Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, begrüßen Sie bitte mit mir neue Gäste auf der Besuchertribüne, und zwar von der Jungen Union aus dem Kreis Rendsburg-Eckernförde. - Herzlich willkommen hier im Schleswig-Holsteinischen Landtag!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herzlichen Dank für diese Begrüßung. Es ist auch erst circa zwei Jahre her, dass ich aus der JU raus musste.
(Heiterkeit - Christopher Vogt [FDP]: Zwei oder 20? - Volker Schnurrbusch [AfD]: Nach welchem Kalender?)
- So wurde es mir in Neumünster beim Kreisverbandstag am Samstag mitgeteilt. Vielleicht hat dort jemand nicht den Mathematik-Leistungskurs belegt. Ich habe das wohlwollend hingenommen.
Nun zur Sache. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, bevor ich mich inhaltlich mit dem Antrag der AfD auseinandersetze, möchte ich eine grundsätzliche Sache voranstellen. Egal wie man zu diesem Antrag steht, als Abgeordneter dieses Parlaments halte ich den Zeitpunkt, zu dem wir uns damit beschäftigen - insbesondere gegenüber der Öffentlichkeit -, für verbesserungswürdig, um es vorsichtig auszudrücken. Bereits am vergangenen Freitag hat der Bundesrat über den Richtlinienvorschlag über Verbandsklagen und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/22/EG über Unterlassungsklagen abgestimmt und dabei eine Stellungnahme gemäß Artikel 12 b des Vertrages über die Europäische Union nicht beschlossen. Kurz gesagt: Der Bundesrat hatte keine Bedenken hinsichtlich des Subsidiaritätsprinzips.
Aber gut, die inhaltliche Auseinandersetzung und Verbesserung zu diesem Vorschlag wird bald erfolgen. Damit kein Missverständnis entsteht, möchte ich eines deutlich machen: Ja, wir benötigen weitere Verbesserungen beim Schutz von und bei der Rechtsdurchsetzung durch Verbraucher. Zu oft erleben wir es, dass Verbraucher in Einzelfällen geschädigt werden, sie aber von berechtigten Schadensersatzansprüchen absehen, weil der dafür notwendige Aufwand aus ihrer Sicht zu hoch erscheint. Hinzu kommt, dass Betroffene nach einem gescheiterten Streitschlichtungsverfahren Klagen
nicht mehr einreichen, weil auch hier der Aufwand viel zu hoch erscheint oder das Streitschlichtungsverfahren schon zu viel Mühe und Nerven gekostet hat.
Ein Beispiel dafür ist die Idee, Schadenersatzzahlungen nicht an die Geschädigten, sondern an Dritte, wie etwa gemeinnützige Vereine, zu zahlen. Damit würde man sich doch sehr weit von unserem Schadenersatzrecht entfernen, bei dem es um Kompensation für den Geschädigten und nicht um die Sanktion des Schädigers geht. Mit unserer Kritik setzen wir uns dabei aber deutlich von dem vorliegenden Antrag der AfD ab, denn dieser ist wieder einmal geprägt vom grundsätzlichen Misstrauen gegenüber Brüssel. Vor allem ist der Antrag viel zu oberflächlich und ohne konkrete rechtliche Begründung. Deswegen lehnen wir diesen Antrag auch ab.
Was sollten wir also tun? Erstens. Die von mir angesprochenen Musterfeststellungsklagen sollten verbraucher- und unternehmensfreundlich auf den Weg gebracht werden.
Zweitens. Wenn man damit Erfahrungen gesammelt hat, sollten wir auch ergebnisoffen prüfen, welche weiteren Instrumente über diese Feststellungsklagen hinaus gegebenenfalls in Deutschland notwendig oder sinnvoll sind.
Drittens. Solange hier keine konkreten Ergebnisse vorliegen, müssen wir darauf hinwirken, dass die EU-Richtlinien nicht über das hinausgehen, was wir zum Schutz der Verbraucher in Deutschland planen, denn der EU-Vorschlag würde mehr Probleme für die Rechtslandschaft in Deutschland schaffen, als sie Nutzen für unsere Verbraucher bringt. Herzlichen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Schnurrbusch! - Er ist nicht da. Doch! Liebe AfD-Fraktion, Binnenmarkt stärken, Verbandsklagen verhindern; wer hat denn dieses Mal gesagt: Bitte übernehmen Sie? Hat Sie etwa ein Großunternehmen oder eine Anwaltsvereinigung auf diese Spur gebracht? Wer fordert so etwas? Ganz offensichtlich keine Verbraucher. Welche Klientel vertreten Sie also?
Fest steht: Jeder, der bei seinen Online-Bestellungen schon einmal betrogen wurde, wünscht sich eine bessere rechtliche Absicherung.
Vielleicht erinnern Sie sich an eine der ersten großen Online-Betrügereien. Das war der Klingeltonbetrug von 2009. Damals wurden EU-weit Verbraucherinnen und Verbraucher durch Anzeigen auf Websites mit kostenlosen Klingeltönen gelockt und bei Bestätigung des Angebots zur Kasse gebeten. Diese Verstöße haben zu erheblichen Marktverzerrungen geführt. Verbraucherinnen und Verbraucher wurden massenhaft geschädigt, denn kaum ein Opfer war bei einer Schadenssumme von meist weniger als 100 € bereit, einen langwierigen und sehr teuren Prozess zu führen. Das hat sich bis heute noch nicht geändert. Es müssen also Regularien gefunden werden, damit solche großen Gruppen von Verbrauchern zu ihrem Recht kommen können; unabhängig davon, in welchem EU-Land der Händler seinen Sitz hat.
In der Begründung Ihres Antrages behaupten Sie, dass das Prinzip des kollektiven Rechtsschutzes mit dem neuen Regelwerk erstmals in der Europäischen Union zur Anwendung kommen soll. Auch hier steht ein großes Fragezeichen. Wie kommen Sie darauf? - Der neue Richtlinienvorschlag ist eine Weiterentwicklung und Erweiterung der bestehenden Richtlinie 2009/22/EG vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen.
Ihr Antrag offenbart wieder einmal, was Sie unter politischer Arbeit verstehen: ablehnen und kritisieren, ohne selbst Detailarbeit leisten zu wollen. Unsere Vermutung: Die neue EU-Richtlinie enthält Punkte, die Ihrer Klientel missfallen. Deshalb wird gleich die gesamte Richtlinie abgelehnt. Dabei trägt der neue Richtlinienentwurf auch den Erfahrungen der Verbraucher aus dem sogenannten Dieselskandal Rechnung. Hier wurde doch deutlich, dass der einzelne Verbraucher auf europäischer Ebene gegen die großen Konzerne derzeit kaum eine erfolgversprechende Möglichkeit hat, vor Gericht zu ziehen. Die Europäer müssen sich aktuell im Vergleich zu den Amerikanern wie Verbraucher zweiter Klasse fühlen. Hier müssen Lösungen her. Insofern entpuppt sich Ihr Antrag schon einmal als Unsinn.
Sehr geehrte Kollegin und sehr geehrte Kollegen der AfD, entgegen der Formulierung in Ihrem Antrag soll mit der neuen Richtlinie eine Klage ohne Mandat auch nicht in der Regel, sondern in Ausnahmen erlaubt werden. Diese Klageform kann
zum Schutz von Verbraucherinnen und Verbrauchern zum Beispiel zur Beendigung von illegalen Praktiken durchaus sinnvoll und verhältnismäßig sein.
Sehr geehrte Damen und Herren, für die Vermutung, dass Verbraucherschutzverbände regelmäßig Missbrauch bei der Klageerhebung betreiben könnten, wie von der AfD darstellt, gibt die Richtlinie keinen Anlass. Vielmehr unterscheidet sich das angestrebte Rechtssystem vom System der Vereinigten Staaten insbesondere dadurch, dass keine spezialisierten Anwaltskanzleien aus Profitgründen Klage erheben können. Vor Gericht ziehen dürfen gemeinnützige Organisationen, die mit den Klagen keinen Erwerbszweck verfolgen. Diese Organisationen müssen zudem strenge Auflagen erfüllen, auch was ihre Finanzierung angeht. Die Europäische Kommission sieht in dem Vorschlag jedenfalls ein ausgewogenes Verhältnis zwischen einem einfacheren Zugang zur Justiz zum Schutz von Verbraucherinteressen und angemessenen Maßnahmen, um einen Klagemissbrauch zu verhindern.
Wir als SPD-Fraktion begrüßen deshalb ganz klar die Initiative der Europäischen Kommission. Endlich sollen Verbraucherrechte auch über Ländergrenzen hinweg geschützt und durchgesetzt werden.
Den AfD-Antrag mit den offensichtlichen inhaltlichen Defiziten lehnen wir mit Nachdruck ab. - Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir Grüne finden es zunächst einmal völlig richtig, dass die EU-Kommission die Absicht hat, die Rechte von Verbraucherinnen und Verbrauchern in der EU zu stärken.
Anders als die AfD-Fraktion sehen wir darin gleichzeitig eine Stärkung des Binnenmarktes. Das muss überhaupt nicht im Widerspruch zueinander stehen, aber ich verstehe natürlich aus Ihrer Per
Gut und unabhängig informierte Verbraucherinnen und Verbraucher, die starke Rechte haben und diese auch kennen und durch wirksame Rechtsinstrumente letztlich durchsetzen können, sind unserer Meinung nach unabdingbar für das Funktionieren des Marktes. Wenn uns der Dieselskandal eines gelehrt hat, dann ist es, dass es gerade dann zu Marktversagen kommt, wenn Verbraucherinnen- und Verbraucherschutz hinter wirtschaftliche Interessen zurückfällt.
Liebe Kollegen und Kolleginnen, der Entwurf der Richtlinie zu Verbandsklagen, den die AfD ablehnt, begrüßen wir als Grüne. Auch auf Bundesebene haben sich die Kolleginnen und Kollegen der grünen Bundestagsfraktion für das Mittel von Verbandsklagen oder Sammelklagen, wie man sie nun nennen mag, eingesetzt. Ein Vorteil gegenüber der von der Bundesregierung auf den Weg gebrachten Musterfeststellungsklage ist, dass in den Fällen, in denen Betroffene und Schadenshöhe bekannt sind, direkt entschädigt werden kann.
Wir finden die Musterfeststellungsklage okay, aber die Möglichkeit für Sammelklagen wäre wesentlich besser und unkomplizierter für den Einzelnen und die Einzelne. Und besser als nur auf nationaler Eben fänden wir es, wenn es eine einheitlich europäische Regelung gäbe. Im Binnenmarkt haben wir offene Grenzen für Waren und Dienstleistungen. Die Verbraucherinnen und Verbraucher dieser Waren sollten daher bei grenzüberschreitenden Geschäften innerhalb des Binnenmarktes ein gleiches oder zumindest vergleichbares Schutzniveau erfahren dürfen.
Zur Frage, ob die EU-Kommission mit diesem Vorschlag in unzulässiger Weise in die Kompetenzen der Mitgliedstaaten eingreift, hat der Bundesrat bereits in seinen Ausschüssen beraten und am vergangenen Freitag im Plenum abgestimmt. Herr Fehrs hat das vorhin schon gesagt. Insofern ist die Forderung der AfD, der Bundesrat solle seine Mitwirkungsrechte wahrnehmen, völlig obsolet. Eine Subsidiaritätsrüge wird von der Mehrheit der Bundesländer nicht unterstützt. Schleswig-Holstein hat sich in dieser Frage enthalten. Für die Einschätzung, dass der Vorschlag zulässig ist, spricht meiner Ansicht nach die Tatsache, dass kollektive Schadenersatzklagen für den Bereich des Kapitalmarktes bereits jetzt schon möglich sind. Auch die
Wir stehen jetzt am Anfang des Gesetzgebungsverfahrens. Den Vorschlag der EU-Kommission werden der Europäische Rat und das Europäische Parlament sorgfältig beraten, und sicherlich wird dieser Vorschlag dabei auch Änderungen erfahren. Wir sprechen uns definitiv für die Ablehnung des AfDAntrags aus. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen! Wir sehen immer wieder, wie wichtig Verbraucherrechte sind, sei es aktuell auf der Marschbahn, sei es im Luftverkehr, sei es im Dieselskandal. Oft geht es nicht um einen Verbraucher mit einem ganz persönlichen Problem, sondern es geht um eine große Zahl von Menschen, die ein gleichgelagertes Problem haben. Wie auch im Datenschutz hat es im gemeinsamen Wirtschaftsraum Europa absolut Sinn, Verbraucherrechte nicht an jeder Landesgrenze neu definieren zu müssen, sondern überall in der gleichen Art und Weise behandeln zu können.
Das ist wieder ein Punkt, in dem sich zeigt, dass die Europäische Union absolut Sinn hat und einen Mehrwert für die Menschen in Europa schaffen kann.
Wie aber auch im Datenschutz darf das nicht nur gut gemeint sein, sondern es muss auch gut gemacht werden. Die Richtlinie zum Verbandsklagerecht ist noch in der Erarbeitung; sie ist noch nicht finalisiert. Es gibt zahllose Fallen und Missbrauchsmöglichkeiten, die genutzt werden, wenn wir nicht aufpassen.
Wir haben aktuell vor dem Hintergrund der Datenschutz-Grundverordnung eine Reihe an Sorgen wegen des Missbrauchs durch die Abmahn- und Klageindustrie; das wissen Sie. Wir werden sehen, wie sich das entwickelt. Diejenigen, die diesen Miss
brauch betreiben, haben nicht den Datenschutz oder den Schutz des Nutzers im Sinn, sondern möchten sich im Wesentlichen ihre eigenen Taschen füllen.