltungskennzeichnung, im zweiten Punkt ist die Rede von Tierwohlmindeststandards. Das sind für uns zwei Paar Schuhe; denn Tierwohl umfasst mehr als nur die Haltungsform.

Nun zu den einzelnen Punkten. Jamaika möchte eine verpflichtende Haltungskennzeichnung und zusätzliche Finanzierungsinstrumente zur Bewältigung der Kosten für die Umbauten der Ställe. Das ist schön und gut, aber inwieweit ist das bereits mit der Bundesebene vereinbart, und wie viel Geld soll der Bund zur Verfügung stellen?

Unter dem zweiten Punkt wird gefordert, auf EUEbene Tierwohlmindeststandards und eine verpflichtende Tierhaltungskennzeichnung einzuführen. Der Ansatz ist richtig, aber es ist das ganz große Rad, und bislang gibt es ein Tierwohllabel noch nicht einmal auf Bundesebene. Hier können wir vor allem im eigenen Land klare und transparente Regelungen schaffen, die EU-Ebene können wir dann ja nebenher bearbeiten.

Nun zu Punkt drei. Hier erfolgt ein Politikwechsel. Jamaika will den deutschen Markt für tierische Produkte aus dem EU-Ausland, die keine Kennzeichnung über Herkunft und Haltung aufweisen, abschotten. Darüber hinaus sollen die Produkte die

Kriterien nach den deutschen gesetzlichen Tierwohlmindeststandards erfüllen.

Das ist im Prinzip okay, weil es ja den Tieren hilft und wir alle nicht wollen, dass hier Standards gelten, die andere im Ausland unterlaufen, wodurch unsere Landwirte am Markt keine Chance mehr hätten. In dem Szenario hätten wir am Ende keine Landwirte mehr, die unsere Standards einhalten könnten, und gleichzeitig würde die tierschutzwidrige Produktion ins Ausland verlagert. Da will niemand hin.

Aber was glauben Sie, wie unsere EU-Nachbarn auf eine solche Maßnahme reagieren würden? Unsere Landwirte leben auch vom Export. Es würde ein Aufschrei durch Deutschland gehen, wenn andere EU-Mitgliedstaaten ihrerseits die Grenzen dichtmachen würden, weil unsere Produkte deren Kriterien nicht erfüllen.

Ich halte es für fahrlässig, so zu tun, als wäre es ein Leichtes, eine europarechtskonforme Lösung zu erreichen. Damit suggeriert man, ein Ziel zu verfolgen, das nach meiner Auffassung von vornherein zum Scheitern verurteilt ist, um dann der EU den Schwarzen Peter zuschieben zu können. Das ist nicht redlich.

Die schlauere Variante bestünde wahrscheinlich darin, die Landwirte in der tiergerechteren Produktion in Deutschland finanziell zu unterstützen, also wegzukommen von der Flächenprämie hin zu einer Prämie für Tierwohl und Landschaftsschutz.

Der vierte Punkt des Antrags knüpft an den ersten Punkt an, in dem es um den Umbau von Ställen geht. Das verfolgte Ziel, die Haltungsform zu verbessern, halten wir für absolut erstrebenswert. Dass dazu auch das Bundesimmissionsschutzrecht dahin gehend geändert werden muss, dass immissionsschutzrechtliche Genehmigungen künftig grundsätzlich entfallen können, erschließt sich mir nicht ganz. Es ist kein Handel nach dem Motto: Ich gebe dir mehr Tierwohl, aber dafür verzichtest du auf den Immissionsschutz. So läuft das nicht.

Ich kann den Ansatz zwar verstehen und nachvollziehen, aber wenn beispielsweise ein Stall schon 30 Jahre steht, die heutigen Immissionsschutzwerte nicht erfüllt und nur noch Bestandsschutz hat, müssten, wenn dieser Stall umgebaut würde, meiner Meinung nach die Werte von heute und nicht die Werte von gestern herangezogen werden.

Sie können also sehen, dass der Antrag Licht und Schatten hat. Verpflichtende Kennzeichnungen sind gut, EU-Initiativen sind auch gut. Aber die Zusam

menarbeit in der EU muss auf Augenhöhe geschehen, und, meine Damen und Herren, Immissionen müssen weiterhin begrenzt sein. Auch insoweit hat die Landwirtschaft eine Verantwortung. Da sollten wir nicht lockerlassen.

Wir werden uns bei diesem Antrag enthalten. - Vielen Dank.

(Beifall Jette Waldinger-Thiering [SSW])

Zu einem Kurzbeitrag hat die Abgeordnete Kirsten Eickhoff-Weber das Wort.

Meine Damen und Herren, es ist mir wichtig, ein Missverständnis aufzuklären. Lieber Bernd Voß, ich beweine nicht das Thema, ich beweine diesen Antrag: nichts Neues, nichts Konkretes. Sie selbst haben formuliert, es brauche ein Konzept, damit all das kein Strohfeuer wird. Wo ist das Konzept? Wo ist die Forderung nach der Strategie? - Das ist der Punkt, den man zu beweinen hat. Unseren Ansatz des letzten Jahres schießt ihr einfach weg. Noch nicht einmal bis in den Ausschuss sind wir gekommen. Das ist aber das, was nötig ist. Sonst kommen wir in Schleswig-Holstein nicht voran.

(Oliver Kumbartzky [FDP]: Unser Antrag kommt übrigens auch nicht in den Aus- schuss! - Dr. Frank Brodehl [AfD]: Unserer kam nie in den Ausschuss!)

- Ich bin jetzt dran! - Lieber Oliver Kumbartzky, Protokolle zu lesen, ist sinnvoll. Wenn Sie Zeit haben, tun Sie es einmal. Lesen Sie genau diese Debatten nach. Dann sehen Sie auch die Entwicklung der FDP. Ich habe kürzlich fast unter Tränen Ihre Presse gesehen: Mehr Tierwohl, und, und, und. Bitte einfach einmal lesen, welch unglaublichen Weg die FDP in den letzten Jahren genommen hat. Das ist schon erstaunlich.

(Volker Schnurrbusch [AfD]: Sehr flexibel, die FDP!)

Ich hoffe nur, dass Sie es durchhalten, dass Sie dabeibleiben.

Noch ein Punkt. Wenn man diese Protokolle liest, so sagen Sie gebetsmühlenartig: „Ihre Umweltministerin“. Wollen wir beide das einmal klären? Zuständig ist die Landwirtschaftsministerin, und die ist das Problem. Ich kann Ihnen einen Tipp geben: Heiner Rickers hat die Telefonnummer. Ruft doch einfach einmal an, und klärt das mit ihr!

(Heiterkeit - Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Zurufe FDP - Zuruf Heiner Rickers [CDU])

Nun noch ein ganz spannender Punkt. Wir haben die Nutztierstrategie. Wir haben das Thünen-Institut, wir haben die Ergebnisse der Borchert-Kommission, wir haben auf Bundesebene ganz viel. In Schleswig-Holstein ziehen wir blank.

Wenn wir nach Europa schauen - Europa muss entscheiden -, so ist gerade die Tierhaltungskennzeichnung auf EU-Ebene in der Evaluation. In den Jahren 2012 bis 2016 gab es sie, jetzt ist sie in der Evaluation. Bis zum 22. Juni 2020 kann man noch Vorschläge machen. Vielleicht kann man die Kollegen ermuntern, einfach einmal hineinzuschauen.

Außerdem: Es kommt die GAP, es kommt Green Deal, es kommt die Diskussion um die Strategie Farm to Fork. Darüber haben wir gerade im Ausschuss gesprochen. Der Minister hat noch einmal gesagt, es müsse nicht unbedingt sein, die Parlamente zu beteiligen. Wir können aber dafür sorgen, dass wir in diese Debatte einsteigen. Mit der konservativen Mehrheit im Europaparlament haben wir die Chance, die Tierhaltungskennzeichnung auf EU-Ebene, das Thema Labeling, in die Diskussion zu bringen.

Lasst uns gemeinsam dafür sorgen. Und noch einmal das Plädoyer: Lasst es uns im Ausschuss beraten.

(Beifall SPD)

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag hat der Abgeordnete Bernd Voß.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hätte nicht gedacht, dass ich noch einmal chronologisch einordnen muss. Wo stehen wir heute? - Wir haben seit vier Monaten den Bericht der Borchert-Kommission. Es ist völlig klar: Da könnte das eine oder das andere aus grüner Sicht anders sein. Wir haben aber ein abgestimmtes bundesweites Konzept, das mit der Breite der Landwirtschaftsverbände, den Tierschutzverbänden, den Umweltverbänden, den Verbänden der Verbraucherinnen und Verbraucher abgestimmt ist. Wir haben einen starken Konsens, um aus dieser quälenden Debatte herauszukommen.

Auf diesen Punkt sollten wir uns jetzt konzentrieren und in die Umsetzung gehen. Ich will mir wirklich

(Lars Harms)

verkneifen zu sagen: Sie sind Teil der Bundesregierung, bringen Sie es bitte in der Bundesregierung gemeinsam zügig voran! - Das muss man, glaube ich, einfach erwarten.

Das Konzept ist da. Was Schleswig-Holstein betrifft, machen wir seit 2012 unter anderem mit dem Runden Tisch „Tierschutz in der Nutztierhaltung“ eine ziemlich effektive Politik, die auch in das eine oder andere Gesetz gemündet ist und wirklich vor Ort die Probleme, die da sind, angeht und Lösungen voranbringt.

Ich finde daher, dass Sie Nebelkerzen werfen, wenn Sie sagen, es gebe hier kein Konzept. - Vielen Dank.