Protocol of the Session on April 25, 2012

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Präsidentin, ich bedanke mich für das exzellente Timing, durch das bei meinem eventuell letzten Redebeitrag nach 16 Jahren Parlamentszugehörigkeit auf der Tribüne Besucherinnen und Besucher aus Pinneberg sitzen. Besser kann man das nicht hinbekommen.

(Beifall)

Ähnlich wie in der EU-Agrarpolitik steht in der gemeinsamen Fischereipolitik ein Paradigmenwechsel an. Die bisherige gemeinsame Fischereipolitik in der EU hat das Ziel einer nachhaltigen und effektiven Bestandserhaltung und -bewirtschaftung nicht erreicht. Nach wie vor haben einzelne Mit

gliedstaaten Überkapazitäten in der Fischereiflotte. Es wird zu viel gefischt. Drei Viertel der Bestände gelten nach Kommissionsangaben als überfischt. Ein Umsteuern ist in der Fischereipolitik daher sowohl aus ökologischen als auch aus ökonomischen Gründen zwingend notwendig. Deshalb begrüßen wir die Vorschläge der Europäischen Kommission zur Reform der gemeinsamen Fischereipolitik. Sie bilden eine gute Grundlage für die Diskussion.

Kollege Klinghammer hat es schon gesagt: Jetzt gilt es, die Interessen Schleswig-Holsteins in Brüssel zu vertreten. Neben dem Weg über den Bund ist es sicher auch erfolgversprechend, wenn wir direkt Kontakt mit Brüssel aufnehmen. Unsere Europaabgeordnete Ulrike Rodust ist im Europaparlament Berichterstatterin für dieses für Schleswig-Holstein mit seinen beiden Küsten so wichtige Thema. Ich bin sicher, dass sie die schleswig-holsteinischen Interessen in Brüssel würdig vertreten wird.

Leider ist es uns im Ausschuss nicht gelungen, uns wie in der Vergangenheit über die Parteigrenzen hinweg einheitlich für die anstehenden Verhandlungen zu positionieren. In den meisten Punkten entspricht die Beschlussempfehlung des Ausschusses aber dem Ursprungsantrag der Grünen. Diesem konnten wir nur in zwei Punkten nicht zustimmen: erstens in dem Punkt zur Festlegung von Gesamtfangmengen für alle kommerziell genutzten Arten von Fischen und Meerestieren. Aus unserer Sicht besteht keine Notwendigkeit, für Krabben Quoten einzuführen. Der Bestand ist größer als jemals zuvor. Wir wollen nur da Quoten, wo es biologisch notwendig ist.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Es ist auch in der Diskussion, darauf zu achten, dass Krabbenfischer und ihre Familien nicht existieren können, wenn das Kilo Krabben 1,30 € kostet. Das hat nichts mit einer auskömmlichen Arbeit zu tun. Das ist ein Preis, der die ganze Arbeit nicht rechtfertigt. Hier geht die gleiche Diskussion los, die wir auch in der Frage des Mindestlohns hier im Haus geführt haben.

Zweitens zur Vorhaltung der Fischereirechte in der 12-sm-Zone ausschließlich für die regionale Küstenfischerei. Hier sollten die Grünen noch einmal überlegen. Es gibt gegenseitige historische Zugangsrechte, zum Beispiel für dänische Krabbenfischer, an denen wir nicht rühren wollen.

Grundsätzlich hätten wir es befürwortet, die beteiligten Akteure im Rahmen einer Anhörung im Ausschuss zu beteiligen. Dazu fehlt jetzt natürlich die

(Klaus Klinckhamer)

Zeit. Zukünftig sollte es jedoch kein leeres Anliegen sein, dass wir einen Runden Tisch für die Fischerei einrichten, bei der es viele Bereiche in Schleswig-Holstein gibt, und die beteiligten Akteure in die gesetzlichen Bestimmungen und Rahmenbedingungen einbinden, die sie selbst betreffen.

Meine Damen und Herren, Schwerpunkte der Verhandlungen sollten aus unserer Sicht folgende Themen sein: Der Erhalt der relativen Stabilität, die intelligente Ausgestaltung eines Rückwurfverbots, eine stärkere Regionalisierung und Dezentralisierung der Entscheidungswege, das eindeutige Bekenntnis zur weltweiten Verantwortung für den Schutz der Fischbestände, eine deutliche Stärkung von Wissenschaft und Forschung im Fischereisektor und die Verhinderung obligatorischer handelbarer Quoten. Wir müssen uns mit aller Kraft dafür einsetzen, dass unsere Kutter- und Küstenfischer erhalten bleiben und in einer anzustrebenden relativen Stabilität zwischen Fangmengen und Fangkapazitäten wirtschaften können.

(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten Dr. Christian von Boetticher [CDU])

Nur so können unsere Familienbetriebe in Schleswig-Holstein in eine erfolgreiche Zukunft geführt werden. Wir alle haben den Anspruch, dass diese Attraktivität gerade in unserem Land zwischen den Meeren auch für den Tourismus in den Häfen erhalten bleibt und eine Zukunft hat. Wir lehnen daher die Einführung übertragbarer Fischereibefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten ab. Dies würde kleinere Betriebe benachteiligen, die meist nicht über die notwendigen finanziellen Mittel verfügen, um in diesen Handel einzusteigen.

Ein weiterer wichtiger Kritikpunkt ist aus unserer Sicht die Ausgestaltung der Rückwurfverbote. Diese sollten nicht nur nach Arten, sondern auch nach Fischereien eingeführt werden. Bei dem vorgeschlagenen Ansatz finden Fischarten mit hohen Überlebensraten der zurückgeworfenen Fische keine Berücksichtigung. Der gewählte Ansatz würde die fischereiliche Sterblichkeit in diesen Fischereien entgegen dem gewollten Ziel noch erhöhen.

Meine Damen und Herren, insgesamt gehen die Vorschläge der Europäischen Kommission in die richtige Richtung. Mit den in der vorliegenden Ausschussempfehlung enthaltenen ergänzenden Forderungen ist Schleswig-Holstein in der Diskussion gut aufgestellt. Wir sollten so beschließen.

(Beifall bei SPD, CDU, FDP, SSW und des Abgeordneten Dr. Andreas Tietze [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, gestatten Sie mir nach diesen 16 Jahren noch eine persönliche Anmerkung. Ich bedanke mich bei allen für die oft sehr sachliche Zusammenarbeit unter anderem in den letzten Jahren im Wirtschaftsausschuss. Ich bedanke mich für die freundschaftliche Unterstützung vieler in der einen oder anderen schwierigen Phase, die ich mitgemacht habe. Ich wünsche Ihnen allen und Ihren Familien alles Gute für die Zukunft. Vor allen Dingen wünsche ich Ihnen gute Gesundheit.

(Anhaltender Beifall)

Lieber Herr Schröder, vielen Dank für Ihre netten Wünsche. Ich denke, der Applaus ist die Antwort. Auch wir wünschen Ihnen alles Gute für die Zukunft!

Für die FDP-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Carsten-Peter Brodersen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Vorschläge der EU-Kommission im Zuge der EUFischereireform 2013 sind für eine nachhaltige Fischereiwirtschaft auch in Schleswig-Holstein sehr zu begrüßen. Das Nachhaltigkeitsziel hat für Deutschland bei der geplanten Neuausrichtung der gemeinsamen Fischereipolitik oberste Priorität. Dies ist der Kernpunkt der deutschen Position zum EU-Grünbuch aus dem Jahr 2009. Hinzu kommen Aspekte der Weiterentwicklung des Prinzips des maximalen Dauerertrags sowie Markttransparenz und einige weitere Punkte.

In der Folge gibt es seit 2011 den Beschluss des Bundesrats mit der Drucksache 410/11, der sich allumfassend mit der Umsetzung der Reform der gemeinsamen Fischereipolitik befasst. Der Bundesrat begrüßt darin ausdrücklich den Legislativvorschlag der Europäischen Kommission und stellt klar, dass das Prinzip der relativen Stabilität, nationale Quoten und Fischereiabkommen mit Drittländern auch in Zukunft die Eckpfeiler der gemeinsamen Fischereipolitik bilden werden.

Die Beschlussempfehlung des Agrar- und Umweltausschusses ändert und ergänzt den Antrag der Grünen hinsichtlich der Praktikabilität in der Praxis und stellt den Sinn in den Vordergrund. Es macht nämlich wenig Sinn, in diesem Antrag Aspekte zu thematisieren, die in dem geforderten Maße schon längst Konsens zwischen Bund und Ländern sind.

(Bernd Schröder)

Wir orientieren uns lieber an der Praxis und an der Realität, meine Damen und Herren.

Bei der Unterstützung der Bemühungen der EU um die Herbeiführung eines Paradigmenwechselns in der Fischereipolitik sind wir bei Ihnen. Die Fischereireform 2013 bietet Chancen, die wir gerade im Sinne der schleswig-holsteinischen Fischereiwirtschaft nutzen müssen. Besonders der Erhalt der handwerklichen Küstenfischerei liegt der FDP am Herzen. Hierfür gilt es die Reform zu nutzen.

Der Agrar- und Umweltausschuss hat mit großer Mehrheit in der Beschlussempfehlung bewusst die Bereiche aufgegriffen, die in dem Antrag der Grünen nicht sinnvoll sind, und er hat diese ergänzt oder gestrichen. Da ist zunächst die Streichung der Festlegung von Gesamtfangmengen für alle kommerziell genutzten Arten. Dieser Punkt macht keinen Sinn, da bislang im Bereich einiger kommerziell genutzter Arten, wie zum Beispiel Krabben, keine wissenschaftliche Bestandsprognose möglich ist und aktuell keine Anzeichen für eine Überfischung gesehen werden. Hier müssen wir die Verhältnismäßigkeit wahren und Kosten und Nutzen sinnvoll abwägen. Genau das findet sich in der Beschlussempfehlung wieder.

Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, aber auch unter Berufung auf wissenschaftliche Quellen ergänzen wir im Bereich der Einschränkung der Fischerei in Meeresschutzgebieten ausdrücklich die Worte „Einschränkung, wenn nachgewiesen wird, dass Fischerei negativen Einfluss hat“. Solange wir nicht die Beeinträchtigung nachgewiesen haben, ist uns ein gewisses Maß an Freiheit für unsere heimische Fischereiwirtschaft wichtig, wenn wir es denn mit dem Schutz unserer handwerklichen Küstenfischerei ernst meinen.

In der Einführung eines EU-einheitlichen Kontrollsystems zur Größe der Fangschiffe greift die Beschlussempfehlung bewusst die jahrelange Forderung von Bund und Ländern nach einer einheitlichen Regelung auf. Hier also auch unsererseits der Appell an die Bundesregierung, sich vehement für eine verbindliche Regelung einzusetzen, die für alle Mitgliedstaaten im gleichen Maße gilt.

Zum Schluss, meine Damen und Herren: Die Gewährung von Modernisierungsinvestitionen ohne Kapazitätserhöhung in dem Bereich der Subventionen für den Fischereisektor ist im Bereich der Schiffsicherheit und der Energieeffizienz gerade aus ökologischer Verantwortung eine wichtige Ergänzung für uns.

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, der Beschlussempfehlung des Agrar- und Umweltausschusses zuzustimmen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Für die Fraktion DIE LINKE erteile ich der Frau Abgeordneten Ranka Prante das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Seit vielen Jahren schon ist die europäische Fischereipolitik ein viel diskutiertes Thema. Auf der einen Seite stehen Verbraucherinnen und Verbraucher, die Fische verzehren wollen und das zu möglichst günstigen Preisen. Große Industriebetriebe oder auch kleine handwerklich arbeitende Fischerinnen und Fischer wollen hohe Fangquoten und effiziente Fangmethoden, um Fische profitabel anbieten zu können.

Auf der anderen Seite aber steht immer noch der gesunde Menschenverstand, der uns sagt, dass der Fisch nicht unbegrenzt zur Verfügung stehen kann, dass sich Fischbestände nicht regenerieren können, wenn man Fischbestände nicht schont.

Der Fisch der europäischen Meere ist ein kollektives Gut, das uns allen gehört. Wenn wir so weitermachen wie bisher, wird allen Menschen dieses Gut unwiederbringlich genommen werden. Unwiederbringlich deshalb, weil in Europa bereits 88 % der Bestände als überfischt gelten.

Ich denke, wir müssen nicht erst den letzten Fisch fangen, um zu wissen, dass man Geld nicht essen kann. Nein, ich glaube, das müssen wir nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Vorschlag der EU-Kommission vom Juli dieses Jahres ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Es muss nun darum gehen, dass dieser Vorschlag ohne Verschlechterung durch die europäischen Gremien geht. Und dazu braucht es Unterstützung von allen Seiten.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir als DIE LINKE werden dem Antrag der Grünen zustimmen.

Ich möchte einige Punkte herausgreifen, die wir, DIE LINKE, als besonders wichtig empfinden.

(Carsten-Peter Brodersen)

Erstens. Es ist völlig klar, dass wir einen Paradigmenwechsel in der europäischen Fischereipolitik brauchen. Es muss endlich Schluss sein mit Subventionen für Industriebetriebe, die ökologisch und sozial nicht nachhaltig arbeiten.

Zweitens. Es ist richtig, dass die Interessen der schleswig-holsteinischen Küstenfischerinnen und -fischer berücksichtigt werden sollen. An unseren Küsten ist die Fischerei ein Handwerk, das eine Unterstützung verdient.

(Beifall bei der LINKEN)

Drittens. Alle Schutzbestimmungen, die in der EU gelten, müssen auch für EU-Abkommen mit Drittstaaten gelten. Die wichtigsten sind nordafrikanische Atlantikanrainer.

Wir müssen uns vorstellen, dass riesige EU-Fischereiflotten heute losfahren, um in diesen Gewässern Unmengen von Fisch abzufangen, Fische, die sie zu großen Teilen als Beifang tot wieder in den Ozean werfen, wie dies auch schon von den Abgeordneten der Grünen erzählt worden ist. Nur ein Teil davon landet in unseren Supermärkten und auf unseren Tellern. So geht das in unseren Augen nicht.

(Beifall bei der LINKEN)