Protocol of the Session on February 20, 2020

Ich rufe Tagesordnungspunkt 31 auf:

Förderung zum Erhalt seltener Nutztierrassen und Kulturpflanzen

Bericht der Landesregierung Drucksache 19/1852

Ich erteile das Wort dem Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung, Jan Philipp Albrecht.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Nicht nur die Zahl der natürlich vorkommenden Tier- und Pflanzenarten ist in Schleswig-Holstein in den letzten 14 Jahren um nahezu ein Viertel zurückgegangen, auch alte Nutztierrassen und Kulturpflanzen drohen uns verloren zu gehen. Diese haben für uns nicht nur einen kulturhistorischen Wert, viel wichtiger ist der Erhalt, um den Umweltveränderungen mit einer genetischen Viel

(Dr. Ralf Stegner)

falt etwas entgegenzusetzen. Alte Sorten und Kulturpflanzen, Amateursorten und seltene, züchterisch bearbeitete Feldfrüchte stellen einen wertvollen Genpool dar, den es zu erhalten gilt.

Die politische Aufgabe, die Agrobiodiversität zu bewahren, ergibt sich nicht nur aus unserer Verpflichtung der Umwelt gegenüber, sondern auch aus dem Grundgesetz. Artikel 20 a GG sieht vor, dass in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und Tiere zu schützen sind. National und international hat sich Deutschland und damit auch Schleswig-Holstein durch etliche Verträge und Abkommen verpflichtet.

Meine Damen und Herren, der vorgelegte Bericht zeigt zunächst einmal die zahlreichen nationalen und internationalen Aktivitäten auf. In diese Struktur ist Schleswig-Holstein über den Bund eingebunden. Daraus ergibt sich das Grundgerüst für die schleswig-holsteinische Strategie, die sich auf drei Eckpunkte konzentriert.

Der erste Eckpunkt besteht in der Unterstützung der schleswig-holsteinischen Akteure in der Landwirtschaft, im Gartenbau und im Hobbybereich im Hinblick auf den Erhalt bedrohter, an die Region angepasster Nutzpflanzenarten und deren Sorten, die Züchtung, den Erhalt und die Nutzung seltener und gefährdeter Nutztierrassen, das Schaffen von Obstgärten mit alten Kultursorten, das Umwandeln von Acker in Dauergrünland und die extensive Grünlandbewirtschaftung.

Der zweite Eckpunkt der Landesstrategie liegt in der fortwährenden Stärkung bestehender Strukturen. Hierzu gehört beispielsweise die Förderung der Stiftung Naturschutz, die sich dafür einsetzt, artenreiches Dauergrünland zu sichern und zu entwickeln. Ebenso gehört dazu die Unterstützung der Arche Warder, deren Anliegen es ist, alte Nutztierrassen zu erhalten. Auch über Projekte der europäischen Innovationspartnerschaft können verschiedene Akteure mit ihren Ideen erfolgreich unterstützt werden.

Der dritte Eckpunkt unserer Strategie umfasst die Mitarbeit auf nationaler und internationaler Ebene, insbesondere die Beteiligung an der Kooperation und Umsetzung konkreter Maßnahmen und Fachprogramme.

Lassen Sie mich dafür ein Beispiel herausgreifen: die Genbank für landwirtschaftliche Nutztiere in Mariensee. Dort ist in den vergangenen Jahren durch das MELUND Genmaterial verschiedener bedrohter schleswig-holsteinischer Nutztierrassen für die Kryokonservierung eingelagert worden.

Daneben sind im Rahmen der GAK im Landeshaushalt Fördermittel vorgesehen, damit bestimmte alte Nutztierrassen weiter auf landwirtschaftlichen Betrieben gehalten werden können. Hierfür gibt es in Schleswig-Holstein eine kleine Zielgruppe von Züchtern mit Rassen wie zum Beispiel dem Schleswiger Kaltblut, dem Deutschen Shorthorn, dem Angler Rind alter Zuchtrichtung, dem Angler Sattelschwein oder auch dem Rotbunten Husumer Schwein, die hierzulande ursprünglich heimisch sind und in einem regionalen Bezug stehen. Außerdem werden Landesmittel zur Unterstützung der Zucht-Buchführung eingesetzt, um die große Vielfalt an Rassen zu erhalten, die durch die Zuchtverbände betreut werden.

Um auf die künftigen Herausforderungen durch den Klimawandel reagieren zu können, ist es wichtig, in der Rinderzucht viele Gesundheits- und Stoffwechselparameter zu erfassen, um die Anpassungsfähigkeit verschiedener Rinderrassen zu verbessern. All dies unterstützen wir als Land.

Das MELUND unterstützt darüber hinaus die Stiftung Naturschutz bei ihren Aktivitäten zur Bewahrung der pflanzengenetischen Vielfalt auf Dauergrünland, die bundesweit Beachtung erlangt hat.

Meine Damen und Herren, wir alle profitieren von einer intakten Umwelt, die es nur dann geben kann, wenn wir uns heute gemeinsam darum kümmern, wenn wir Artenvielfalt sichern, wenn wir Kulturpflanzen bewahren und wenn wir dem Aussterben alter Nutztierrassen entgegentreten und sie erhalten, und das tun wir in Schleswig-Holstein.

Es sind auch weiter große Anstrengungen erforderlich, um den Insektenrückgang und den Verlust der natürlichen Artenvielfalt zu stoppen und den Trend umzukehren. Das können wir schaffen, wenn wir alle gemeinsam an einem Strang ziehen. Denn mit jeder Art verlieren wir einen Teil unseres natürlichen Reichtums, und das heißt auch, mit jedem Schritt zum Erhalt der Arten gewinnen wir alle zusammen. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Heiner Rickers.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Minister Albrecht, Sie

(Minister Jan Philipp Albrecht)

haben uns den Bericht zum Erhalt alter Nutztierrassen und Kulturpflanzen in Schleswig-Holstein vorgelegt. Dafür sind wir Ihnen aus Sicht der CDUFraktion dankbar, und zwar nicht nur, weil das im Koalitionsvertrag so festgehalten wurde, sondern weil wir davon überzeugt sind, dass wir eine Genreserve von Pflanzen und Nutztieren brauchen, die in der Evolution über Jahrhunderte bewiesen haben, dass sie anpassungsfähig sind und mit ihren vielen positiven Eigenschaften bei dem, was uns in Zukunft erwartet, vielleicht noch gebraucht werden. Herzlichen Dank an das Ministerium für diesen Bericht!

Ich will aber auch sagen, dass aus unserer Sicht in der Einleitung einige Dinge fachlich ein wenig zu rosig betrachtet werden. Es gibt natürlich Gründe dafür, dass gewisse Nutztiere und Nutzpflanzen heute nicht mehr am Markt positioniert werden können. Das ist nicht dadurch zu begründen, dass sie so erfolgreich und gesund waren, gesundheitsfördernd, fruchtbar und ertragreich, sondern dass sie auch Nachteile aufgewiesen haben. Heute baut eben keiner mehr Dinkel an, weil Dinkel sowohl in der Ertragssicherheit als auch in der ernährungsphysiologischen Beschaffenheit nicht die Ziele erreichen kann, die wir in der Ernährung heute brauchen.

Der Klimawandel wird uns vor große Herausforderungen stellen. Das haben wir hier mehrfach besprochen. Dafür brauchen wir die Genreserven mit alten Pflanzen und alten Nutztierrassen in Schleswig-Holstein.

Sie haben beschrieben, dass die schleswig-holsteinische Strategie auf drei Schwerpunkte ausgelegt ist. Auf diese Schwerpunkte möchte ich gern kurz eingehen.

Als erster Schwerpunkt wird die Beibehaltung vielfältiger Fruchtfolgen aufgezeigt. Ja, das kann man aus fachlicher Sicht gut begründen. Denn Fruchtfolgen, die vielfältig gestaltet sind, sorgen für Abwechslung, sie sorgen dafür, dass Biodiversität erhalten werden kann, und sie sorgen auch dafür, dass sich Flora und Fauna über Biotopvernetzung in unterschiedlichen Früchten wild entwickeln können.

Der zweite Schwerpunkt ist die Förderung von Initiativen, die zum Beispiel in der Stiftung Naturschutz oder in der Arche Warder sowohl für Pflanzen als auch für Nutztierrassen hervorragend und vorbildlich umgesetzt und deshalb auch vom Land Schleswig-Holstein unterstützt werden.

Der dritte Schwerpunkt der Strategie - auch das kann nur richtig sein - ist, dass Sie sich informieren

und mit Fachleuten aus Ihrem Ministerium fachliche Unterstützung geben auf nationaler und internationaler Ebene.

Der Bund hat bereits 2007 eine sogenannte Rote Liste der gefährdeten Nutzpflanzen und Wildarten in Ernährung und Landwirtschaft herausgegeben. Auch darauf wird im Bericht hingewiesen. Wir in Schleswig-Holstein orientieren uns an dieser Liste, indem wir feststellen, was wir in Schleswig-Holstein noch vorfinden und was aus Sicht der Fachleute förderungs- und erhaltungswürdig ist.

Der Bund fördert mit GAK-Mitteln. In SchleswigHolstein wird das umgesetzt. Ich bin darauf eingegangen, dass insbesondere Initiativen wie die Stiftung Naturschutz und die Arche Warder das Ganze vorbildhaft umsetzen.

Ich will Ihnen mit einem praktischen Beispiel aus dem Bereich der Nutztierzucht an der CAU in Kiel erklären, warum einige Dinge so wichtig sind. Dort wird über ein auch vom Land unterstütztes Projekt im Bereich Nutztierhaltung mit dem Schwerpunkt Rinderhaltung sogenanntes schleswig-holsteinisches Rotvieh alter Rasse mit den Merkmalen Klauengesundheit, also gesundes Geläuf, und Vitalität eingekreuzt in Milchrassen in Schleswig-Holstein mit großem Erfolg. Denn Sie wissen, wenn ein Produktionsfaktor extrem in eine Richtung zeigt - siehe Milchleistung -, leiden andere Faktoren wie Fruchtbarkeit oder Gesundheit. Wenn es gelingt, die positiven Eigenschaften aus alten Genreservoirs nutzen zu können, zeigt das, wie wichtig so etwas für die Praxis ist.

(Vereinzelter Beifall CDU)

Abschließend möchte ich noch einmal herzlichen Dank für den Bericht sagen. Wir sind verpflichtet, international teilzunehmen und darauf zu achten, dass wir die Genreservoirs nicht nur füllen, sondern auch pflegen, weil wir sie zukünftig brauchen werden. Schleswig-Holstein wird seinen Anteil dazu beisteuern. - Herzlichen Dank.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Das Wort für die SPD-Fraktion hat die Abgeordnete Kirsten Eickhoff-Weber.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dem Minister und dem Ministerium danke ich herzlich für diesen ausführlichen

(Heiner Rickers)

Bericht, der das Thema noch einmal deutlich darstellt. Wie manche alte Rasse im Nebel der Vergangenheit versunken ist, so liegt auch die vorgelegte Strategie an manchen Stellen noch im Nebel der Zukunft. Das Thema ist von besonderer Bedeutung - das haben wir gerade gehört -, eben auch mit Blick auf die dringend notwendige Neuausrichtung der Agrarpolitik hin zu einer nachhaltigen Landwirtschaft, die ökologisch verträglich, sozial gerecht, ökonomisch rentabel und am Tierwohl orientiert sein muss.

(Beifall SPD)

Die in den vergangenen Jahren immer intensivere und spezialisiertere Landwirtschaft hat dazu geführt, dass man sich auf einige Hochleistungsarten reduziert hat. Wir brauchen aber auch andere Nutztier- und Kulturpflanzen. Das bedeutet jetzt den Rückgriff auf alte und bewährte Rassen und Sorten. Dieser Rückgriff ist aber nur möglich, wenn es diese noch gibt. Das Thema der historischen Arten wurde viele Jahre ein Stück weit vernachlässigt und auch belächelt. Von der Nationalen Strategie der Bundesregierung aus dem Jahr 2007 haben wir schon gehört. Im Bericht ist zu lesen, dass die Bundesländer aufgefordert waren, diese Strategie umzusetzen. Einige Länder waren mehr, andere weniger erfolgreich. Hand aufs Herz: In Schleswig-Holstein ist die Nationale Strategie bisher noch nicht mit so großem Wumms umgesetzt worden, wie es vielleicht nötig gewesen wäre.

Der Bericht lobt zu Recht die Aktivitäten der Stiftung Naturschutz und insbesondere die sehr gelungenen Maßnahmen für das artenreiche Grünland. Da wird wirklich überzeugende Arbeit geleistet.

(Beifall SPD, Ines Strehlau [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Dennys Bornhöft [FDP])

Wenn wir uns aber an das 2019 beschlossene Grünlandgesetz erinnern, müssen wir feststellen: Da wurde eine Gelegenheit, etwas für Agrarbiodiversität zu tun, vom Schleswig-Holsteinischen Landtag nicht genutzt. Das muss uns bewusst sein: Erhalt gelingt nicht allein auf Naturschutzflächen, im Museum, im botanischen Garten oder in den Kühlkammern, wo die Spermaproben aufbewahrt werden. Erhalt gelingt nur, wenn wir eine reich strukturierte, nachhaltige Landwirtschaft fördern, die Biodiversität ermöglicht.

(Vereinzelter Beifall SPD)

Die EU ist hier in ihrer neuen Förderperiode in der Verantwortung. Man muss jetzt das Land bitten, da

für zu sorgen, dass die Leistungen für das Gemeinwohl honoriert werden und nicht nur der Besitz von vielen Hektar.

Für die seltenen Haustierrassen - so ist im Bericht zu lesen - soll die Arche Warder Fördermittel erhalten. Das ist gut so, dafür wird bei Arche Warder viel Gutes getan. Allerdings hätte der Leiter der Arche Warder noch ganz andere Einflussmöglichkeiten. Er ist Mitglied im Kuratorium der Tönnies-Forschung. Gerade die Schlachtindustrie wie die von Tönnies treibt die Reduzierung auf das Normschwein voran. Wenn es gelänge, alte Rassen mit ihren besonderen Qualitäten wieder vermehrt zu vermarkten, wären manche Probleme deutlich kleiner.

(Beifall SPD)

Das ist ein ganz wichtiger Punkt: Wir dürfen nicht warten, bis es von einer Rasse kaum noch Tiere gibt und bis sie auf der Roten Liste steht. Wir müssen bereits vor dem Notstand aktiv sein. Im Rinderbereich müssen Erhaltungsprogramme gestartet werden, wenn die Population einer Rasse noch nicht unter 5.000 Kühe gefallen ist. Die Rinderzucht Schleswig-Holstein entwickelt und führt im Rinderbereich für Angler und Rotbunt DN nachhaltige Zuchtprogramme durch. Diese wurden durch das EIP-Programm und durch Projekte wie ReDiverse auf europäischer Ebene gefördert. So konnte erreicht werden, dass die Angler-Rinderrasse und die Rotbunt-DN-Rasse stabil in unserer Rinderlandschaft verankert sind und ihren prozentualen Anteil halten können. Auch da gibt es durchaus Wirtschaftlichkeitsargumente.