Protocol of the Session on March 21, 2012

Wir beantragen die namentliche Abstimmung zu der Drucksache 17/405. Jeder möge bei der namentlichen Abstimmung seinem Gewissen folgen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, SSW und vereinzelt bei der LINKEN)

Ich werde mit dem Präsidium gleich noch einmal absprechen, um welche Drucksache es geht. Da scheint es eine Verwirrung zu geben. Das klären wir gleich auf.

Meine Damen und Herren, begrüßen Sie mit mir bitte auf der Besuchertribüne den Bürgervorsteher der Stadt Plön, Hans-Jürgen Kreuzburg, und den

(Monika Heinold)

Bürgermeister der Stadt Plön, Jens Paustian. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Für die Fraktion DIE LINKE erteile ich Herrn Abgeordneten Heinz-Werner Jezewski das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die jetzt zu beschließenden Änderungen in den Gesetzen sind lang und breit diskutiert worden. Sie sind sicherlich im Ausschuss so nicht inhaltlich diskutiert worden. Ich gebe Ihnen da recht, Herr Kalinka. Woran das gelegen hat, darüber mögen wir streiten.

Was wir hier tun können, ist vermutlich - so fürchte ich - nicht mehr, das Abstimmungsverhalten einzelner Abgeordneter zu ändern. Was wir aber wohl tun können, ist noch einmal für die Öffentlichkeit zu dokumentieren, über was wir hier eigentlich abstimmen. Die Kürze der Zeit erlaubt mir leider nicht, auf alle Punkte einzugehen. Es ist ein sehr breites Konvolut, das wir da vorliegen haben. Ich werde mich beschränken nach dem Motto: „Bevor du den Splitter im Auge deines Nachbarn suchst, beschäftige dich doch erst einmal mit dem Balken in deinem eigenen.“ Ich beschränke mich auf das, was wir hier für uns als Abgeordnete nicht ändern werden.

Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FPD - ich weiß gar nicht, ob Sie das alle so genau wissen, ob Sie die Gesetzestexte alle genau gelesen haben -, wollen nicht, dass in Zukunft die Ausübung unseres Mandats im Mittelpunkt unserer Tätigkeit steht. Ich habe mir gedacht: Hallo! 7.000 € und mehr bekomme ich für etwas, was nicht im Mittelpunkt meiner Tätigkeit steht? Ich finde das bemerkenswert. Das ist ja doch eine ganze Summe Geld, auch wenn manche von Ihnen sagen: „Peanuts. Ich möchte gar nicht Minister sein, denn dann kann ich ja nicht einmal richtig Geld verdienen.“ Welche, die so sprechen, soll es ja geben, habe ich gehört. Aber 7.000 € für etwas, was nicht im Mittelpunkt meiner Tätigkeit steht?

Genau deswegen habe ich gesagt: Lasst uns hier eine namentliche Abstimmung machen. Und genau deswegen sage ich: Lasst uns das zum Abgeordnetengesetz machen. Ich glaube das einfach nicht. Selbst wenn es nicht Gesetz wird, weiß ich, dass in den Oppositionsfraktionen die überwältigende Mehrheit - ich behaupte einmal, alle - die Ausübung ihres Mandats in den Mittelpunkt ihrer Tä

tigkeit stellen. Ich glaube, dass das auch in den Regierungsfraktionen so ist. Ich frage mich nur: Warum stimmen Sie dann dem Gesetzentwurf nicht zu?

(Beifall bei der LINKEN, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das will ich einfach wissen. Da müssen wir doch einmal mit namentlicher Abstimmung feststellen: Wer meint denn, dass das nicht im Mittelpunkt seiner Tätigkeit steht?

Aber Sie möchten ja noch mehr. Den nächsten Punkt sollten wir uns auf der Zunge zergehen lassen. Ich zitiere jetzt teilweise aus dem Gesetzestext. Sie möchten, dass Abgeordnete des Schleswig-Holsteinischen Landtags Geld und geldwerte Vorteile - jetzt nur für die, die das nicht verstehen: das sind zum Beispiel kostenlose Urlaube in den Ferienanlagen befreundeter Unternehmer - dafür annehmen dürfen, dass sie im Landtag die Interessen derjenigen vertreten, die ihnen das Geld geben.

Für mich ist das eindeutig Lobbyismus. Ich glaube, das ist auch Korruption. Um es deutlich zu sagen: Wer diesem Antrag nicht zustimmt, der will die Bestechlichkeit von Abgeordneten erlauben.

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf des Abge- ordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Da ist es doch schon fast eine Petitesse, dass Sie auch die Transparenz, die für Bundestagsabgeordnete selbstverständlich ist, nämlich die Information der Öffentlichkeit über Nebeneinkünfte, von uns Abgeordneten - immer von uns - in Bausch und Bogen ablehnen.

Um es ganz deutlich zu sagen - Kollege Kalinka, da geht der Vorwurf an Sie zurück -: Es geht Ihnen eben nicht um unklare Formulierungen, die die praktische Umsetzbarkeit der Regelung behindern. Wenn es Ihnen darum gegangen wäre, dann hätten Sie seit dem 16. März 2010 Zeit gehabt, einen besseren Antrag einzureichen. Das tun Sie doch sonst auch bei jedem Antrag, den wir als Opposition stellen. Das ist doch überhaupt kein Problem für Sie. Das können Sie doch. Aber Ihnen geht es anscheinend darum, zu verhindern, dass Korruption oder besser noch jeder Anschein von Korruption in diesem Hause geächtet wird.

Es geht ja gar nicht darum, dass Regierung oder Abgeordnete in diesem Landtag in Zukunft keine umstrittenen Entscheidungen mehr treffen dürfen. Es geht einzig und allein darum, dass niemand au

(Vizepräsidentin Anita Klahn)

ßer den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern ihnen dafür Geld bezahlen soll.

Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der rechten Seite des Hauses, haben sich oft darüber beklagt, dass die Reisen einiger Mitglieder dieses Hauses, zum Beispiel nach Malta oder nach Sylt oder zu Champions-League-Endspielen, hier süffisant kommentiert wurden. Ich hatte bei den Debatten immer ein merkwürdiges Gefühl. Nachdem ich aber jetzt diese Diskussion heute miterlebt habe, kann ich nur sagen: Stimmen Sie heute einfach den Änderungen des Abgeordnetengesetzes und des Ministergesetzes zu! Ich persönlich werde Ihnen beim nächsten Angriff auf Ihre persönliche Integrität gern beispringen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das wollen wir gar nicht!)

Wer aber diese Anträge heute ablehnt, der darf sich nicht wundern, wenn solche Angriffe kommen, und der soll dann auch bitte nicht jammern. Der darf sich auch nicht wundern, wenn immer mehr Menschen in diesem Land keine Lust mehr auf Politik haben und einfach nicht mehr zu den Wahlen gehen. Politikverdrossenheit hat nämlich sehr viel zu tun mit dem, was wir gleich beschließen oder besser nicht beschließen werden. Wer in der folgenden Abstimmung nicht mit Ja stimmt, der trägt nicht nur zur Politikverdrossenheit bei, nein, er ist sogar eine der Hauptursachen dafür.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Abgeordneter Jezewski, für die hier getätigten Unterstellungen gegenüber den Abgeordneten möchte ich Ihnen eine Rüge aussprechen. Das war unparlamentarisch.

Ich erteile nun für die SSW-Fraktion der Vorsitzenden Anke Spoorendonk das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Willy-Brandt-Haus in Lübeck erinnert ein Zitat an die Grundfesten unserer Gesellschaft. „Die Demokratie ist keine Frage der Zweckmäßigkeit, sondern der Sittlichkeit.“ Dieses Brandt-Zitat erlegt uns Abgeordneten die Pflicht auf, unsere Aufgaben so zu erledigen, dass sie moralischen Maßstäben genügen: nachvollziehbar, gerecht, nachhaltig und im Verfahren transparent. Nur auf diese Weise verdienen wir Vertrauen, was wiederum die Wähle

rinnen und Wähler zur Teilhabe motiviert. Verspielen wir Vertrauen, unterhöhlen wir die Grundlage unserer Demokratie.

Vertrauen in Politiker ist aber ein knappes Gut geworden. Deshalb müssen sich der Landtag und die Landesregierung mit diesen neuen Verhaltensregeln die Glaubwürdigkeit wieder zurückerobern. Na ja, höre ich dann auch hier im Landtag, beim eigenen Geld hört das aber auf. Die Chefin des Wissenschaftszentrums in Berlin, Jutta Allmendinger, bringt es auf den Punkt: „Geld ist in unserer Gesellschaft stärker tabuisiert als Sex.“ Weder in Kneipen noch in Büros oder in Familien wird darüber gesprochen, wie viel man verdient, gefragt schon gar nicht.

Das sollte uns aber nicht davon abhalten, in diesem Punkt Offenheit zu zeigen. Denn die Bürgerinnen und Bürger sind nicht unsere Freunde, sondern in übertragenem Sinne unsere Arbeitgeber.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und die wissen sehr wohl, was ihre Beschäftigten in der Lohntüte haben. Genau diesen Anspruch haben auch die Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner. Setzen wir das um, überfraktionell im Konsens, noch heute. Wir haben das nämlich schon viel zu lange vor uns hergeschoben.

Fast genau vor zwei Jahren, am 18. März 2010, debattierten wir die Entwürfe erstmals im Plenum. Damals hielten alle Oppositionsfraktionen den Beginn der Legislaturperiode für den geeigneten Zeitpunkt, um das Vorhaben der Transparenz in die Tat umzusetzen. Seitdem - wir haben es bereits gehört schmoren die Entwürfe in den Ausschüssen. Die Technokraten sprechen so gern vom Zeitfenster. Das Zeitfenster, um eine neue Transparenzkultur in Schleswig-Holstein zu etablieren, scheint der Wahlkampf mit heftigem Getöse fest verschlossen zu haben. Ich gebe aber die Hoffnung nicht auf, dass wir heute gemeinsam den wichtigen und richtigen Schritt unternehmen. Ich appelliere an alle, dies zu tun.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir denken bereits seit vielen Jahren darüber nach, wie wir den Parlamentsbetrieb transparenter gestalten können. Dem SSW war dieses Vorhaben ein zentrales Anliegen. Wir haben um das Informationsfreiheitsgesetz gestritten und dafür gekämpft, weil wir der tiefen Überzeugung sind, dass Vertrauen auf Transparenz basiert. Uns war gleichzeitig

(Heinz-Werner Jezewski)

klar, dass wir nur Transparenz einfordern können, wenn wir selbst bereit sind, unsere Abläufe und eben auch unsere Nebeneinkünfte offenzulegen. Bezüge und Nebeneinkünfte von Politikern und Regierungsmitgliedern müssen öffentlich werden. Dem SSW ging es nie und geht es auch heute nicht um Einzelfälle, sondern um eine neue Linie der Fairness, der sich Minister, Staatssekretäre und auch wir Abgeordneten verpflichten. Die vorgelegten Entwürfe folgen dem Beispiel der Gesetzgebung, die sich der Bundestag gegeben hat; auch das ist schon mehrfach gesagt worden. Außerdem beziehen sie die Landesregierung mit ein.

Ausdrücklich soll das neue Gesetz Nebentätigkeiten, deren Einkünfte möglicherweise die Höhe der Diäten übersteigen können, weder verhindern noch verteufeln. Es geht darum, dass die Bürgerinnen und Bürger genau wissen sollen, in welchen Gremien oder Unternehmen die Abgeordneten oder auch die Minister sonst noch tätig sind. Ob diese Nebentätigkeiten zu einem Interessenkonflikt führen können, kann die Öffentlichkeit dann selbst beurteilen. Aus Sicht des SSW haben die Bürgerinnen und Bürger Schleswig-Holsteins Anspruch darauf, zu erfahren, ob Abgeordnete ihre Entscheidungen frei treffen. Die unwürdigen Verflechtungen, in die sich die niedersächsische Landesregierung unter ihrem damaligen Ministerpräsidenten Christian Wulff begeben hat, sollten uns Warnung sein.

Gerade weil jetzt wieder Politikerschelte um sich greift, brauchen wir den gläsernen Abgeordneten und auch den gläsernen Minister.

(Beifall bei SSW und der LINKEN sowie vereinzelt bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die vorgeschlagene Anzeigepflicht und die Selbstverpflichtung entziehen den wilden Spekulationen den Boden. Es ist an uns, Fakten gegen Vorurteile und Halbwahrheiten zu setzen. Es sollte den Abgeordneten in Fleisch und Blut übergehen, Einblicke in die Einkünfte zu gewähren. Nur so werden mögliche Interessenkonflikte, die durch Nebeneinkünfte entstehen können, offengelegt.

(Beifall bei SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Zu einem Dreiminutenbeitrag erteile ich Herrn Abgeordneten Werner Kalinka das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde, dieses Thema ist zu ernst, um zu skandalisieren.

(Beifall bei CDU und FDP)

Herr Kollege Arp, auch Sie sollten sich uns ein bisschen anschließen. Wenn wir in einem Land leben würden, in dem in dieser Frage ein Skandälchen das andere jagen würde, dann könnte ich verstehen, dass Sie sagen, hier solle gehandelt werden. Genau das ist aber in Schleswig-Holstein nicht der Fall. Wir haben in unserem Land umfassende und klare Regelungen. Ich habe nicht ohne Grund aus der Antwort zu der Großen Anfrage der Frau Kollegin Heinold vorgelesen. Dort wird von der Regierung alles dargelegt, was darzulegen ist. Wenn es zu diesem Punkt nichts mehr zu sagen gibt und wenn es keinen Verstoß und keinen Vorwurf gibt, dann frage ich mich, was Sie noch verschärfen wollen. Ich kann es nicht erkennen. Wenn es etwas gäbe, was dies rechtfertigen würde, dann hätten Sie dies konkret vortragen müssen.

Ein zweiter Punkt: Wir alle setzen als Abgeordnete unsere volle Kraft für unser Mandat und für unser Land ein. Wie wir das aber tun, entscheiden wir am Ende selbst. Das ist der Punkt. Es geht nicht um die Frage, ob wir das tun. Jeder von uns engagiert sich auf seine Art und Weise. Der eine kommt fünfmal in der Woche ins Landeshaus, der andere kommt vielleicht nur einmal in der Woche. Der eine engagiert sich in einer Sitzung drei- oder viermal in Debatten, von dem anderen hört man vielleicht ein halbes Jahr lang gar nichts. Dazu könnte ich viel sagen. Die Frage, wie wir das Amt ausüben, entscheidet am Ende aber jeder selbst.

Drittens. Ich finde es sehr heftig, Fragen von Bestechlichkeit und andere Dinge in den Raum zu stellen. Das finde ich heftig, und das weise ich mit aller Entschiedenheit für dieses Parlament zurück.