Protocol of the Session on April 26, 2012

Erstens. Weil Sie uns persönlich angesprochen haben: Glauben Sie ernsthaft, dass Familien wie zum Beispiel meine eigene, wo meine Frau unsere drei Söhne in der Tat in den ersten drei Jahren zu Hause erzogen hat, hier auftreten würden und diese Form von Erziehung diskreditieren würden? Glauben Sie ehrlich, dass man das tut, wenn man die eigenen Erfahrungen hat?

Zweitens. Glauben Sie nicht, dass ein Unterschied darin besteht, wie man Dinge bewertet, ob man das diskreditiert oder nicht oder ob man Frauen dafür bezahlt, dass sie ihre Kinder von der Kindertagesstätte fernhalten?

Sie machen es gerade. Es gibt doch Frauen und Männer, die gern zu Hause bleiben wollen, um ihre Kinder in den ersten drei Jahren zu erziehen.

(Zurufe von der SPD)

- Sie verstehen das nicht!

Ich schlage vor, dass der Herr Abgeordnete Herbst diese Frage jetzt ohne Zwischenrufe beantworten kann.

Es gibt ja auch Eltern, die diese 100 € gut gebrauchen können. Ich brauche sie nicht, Sie brauchen Sie nicht.

(Zurufe von der SPD)

Ich glaube nicht, dass sich Eltern dazu entscheiden, Kinder fernzuhalten. Es geht darum, denjenigen, die sich bewusst dafür entscheiden - wie gesagt, es gibt unterschiedliche Eltern, unterschiedliche Kinder, unterschiedliche Lebenssituationen, unterschiedliche finanzielle Ausstattungen -, weil sie es wollen, ein Stück Gerechtigkeit zukommen zu lassen, weil sie nicht einfach ihre Kinder nur fernhalten, sondern Bildungsarbeit und Erziehungsarbeit leisten.

(Zuruf von der SPD: Fernhalten, was ist das denn?)

- Das hat er doch gerade gesagt. Entschuldigung, Herr Stegner hat gefragt: Wollen Sie die wirklich bezahlen, um ihre Kinder fernzuhalten? Ich sage Ihnen, Sie halten sie nicht fern, sie leisten Bildungsarbeit und Erziehungsarbeit. Ich werfe Ihnen nicht vor, dass Sie diskreditieren wollen, aber wenn Sie vielleicht, einem Postulat von Herrn Müntefering folgend, die Lufthoheit über den Kinderbetten haben wollen - das ist ein Zitat von Herrn Müntefering -, dann sollten Sie alle aufpassen, ob Sie diese Leute nicht wirklich ungewollt diskreditieren. Ich glaube, Sie haben es getan.

(Beifall bei CDU und FDP)

Für einen weiteren Dreiminutenbeitrag hat der Herr Abgeordnete Schippels das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! - Herr Herbst, Wahlfreiheit! Wissen Sie, ich kenne sehr viele Eltern hier in Kiel, die nicht die Wahlfreiheit haben, ihre Kinder in die Kita oder in die Krippe zu schicken, weil sie tatsächlich das Geld dafür nicht haben,

(Zurufe von der CDU)

weil sie das Geld nicht haben und weil es nicht genug Plätze gibt. Da sollten Sie ansetzen; das wäre der Punkt, wenn man von Wahlfreiheit redet. Darüber müssen wir diskutieren. Das Betreuungsgeld ist natürlich der falsche Weg. Das ist ganz klar.

Ich möchte Ihnen noch einmal sagen: Alle pädagogischen Konzepte sagen, dass es sehr wichtig ist, dass Kinder möglichst schon im frühen Alter frühkindliche Bildung gemeinsam mit Gleichaltrigen erhalten, dass sie soziales Verhalten und auch ansonsten vernünftiges Verhalten gemeinsam lernen, und zwar in der Kita oder auch in der Krippe.

(Niclas Herbst)

Herr Abgeordneter, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Sassen?

Herr Kollege, kennen Sie den heutigen Artikel im Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag unter der Überschrift „Kina - Nachrichten für Kinder?“ Wahrscheinlich nicht. Kennen Sie ihn?

- Ich habe heute nur die KN gelesen.

(Ursula Sassen [CDU]: Dann würde ich Ih- nen empfehlen, den zu lesen! Da ist nämlich sehr gut erklärt, dass es ein Für und ein Wi- der gibt!)

Frau Abgeordnete Sassen, Sie sind lange genug dabei, um zu wissen, dass dies keine Frage war. Haben Sie jetzt eine Frage außer der Frage: Kennen Sie den Artikel? - Das war ja schon beantwortet, und zwar mit Nein.

(Ursula Sassen [CDU]: Kann ich dann eine zweite Frage stellen?)

Sie dürfen eine zweite Frage stellen. Der Abgeordnete Schippels erlaubt es.

Danke schön. Darf ich Ihnen diesen Artikel nach Ihrem Redebeitrag zur Verfügung stellen?

Ja, das dürfen Sie; danke schön.

Ich möchte noch einmal zu der Debatte über Betreuungsgeld und Anrechnung auf Hartz IV kommen. Meine Damen und Herren, das ist die logische Konsequenz von Hartz IV, dass es angerechnet wird. Das ist letztlich das, was Sie, meine Damen und Herren - übrigens alle Fraktionen außer SSW und DIE LINKE -, beschlossen haben. Bei der Debatte um Hartz IV stand nie zur Diskussion, was der Mensch zum Leben braucht, was die Menschen brauchen, um die soziale Teilhabe an der Gesellschaft haben zu können, sondern in der Debatte war auf der politischen Agenda nur die Frage des Lohnabstandsgebots. Das betrifft übrigens das Kindergeld genauso wie jetzt das Betreuungsgeld. Das ist

der Fehler im System. Deswegen müssen wir grundsätzlich Veränderungen bei Hartz IV realisieren.

Frau Bohn, ich möchte bei diesem Punkt auch noch einmal sagen: Es ist ja völlig richtig, dass mit diesem Betreuungsgeld eine Familienpolitik der 50er-Jahre betrieben wird. Aber die Bedarfsgemeinschaft bei Hartz IV, die auch die Individualisierung der Ansprüche verneint, ist zwar nicht genauso schlecht, aber das geht leider in die gleiche Richtung. Auch da brauchen wir wirklich auf Bundesebene eine Veränderung.

Ich möchte an der Stelle, weil hier auch Herr Stegner darauf hingewiesen hat, noch einmal sagen, dass ich es erschreckend finde, dass die CDU hier ein Familienbild der 50er-Jahre hat. Ich wundere mich auch über dieses Flugblatt, das jetzt gekommen ist, gegen die „Dänen-Ampel“. Ich habe den Eindruck, da hat Reiner Pfeiffer wieder irgendwie mitgeholfen.

Ein Letztes an dieser Stelle: Frau Herold, dass Sie in dem Wahlkampf so verzweifelt sind, die Kinder von Bundestagsabgeordneten zu instrumentalisieren - Herr Stegner hat das eben auch gesagt -, um sozusagen noch die deutsch-nationalen Reste hinter sich versammeln zu wollen, das finde ich erbärmlich.

Ich möchte aus der Bonn/Kopenhagener Erklärung von 1955 zitieren.

Das können Sie leider nicht, weil Ihre Redezeit abgelaufen ist.

Das ist das letzte Zitat, dann bin ich am Ende.

„Das Bekenntnis zum dänischen Volkstum und zur dänischen Kultur ist frei. Es darf von Amts wegen nicht bestritten oder nachgeprüft werden.“

Bitte lesen Sie sich das noch einmal durch, und entschuldigen Sie sich endlich einmal für das, was Sie gesagt haben!

(Beifall bei der LINKEN und SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie nach oben auf die Tribüne gucken, dann sehen Sie eine Reihe sehr kreativer und, wie ich finde, sehr süßer

Kinder. Die haben die Bilder gemalt, die draußen ausgestellt sind. Wir begrüßen sie.

(Beifall)

Für einen weiteren Dreiminutenbeitrag hat die Frau Abgeordnete Heinold das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Verquere Gesetzentwürfe führen zu verqueren Debatten bis tief in die Landesparlamente hinein. Was ist in Berlin passiert? In Berlin gab es vor mehreren Jahren zu Recht die Erkenntnis, dass der Krippenbereich gestärkt werden muss, damit Familie und Beruf vereinbart werden können. Der Bundestag hat sich erfreulicherweise dafür entschieden, das gesetzlich zu verankern und auch Mittel bereitzustellen. Das heißt, im Vordergrund stand nicht die individuelle Familienförderung, wie es heute diskutiert wird, stand nicht der Versuch, die Familien finanziell zu stärken, das Kindergeld zu erhöhen oder was weiß ich, sondern im Vordergrund stand die Erkenntnis: Die Institution Kindertagesstätte muss gestärkt werden.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

Aus dieser Gemeinsamkeit heraus hat man versucht, alle mit ins Boot zu bekommen. Dann gab es den Vorschlag der CSU, unter dem wir jetzt alle leiden. Leider wurde dem zugestimmt. Es ist doch verrückt, das im Nachhinein rechtfertigen und aus der Frage eine Debatte darüber halten zu wollen, ob wir eine individuelle Familienförderung weiter aufsplitten. Vor zwei oder drei Jahren waren wir alle sehr viel weiter. Es gab Debatten über die Frage, ob es richtig ist, das Kindergeld immer weiter zu erhöhen, oder ob man nicht lieber Familienleistungen auf der einen Seite bündeln und auf der anderen Seite klar die Institutionen stärken sollte. Ich erinnere mich an Debatten, in denen wir alle miteinander gesagt haben: Der nächste Schritt in der Familienförderung und in der Bildungsförderung muss die Stärkung der Institutionen sein.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Deshalb wundere ich mich, dass die heutige Debatte über ein Betreuungsgeld, das wir hier im Raum alle nicht zu verantworten haben, plötzlich dazu führt, dass wir wieder in die alten Gräben zurückfallen, indem die einen sagen, wir wollen die Familie stärken, und die anderen sagen, wir wollen die Institutionen stärken.

Ich empfehle: Packen wir den ganzen Kram zur Seite! Positionieren wir uns als Landtag. Es sind unsere Kommunen, und es ist unserer Landeshaushalt, der überwiegend die Betreuungskosten für die Institution Kindertagesstätte zahlen muss. Wenn es über dieses verquere Instrument des Betreuungsgeldes die Möglichkeit gibt, dass der Bund 2,4 Milliarden € ausgibt, was eine große Summe ist, die schuldenfinanziert ist, dann wäre es doch am klügsten, wenn wir uns zusammenschließen und sagen würden: Das Geld muss in die Institution Kindertagesstätte fließen!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)