Protocol of the Session on January 22, 2020

Damit Elektroroller die ihnen angedachte Funktion zur Ergänzung der Leichtmobilität überhaupt erfüllen können, bedarf es doch zuallererst einer entsprechenden Infrastruktur durch breitere Radwege und angemessene Parkflächen. An beidem fehlt es bisher. Deshalb stellen derzeit wild parkende EScooter in zahlreichen Innenstädten ein echtes Problem dar. Die im vorliegenden Antrag propagierten sicheren Abstellmöglichkeiten an zentralen Orten sind zumindest in unseren Städten derzeit größtenteils reines Wunschdenken - typisch grün, würde ich ergänzen.

Auf der wirtschaftlichen Ebene ist längst ein Verdrängungswettbewerb im Gange. Start-ups wittern das große Geschäft - und dabei ist noch nicht erwiesen, ob E-Scooter überhaupt den Beweis ihrer Nachhaltigkeit erbringen. Hierfür wäre eine Nutzungsdauer von 18 bis 24 Monaten notwendig. Nur sieben Monate nach dem Zulassungsstart ist es für solche Prognosen noch zu früh.

Ihre Behauptung, sehr geehrter Herr Kollege Dr. Tietze, dass die dritte Generation zwei Jahre durchhalten soll, will ich gerne glauben. Wir werden aber sehr genau beobachten, ob das auch eintrifft oder ob dann doch nur Elektroschrott produziert wird. Ich kann Ihnen nur sagen: In San Francisco - da waren wir ja gemeinsam mit dem Wirtschaftsausschuss - hat der Anbieter Scoot kurz nach der Markteinführung von, ich glaube, 600 oder 700 Rollern innerhalb von zwei Wochen berichtet, dass 200 Roller durch Diebstahl oder Beschädigung verloren gegangen sind. Auch das müssen wir berücksichtigen. Vandalismus ist leider bei einem Produkt, das sozusagen frei verfügbar ist und niemandem wirklich gehört, immer eine Gefahr.

Ich will das nicht schlechtreden. Ich glaube, es gibt Anwendungsmöglichkeiten und Einsatzmöglichkeiten. Ich finde den Antrag interessant und wir werden ihn auch unterstützen. Wir müssen nur alle Eventualitäten beraten, wie sich das gehört.

In unseren Großstädten besteht derzeit das Problem, dass Elektroroller oft von Touristen verwendet werden und dort den ohnehin begrenzten Verkehrsraum zusätzlich verdichten. Ein Beitrag für eine echte Mobilitätswende, wie ihn sich Jamaika damit vielleicht wünscht, wird so nicht erzielt.

Hinzu kommt die Unfallgefahr; denn wir wissen, dass trotz Verbots durch Fahren auf dem Gehweg die Unfallgefahr steigt. Viele Fahrer überschätzen ihre Fähigkeiten oder sind sogenannte Spaßfahrer, wodurch Fußgänger besonders gefährdet sind.

Derzeit deutet vieles darauf hin, dass Elektrokleinstfahrzeuge die mit ihnen verbundenen verkehrspolitischen Erwartungen nicht erfüllen, sondern die problematische Situation in Innenstädten dauerhaft verschärfen. Auch die Kontrolle von Fahrverstößen ist in unseren Städten bislang unzureichend.

Umweltfreundlich wird diese Form der Leichtmobilität nur dort sein, wo die Benutzung von Elektrorollern tatsächlich die Fahrt mit dem Pkw ersetzt. Aber bis dahin ist es noch ein sehr weiter und nebulöser Weg. Deswegen befürworten wir eine weitere Beratung Ihres Antrags im Ausschuss. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Bevor wir mit dem nächsten Redner fortfahren, möchte ich Sie dringend darum bitten, Ihre Gespräche nach draußen zu verlagern oder, wenn Sie in den Reihen sitzen, leiser zu sprechen. Es ist sonst sehr anstrengend für die Rednerinnen und Redner hier vorne.

Für die Abgeordneten des SSW hat jetzt der Herr Abgeordnete Flemming Meyer das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ach ja, als der Tretroller noch ein Kinderspielzeug war, da war alles gut. So oder ähnlich könnte ich in Erinnerungen schwelgen, wenn ich rückblickend an die Ankündigungen und die Begeisterung für den E-Scooter im letzten Jahr den

(Volker Schnurrbusch)

ke und wenn ich sehe, was heute daraus geworden ist.

Gefühlt war es so, dass der E-Scooter zu Beginn als Allheilmittel für den Klimaschutz angepriesen wurde und als Retter für den innerstädtischen Verkehr. Ein enormes Zukunftspotenzial wurde dem E-Scooter zugeschrieben. Er sei eine echte Alternative zum Auto, weil die Menschen nun nicht mehr zu Fuß den Weg zum Bahnhof oder zur Bushaltestelle zurücklegen müssten, um zur Arbeit oder nach Hause zu kommen.

So wurde dann auch schnell vom Bundesverkehrsministerium der erste Verordnungsentwurf zur Teilnahme der E-Scooter am Straßenverkehr vorgelegt. Aber mit all seinen Freiheiten, die mit dem E-Scooter einhergehen sollten, wurde auch immer deutlicher, dass es nun doch nicht so einfach geht. Was sich Minister Scheuer so schön ausgedacht hatte, passte letztendlich nicht zur Realität. Die Fragen nach Sicherheit, Einbindung in den Verkehr, Führerscheinpflicht oder Mindestalter, kamen auf und verlangten nach rechtlichen Grundlagen. Denn klar war schon damals: Der E-Scooter wird kommen, er lässt sich nicht aufhalten.

Seit Juni des letzten Jahres gilt nun die Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung, und darin ist alles für die Nutzung im Straßenverkehr geregelt. So weit, so gut. Aus dem ursprünglichen Fun-Mobil ist nun ein echter Verkehrsteilnehmer geworden.

Der E-Scooter ist aber nur ein Teil der sogenannten Elektrokleinstfahrzeuge. Wir dürfen uns darauf einstellen, dass es mehr werden. Sogenannte Monowheels, Hoverboards oder Skateboards mit elektrischem Antrieb stehen schon in den Startlöchern. Auch wenn diese Fortbewegungsmittel derzeit nicht die Vorgaben der Verordnung erfüllen und zurzeit für den Straßenverkehr nicht zugelassen sind, werden wir erleben, dass auch diese Elektrokleinstfahrzeuge die Städte erobern. Daher ist es richtig, sich mit dem Thema zu befassen.

Mit dem Inkrafttreten der Verordnung konnten wir im Sommer erleben, dass sich die E-Scooter schnell in den städtischen Bereichen durchgesetzt haben und umfangreich genutzt wurden. Es wurde aber auch schnell deutlich, dass mit diesen neuen Fahrzeugen neue verkehrliche Herausforderungen über alle Teilnehmer hereinbrechen. Zurzeit scheint es noch so, dass die Probleme, die mit den E- Scootern einhergehen, größer sind als deren Nutzen.

Die Nutzer sind generell unsicher im Gebrauch des Fahrzeuges, im öffentlichen Raum werden die Fahrzeuge abgestellt und liegen gelassen. All das sind

Probleme, die wir bereits im letzten Sommer beobachten konnten. Daher ist es wichtig, Mittel und Wege zu finden, um auf diese Probleme entsprechend zu reagieren. Dies ist kein separates deutsches Problem, sondern diese Bilder können wir langsam in fast allen größeren europäischen Städten sehen.

Wir können daher nur an alle Verkehrsteilnehmer appellieren; denn die E-Scooter gehören nun zum täglichen Bild auf unseren Straßen und Wegen dazu. Wir wissen ja auch aus anderen Diskussionen, wie weit Rücksichtnahme und Toleranz im Straßenverkehr reichen. Es könnte also schwer werden mit dem Appellieren. Daher finde ich den Ansatz der Koalition richtig, die Elektrokleinstfahrzeuge in die Verkehrserziehung an den Schulen einzubeziehen.

Herr Abgeordneter Meyer, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Tietze?

Ja, das tue ich.

Vielen Dank, Herr Kollege Meyer. Ich hatte im letzten Jahr das Vergnügen, mit meiner Frau einen längeren Urlaub in Dänemark zu verbringen; dort sind wir sehr klimafreundlich mit dem Segelboot unterwegs gewesen.

(Beifall FDP)

Wir hatten unter anderem auch das große Glück, in Aarhus, einer dänischen Stadt, zum ersten Mal mit einem solchen Rollersystem konfrontiert zu sein.

Ich muss sagen, ich war fasziniert, wie diszipliniert und wie gut organisiert man das über die App buchen konnte und wie man tatsächlich auch als Neuling mit seinem Smartphone und Google Maps die touristischen Attraktionen besuchen konnte. Dadurch konnten wir Aarhus richtig kennenlernen. Wir haben gesehen, dass das wirklich ohne Probleme funktioniert, wenn die Radwege nur breit genug sind und wenn das insgesamt in ein städtisches Konzept eingebunden wird. Ich war sehr begeistert, wie das in Aarhus geregelt ist.

Deshalb frage ich Sie: Wenn das in Dänemark so hervorragend funktioniert - Sie sind ja auch durchaus Dänemark-affin -, warum

(Flemming Meyer)

soll das dann in Deutschland nicht funktionieren?

- Ich behaupte doch gar nicht, dass es nicht funktionieren kann. Ich sage nur: Wir müssen dafür sorgen, dass entsprechende Regeln aufgestellt werden und dass die Rahmenbedingungen stimmen.

Ich bin nicht nur in Dänemark gewesen, sondern sogar noch weiter gekommen, bis nach Finnland. Wir waren in Helsinki. Auch dort haben wir die Dinger gesehen. Dort hat sich mir morgens ein anderes Bild von diesen Rollern im Verkehr gezeigt. Es waren nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene, die zu zweit darauf fuhren. Einige Leute hatten schwere Werkzeugkisten um den Hals, als sie mit den Rollern hin- und herpendelten. Ich habe gesehen, dass viele Roller einfach irgendwo liegen blieben, auch in Grünanlagen. All solche Erscheinungen muss man mit ins Kalkül ziehen. Ich bin ja nicht gegen euren Antrag sein; aber wir brauchen Regelungen.

Erlauben Sie eine zweite Zwischenfrage?

Vielen Dank, Kollege Meyer. Ich habe gelernt, dass es in Dänemark für EScooter bis zu einer Geschwindigkeit von 20 km/h keine Regelungen gibt. Deren Nutzung ist also komplett frei. Interessanterweise funktioniert es dort auch ohne Regeln hervorragend. Daher wundert es mich, dass auch Sie, mit Ihrem dänischen Erfahrungshintergrund, jetzt Regeln fordern.

- Sie können doch nicht ohne Weiteres alles vergleichen. Schauen Sie sich einmal an, wie es mit dem Fahrradverkehr in Kopenhagen läuft. Es läuft hervorragend! Warum läuft es hervorragend? Auch deshalb, weil man dort bestimmte Regelungen getroffen und gute Rahmenbedingungen geschaffen hat. Stimmen diese, dann läuft es gut. In Kopenhagen ist als eine Folge der Autoverkehr ganz gewaltig zurückgegangen. Das haben wir in Aarhus mit den E-Scootern noch nicht erlebt.

(Beifall SSW)

Die kostenfreie Mitnahme von E-Scootern bei der Deutschen Bahn ist bereits unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Probleme entstehen häufig dann, wenn danach auf andere öffentliche Verkehrs

mittel, die eine solche Freistellung noch nicht geregelt haben, gewechselt werden soll. Diese Kinderkrankheiten müssen beseitigt werden; sonst ist das Projekt nicht schlüssig.

Insgesamt macht die Debatte um die Elektrokleinstfahrzeuge auch deutlich, dass wir uns viel stärker mit der Frage beschäftigen müssen, wie wir den Verkehr in den Städten künftig anders gestalten wollen. Das ist kein Selbstzweck, sondern eine Notwendigkeit. Unsere Städte können die Flut von Pkw einfach nicht mehr aufnehmen. Wir als SSW hatten auch in den vergangenen Haushaltsberatungen wieder mehr Mittel für den innerstädtischen Fahrradverkehr gefordert. Leider wurde unser Antrag abgelehnt.

E-Scooter haben die Städte bereits erobert. Sie sind ein neues, flexibles Verkehrsmittel. Aber sie sind nicht der alleinige Heilsbringer, schon gar nicht, wenn wir nicht gewillt sind, den gesamten städtischen Verkehr an die neuen Herausforderungen anzupassen. - Jo tak.

(Beifall SSW und vereinzelt SPD)

Zu einem Kurzbeitrag hat sich der Abgeordnete der FDP-Fraktion Dennys Bornhöft gemeldet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin ein großer E-Scooter-Fan, und zwar seit meiner ersten Fahrt in Paris im April letzten Jahres. Frankreich hatte diese Möglichkeit deutlich früher als Deutschland geschaffen. Ich bin der Meinung, dass der E-Scooter nicht der alleinige, aber ein wesentlicher Teil moderner, emissionsarmer Mobilität - nicht nur in der Stadt - sein kann.

Man muss sich aber fragen, wer die Adressaten und wer die Nutzergruppen sind. Die großen Leihunternehmen, die es in Berlin und anderen Großstädten gibt, zielen überwiegend auf Touristen, vor allem mit dem Ziel, Taxifahrten, die emissionsbehaftet sind, zu reduzieren. Das wird überwiegend der Hintergrund sein.

Aber als Berufspendler - das kann ich aus eigener Erfahrung sagen - ist es mit Leihgeräten manchmal etwas schwierig. Wenn man in Berlin spätabends nach Hause fährt, den E-Scooter vor seiner Wohnung abstellt und plant, damit am nächsten Morgen wieder zur S-Bahn-Station zu fahren, dann ist das Ding meistens weg. Es gibt solche Roller eben doch nicht an jeder Ecke.

(Flemming Meyer)

(Jette Waldinger-Thiering [SSW]: Hand- lungsauftrag!)

Wir fordern nicht noch ein paar Tausend E-Scooter mehr in jeder Stadt, sondern die Alternative ist das Eigentum am E-Scooter. Ferner muss eine Regelung zur Mitnahme in Bussen und Bahnen getroffen werden. Das muss ohne Probleme möglich sein; derzeit ist das noch nicht der Fall. Das ist der größte Bruch, vor dem die Nutzer noch stehen. Es geht nicht um die einzige Meile, sondern um die letzte Meile. Das muss alles Hand in Hand gehen. Ich muss meinen E-Scooter auch in Bus und Bahn mitnehmen dürfen, und zwar kostenlos. Wenn wie für ein Fahrrad separat dafür bezahlt werden muss, dann habe ich überhaupt keinen Mehrwert und steige nicht um.

Ich als bekennender Autofahrer - das wissen viele wohne über einen Kilometer von der nächsten Bushaltestelle entfernt, auf der anderen Seite von Kiel, an der Stadtgrenze.