Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zunächst eine Vorbemerkung machen. Ich selber bin kein Experte für Kolonialismus. Aber ich freue mich sehr, dass wir bei uns in der Fraktion mit Meike Schick eine Referentin haben, die als Historikerin sehr kompetent ist und uns natürlich auch bei der Arbeit hier unterstützt. Sie hat auch mich dabei unterstützt, diese Rede anzufertigen.
Ich will es einmal allgemein sagen: Ich glaube, wir als Abgeordnete sind alle auf eine solche Unterstützung angewiesen. Ich halte es für richtig, dass wir uns dafür bedanken. Das wollte ich bei dieser Gelegenheit einmal sagen. Danke für die Arbeit, die wir oftmals erhalten.
Die Bedeutung des Kolonialismus wurde für unsere Gesellschaft lange unterschätzt. Der deutsche und auch der europäische Kolonialismus sind ein Ausdruck von Gewalt.
Im vergangenen Jahr hat unser Ministerpräsident Daniel Günther bei seinem Besuch in Namibia das ausgesprochen, was bis 2015 nicht anerkannt wurde. Die deutschen Kolonialtruppen haben aus heutiger Perspektive einen Völkermord, einen Genozid, an den Herero und Nama verübt. Deutschland trägt eine historische Bürde.
Ich kann es wirklich nur jedem nahelegen, sich mit diesem historischen Kapitel der Grausamkeit auseinanderzusetzen. Denn so wurden auch unzählige Menschen Medikamententests und Infektionen zugunsten von deutschen Forschungen unterzogen. Es kam zur Menschenjagd und zu zahlreichen Entwendungen von Gebeinen und Schädeln zum Zwecke der Rassenforschung an deutschen und europäischen Forschungseinrichtungen.
Noch immer ruhen in zahlreichen Museen oder auch Forschungseinrichtungen menschliche Überreste, welche zum Zweck der Rassenforschung ihren Weg hier hergefunden haben. Die Bundesregierung arbeitet hier bereits seit einigen Jahren an einer Aufarbeitung und an bestehenden Rückgabeforderungen. Und ja, es gibt auch eine schleswig-holsteinische Verantwortung. Dazu müssen wir uns sehr deutlich bekennen.
Dazu gehört es auch, dass wir uns kritisch dem Thema der „Aufarbeitung der europäischen und deutschen Kolonialgeschichte in Schleswig-Holstein“ widmen. Ich möchte dem Bildungsministerium, aber auch ganz explizit dem SSW danken, diese Initiative gestartet zu haben und wir jetzt über diese Große Anfrage im Parlament sprechen können.
Eindrücklich wird dargestellt, wie man sich bereits heute dem Thema von Kolonialismus und seinen Folgewirkungen in verschiedenen Bereichen widmet. Wir kümmern uns bereits um das Thema. Aber ist das schon genug?
Um es konkret zu machen - auch Lars Harms hat hier einige Beispiele genannt -: Kolonialgeschichte soll auch in der Schule eine Rolle spielen. Ich würde mir wünschen, dass auch zukünftig Lehrkräfte regelmäßiger Fortbildungen zur Deutschen Kolonialgeschichte angeboten bekommen. Das ist ein entscheidender Punkt. Unsere Hochschulen bieten bereits heute zahlreiche relevante Forschungsansätze.
Das vom Bund finanzierte Projekt „Zwischen Kolonialismus und Weltoffenheit“ hat einen wichtigen Grundstein für eine museale und forschungsrelevante Vernetzung geschaffen. Wir befinden uns in Schleswig-Holstein allerdings in einer ersten grundlegenden Aufarbeitungsphase. Aber es werden weitere Schritte erforderlich sein, um eine umfassende Provenienzforschung für unsere Bestände durchzuführen.
In der Antwort der Landesregierung wird auch deutlich, dass die Stichproben ergeben haben, dass die Sammlungsbestände zu einem großen Teil aus privaten Sammlungen stammen und nicht von deutschen Forschungsexpeditionen. Dabei sind nur wenige Objekte als sensibel eingestuft worden. Dennoch gilt bei jedem Verdachtsmoment, dass die Provenienz geprüft werden soll.
Ich würde es gut finden, wenn wir uns im Bildungsausschuss zu Beginn 2021 mit dem Projektabschluss und dann auch mit der geplanten Wanderausstellung beschäftigen und uns das vorstellen lassen. An dieser Stelle sind wir als Politik immer und immer wieder gefragt, diesem Thema auch ein entsprechendes Gewicht zu geben.
Selbstverständlich sollten wir uns mit Blick auf Kolonialismus auch mit der Benennung von Straßennamen und Statuen beschäftigen. Und ja, Otto von Bismarck und auch Winston Churchill hatten eine
Ich halte wenig von der Umbenennung von Straßen. Diese Themen sollte man öffentlich kenntlich machen und - das ist das Entscheidende - am Ende kontextualisieren, also auch eine Debatte dazu möglich machen. Eine Verbannung aus dem öffentlichen Raum würde dazu führen, dass die Gesellschaft auch nicht mehr zu kritischen Reflektionen angeregt wird. Das können wir alle nicht wollen.
Rassismus ist in der Gesellschaft sehr präsent. Jeder von uns ist gefragt, sich entschieden gegen Rassismus zu stellen. Die letzten Tage und Wochen haben sehr deutlich gemacht, dass wir uns stärker über die Ursachen von Rassismus austauschen müssen. Wir als Landtag haben den Landesaktionsplan gegen Rassismus auf den Weg gebracht, den wir gerade zusammen entwickeln. Lars Harms, ich würde es als Chance sehen, damit entsprechende Akzente zu setzen.
Entscheidend wird am Ende sein, dass wir an diesem Thema dranbleiben und uns weiterhin damit beschäftigen. Dies sollte nur ein Anfang gewesen sein. - Danke, dass Sie mir zugehört haben.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der spätere Reichskanzler Bernhard von Bülow forderte 1897 im Reichstag einen „Platz an der Sonne“ für Deutschland. Man dürfe sich nicht von dem „Mitbewerb anderer Völker“ ausschließen. Mit diesen „anderen Völkern“ waren nicht etwa die gemeint, die in den angestrebten Kolonien schon lebten, sondern die anderen europäischen Staaten, die einen Verteilungswettkampf gestartet hatten.
Der evangelische Theologe Paul Rohrbach - Hinweis: auch die Kirche hat einiges aufzuarbeiten schrieb als Kolonialbeamter über Afrika:
„Auch der größte Freund könne nicht behaupten, dass die schwarze Rasse im Ganzen genommen mit der Summe körperlicher Ar
beitskraft, über die sie verfügt, im Verhältnis annähernd so viel Werte schaffte, wie die übrigen Völker, die durch ihre Lebensumstände und durch ihre innere Charakterveranlagung zu wirklicher Arbeit getrieben werden.“
Solche und ähnliche Texte gibt es zuhauf. Es war blanker, übler Rassismus, der überhaupt erst die Rechtfertigung für den Kolonialismus lieferte.
Mit dem Ersten Weltkrieg war es mit deutschen Kolonien vorbei. Der Prozess der Entkolonialisierung war für Deutschland damit erledigt, während die Siegermächte zum Teil bis heute mit der Frage konfrontiert sind, ob und wie die Reste des europäischen Kolonialismus in anderen Erdteilen liquidiert werden können. Der deutsche Rassismus endete damit nicht, ebenso wenig wie der deutsche Wunsch nach einem „Platz an der Sonne“.
„Das Deutsche Reich muss unbedingt den Erwerb von Kolonien anstreben. Im Reiche selbst ist zu wenig Raum für die große Bevölkerung. … Wir müssen für unser Volk mehr Raum haben und darum Kolonien.“
Das sagte der seinerzeitige Kölner Oberbürgermeister und spätere Bundeskanzler Konrad Adenauer in seiner Eigenschaft als Vizepräsident der Deutschen Kolonialgesellschaft.
Ein bisschen wunderte mich die schweigsame Erkenntnislosigkeit der Landesregierung - Herr Harms nannte es lückenhaft - in Ihrer Antwort zu Fragen nach Ehrungen und Entehrungen von kolonialistisch belasteten Personen in Schleswig-Holstein. Noch immer tun wir uns schwer damit, uns von dieser historischen Hypothek zu distanzieren. Das zeigt sich jedes Mal, wenn wir um den Abriss von Denkmälern oder um die Umbenennung von Straßen ringen. Und ja, es gibt immer wieder Anlässe, darüber zu sprechen:
Otto von Bismarck hat die Aufteilung Afrikas moderiert. Bismarck war ebenso Ehrenbürger Lübecks wie Alfred von Waldersee, der in China das umsetzte, was der Kaiser so formulierte:
Weder der noch Waldersee verdienen nach den Maßstäben des Jahres 2020 Standbilder, Straßennamen oder Ehrenbürgerschaften.
Nebenbei: Die Hohenzollern sollten heute in Demut schweigen und nicht unverschämte Forderungen an die Demokratie stellen, die ihre Vorfahren bekämpft haben.
„Sie suchen einen neuen Standort für Ihr Unternehmen? Mitten in Schleswig-Holstein, mit perfekter Verkehrsanbindung und ausreichend Platz und Perspektiven zur sprichwörtlich freien Entfaltung? Egal aus welcher Branche Sie kommen - ob Logistik, Industrie oder Verwaltung -, hier - im LevoPark Bad Segeberg - bieten wir Ihnen zahlreiche und vor allem flexible Möglichkeiten.“
Der LevoPark Bad Segeberg ist benannt nach Herrn Lettow-Vorbeck, der als Kompaniechef am Völkermord an den Herero und Nama in Namibia teilnahm.
Es war die sozialdemokratische Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Heidemarie Wieczorek-Zeul, die 2004 in Namibia erklärte: