Protocol of the Session on November 13, 2019

(Zurufe CDU und FDP: Zurückziehen!)

Der Antrag soll nicht in irgendeiner Art und Weise Ihre Verhandlungs- und Gesprächsposition in Bedrängnis bringen. Wenn wir uns alle darauf einigen könnten, dass wir den Antrag in den Ausschuss überweisen, wäre dem Anliegen Genüge getan. Ich finde dieses Angebot des Ministerpräsidenten sehr honorig und gehe sehr gern darauf ein. Wir warten dann ab, was die Landesregierung Positives für die Beamten erreichen kann. - Vielen Dank.

(Zurufe)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist beantragt worden, den Antrag Drucksache 19/1740 dem Finanzausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dann ist das einstimmig so beschlossen worden.

(Zuruf: Bullshit!)

Begrüßen Sie mit mir auf der Besuchertribüne des Schleswig-Holsteinischen Landtags Mitglieder des Round Table 43 aus Itzehoe und Neumitglieder der Grünen. - Herzlich willkommen hier im Landtag!

(Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 29 auf:

Das Grüne Band bundesweit zum Naturdenkmal erklären

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 19/1790

Erhalt und Entwicklung des „Grünen Bandes“ unterstützen

Alternativantrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP Drucksache 19/1824

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Ich eröffne die Aussprache. Für die SPD-Fraktion hat Frau Abgeordnete Sandra Redmann das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 1989 war das Geburtsjahr des Grünen Bandes. Heute gibt es an der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze 1.393 km wunderschöne Natur, Artenreichtum und Erinnerung an unsere gemeinsame Geschichte. Auf dem ehemaligen Todesstreifen blüht heute das Leben - das ist so beeindruckend!

Nun feiert das Grüne Band seinen 30. Geburtstag, und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben im Bundestag mit ihrem umfangreichen Antrag das Thema erneut auf die Tagesordnung gesetzt. Gut so,

(Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

(Ministerpräsident Daniel Günther)

denn es ist eine bundesweit - und hoffentlich auch bald europaweit - bedeutende Naturschutzmaßnahme entlang des ehemaligen Eisernen Vorhangs, die allerdings naturschutzrechtlich von den Ländern zu regeln ist.

Worum geht es? Entlang des ehemaligen Todesstreifens ist eines der größten Naturschutzprojekte Deutschlands entstanden. Der Wert für die Biodiversität ist einmalig: Heideflächen, Moore, Bäche, Schwarzstörche, alte heimische Pflanzen. Hier ist der Begriff der Artenvielfalt gut gewählt. Das Grüne Band ist daher auch im Bundesnaturschutzgesetz verankert. Dort, wo Menschen sichtbar voneinander getrennt wurden, wo Menschen ihr Leben ließen, ein Symbol der Teilung, dort haben wir ein Schutzgebiet, das durch zunehmende Vernetzung dazu beiträgt, dass zerschnittene Lebensräume zusammengeführt werden. Wir schaffen genau dort Wanderkorridore. Wer hätte das einmal gedacht?

Dem Engagement vieler Naturschützerinnen und -schützer, beispielhaft ist hier der BUND zu nennen, ist es zu verdanken, dass wir hier schon einen guten Biotopverbund haben. Ziel muss es aber sein, die Flächen weiter zu vernetzen. Das ist sicher kein einfacher Prozess, aber das sollte uns nicht aufhalten. Die Diskussion vor Ort war in den letzten Jahren keine einfache, im Gegenteil. Heftige Auseinandersetzungen um die Flächen und den Schutzstatus haben gerade auch im Herzogtum Lauenburg immer wieder für Unruhe gesorgt. Ich möchte es ausdrücklich betonen: Niemand möchte an den Menschen vor Ort vorbei Dinge beschließen. Das ist selbstverständlich. Aber 30 Jahre nach dem Mauerfall und nach dem bisher Erreichten ist es an der Zeit, die vorhandenen Lücken zu schließen.

(Beifall SPD)

Der Bund und das Land müssen dazu beitragen, gemeinsam weiter voranzugehen. Die wertvolle Natur muss dauerhaft als bundesweites Naturdenkmal geschützt werden. Es ist damit ein Erinnerungs- und Gedenkort von großer nationaler Bedeutung. Wir fordern die Landesregierung auf, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die noch vorhandenen Lücken in der Schutzkulisse in Schleswig-Holstein zu schließen. Dies soll verbunden werden mit Fahrrad- und Wanderrouten und der Schaffung von Lern- und Gedenkorten im Sinne eines nachhaltigen Tourismus. Die einzelnen Punkte können Sie in unserem Antrag konkret nachvollziehen.

Die SPD-Fraktion möchte sich ausdrücklich bei allen Akteurinnen und Akteuren, die zu dem bisher Erreichten ihren Beitrag geleistet haben, bedanken.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Dennys Bornhöft [FDP] und Flemming Mey- er [SSW])

Nun, liebe Kolleginnen und Kollegen, sollten wir auch konsequent sein und politisch weitere Wege ebnen. - Vielen Dank.

(Beifall SPD und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion hat die Abgeordnete Annette Röttger das Wort.

Sehr geehrte Landtagspräsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! In diesen Tagen und Wochen sind wir noch sehr erfüllt von einem beeindruckenden Einheitsfest hier in Kiel und von den Ereignissen zum 30-jährigen Mauerfall am 9. November. Alle Veranstaltungen waren sehr gut besucht und zeigen, wie wichtig uns Bürgerinnen und Bürgern die Erinnerung an die friedliche Revolution und die Wiedervereinigung Deutschlands ist.

Drei Aspekte sind dabei immer wieder deutlich geworden: Erstens. Eine deutsche Teilung darf es nie wieder geben.

(Beifall CDU, FDP, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Zweitens. Wir sind aufgefordert, mit der nächsten Generation mehr über die DDR-Vergangenheit zu sprechen.

(Beifall CDU)

30 Jahre nach dem Mauerfall gehört die friedliche Revolution zu den wichtigsten Ereignissen der jüngsten deutschen Geschichte und damit in den Geschichtsunterricht der Schulen. Geschichtskenntnis bewahrt davor, dass sich Fehler der Vergangenheit wiederholen. Für den Zusammenhalt der Gesellschaft ist dies wichtiger denn je.

Drittens. Während ich mich noch genau an die innerdeutsche Grenze, an Grenzkontrollen, an die Transitstrecke und schließlich auch an den Fall der Mauer erinnern kann, brauchen unsere Kinder dafür inzwischen Gespräche mit Zeitzeugen und erlebbare Erinnerungsorte. Es liegt daher auf der Hand, dass neben Grenzdokumentationsstätten auch der ehemalige Grenzverlauf und das heute sogenannte Grüne Band als fester Bestandteil der Erinnerungs

(Sandra Redmann)

kultur besonders geeignet sind, um Grenzgeschichten zu erleben und zu begreifen.

Der ehemalige Grenzverlauf ist heute durch das Grüne Band auf den ersten Blick fast nicht mehr zu erkennen. Zwei Beispiele zeigen, wie man den ehemaligen Grenzverlauf heute erleben kann: Wer heute auf der A 20 in Richtung Wismar unterwegs ist, überquert in Lübeck die Wakenitzbrücke und gelangt fast unbemerkt von Schleswig-Holstein nach Mecklenburg-Vorpommern. Die natürliche Wassergrenze hat bis vor 30 Jahren genau an dieser Stelle noch Ost- und Westdeutschland geteilt.

Wer sich in Schleswig-Holstein entlang des ehemaligen Todesstreifens auf den Weg macht, und solche Pilger konnte man in der letzten Woche in Schlutup treffen, kann an der einen oder anderen Stelle noch Reste historischer Grenzbefestigungen entdecken, muss aber schon sehr genau suchen, um zum Beispiel auf der Ostseite die Reste geschliffener Dörfer zu finden. Im Zuge der deutschen Teilung hatte die DDR in einem bis zu fünf Kilometer breiten Grenzbereich keine Häuser und Siedlungen mehr zugelassen, und so verschwanden hier zu DDR-Zeiten ganze Dörfer in dieser Region.

Das Grüne Band ist nicht neu. Im Kreis Herzogtum Lauenburg haben viele Bereiche, insbesondere in der Schaalseeregion, bereits einen Schutzstatus als Naturschutzgebiet, als FFH-Gebiet oder als Biosphärenreservat. Hier gibt es aber ebenso weite Bereiche, die aktiv bewirtschaftet werden. Ich betone: Beides ist nach unserer Auffassung gut. Es zeigt die vielfältigen Entwicklungen nach der Wiedervereinigung. Beides hat die Regionen aus der ehemaligen Zonenrandlage herausgeführt, und genau an dieser Stelle unterscheidet sich unsere Auffassung vom Antrag der SPD.

Mit unserem Antrag setzen wir uns dafür ein, dass das Grüne Band 30 Jahre nach dem Mauerfall zu einem festen Bestandteil der Erinnerungskultur wird. Ich möchte an dieser Stelle aber betonen, dass dies auch mit einer aktiven Landbewirtschaftung gelingen kann. Der scharfe Kontrast zwischen dem ehemaligen Todesstreifen und seinen heutigen vielfältigen Nutzungen, sei es als Brücke über die Wakenitz, als Naturschutzgebiet oder als Ackerfläche, machen den besonderen Wert eines Grünen Bandes aus. Das wollen wir erhalten und weiterentwickeln. Wir setzen dabei auf einen guten Dialog mit denjenigen vor Ort und denjenigen, denen das Land dort gehört. Insofern lehnen wir Ihren Antrag ab. - Vielen Dank.

(Beifall CDU und FDP)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die Abgeordnete Marlies Fritzen das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat, es ist paradox: Aus dem ehemaligen Todesstreifen an der innerdeutschen Grenzen ist einer der vielfältigsten und wertvollsten Naturlebensräume Deutschlands geworden. In Schleswig-Holstein sind dies 137 km, von denen 110 km schon geschützt sind, entweder durch Naturschutzgebietsverordnungen oder im Rahmen von NATURA 2000. Es fehlen, und das ist der Lückenschluss, der genannt wurde, rund 25 km.

Durch neun Bundesländer zieht sich dieses 1.400 km lange Grüne Band mit weit überwiegend naturnahen Wäldern, Wiesen, Heiden und Feuchtgebieten, in denen 1.200 gefährdete Arten leben. Das ist in jeder Weise besonders, es ist ein großartiger Biotopverbund, den monumental zu nennen, angemessen wäre.

Seit 2009 gibt es in Deutschland die Möglichkeit, Gebiete von solch herausragender Bedeutung zu nationalen Naturmonumenten zu erklären und wie Naturschutzgebiete zu schützen. Dabei wird hier nicht nur auf die naturgeschichtlichen Besonderheiten abgehoben, sondern es wird ausdrücklich auch der kulturhistorische Wert benannt. Natur und Kultur, beides kommt hier in besonderer Weise zusammen. Der Todesstreifen ist im nationalen Gedächtnis, insbesondere bei denjenigen, die ihn nah erlebt haben, wie einen Narbe eingebrannt. Dass dieser Streifen sich zu einem Grünen Band entwickeln konnte, ist untrennbar mit der friedlichen Revolution und dem Mauerfall, aber auch mit den Folgen von Nationalismus, Weltkrieg und Teilung Deutschlands und Europas verbunden, und genau dieses beides macht es so wertvoll.

Thüringen hat im letzten Herbst 760 km Grünes Band gesetzlich geschützt, überwiegend vom Bund übertragene Flächen. Sachsen-Anhalt plant dies ganz aktuell. Rund 6.800 ha Bundesflächen sind mittlerweile in das nationale Naturerbe überführt worden, weitere Fläche kommen sukzessive hinzu.

Bei solchen Flächen in öffentlicher Hand ist eine Ausweisung natürlich leichter, weil keine privaten Interessen entgegenstehen. Das heißt aber nicht, dass wir hier nicht auch darüber reden sollten. Hessen hat dazu eine Studie in Auftrag gegeben, um die Möglichkeiten für ein westliches Bundesland zu

(Anette Röttger)

prüfen. Das Bundesumweltministerium hat bislang 19 Millionen € über verschiedenste Förderprogramme ausgegeben, und weitere Mittel sind bereitgestellt. Verbände, Stiftungen, aber auch private Eigentümerinnen und Eigentümer können zum Beispiel Geld über das Programm „Biologische Vielfalt“ bekommen, um Lebensräume wiederherzustellen und Lücken im Grünen Band zu schließen. Das alles ist Geld, das wir auch in Schleswig-Holstein gut gebrauchen können.

Nationale Schutzgebiete sind, wie aus zahlreichen wissenschaftlichen Studien bekannt, nicht nur gut für die Natur, sondern auch für die Wertschöpfung vor Ort, etwa - Sie haben es gerade angesprochen beim Thema Tourismus. In einer ansonsten eher strukturschwachen Region wie dem Herzogtum Lauenburg ist dieses eine Chance, die endlich ergriffen werden sollte.