Protocol of the Session on April 26, 2012

Wenn wir diesem Antrag folgen, dann bekommen wir eine Flüchtlingspolitik oder eine Unterbringungspolitik wirklich nach Kassenlage, das wollen wir nicht.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Ein abschließendes Wort zum Menschenrecht auf medizinische Versorgung. Der SSW hat schon bei der ersten Behandlung dieses Themas darauf hingewiesen, dass dieses Problem nicht nur Ausländer ohne Papiere betrifft. Eine wachsende Anzahl von Bundesbürgerinnen und Bundesbürgern hat keine Krankenversicherung. Die Malteser Migranten Medizin sagt, dass inzwischen jeder Zehnte ihrer Patienten ein Deutscher sei, darunter Selbstständige, die den Basistarif der gesetzlichen Krankenkassen nicht zahlen können. Wir haben es also, liebe Kolleginnen und Kollegen, mit einem vielschichtigen Problem zu tun, das übergeordnet betrachtet nur im Rahmen einer Krankenversicherungsreform zu lösen ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber unterhalb dieser Ebene gibt es sehr wohl Spielraum. Das zeigte die Debatte im Innen- und Rechtsausschuss. Das zeigen auch die Stellungnahmen, die wir bekommen haben. Stichwort ist zum Beispiel das, was man jetzt in Hamburg umsetzen will.

Wir als Bundesland haben durchaus eigene Gestaltungsspielräume, und wir sollten nicht so tun, als könnten wir dieses Problem weiter vor uns herschieben. Das Mindeste ist die Erarbeitung eines Konzepts.

In der Debatte klang hier vielfach an, dass der Integrationsbeauftragte der Landesregierung gute Arbeit geleistet hat. Ich glaube auch, dass er das getan hat. So kenne ich den Kollegen Peter Lehnert. Aber die Konstruktion, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist natürlich falsch, und sie bleibt auch falsch trotz des persönlichen Engagements unseres Kollegen. Denn wir als Landtag haben mit dem Flüchtlingsbeauftragten einen Beauftragten für diesen Bereich, und die Landesregierung hat ihre eigenen Zuständigkeiten. Sie soll gefälligst sehen, dass sie ihre Ar

(Anke Spoorendonk)

beit gut macht, und dafür braucht sie nicht noch einen zusätzlichen Landtagsabgeordneten.

(Beifall bei SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Das Wort zu einem Dreiminutenbeitrag erteile ich dem Kollegen Dr. Kai Dolgner von der SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich habe mich manchmal gefragt, was der Kollege Lehnert so macht. Ich kann mich an einen Auftritt im Ausschuss erinnern. Zu allen anderen Themen habe ich nichts von ihm gehört. Aber der Beitrag der Kollegin Damerow hat mir gezeigt, was er gemacht hat. Er hat offensichtlich eine Zeitmaschine gebastelt, wenn er beim Neubau der Zentrumsmoschee in Büdelsdorf tätig war. Die Grundsteinlegung war 1999. Da war der Kollege Lehnert noch nicht Integrationsbeauftragter. 2008 ist die Moschee fertig geworden. Da war der Kollege Lehnert immer noch nicht Integrationsbeauftragter. Eröffnet wurde sie am 9. Oktober 2009, unter anderem von unserem Ministerpräsidenten. Da war der Kollege Lehnert immer noch nicht Integrationsbeauftragter.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Liebe Kollegin Damerow, ich bin mir ziemlich sicher, dass Herr Lehnert auch dort war. Aber der Konflikt zum Thema „Neubau der Moschee“, die übrigens direkt neben meinem alten Schulgebäude entstanden ist, und auch der Konflikt zum Thema Muezzinruf, an den ich mich gut erinnern kann das war nämlich mitten in der Wahlkampfzeit 2009, und ich weiß auch noch genau, wie dieser Konflikt von einigen geschürt worden ist, natürlich nicht von Herrn Kollegen Lehnert -, das war alles vor der Landtagswahl 2009. Insofern würde mich dieser Bereich schon einmal interessieren.

Nun hat Herr Lehnert sich da auch keine fremden Federn an den Hut gesteckt. Aber das ist vielleicht ein Hinweis darauf, dass über die Arbeit des Integrationsbeauftragten der eigenen Landesregierung auch die verantwortliche Sprecherin der CDU-Fraktion nicht so richtig informiert ist. Aber das können wir alles noch nachholen.

Jetzt komme ich zum zweiten Punkt, zum Thema Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus mit schlechter bis mangelhafter

. Es gibt eine Notfallversorgung; man muss nicht immer mit absoluten Argumenten argumentieren. Es gibt einen Abschlussbericht der Berliner Charité. Der ist gerade einmal 40 Seiten lang. Den empfehle ich jedem zum Lesen. Darin steht folgender Satz:

„Die Ergebnisse dieses Projektes zeigen, dass Menschen ohne Papiere in Berlin noch immer keinen gleichberechtigten Zugang zu einer ambulanten regulären Versorgung haben.“

Bevor ich jetzt vielleicht wieder zynische Zurufe bekomme: „Ja, das ist Berlin“, möchte ich darauf hinweisen: Die rechtlichen Grundlagen der Untersuchung sind in Schleswig-Holstein genau die gleichen. Insofern würde hier genau das Gleiche dabei herauskommen.

Es geht übrigens mitnichten darum, irgendwelchen Menschen etwas zu gewähren, sondern es geht hier um ein Menschenrecht. Es geht hier um ein Grundrecht.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und SSW)

Kollege Koch, auf die Frage des zitierten jungen Mannes würde mich Ihre Antwort interessieren. Generell hat man zwei Möglichkeiten, in so einer Situation zu antworten. Die erste Möglichkeit, die Sie sicherlich nicht angewandt haben, ist: „Das weiß ich auch nicht. Wir sind halt so doof, euch lauter Vergünstigungen zu gewähren.“ Und die zweite Antwort wäre: „Warum ist das in den anderen Ländern, wo Sie herkamen, noch nicht so?“ Das ist nämlich die Frage. Warum ist es noch nicht in der ganzen Welt umgesetzt? Wenn wir immer davon reden, dass wir Vorbild sein wollen für die Welt, und auch andere Länder belehren, wie sie die Menschenrechte umzusetzen haben, dann müssen wir hier damit anfangen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und SSW)

Spätestens bei den Menschen, die fremdbestimmt sind - das sind Kinder im Allgemeinen -, hört das Argument auf, dass das ihre eigene Entscheidung war, einen nicht legalen Aufenthaltsstatus zu haben, und sie deshalb die Chronifizierung von Krankheiten hinnehmen müssen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und SSW)

(Anke Spoorendonk)

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident.

Deshalb wäre es überhaupt kein Problem gewesen, dem SPD-Antrag zuzustimmen, der die Landesregierung aufgefordert hat, ein Konzept zu entwickeln. Ich habe auch gesagt: gern mit dem Bund zusammen, gern mit dem Bundesrat. Auch das wollten Sie nicht. Herr Kollege Kalinka hat dazu deutliche Worte gefunden, warum er es nicht wollte. Ich kann das jetzt leider nicht mehr zitieren oder zum Glück.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und SSW)

Das Wort zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich dem Kollegen Peter Lehnert von der CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann vielleicht etwas zur Aufklärung der Situation in Rendsburg beitragen. Ich hoffe, Herr Breitner nimmt mir das nicht übel, wenn ich das erzähle, weil wir in der Frage sehr gut und sehr eng zusammengearbeitet haben. Ich glaube, es ist auch ein gutes Beispiel dafür, dass wir es geschafft haben, Integrationspolitik über Parteigrenzen hinweg in dieser Legislaturperiode weiter voranzubringen. Dass da nicht jeder einzelne Antrag vollumfänglich erfüllt worden ist, ist eine andere Frage. - Aber ich glaube, der Kollege hat eine Zwischenfrage.

Sie gestatten eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Dolgner? - Bitte.

Lieber Herr Kollege Lehnert, ich bezog mich in meiner Darstellung auf die Aussage von Frau Damerow, die wir gern im Protokoll nachlesen können, dass Sie bei den Schwierigkeiten des Moscheeneubaus in Rendsburg vermittelt hätten. Beziehen Sie sich bei dem, was Sie jetzt gerade berichten, auf den Moscheeneubau oder auf die Fragestellung des Muezzinrufs?

Ich beziehe mich auf das Zweite.

(Dr. Kai Dolgner [SPD]: Aha!)

Ich kann mich noch sehr genau daran erinnern, dass mich Herr Breitner über mein Handy angerufen hat. Er teilte mir mit, dass es eine relativ breite Medienberichterstattung auch im Ausland über diese Frage gegeben hat. Das ist ein allgemeines Problem, das wir beim Thema Integration haben. Wenn etwas positiv läuft, wird nicht darüber berichtet. Wenn es aber um solche Sachen geht, tauchen plötzlich Fernsehteams aus Österreich, aus den Niederlanden und so weiter auf.

Herr Breitner hat mich explizit gebeten. Dann haben wir innerhalb von zwei Tagen dieses Pressegespräch geführt. Ich glaube, wir haben es dann auch gemeinsam hinbekommen. Deshalb sollte man hier keine Gegensätze aufbauen, die nicht vorhanden sind.

Ich möchte noch etwas von meiner Arbeit berichten. Ein wichtiger Punkt ist zum Beispiel die Sprachförderung. Seit dem Jahr 2005 stellt das Land Schleswig-Holstein jährlich 6 Millionen € für die Sprachförderung zur Verfügung. Das steht übrigens auch im Koalitionsvertrag von CDU und SPD. Ich weiß das noch sehr genau, weil ich diesen mit ausgehandelt habe. Damit haben wir jährlich 6 Millionen € zur Verfügung gestellt. Das ist bundesweit vorbildlich gewesen.

Das führt übrigens auch dazu, dass es auf der Bundeskonferenz der Integrationsbeauftragten von Bund, Ländern und Kommunen in Wiesbaden ein Forum gibt zum Thema „Erfolgreiche frühkindliche Sprachförderung“. Die Staatsministerin für Integration, Frau Dr. Böhmer, hat mich gebeten, dieses Forum zu leiten, weil Schleswig-Holstein langjährige und sehr gute Erfahrungen damit gemacht hat. Außerdem gibt es ein Bundesprogramm der Familienministerin, mit dem den Kindertagesstätten zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt werden.

Ich halte das für einen sehr wichtigen Aspekt, weil die frühkindliche Sprachförderung dazu führt, dass insbesondere junge Menschen mit Migrationshintergrund bessere Bildungschancen haben, und bessere Bildungschancen bedeuten bessere Aufstiegs- und Integrationsmöglichkeiten in dieser Gesellschaft.

Es gibt noch eine Reihe von weiteren Punkten. Dies betrifft zum Beispiel die Frage des Aufenthaltsstatus. Der Herr Minister hat die Änderung des Aufenthaltsgesetzes genannt. Es ist uns sogar gelungen,

Herrn Schünemann von der Notwendigkeit zur Änderung dieses Gesetzes zu überzeugen. Jeder aus dem Innenbereich, der Herrn Schünemann kennt, weiß, dass das nicht einfach war. Es ist uns aber gelungen, ihn in dieser Frage zu überzeugen. Ich glaube, in diesem Bereich ist einiges erreicht worden.

Ich möchte noch etwas zum Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz sagen. Auch dazu haben wir Gespräche mit anderen Bundesländern, zum Beispiel mit Bayern, führen müssen, die auch nicht sofort bereit waren, dabei mitzumachen. Wir haben jetzt zum 1. April dieses Gesetz. Wir als SchleswigHolsteiner haben sehr aktiv daran mitgearbeitet. Wir müssen jetzt die Umsetzung weiter voranbringen.

Bitte erlauben Sie zum Schluss, mich für die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit bei Minister Schmalfuß, beim Haus und bei der Fachabteilung ausdrücklich zu bedanken. In diesen Dank möchte ich insbesondere auch den Landtagspräsidenten einbeziehen, weil dieser Landtagspräsident in ungewöhnlicher Weise einen Schwerpunkt auf die Integration gesetzt hat. Jeder von Ihnen, der regelmäßig an Veranstaltungen des Landtags teilnimmt, weiß, dass sich fast jede zweite Veranstaltung dem Thema der Integration gewidmet hat. Dafür meinen herzlichen Dank!

(Beifall im ganzen Haus)

Ich möchte mich natürlich auch bei den engagierten Aktiven in den Vereinen und Verbänden - der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde ist heute anwesend, deshalb möchte ich ihn beispielhaft nennen - recht herzlich für die gute Zusammenarbeit bedanken. Ich möchte mich aber auch bei den Kollegen bedanken.

Frau Amtsberg, ich bedaure sehr, dass Sie nicht wieder für den Landtag kandidieren, weil ich Sie als eine in diesem Bereich sehr engagierte und kompetente Kollegin kennen- und schätzen gelernt habe.

(Beifall bei CDU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, die Integration wird auch in der nächsten Legislaturperiode eine wichtige Aufgabe sein. Dabei stimme ich Anke Spoorendonk zu. Über die Strukturen und die Arbeitsstrukturen werden wir uns dann neu Gedanken machen.

(Beifall bei CDU und FDP)