Protocol of the Session on February 19, 2020

(Anhaltende Unruhe SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenbemerkung des Abgeordneten Lars Harms?

Selbstverständlich, gerne.

Nur damit ich das richtig verstehe - weil Sie ja sagen: Für die Minderheiten ist nur der jeweilige Bezugsstaat, in dem die Minderheiten leben, zuständig -: Das heißt dann auch, dass die AfD fordert, dass sämtliche Unterstützungen für deutsche Minderheiten außerhalb der Bundesrepublik Deutschland eingestellt werden, weil die Bundesrepublik Deutschland für diese Minderheiten nicht zuständig ist.

- Ich sagte: die das historische Siedlungsgebiet umfassen.

(Zuruf CDU: Also doch!)

Dass in Südtirol historisch gesehen auch Deutschsprachige leben, ist die eine Seite.

(Unruhe)

Aber ich glaube, wir sind uns darüber einig, dass Deutschland niemals das historische Siedlungsgebiet der Kurden war. Von daher sollte Ihr Antrag

vielleicht - da stimme ich Ihnen zu, Herr Harms - in der Großen Nationalversammlung in der Türkei in Ankara gestellt werden, aber ganz sicher nicht bei uns im Schleswig-Holsteinischen Landtag in Kiel.

Gestatten Sie eine weitere Zwischenbemerkung des Abgeordneten Lars Harms?

Nur zu.

Wenn Sie sagen, das historische Siedlungsgebiet ist der Maßstab, heißt das, dass nach Auffassung der AfD also beispielsweise sämtliche Unterstützungen für deutsche Minderheiten in Kasachstan, Turkmenistan und in der Ukraine umgehend einzustellen sind?

(Serpil Midyatli [SPD]: Wetten, das wusste er noch nicht? - Lachen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

- Doch. - Für mich sind da die Länder zuständig. Man kann unterstützen, aber dann wäre ja auch die Türkei zuständig, für Minderheitenschutz in Deutschland zu sorgen, und nicht wir primär. Wir reden hier ja auch nicht über den Minderheitenschutz von Basken, Katalanen oder der Rohingya, der Pygmäen, Fulani, Himba, Hadji, Massai oder der vielen anderen Völker und Ethnien der anderen Staaten weltweit, Herr Harms.

(Unruhe)

Die Menschen in Deutschland erwarten von ihren gewählten Abgeordneten - also auch von uns -,

(Zuruf Marlies Fritzen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

dass wir uns um unsere zahlreichen Probleme in unserem Land kümmern und darüber diskutieren und nicht über die möglichen Probleme von Minderheiten in anderen Staaten sprechen. So sehe ich das jedenfalls. Das ist nicht unsere Angelegenheit. Insbesondere deswegen werden wir Ihren Antrag ablehnen, Herr Harms.

(Beifall AfD - Zuruf CDU: Unglaublich!)

Für einen weiteren Kurzbeitrag hat der Abgeordnete Volker Schnurrbusch das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste! Die Kurden haben im Irak und in Syrien tapfer gegen die Islamisten gekämpft. Sie haben geholfen, die Volksgruppe der Jesiden im Nordirak vor der völligen Auslöschung durch den IS zu bewahren. Dafür gehört ihnen unser Respekt.

Der Abzug der US-Armee, nachdem diese die Ölund Gasvorkommen im Nordosten Syriens gesichert haben, weil daran amerikanische Interessen hängen, war ein schwerer Rückschlag für die kurdischen Kämpfer und - das sage ich hier auch ganz ausdrücklich - für die Kämpferinnen, die dort genauso tapfer gekämpft haben.

Doch das ist Geopolitik. Sie folgt eigenen Interessen und nimmt auf Menschlichkeit, Gerechtigkeit, Fairness meistens leider keine Rücksicht. Dass die Kurden nach dem Rückzug der Amerikaner sofort den Kontakt mit der syrischen Armee gesucht haben, war klar, denn nur sie, nur der viel geschmähte Präsident Assad kann sie vor der drohenden Vernichtung durch türkische Truppen bewahren. Präsident Erdogan nämlich kennt nur ein Ziel: die Unterdrückung der kurdischen Minderheit auf Dauer.

Diese Politik der Türkei, die schon lange anhält, wird hierzulande und auch vom NATO-Partner USA so gut wie nie kritisiert. Die Kurdenverfolgung hat übrigens die Grünen nie davon abgehalten, in der Vergangenheit den Beitritt der Türkei zur EU zu fordern. Offenbar legen Grüne zweierlei Maßstäbe an, wenn es um verfolgte Minderheiten geht. Bei Christen zum Beispiel in Ägypten hört man nicht viel. Bei verfolgten Muslimen - jetzt zum Beispiel Myanmar - schlägt die Welle der Empörung hoch.

Aber zurück zu den Kurden. Die Kurden sind heute das größte Volk ohne eigenen Staat. Und ja, bei aller Realitätsferne einer Weltpolitik von Roten, Grünen und Anarchisten, die von „No Border“ und „No Nation“ faseln, gibt es genügend Volksgruppen auf dieser Welt, die sich nichts sehnlicher wünschen als einen eigenen Staat, in dem sie nach ihren eigenen Regeln, Sitten und Gebräuchen leben können. Die Kurden haben nach meiner persönlichen Meinung ich sage bewusst: nach meiner persönlichen Meinung! - einen eigenen Staat verdient, und bei diesem Streben wünsche ich ihnen persönlich viel Glück und Erfolg.

Das hat aber nichts, aber auch gar nichts mit der Anerkennung der PKK als angeblich ungefährliche Organisation zu tun, wie es dieser Antrag vorspiegelt. Dieser Antrag ist völlig weltfremd. Wir hier in

Deutschland müssen uns vor allen Gruppierungen schützen, die eine Gefahr für unsere Bürger und für den öffentlichen Frieden darstellen.

Wir wollen nicht, dass der türkisch-kurdische Bürgerkrieg, so schlimm er ist, auf deutschen Straßen und Plätzen ausgetragen wird. Daher können wir diesen Antrag bei aller Sympathie für die Sache der Kurden leider nur ablehnen, Herr Harms. - Danke.

(Beifall AfD)

Für einen weiteren Kurzbeitrag hat das Wort der Abgeordnete Flemming Meyer.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte mit einem Missverständnis aufräumen. Für den Fall, dass jemand meint, dieser Antrag sei im Sinne des Minderheitenschutzes gemeint: Was ich hier zur Minderheitenpolitik angeführt habe, ist, dass wir hier unheimlich viele Erfahrungen gemacht haben. Ich weiß, früher gab es bei uns ganz andere Zustände. Wir haben gezeigt, dass man durch gute Minderheitenpolitik Frieden schaffen kann. Das Einzige, was ich uns, Deutschland und auch Dänemark, vorgeworfen habe, ist, dass die beiden Länder, die eine so gute Minderheitenpolitik machen, nicht gut genug sind, wenn es darum geht, dies weiterzutragen, anderen Leuten in Europa zu erzählen, wie man gute Minderheitenpolitik und damit Friedenspolitik machen kann.

Eines haben wir gelernt: Die Voraussetzung dafür ist immer der Dialog. Wir haben ganz klar im Dialog mit vielen Kurden gemerkt, dass das PKK-Verbot ein Hindernis ist. Ich weiß sehr wohl, dass nicht alle Kurden PKK-Mitglieder sind. Ganz und gar nicht. Aber selbst Kurden, die keine PKK-Mitglieder sind, sagen mir: Das macht es unheimlich schwer. Wir können diesen Dialog nicht führen, weil sich die anderen immer verstecken müssen und nicht offen zeigen können, wofür sie wirklich stehen.

(Serpil Midyatli [SPD]: Das sind nicht „die Kurden“!)

- Nein. Das weiß ich doch. - Mein Ansatz ist: Wir haben aus den guten Erfahrungen, die wir gemacht haben, eine Verpflichtung, sie weiterzutragen.

Wir wissen, dass jeder siebte in Europa Teil einer Minderheit ist und das Verhältnis zwischen Mehrheit und Minderheit oft Ursache für Unruhe und gar Kriege ist. Wir haben die Chance, unser Wissen

weiterzugeben. Das war die Grundlage unseres Antrags.

(Beifall SSW)

Für die Landesregierung hat das Wort der Minister für Inneres, ländliche Räume und Integration, HansJoachim Grote.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zu Beginn meiner Rede möchte ich betonen - ich glaube, das gilt für uns alle gleichermaßen -: Frieden, Rechtsstaatlichkeit und Achtung der Menschenwürde wünsche ich mir für alle Menschen weltweit und aktuell besonders für die Menschen in Syrien.

(Beifall im ganzen Haus)

Mit dem Antrag des SSW begeben wir uns nun hier im Schleswig-Holsteinischen Landtag in die wirklich tiefe und hochkomplexe Materie der bundesdeutschen Außen- und Sicherheitspolitik.

Kurdische Milizen haben im Kampf gegen den Islamischen Staat größte Opfer gebracht. Dafür gebührt ihnen großer Dank und hohe Anerkennung.

(Beifall im ganzen Haus)

Aber auch nach dem Zurückdrängen des IS bleibt die Lage in Syrien unüberschaubar komplex. Zwischen den Bevölkerungsgruppen Syriens, den Sunniten, Alawiten, Schiiten, Kurden, Beduinen und weiteren Minderheiten, verlaufen zahllose Konfliktlinien. Auch die Türkei trägt mit ihrer militärischen Operation zur Destabilisierung maßgeblich bei.

Die Bundesregierung hat zur türkischen Offensive eine ganz klare Position bezogen. Zusammen mit den Außenministern der Europäischen Union hat sie ihre ablehnende Haltung zur türkischen Militäroffensive in Syrien sehr deutlich gemacht. Doch eine kritische Haltung zu dieser türkischen Militäroffensive bedingt nicht einen unkritischen Blick auf die Arbeiterpartei Kurdistans, die PKK, und ihre Teilorganisationen in Deutschland.

Die Zahl der PKK-Anhängerinnen und -anhänger in Schleswig-Holstein beträgt nach Erkenntnissen unseres Verfassungsschutzes seit Jahren unverändert rund 700 Personen. So sehr die PKK es auch propagiert, lassen sich „die Kurden“ und „die PKK“ nicht gleichsetzen.

So haben seit den 1980er-Jahren Tausende von Kurdinnen und Kurden in Schleswig-Holstein eine neue Heimat gefunden. Sie leben hier friedlich, in Freundschaft, Seite an Seite mit türkischen Arbeitskolleginnen und Arbeitskollegen, mit arabischen Nachbarinnen und Nachbarn und auch mit deutschen Mitschülerinnen und Mitschülern. Dieses friedliche Zusammenleben in Schleswig-Holstein ist möglich, weil politischen, ethnischen und religiösen Konflikten aus den Herkunftsländern hier kein Raum geboten und gewährt wird.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, SSW und Volker Schnurrbusch [AfD])

Dies ist möglich, weil sich die deutschen Sicherheitsbehörden auch in diesem Land nicht durch einzelne Konfliktparteien instrumentalisieren lassen. Wir wollen allen Menschen mit ihren jeweiligen kulturellen Identitäten hier ein sicheres Leben ermöglichen.

Diesem friedlichen Zusammenleben von Menschen kurdischer und türkischer Herkunft in Deutschland schadet die PKK. Sie verunglimpft in ihren Medien Türken pauschal als „faschistisch“, und sie wiegelt kurdische Jugendliche teilweise zu gewalttätigen Protesten auf. Auch Brandanschläge gegen türkische Einrichtungen werden zumindest billigend in Kauf genommen.