Protocol of the Session on June 13, 2018

Herr Rossa - jetzt ist er leider draußen -, die Pläne liegen nicht vier Monate, sondern nur sechs Wochen aus. Warum gibt es denn nicht eine Lösung? Warum nutzen wir denn nicht die Zeit bis zu einer dritten Lesung, um zu überlegen, wie man es schaffen kann, dass es gesicherte Ansprüche gibt, dass man die Unterlagen auch in Papier erhalten kann? Sollen denn die ehrenamtlichen Bürgermeister in kleinen Gemeinden vor einer Einwohnerversammlung erst einmal in den Copyshop fahren und sich die Pläne ausdrucken lassen, damit man da mit mehreren Leuten draufgucken soll?

(Oliver Kumbartzky [FDP]: Beamer! - Zuruf Beate Raudies [SPD])

Wie soll es denn gehen? Sie haben das Gesetz auf den Weg gebracht, Sie sind diejenigen, die sich hier mit Digitalisierung rühmen: Also formulieren Sie auch die entscheidenden Schritte für den Übergang so, dass die Schleswig-Holsteiner und SchleswigHolsteinerinnen in dem ganzen Verfahren beteiligt werden können, und zwar barrierefrei und so, dass Beteiligung für jeden möglich ist - nicht mehr und auch nicht weniger. Uns vorzuwerfen, wir hätten et

(Claus Christian Claussen)

was gegen Digitalisierung oder wären dazu nicht bereit, ist mehr als lächerlich.

Noch ein Wort zum Landesplanungsrat: Dieser Landesplanungsrat ist nicht irgendwie nice to have, er ist ein Must-Have. Das steht im Gesetz. Bei der letzten Regierung war es so, dass der Landesplanungsrat im Oktober nach der Wahl zum ersten Mal tagte. Diesmal hatten wir im Oktober noch nicht einmal die Berufung. Daran sieht man auch, wie wenig dieser Jamaika-Koalition und dieser Landesregierung der Landesplanungsrat wert ist. Die Tatsache, dass sie nach 70 Jahren Landesplanungsgesetz in Schleswig-Holstein den Ministerpräsidenten aus der Verantwortung für die Landesplanung kicken, ist auch eine bemerkenswerte Angelegenheit. Hier im Haus sind zwei Innenminister, die für die Landesplanung zuständig waren, obwohl der Ministerpräsident im Gesetz stand. Ich weiß nicht, aus welchem Grund Sie versäumt haben, den Ministerpräsidenten im Gesetz noch für den Landesplanungsrat zuständig sein zu lassen. Das ist ein Geheimnis, das Sie bis zur dritten Lesung vielleicht auch noch lüften könnten. Dafür wären wir Ihnen ganz dankbar.

Also, deutlich stört das, was auch Lars Harms schon gesagt hat: Schnell-Schnell, Zügig-Zügig, und irgendetwas in diesem Zügig-Zügig sollen die Menschen nicht mitbekommen. Das ist der eigentliche Skandal an der ganzen Kiste. - Danke.

(Beifall SPD und Lars Harms [SSW])

Das Wort hat nun der Minister für Inneres, ländliche Räume und Integration, Hans-Joachim Grote.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein modernes Planungsrecht ist die unverzichtbare Grundlage für eine effiziente Raumordnung. Ich glaube, darüber sind wir uns einig. Der Anspruch an die Nutzung des Raumes - seien es Landes- oder Wasserflächen - werden immer größer. Die Konflikte zwischen den verschiedenen Nutzungsmöglichkeiten wie zum Beispiel Wohnen, Gewerbe, Tourismus, Infrastruktur, Landwirtschaft, Rohstoffabbau und Energieerzeugung nehmen immer mehr zu. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten von uns zu Recht, dass wir diese Konflikte so weit wie möglich auflösen und die verschiedenen Interessen auch zu einem Ausgleich führen.

Es ist heute eine gesellschaftliche Selbstverständlichkeit, ja eine für die Akzeptanz unseres demokratischen Modells unverzichtbare Notwendigkeit, dass wir die Menschen in unserem Land an Planungen und Entscheidungen teilhaben lassen. Es ist daher richtig, die Beteiligungsvorschriften zu modernisieren und in das Zeitalter digitaler Mitbestimmung zu überführen.

(Beifall Lukas Kilian [CDU])

Die Digitalisierung bietet die Chance, Transparenz politischer Prozesse zu erhöhen und demokratische Teilhabe zu erleichtern, nicht nur für das Land, sondern auch für die schleswig-holsteinischen Kommunen.

Für Bürgerinnen und Bürger soll die Nutzung von digitalen Werkzeugen und die Beteiligung und Mitwirkung so einfach wie möglich gemacht werden. Die Landesregierung hat in den letzten Jahren erhebliche Anstrengungen unternommen - diese wie auch die Vorgängerregierung -, um innerhalb des Service.Schleswig-Holstein.de, unserem E-Government-Portal, neue Online-Beteiligungsstrukturen aufzubauen und zum Einsatz zu bringen.

Die Erwartungen an diese Online-Beteiligungsplattform sind hoch, meine Damen und Herren. Wir wollen bessere Informationsmöglichkeiten für die Bürgerinnen und Bürger, wir wollen Verfahrensvereinfachungen für unsere Verwaltungen und die Träger öffentlicher Belange, und zugleich wollen und müssen wir den Datenschutz auf diesen Plattformen dauerhaft gewährleisten.

Inzwischen sind die Online-Beteiligungsstrukturen keine Ergänzungen mehr, sondern das Kerninstrument unserer Öffentlichkeitsarbeit. Zwei Drittel der Stellungnahmen zur Windenergieregionalplanung sind letztes Jahr bereits über die Online-Beteiligungsportale, BOB-SH, abgegeben worden. Das zeigt, diese Plattform funktioniert, und sie wird auch angenommen. Das zeigt auch, dass der Zeitpunkt günstig ist, auf den Vorrang für Online-Beteiligung umzuschalten.

(Vereinzelter Beifall CDU und FDP)

Das ist eine veritable Änderung, und sie irritiert sicherlich viele Menschen. Dafür habe ich auch Verständnis. Vorrang für Online-Systeme heißt aber nicht, dass wir die bewährten Instrumente vollständig abschaffen. Bei den Kreisen und kreisfreien Städten werden auch weiterhin Papierunterlagen öffentlich ausgelegt. Genau wie bisher können Menschen dort hingehen und die Unterlagen einsehen. Damit können sich nach wie vor alle Interessierten

(Kirsten Eickhoff-Weber)

in den Beteiligungsprozess des Landes einbringen. Das war übrigens bislang die einzige Möglichkeit, die die Menschen hatten. Ihre Stellungnahmen können Bürgerinnen und Bürger weiterhin sowohl auf elektronischem Weg wie auch in Papierform abgeben.

Aus meiner Sicht bedeutet der Gesetzentwurf einen gegenseitigen Nutzen für alle Beteiligten: bequemere und detailliertere Informationsbeschaffung für die Bürgerinnen und Bürger, Verwaltungsvereinfachung für die beteiligten Behörden und vor allen Dingen auch Kosteneinsparungen für unseren Landeshaushalt.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss kurz auf einen Aspekt eingehen: Das Moratorium für raumbedeutsame Windkraftanlagen wird bis zum 5. Juni 2019 verlängert und damit auf eine Gesamtdauer analog der baurechtlichen Veränderungssperre, also auf vier Jahre, ausgeweitet. Die Verlängerung ist unverzichtbar, um die weiter voranschreitenden Windenergieregionalpläne zu schützen.

Wir wissen alle, dass wir uns mit dem Moratorium in einem verfassungsrechtlichen Spannungsfeld bewegen. Wir haben das vorhin von allen Seiten in den Ausführungen gehört. Aber ich bin zuversichtlich, dass die vom Landtag beschlossene Kombination aus Moratorium einerseits und Ausnahmesteuerung andererseits bis zum Planfeststellungsverfahren durchtragen wird.

Als letzte Option, die uns dann aber immer noch wir haben viel über das Thema Verspargelung gehört - zur Verfügung steht, gilt: Sollte es wirklich nicht dazu kommen, dass dieses Moratorium trägt, obwohl es in seiner Tragweite das Beste ist, was wir haben, dann haben wir immer noch § 18 Absatz 2 Landesplanungsgesetz, nach dem wir durch eine Allgemeinverfügung die zielwidrigen Planungen verhindern können. Die sogenannte Verspargelung, die dann über § 35 BauGB auf uns zukäme, können wir zumindest über dieses Instrument weiterhin unterbinden. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Von der Kollegin Eickhoff-Weber ist für die SPDFraktion die Durchführung einer dritten Lesung be

antragt worden. Nach § 28 unserer Geschäftsordnung ist dies möglich. Wer dieser dritten Lesung und damit der Überweisung in den Innen- und Rechtsausschuss zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! Dann ist dieser Antrag mit den Stimmen der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP gegen die Stimmen der SPD-Fraktion, der Abgeordneten des SSW und der AfD-Fraktion abgelehnt.

Wir kommen somit zur Abstimmung in der Sache. Ich lasse über den Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP, Drucksache 19/581 (neu), in der vom Ausschuss empfohlenen Fassung abstimmen. Wer dem Gesetzentwurf zustimmen will, bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Dann ist der Gesetzentwurf mit den Stimmen der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP gegen die Stimmen der Abgeordneten von SPD, SSW und AfD mehrheitlich angenommen.

Bevor wir zum nächsten Tagesordnungspunkt kommen, weise ich Sie auf einen Punkt in unserer Geschäftsordnung hin, der in dieser Debatte unverhofft eine Rolle gespielt hat. In § 52 unserer Geschäftsordnung ist zum Thema Worterteilung eindeutig geregelt, dass Rednerinnen und Redner, die zu dem Zeitpunkt, zu dem sie aufgerufen werden, nicht im Plenarsaal sind, nicht mehr das Recht haben, einen Redebeitrag zu halten. Wir haben das anders gehandhabt.

(Beifall Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das war auch so in Ordnung. Nichtsdestotrotz mache ich Sie darauf aufmerksam. Es könnte uns alle einmal treffen.

Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 12 auf:

EU-Binnenmarkt stärken - Verbandsklagen verhindern

Antrag der Fraktion der AfD Drucksache 19/690

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Volker Schnurrbusch.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste! Die Europäische Kom

(Minister Hans-Joachim Grote)

mission hat am 11. April dieses Jahres eine umfassende Neugestaltung der Rahmenbedingungen für Verbraucher vorgeschlagen. Wesentlicher Bestandteil ist eine neue Richtlinie zu Verbandsklagen, mit der auf EU-Ebene erstmals das Prinzip eines kollektiven Rechtsschutzes zur Anwendung kommen soll. Es ist vorgesehen, dass bei Großschadensereignissen in Zukunft auch Verbraucherorganisationen einen Rechtsbehelf einlegen können, um stellvertretend für eine Gruppe von Verbrauchern Schadenersatz- oder Entschädigungsforderungen geltend zu machen. Die Erteilung eines individuellen Mandats ist damit für diese Form der rechtlichen Interessenwahrnehmung zunächst nicht erforderlich.

Nichts weniger als einen New Deal für Verbraucher hat sich die EU-Kommission zum Ziel gesetzt. Dennoch erfolgt hier in Wirklichkeit die Weichenstellung für eine Prozessform ohne Verbrauchermandat, denn an die Stelle der Verbraucher treten Verbände und ähnliche Institutionen. Diese Planungen der Kommission reichen damit über aktuelle Bestrebungen der Bundesregierung zur Einführung einer Musterfeststellungsklage hinaus.

Auch bei dem jetzt vor Kurzem in erster Lesung im Bundestag behandelten Gesetzentwurf ist zwar eine Klage von Verbänden zur Klärung grundsätzlicher rechtlicher Verantwortung vorgesehen, die Durchsetzung konkreter Ansprüche soll anschließend dennoch individuell erfolgen. Auch die Details der geplanten Musterfeststellungsklage sind zwischen den Koalitionspartnern der neuen Bundesregierung noch immer umstritten. Es geht - wen wundert es? wieder einmal um die Frage, unter welchen Voraussetzungen Verbände konkret klagebefugt sein sollen, denn bloße Abmahnvereine dürfen schließlich nicht Gelegenheit erhalten, ein neues Geschäftsmodell zu entwickeln.

Ungeachtet dessen hat sich die sogenannte Deutsche Umwelthilfe, die zurzeit der deutschen Automobilbranche den Krieg erklärt hat, bereits protestierend zu Wort gemeldet, weil sie befürchtet, vom Kreis der potenziellen Klageverbände ausgeschlossen zu werden. Das Problem der Klagebefugnis beschäftigt auch die Kommission. Dort wird versucht, den Kreis auf solche Organisationen einzugrenzen, die nicht profitorientiert arbeiten oder im konkreten Fall ein legitimes Interesse nachweisen können. Hier sind erhebliche Zweifel angebracht, ob damit unseriöse Vereine tatsächlich außen vor bleiben können.

Wir meinen, die von der Kommission geplante Einführung der Verbandsklage außerhalb individuell erteilter Mandatsaufträge begründet das Risiko

missbräuchlicher und unbegründeter Klagen. Sie bedeutet zugleich den Einstieg in einen kollektiven Rechtsschutz, der der bundesdeutschen Rechtsordnung bisher immer fremd gewesen ist.

Die Verbraucherschutzvorschriften der EU gehören nach den eigenen Verlautbarungen bereits jetzt zu den strengsten Regelungen weltweit. Die weitere Ausgestaltung des Binnenmarktes sollte auf einen angemessenen Ausgleich von Verbraucher- und Unternehmensinteressen abzielen. Die einseitige Verschärfung bestehender Regelungen zulasten von Unternehmen dient nicht diesem Ziel.

Warum bringen wir diesen Antrag, der sich Richtung Brüssel wendet, in dieses Parlament ein? Wir haben heute Morgen von Herrn Minister Dr. Habeck bereits gehört, wie stark EU-Vorgaben unser Leben und das Handeln der Landesregierung beeinflussen - von Brüssel direkt bis zu 180 m vom Theodor-Heuss-Ring in Kiel.

Der Bundesrat hat Kompetenzen, die im Grundgesetz festgelegt sind, unter anderem die, seine Stellungnahme direkt an die EU-Kommission zu übermitteln. Daher bitten wir heute die Landesregierung, sich dafür einzusetzen, dass der Bundesrat seine Kompetenz nutzt, um den Plänen der EUKommission für eine neue Richtlinie zur Verbandsklage entgegenzutreten. Überlassen wir den Verbraucherschutz nicht jenen Vereinigungen, die oft das große Wort führen, aber nicht selten nur handfeste Eigeninteressen verfolgen.

Auch auf EU-Ebene darf der Verbraucherschutz nicht mit den Mitteln einer unternehmensfeindlichen Ideologie betrieben werden, die letztlich auch den Arbeitnehmern schaden kann. Mittlerweile werden in den USA im Schnitt jedes Jahr 250 Milliarden $ bei Sammelklagen bezahlt. Auch durch solch überzogene Forderungen zum Beispiel an die Pharmaindustrie steigen dort die Preise für Medikamente. In Deutschland ist es so, dass der Geschädigte sich einen Anwalt sucht. In den USA suchen findige Anwälte möglichst viele Geschädigte, um daraus ein Geschäftsmodell zu entwickeln. Diese Unsitte sollte hier nicht einziehen. Verbandsklagen nach amerikanischem Vorbild werden den Rechtsfrieden hier nicht befördern. Helfen Sie mit, dass wir diesen Weg nicht einschlagen. Wir bitten um Abstimmung in der Sache. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

(Volker Schnurrbusch)

Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, begrüßen Sie bitte mit mir neue Gäste auf der Besuchertribüne, und zwar von der Jungen Union aus dem Kreis Rendsburg-Eckernförde. - Herzlich willkommen hier im Schleswig-Holsteinischen Landtag!