Auch die weitere Entwicklung der Zahl der bei uns Asylsuchenden ist von Bedeutung. Im Vorjahr kamen durchschnittlich 370 Asylsuchende im Monat
nach Schleswig-Holstein, im gesamten Jahr 2019 waren es bis Ende September etwa 3.000 Asylsuchende, das sind durchschnittlich nur noch 330 pro Monat. Damit sehen wir in diesem Jahr weiter einen Rückgang gegenüber den Vorjahren, aber angesichts der Entwicklungen in Syrien und der Türkei gibt es keine Garantie, dass das so bleibt.
Die besondere Aufgabenstellung, die sich für das Arbeitsministerium ergibt, möchte ich wie folgt umreißen: Neben der Bewertung neuer Gesetze und Verordnungen, die den Prozess der Arbeitsmarktintegration berühren, wie zuletzt das Migrationspaket, werden wir gemeinsam mit unseren Partnern dort aktiv, wo der Bund Lücken in den Prozessketten lässt.
Einige Beispiele aus einem wirklich breiten Strauß von Projekten, die mit Landesmitteln und mit Mitteln des ESF gefördert werden. Erster Punkt. Geflüchtete - ich sagte es bereits - brauchen sehr viel Beratung, um sich in der für sie völlig anderen, fremden Welt zurechtzufinden. Also brauchen wir Netzwerke, die die Integration begleiten. Hier fördert das Land „Alle an Bord!“, ein Beratungsnetzwerk unter Federführung des Paritätischen Schleswig-Holstein und des Flüchtlingsrates. Mit diesem Netzwerk haben wir eine vom Bund geschaffene Lücke in der Beratungslandschaft geschlossen. Dadurch haben wir tatsächlich ein flächendeckendes Beratungsangebot für die Arbeitsmarktintegration Geflüchteter in Schleswig-Holstein geschaffen. Ich bin diesem Beratungsnetzwerk für seine Arbeit sehr dankbar.
Besonderes Augenmerk gilt - zweiter herausgehobener Punkt - der Arbeitsmarktintegration von Frauen. Wir sehen, dass sie nicht ausreichend partizipieren, was oft schon mit der geringeren Teilnahme an Integrationskursen zu tun hat, die auch für eine spätere Eingliederung in den Arbeitsmarkt von besonderer Bedeutung ist. Die Ursachen dafür sind vielfältig. Mit dem Landesprogramm HAYATI haben wir in diesem Jahr ein Angebot speziell für die Zielgruppe geschaffen, um die Teilnahme von Frauen an Integrationskursen zu steigern und ihnen so einen Einstieg in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen. HAYATI läuft aktuell in Kiel, Rendsburg, Neumünster und Ahrensburg.
Drittens sind wir im Ausbildungsbereich aktiv. Wir fördern zum Beispiel Bildungsmaßnahmen für volljährige Geflüchtete, um sie mit begleitender Sprachförderung auf Ausbildung, auf Arbeit oder
auf externen Schulabschluss vorzubereiten. Auch Produktionsschulen haben sich für Geflüchtete mit besonderem Förderbedarf geöffnet. Das DRK führt mit unserer Unterstützung ein Projekt „Integration von Geflüchteten“ in die Unternehmen der Logistikbranche durch, in dem Geflüchtete vor allem zu Fahrern qualifiziert werden sollen, einem Bereich, in dem wir gerade einen massiven Fachkräftemangel haben und Geflüchtete eine echte Hilfe für uns sein können.
Die neue Förderrichtlinie Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten, die wir im Sommer des Jahres auf die Reise geschickt haben, für die aktuell schon 15 Anträge vorliegen, soll und wird zudem innovative Vorhaben von Arbeitsmarktintegration verschaffen mit verbessertem Coachings und Sprachförderangeboten. Die besten sechs bis acht Vorhaben werden wir bis 2020 an den Start gebracht haben.
Mein Fazit. Insgesamt sehe ich das Land mit den Partnern von Regionaldirektion, mit dem Paritätischen, mit den vielen Ehrenamtlichen, die in diesem Bereich unterwegs sind, sehr gut aufgestellt. Das Ehrenamt darf aber nicht nachlassen. Mein Appell an alle Beteiligten ist, weiter so kräftig dabei zu helfen. Man darf nicht vernachlässigen: Die Flüchtlinge können die Fachkräfte von morgen sein. Wenn wir es richtig angehen, tun wir hier etwas, was volkswirtschaftlich und humanitär einen großen Nutzen entfaltet. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Der Herr Minister hat die vorgesehene Redezeit um gut 4 Minuten erweitert. Diese zusätzliche Redezeit steht jetzt allen anderen Fraktionen ebenfalls zur Verfügung.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Liebe Gäste auf der Tribüne! Die erste Frage, die man sich stellen muss, ist: Warum bedarf es überhaupt besonderer Maßnahmen zur Arbeitsmarktintegration von Menschen mit Zuwanderungsbiografie? Weil sie mit enormen Zugangsbarrieren zu kämpfen haben, egal, ob sie seit einem Jahr oder seit Jahrzehnten hier leben.
Das Problem liegt nicht etwa darin, dass Geflüchtete grundsätzlich nicht in den Arbeitsmarkt integrierbar sind oder schlichtweg keine Lust haben zu arbeiten, sondern dass Bundesgesetze den Zugang zum Arbeitsmarkt erschweren oder gar verhindern. Das problematisieren die Betroffenen selbst, aber auch die Unternehmen.
Immer wieder werde ich gefragt: Warum darf ich nicht arbeiten? Warum ist es so schwer für mich, einen Job zu bekommen? Warum wird mein Abschluss nicht anerkannt, werden meine Erfahrungen nicht wertgeschätzt? In meiner Heimat war ich Bäcker, Ärztin, Krankenpfleger, Lehrerin.
Es macht nicht nur etwas mit der Biografie derer, die direkt davon betroffen sind, sondern auch mit den nachfolgenden Generationen, sprich den Kindern. Ich will das einmal anhand meiner eigenen Biografie deutlich machen. Dann wird das deutlich und plastisch. Ich habe persönlich habe nie begriffen, weshalb der deutsche Staat es sich leistet, auf Fachkräfte zu verzichten. Später schon. Das Motiv lautet: Es muss für euch schwerer sein, hier anzukommen.
Ich persönlich bin in die Politik gegangen, weil ich es nicht begreifen konnte, dass meine Eltern, die beide studiert haben, hier in Deutschland nur Helfertätigkeiten machen konnten. Sie sind etlichen Berufen nachgegangen. Sie haben als Reinigungskräfte gearbeitet, als Küchenhilfe, als Helfer in der Fleischerei oder als Pflegehelferin. Das Studium meiner Mutter wurde erst vor einigen Jahren als Abitur anerkannt. Vorher war es quasi so, als hätte sie nie einen Tag in einer Schule besucht. Meine Mutter lebt seit 27 Jahren in Deutschland.
Die meisten Eltern wünschen sich für ihre Kinder, dass sie es irgendwann einmal besser haben werden. Andere wünschen sich, dass ihre Kinder einfach nur die gleichen Startbedingungen haben wie alle anderen Kinder um sie herum. Deshalb hat meine Mutter immer gesagt, dass sie sich nicht beschwert und es darum geht, dass wir vier Töchter einmal studieren oder eine Ausbildung machen können. Aber ich beschwere mich.
Die meisten von Ihnen kennen vielleicht die Geschichte des Taxifahrers, der zuvor in einem anderen Land studiert hat. Viele migrantische Familien kennen das aus ihrer eigenen Biografie.
Es geht mir nicht darum, dass Helfertätigkeiten nicht wertzuschätzen sind. Ganz im Gegenteil. Ohne sie ginge es in dieser Gesellschaft nicht. Es geht darum, dass man als Mensch mit Fluchtgeschichte
In den letzten Jahren hat sich eine Menge in der Anerkennung von ausländischen Abschlüssen getan, und das vor allem, weil politische Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger den Bedarf gesehen haben. Fachkräfte fehlen überall. Aber ich sage auch ganz klar: Es darf nicht nur davon abhängen, dass der Staat gerade einen Mangel erkennt und deshalb im eigenen Interesse handelt.
Es muss auch im Interesse derer geschehen, die sich etwas Besseres hätten vorstellen können, als ihre Heimat verlassen zu müssen.
Zeitgleich zu den Verbesserungen gibt es politische Entscheidungen in Berlin, die eine Integration wieder erschweren. Auch deshalb beschwere ich mich noch einmal.
Das Migrationspaket des Bundes mit dem Geordnete-Rückkehr-Gesetz besagt, dass Asylsuchende und Geduldete sehr viel länger in Landesaufnahmeeinrichtungen leben müssen als bisher. Dadurch können viele über Monate oder sogar Jahre hinweg keine Arbeitsförderungsleistungen erhalten.
Seit dem 1. August 2019 werden nur noch Syrien und Eritrea als „Länder mit guter Bleibeperspektive“ definiert. Mit schlechter Bleibeperspektive lässt es sich viel schwerer arbeiten. Nur 16 % der Asylsuchenden in Schleswig-Holstein stammen in diesem Jahr aus Syrien oder Eritrea, also Menschen mit einer pauschal guten Bleibeperspektive. Der Rest hat eine schlechte Bleibeperspektive.
Ich beschwere mich auch deshalb, weil die Unterscheidung nach guter und schlechter Bleibeperspektive eine politische Entscheidung ist, die die Bundesregierung getroffen hat. Diese Unterteilung erschwert den Zugang zu Integrationsleistungen und hat nichts mit der Realität zu tun. Menschen mit schlechter Bleibeperspektive werden nämlich für eine Zeit und viele sogar ihr Leben lang hier in Deutschland bleiben. Das weiß die Bundesregierung. Sie handelt trotzdem so.
Personen mit einer Aufenthaltsgestattung, die verpflichtet sind, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, dürfen grundsätzlich keiner Beschäftigung nachgehen. Auch deshalb beschwere ich mich.
Was tun wir auf Landesebene? Oftmals korrigieren wir das, was der Bund an problematischen Gesetzen auf den Weg gebracht hat. Wir sehen hier vor Ort, dass wir Menschen brauchen und wir die Menschen wollen, und finden deshalb Lösungen. In Schleswig-Holstein versuchen wir, mit der bundespolitischen Realität umzugehen. Der Herr Minister hat es gerade angesprochen. Durch Projekte wie „Alle an Bord!“ oder HAYATI haben wir es geschafft, dass wir Ende 2018 9.603 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte unter der Gruppe der Geflüchteten hatten.
Ich möchte an dieser Stelle Minister Buchholz für den Bericht danken. Ich möchte aber auch Staatssekretär Rohlfs danken. Ich finde, dass aus dem Wirtschaftsministerium viele gute, progressive und hilfreiche Maßnahmen kommen. Vielen Dank dafür.
Zum Schluss will ich noch eines sagen, weil es zu selten anerkannt wird. Ohne die zahlreichen Menschen mit Zuwanderungsbiografie, die heute schon in Schleswig-Holstein und auch im Rest der Republik einer Arbeit nachgehen, würde unsere Gesellschaft zusammenbrechen. Das verdient Anerkennung und keine Zugangsbarrieren. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt und die Feststellung, dass Arbeit ein wesentlicher Schlüssel für die gesellschaftliche und soziale Teilhabe ist, sind nach wie vor richtig. Das letztere gilt natürlich auch für geflüchtete Menschen. Geflüchtete, die nach Deutschland zugewandert sind, müssen eine Chance erhalten, sich in Deutschland ein neues Leben aufzubauen. Berufsausbildung und Arbeit sind hierbei hervorragend geeignet, die Integra
Ich freue mich sehr über die aktuellen Zahlen, dass so viele Geflüchtete eine Arbeit und vor allem eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung gefunden haben. Das ist ein Erfolg für unsere Gesellschaft, und ich möchte mich bei allen, die sich um die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten bemühen, bedanken.
Viele Unternehmen - gerade auch die vielen kleinen und mittelständischen Handwerksbetriebe in Schleswig-Holstein - berichten von guten Erfahrungen mit den neuen Kolleginnen und Kollegen. Sie leisten einen Großteil dieser sehr wichtigen integrativen Arbeit.
Deren Erfahrungen gilt es aufzugreifen und den geflüchteten Menschen den Weg in ihr neues Leben zu erleichtern. Geflüchtete Menschen müssen dabei viele Hürden und Herausforderungen überwinden beziehungsweise meistern. Die Zugewanderten müssen die deutsche Sprache erlernen und sich auf dem deutschen Arbeitsmarkt orientieren, der anders als in ihren Heimatländern funktioniert. Sie müssen Zeugnisse oder Nachweise beschaffen, um Vorqualifikationen anerkannt zu bekommen. Sie müssen ihre Kenntnisse immer und immer wieder nachweisen. All dies erschwert die Integration.