Protocol of the Session on May 7, 2020

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich danke dem Kollegen Heiner Rickers für die umfangreiche Aufzählung, denn letztendlich macht sie deutlich, dass es nötig ist, dass wir über diese Systeme der Transporte und der Schlachtungen nachdenken.

Der Antrag des SSW ist aus der Zeit von vor Corona. Trotzdem zeigt auch diese Krise, wie nötig es ist, dass wir all diese Fragen stellen. Lange LkwSchlangen an den Grenzen zu Polen, darin eben auch Tiertransporte, Tiere in großer Not, langes Warten, eine Qual für die Tiere. Es ist noch einmal gutgegangen.

In Kellinghusen hier am Schlachthof haben sich Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, insbesondere aus Rumänien, durch die beengten Wohnverhältnisse mit Corona angesteckt. Auch das ist ein Ergebnis von Konzentration, von „billig, billig“. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wünsche ich von hier aus gute Besserung. Ich habe gehört, im Sozialausschuss ist darüber schon intensiv gesprochen worden. Viele Überlegungen sind auf dem Weg.

Der Schlachthof ist geschlossen, und - Lars Harms hat es erwähnt - die lange Reise für die Tiere geht

wieder los. Irgendwo muss man sie schlachten. Hier in Schleswig-Holstein gibt es keine Kapazitäten mehr, also gehen sie in andere Bundesländer.

Wir erinnern uns an die Debatte im letzten Jahr hier im Schleswig-Holsteinischen Landtag. Ausgehend von engagierten Amtsveterinären und Landräten wurde das Thema Tiertransporte intensiv diskutiert. Es gab hier den Bericht des Ministers, es gab Anträge von SSW und SPD. Wir haben im Ausschuss beraten. Wir haben eine schriftliche Anhörung durchgeführt. Ich kann mich gut an die mündliche Anhörung erinnern. Da wurde uns nämlich von den Fachleuten eindringlich geschildert, wie erbärmlich die Langstreckentransporte sind, wie desolat die Verhältnisse und wie mangelhaft die Kontrollen.

(Beifall Lars Harms [SSW])

Alle waren sich einig, dass es so nicht weitergehen darf. In der Ausschusssitzung am 20. Juni 2019 überraschte uns Jamaika mit einem Änderungsantrag. Dieser Änderungsantrag enthielt ausschließlich Forderungen, die entweder auf Europaebene, auf Bundesebene, in der Agrarministerkonferenz wo auch immer - schon beschlossen und auf dem Weg waren. Dieser Antrag war eine Luftnummer.

Der jetzt vorliegende Alternativantrag von Jamaika ist im Grunde genommen der identische Antrag vom letzten Mal. Ich bin sehr bei Lars Harms: Nichts ist vorangegangen, nichts hat sich bewegt.

(Beifall SPD und SSW)

Es gibt immer noch keine zentrale nationale Datenbank, es gibt immer noch kein Exportverbot in die Nicht-EU-Länder, die den Tierschutz nicht gewährleisten können. Die Bundeslandwirtschaftsministerin kommt nicht zu Potte, ebenso wenig wie bei dem staatlichen Tierwohllabel oder bei der nationalen Tierwohlstrategie - alles Themen, die wir hier im Haus schon einmal diskutiert haben.

Der Kollege Rickers hat in einer Landtagsdebatte einmal berichtet, er habe die Telefonnummer von Frau Klöckner.

(Heiner Rickers [CDU]: Habe ich immer noch! - Dennys Bornhöft [FDP]: Aber sie hat eine neue Nummer? - Heiterkeit)

Herr Rickers, rufen Sie an und sorgen Sie dafür, dass da endlich einmal etwas passiert und endlich einmal etwas vorangeht.

Einig sind wir uns alle bei dem Thema EU. Es geht um die Tiertransport-Verordnung. Da hat im letzten Februar das Parlament schon gefordert, dass etwas passieren muss. Die Sozialdemokraten und die Grü

(Heiner Rickers)

nen haben sich dieses Problems angenommen. Ein Untersuchungsausschuss ist beschlossen. Konkrete Schritte sollen jetzt in der Fork-to-Farm-Strategie festgelegt werden. Sie sollen Teil des Green Deals werden. - Ganz ehrlich: viel sollen, wenig müssen! Wir alle miteinander haben einen Auftrag, dass diese nächste EU-Förderperiode auch an dieser Stelle etwas ändert.

(Beifall SSW und vereinzelt SPD)

Eine Forderung in diesem aktuellen Antrag ist neu, liebe Jamaikaner. Diese Forderung macht mich fast sprachlos. Sie fordern nämlich als regierungstragende Fraktionen die Landesregierung auf, ein Konzept für verbesserte Kontrollen von Tiertransporten zu erarbeiten. Nach mehr als einem Jahr! Das ist der Punkt. Die Landesregierung hätte jede Chance gehabt, alles zu tun. Offensichtlich ist nichts passiert, denn sonst hätten Sie diesen Antrag nicht gestellt. Dieser Antrag ist ein Armutszeugnis für die Landwirtschaftsminister.

(Vereinzelter Beifall SPD und SSW)

Ich danke dem SSW für den Antrag. Ganz ehrlich: Wir müssen ganz viele Punkte diskutieren. Lars Harms, acht Stunden, das ist unsere Linie für die langen Transporte. Vier Stunden sind hier im Land problematisch; das wissen wir. Der Zwang, beim nächstgelegenen Schlachthof zu schlachten, ist ein Problem. Ich kenne viele Landwirte, die ganz bewusst an Kellinghusen vorbeifahren, weil sie wollen, dass ihre Schweine ordentlich geschlachtet werden.

Ich beantrage, beide Anträge in den Umwelt- und Agrarausschuss zu überweisen, denn wir haben noch die Anhörungen zu den Schlachtbedingungen und Schlachtkapazitäten in Schleswig-Holstein nicht zu Ende gebracht. Die Themen gehören zweifelsohne zusammen. Deshalb fände ich es richtig, wenn wir das im Ausschuss diskutieren würden. Beim letzten Mal haben die Jamaikaner das leider verhindert. Vielleicht sollten wir das jetzt tun.

Frau Abgeordnete!

Vielen Dank, Herr Präsident.

(Beifall SPD und SSW)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Joschka Knuth.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Tiertransporte stellen für Tiere eine besondere Stresssituation dar, ganz unabhängig davon, ob es sich um einen Transport innerhalb der EU oder um einen Transport in Nicht-EU-Länder handelt. Das ist unbestritten. Umso wichtiger ist es doch, dass während der Transporte Mindeststandards eingehalten werden. Wir wissen, dass die bestehenden Mindeststandards auch in Europa nicht immer eingehalten werden. Es gibt in Europa Vollzugsdefizite. Das haben zuletzt auch noch einmal die langen Staus an den nationalen Grenzen innerhalb Europas gezeigt, die im Zuge der Coronakrise aufgetreten sind. Ganz offenbar braucht es da mehr Kontrollen.

Wir Grüne sind deshalb auch für eine Begrenzung der Transportzeiten. Das ist bekannt. Wir sehen keine Notwendigkeit, Zuchttiere aus Schleswig-Holstein über weite Strecken zu verbringen. Beim Aufbau der Zucht sollten Länder mit anderen klimatischen Bedingungen beispielsweise doch viel lieber auf angepasste Züchtungen setzen. Unterstützung dabei könnte auf andere Weise geleistet werden, zum Beispiel durch Ausfuhr von Genetik in Form von Spermien oder Embryos. Das fordern wir als Grüne schon lange. Aber natürlich ist das nicht eins zu eins immer mehrheitsfähig. Das ist das Wesen der Demokratie.

Insbesondere bei Transporen in Drittländer erleben wir aber immer wieder, dass Tiere unnötigen Leiden ausgesetzt sind. Viel zu häufig kommt es vor, dass Ruhezeiten nicht eingehalten und die Tiere nicht richtig versorgt werden. Wir alle erinnern uns noch an die hier auch schon geführten Debatten.

Von manchen Transportrouten, insbesondere nach Russland, ist bekannt, dass dort gar nicht die logistischen Voraussetzungen bestehen, um zum Beispiel die Tiere bei den vorgeschriebenen Ruhepausen abzuladen und gut unterzubringen. Ich halte es daher für richtig, Transporte ganz auszusetzen, bis diese Missstände nachweislich behoben sind.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist gut, und es ist richtig, dass sich unsere Landesregierung dieser Problematik vielfältig angenommen hat. Es ist in der Zwischenzeit etwas geschehen - sowohl hier im Land als auch in der Agrarministerkonferenz. Allein 2017 wurden 700.000 lebende Rinder aus der EU exportiert. 81.000 davon kamen nach Angaben des Statistischen Bundesam

(Kirsten Eickhoff-Weber)

tes aus deutschen Ställen, und jedes Tier, das auf einem Transport Leid erfährt, ist eines zu viel.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich freue mich deshalb, dass wir auch in der Koalition in unserem Antrag weitgehend dahin gehend verständigen konnten, dass wir uns nicht nur klar zur Problematik der Versorgungsstationen äußern, sondern auch deutlich machen, dass es darüber hinaus einer ausführlichen Überarbeitung der EUTransportverordnung bedarf. Die dort getroffenen Festlegungen zu Transport- und Ruhezeiten sowie zum Platzangebot reichen als Mindeststandards nicht aus - ganz abgesehen von den absolut unzureichenden, da nicht wirklich vorhandenen Temperaturregelungen. Das muss man sich einmal vorstellen.

(Beifall Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die oftmals viel zu heißen Sommer der vergangenen Jahre verdeutlichen den Anpassungsbedarf. Wenn Temperaturen von über 35 Grad im Sommer in vielen Ländern zur Regeln werden und nicht mehr nur eine Ausnahme darstellen, steigt das Risiko, dass auf Transporten die Temperaturvorgaben nicht eingehalten werden. Strengere Temperaturgrenzen können hier eine sinnvolle Maßnahme sein, um unnötigem Leid vorzubeugen.

Ich bin überzeugt, dass wir mit diesem Antrag doch ein klares Signal für eine Überarbeitung senden. Wir haben es nicht abschließend selbst in der Hand, ob es zu einer Überarbeitung kommt und wie diese aussieht, aber wir werden alles geben, damit diese Standards angepasst werden und dass sie zum Wohle der Tiere angepasst werden.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Es darf durchaus als Zeichen verstanden werden, dass wir diese Forderung auch in der Koalition gemeinsam beschließen.

Noch besser als strengere Regelungen für Tiertransporte, und hier komme ich noch einmal auf das zurück, was der Kollege Harms gesagt hat, wäre in der Tat ein Ausbau der lokalen und regionalen Strukturen, möglichst kurze Wege zum nächsten Schlachthof und die Verbesserung der regionalen Vermarktung. Am Markt erleben wir leider in den letzten Jahren genau den gegenläufigen Trend, und es wird nicht einfach sein, das umzudrehen und wieder zu mehr Wertschöpfung in der Region und handwerklichen Strukturen mit guter Entlohnung in der Fleischverarbeitung zu kommen. Ich kann Ih

nen aber ganz klar und deutlich sagen: Sie haben uns da an Ihrer Seite.

Wie wichtig das wäre, sehen wir nicht zuletzt anhand der aktuellen Entwicklung bei den Schlachthöfen hier im Land. Das macht wirklich betroffen, und wir können alle nur hoffen, dass die Menschen vor Ort gesund durch diese Zeit kommen.

Wir Grüne setzen uns mit Nachdruck dafür ein, dass wir auch die handwerklichen Strukturen in der Fleischverarbeitung sichern. Ich bin mir sicher, dass wir nicht das letzte Mal hier im Landtag über Tiertransporte beraten haben. Das wird - wahrscheinlich auch in dieser Legislaturperiode - noch das eine oder andere Mal passieren, aber ich finde, wir sind auf einem guten Weg. Ich freue mich über Zustimmung zu unserem Antrag und weitere Debatten.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und Hans-Jörn Arp [CDU])

Das Wort für die Fraktion der FDP hat der Abgeordnete Dennys Bornhöft.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir alle wollen keine leidvollen Tiertransporte. Keiner hier im Haus will, dass Rinder auf endlosen Fahrten ohne Pause, ohne Wasser, in sengender Hitze oder in klirrender Kälte gequält werden. Dagegen stehen natürlich auch gesetzliche Regelungen. Jedoch: Tiertransporte können trotz aller schützenden Vorschriften mit Leid verbunden sein, auch wenn man sich an alle hält. Das gilt natürlich erst recht, wenn man sich nicht an sie hält.

Das will natürlich keiner. Das wollen auch die Rinderexporteure nicht. Quälerei kann und darf natürlich kein Geschäftsmodell sein. Unsere Landesregierung setzt sich für bessere Rahmenbedingungen für Tierexporte in Drittländer ein. Wir brauchen dazu allerdings auch eine aktive Bundesregierung, das haben wir gerade schon festgestellt, und wir brauchen auch einen effektiven europäischen Einsatz sowie internationale Verständigung. Viele der Zuständigkeiten, gerade die, die den Binnenmarkt betreffen, liegen leider nicht im Land.

Der Umweltausschuss hat sich erst letztes Jahr sehr umfassend mit dem Thema Tierexporte in Drittländer befasst, über die Bedingungen auf den Transportrouten beraten und sich darüber berichten lassen. Die Landesregierung setzt sich auf Bundesebene in der Agrarministerkonferenz für bessere Trans

(Joschka Knuth)