Protocol of the Session on April 25, 2012

Die EU-Kommission wird auf Seite 2 der deutschen Stellungnahme noch deutlicher, indem sie die 15 Bundesländer deutlich ermahnt:

„Die Dienststellen der Kommission möchten jedoch daran erinnern, dass derartige Beschränkungen zur Erreichung der avisierten Ziele geeignet sein und die Bedingungen in Bezug auf die Verhältnismäßigkeit erfüllen müssen, welche in der Rechtsprechung des Gerichtshofs festgelegt wurden.“

Der Europäische Gerichtshof hat in seiner Rechtsprechung klargestellt, dass ein Mitgliedstaat alle Umstände darlegen muss, weshalb und wie er eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs in der EU durch nationale Maßnahmen begründen möchte. Denn nur dann ist eine Einschätzung möglich, ob die vorgeschlagenen Maßnahmen tatsächlich dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen. Dieser Forderung sind die 15 Bundesländer nicht nachgekommen.

Die Kommission kritisiert in ihrer Mitteilung mehrfach die fehlenden wissenschaftlichen Erhebungen, welche die Maßnahmen aus dem Glücksspielstaatsvertrag rechtfertigen könnten.

(Dr. Christian von Boetticher [CDU]: So ist das!)

Zudem zeigt sich, dass der Glücksspielstaatsvertrag nun auch unüberbrückbare beihilferechtliche Schwierigkeiten bekommen wird. In dem von dem Kollegen Arp zitierten Brief an den Finanzausschuss des Bundestags weist das Bundesfinanzministerium darauf hin, dass die vorgeschlagene Absenkung des Steuersatzes im Rennwett- und Lotteriegesetz europarechtswidrig ist. Die seit 1922 geltende Rückerstattung des Aufkommens aus der Besteuerung von Pferdewetten, mit denen die Pferdezucht finanziert wird, stellt eine Beihilfe dar. Dass dies bislang nicht beanstandet wurde, liegt an der Tatsache, dass der Kommission die Existenz dieser Vergünstigung vermutlich gar nicht bekannt

ist. Wenn nun durch den Glücksspielstaatsvertrag eine materiell-rechtliche Änderung des Steuergesetzes erfolgt, wird eine Notifizierung durch die EU-Kommission notwendig. Herr Dr. Stegner, das ist in Deutsch geschrieben, das können Sie selbst nachlesen, ohne dass Übersetzungsprobleme auftauchen.

Alle Beteiligten kommen zu dem Ergebnis, dass eine Änderung des Rennwetten- und Lotteriegesetzes auf Bundesebene dazu führen würde, dass die Pferdezucht und der Pferdesport in Deutschland komplett ruiniert würden, weil die EU-Kommission beihilferechtlich eine solche Rückerstattung gar nicht genehmigen darf. Deshalb versichere ich Ihnen, dass der Deutsche Bundestag eine solche Änderung nicht beschließen wird.

Herr Dr. Stegner, weil er sie nicht beschließen wird, ist der Vertrag der 15 inkohärent - in sich selbst. Das hat die Kommission am 18. Juli 2011 festgestellt. Das sollten Sie vielleicht zur Kenntnis nehmen und nicht dauernd mit ignorantia facti darüber hinweggehen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Die EU-Kommission kritisiert weiter, dass ihr schleierhaft sei, wie man mit der „beschränkten Zahl“ - so das Zitat - „verfügbarer Konzessionen und mit einer sehr hohen Glücksspielabgabe in der Summe … ein wirtschaftlich tragfähiges und in der Folge stabiles und attraktives Online-Angebot für Sportwetten“ bereitstellen will.

Wer dem uns hier vorliegenden Gesetzentwurf der SPD zustimmt, zwingt den Landtag, einer europarechtswidrigen Regelung zuzustimmen.

(Dr. Christian von Boetticher [CDU]: Wie schon mal durch Herrn Stegner!)

- Wie schon häufiger durch Dr. Stegner und die SPD - nach der Devise: Wir beschließen etwas Rechtswidriges und lassen die Richter das dann aufheben,

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

wie Ihre Parteifreundin Kraft das in NordrheinWestfalen mit dem Haushalt vorgemacht hat: rechtswidriges Beschließen - dann sind die Richter schuld. Wir sind aber verpflichtet - jedenfalls verstehe ich das so -, dass wir uns an Recht und Gesetz halten und nicht versuchen, Recht zu brechen.

(Wolfgang Kubicki)

(Beifall bei FDP und CDU - Zuruf der Abge- ordneten Dr. Ralf Stegner [SPD] und Ulrich Schippels [DIE LINKE])

- Davon verstehen Sie wirklich nichts. Man kann sagen, dass bei keinem anderen Minister in Schleswig-Holstein in seiner Amtszeit so viele Urteile die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens festgestellt haben wie bei Ihnen, Herr Dr. Stegner. Deshalb sind Sie der schlechteste Ratgeber in dieser Frage.

Wer dem Gesetzentwurf der SPD zustimmen würde, würde auch keine zusätzlichen Einnahmen generieren, weder für den Haushalt, noch für den Sport im Land. Es reicht nicht, in Sonntagsreden immer nur die Bedeutung des Sports für Gesellschaft, Integration und Entwicklung anzupreisen. Es müssen auch Taten folgen. Herr Dr. Stegner, schauen Sie sich doch einmal an, wie Ihre Parteifreunde dort, wo Sie regieren, vor Ort mit der bisherigen Gesetzeslage umgehen.

Herr Kubicki!

Ich bin sofort fertig, das ist mein letzter Satz. - Da sehen wir Sportwettenwerbung als Bandenwerbung in den Stadien in Nordrhein-Westfalen. Ihre Ministerpräsidentin setzt sich auf die andere Seite, damit sie das nicht sehen und einschreiten muss. Da haben wir in Hamburg Veranstaltungen, die mit Sportwettenanbieter-Namen werben, die eigentlich verboten wären. Das ist die Heuchelei der Sozialdemokratie: andere denunzieren, aber das Geld einstreichen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich der Frau Abgeordneten Monika Heinold das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der 15-Länder-Staatsvertrag steht auf dünnem Eis. Das wissen wir alle.

(Beifall der Abgeordneten Günther Hilde- brand [FDP] und Katharina Loedige [FDP])

Es gibt das Schreiben der Europäischen Kommission, es ist daraus zitiert worden, es gibt das Schreiben des Bundesfinanzministers, das relativ deutlich

aufzeigt, dass der Weg noch nicht positiv zu Ende gegangen worden ist. Ich habe es letztes Mal schon gesagt: Dadurch, dass Schleswig-Holstein einen Alleingang beschlossen hat, ist natürlich die Kohärenz sowieso durchbrochen. Auch das muss man sagen. Schleswig-Holstein mit seinem Alleingang verfestigt die Wahrscheinlichkeit, dass Gerichte und Anwälte sich intensiv damit beschäftigen werden und wahrscheinlich eher den Staatsvertrag als das schleswig-holsteinische Gesetz kippen werden, weil der Staatsvertrag weitergehend ist. Da wird es auf jeden Fall einen großen Konflikt geben.

Nun muss man sich entscheiden: Macht man weiter einen Alleingang, wohl wissend, dass dieser Alleingang das gemeinsame Ziel einer gemeinsamen Lösung gefährdet, oder schließt man sich den anderen Ländern an?

Meine Fraktion ist - trotz aller Unwägbarkeiten sehr dafür, lieber gemeinsam auf dünnem Eis zu wandern als allein in Las Vegas verloren zu gehen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und der LINKEN)

Für uns hat eine gemeinsame gesetzliche Grundlage aller Bundesländer oberste Priorität. Wir müssen uns immer wieder in Erinnerung rufen, dass es hier um eine Regelung geht, die eigentlich europäisch getroffen werden müsste.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Robert Ha- beck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Deshalb ist es absurd, kleinteilig im Föderalismus verloren zu gehen oder sich da zu vertüdeln.

Erfreulicherweise sind noch keine Lizenzen vergeben worden. Das haben wir auch der Presse entnommen. Das heißt, wir haben heute die Möglichkeit, dieses Gesetz rückgängig zu machen und den Alleingang zu stoppen. Das wird die letzte Möglichkeit sein. Ich gehe davon aus, dass in den nächsten Wochen die Lizenzen vergeben werden. Was passiert, wenn die Lizenzen vergeben sind? - Dann entstehen Rechtsansprüche, sowohl durch die vergebenen Lizenzen, als auch durch das Sponsoring, das in der Landeshauptstadt Kiel, Lübeck und in anderen Orten per Vertrag eingetütet wird. Herr Stegner, da bin ich dann auch nicht bei Ihnen, wenn Sie sagen, dass Sie dieses Gesetz auf jeden Fall nach der Wahl zurücknehmen.

(Zuruf des Abgeordneten Hans-Jörn Arp [CDU])

(Wolfgang Kubicki)

Ich sage Ihnen: Das Letzte, was ein Landtag beschließen sollte, ist, dass die Steuergelder ausgegeben werden, um Regressansprüche zu zahlen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich finde es fair, dieses auch vor der Wahl zu sagen.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP] - Heiterkeit bei der CDU)

Heute ist höchste Eisenbahn. Wir müssen das Gesetz heute in erster und am Freitag in zweiter Lesung rückgängig machen. Dann wäre gewährleistet, dass die Lizenzen nicht vergeben werden können, dass kein Schaden entsteht. Ich kann die FDP verstehen, dass sie sehr eng bei der Glücksspielindustrie ist. Die CDU kann ich an der Stelle überhaupt nicht verstehen. Ich hätte mir da ein bisschen mehr Einsicht und Weitsicht gewünscht.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und des Abgeordneten Andreas Beran [SPD] - Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Für die Fraktion DIE LINKE hat Herr Abgeordneter Ulrich Schippels das Wort.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Zunächst ein kleines Wort an die Adresse des lieben Kollegen Arp. Dass Sie der SPD in diesem Landtag vorwerfen, dass sie den Anträgen der LINKEN nicht zustimmt, ist für mich wirklich eine neue Erfahrung. Das finde ich an dieser Stelle sehr interessant und sehr bemerkenswert.

Ansonsten muss ich sagen: Wir haben in dieser Legislaturperiode sehr oft über die ganze Thematik gesprochen. Ich habe noch einmal im Landtagsinformationssystem das Glücksspielgesetz und den Glücksspielstaatsvertrag eingegeben. Es gab über 300 Einträge. Ich hoffe, dass wir in der nächsten Legislaturperiode weniger Einträge haben, um dieses Glücksspielgesetz wieder zurückzunehmen.

Wenn ich jetzt die Ausführung von Herrn Heinold

(Zuruf der Abgeordnete Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Frau Heinold, Entschuldigung - richtig gehört habe, dachte ich zuerst, ich müsste die Rede, die ich vorbereitet habe, umschreiben. Am Schluss haben Sie mich eines Besseren belehrt. Das geht eher in

die Richtung dessen, was Sie bisher gesagt haben, weil Sie eigentlich tatsächlich grundsätzlich eher für das Glücksspielgesetz sind und den Glücksspielstaatsvertrag sehr stark kritisieren. Ich kann Ihnen nur sagen: Man kann dieses Gesetz auch zurücknehmen und gleichzeitig den Rechten, die tatsächlich schon vergeben sind, Geltung verschaffen. Das eine schließt das andere nicht aus. Ich hoffe, dass uns das gelingen wird.

Ich möchte noch einmal etwas zu der Thematik sagen, weil bei der FDP die Wogen hochschlugen, als noch einmal inhaltlich über das ganze Gesetz diskutiert wurde. Erstens. Das wurde schon gesagt: Der Alleingang Schleswig-Holsteins ist einfach ein Affront gegen die anderen Bundesländer - ohne Wenn und Aber. Ich finde, es ist unbotmäßig für unser kleines Bundesland.