Protocol of the Session on March 21, 2012

Das Wort für die Fraktion DIE LINKE erteile ich Herrn Abgeordneten Björn Thoroe.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Notwendigkeit der Energiewende ist spätestens seit Fukushima klar. Der Ausstieg aus der Atom- und

Kohlekraft, der Weg hin zur Wärme- und Stromerzeugung zu 100 % aus erneuerbaren Energien ist der einzig richtige Weg, und zwar so schnell es irgendwie geht. Schleswig-holsteinische Energiepolitik muss aber die Energiewende nicht nur als ökologische, sondern auch als soziale Aufgabe begreifen.

(Beifall bei der LINKEN)

Bei der Energiewende geht es nicht nur darum, den Klimawandel aufzuhalten und zukünftig Umweltverschmutzungen zu verhindern. Es geht auch darum, demokratische Entscheidungen vor Ort genauso zu ermöglichen wie die Daseinsvorsorge und die Inklusion aller Bevölkerungsgruppen. Dafür steht DIE LINKE. Wir stehen für eine sozial-ökologische Energiewende.

(Beifall bei der LINKEN)

Die sozial-ökologische Energiewende heißt, nicht nur Atomkraftwerke abzuschalten und mehr Windräder zu bauen. 100 % erneuerbare Energien bedeutet eine Veränderung in allen Lebensbereichen. Öffentliche Daseinsvorsorge sollte die Teilhabe an der Gesellschaft unabhängig vom sozialen Status, Einkommen oder Herkunft garantieren.

Auch im Bereich der Energieversorgung sollte dieses gesamtgesellschaftliche Ziel an erster Stelle stehen. Dies bedeutet den Zugang zu Strom und Wärme für jeden und jede. Von der Versorgung aller mit Energie sind wir in Schleswig-Holstein weit entfernt. Stromsperren verhindern für viele schleswig-holsteinische Haushalte die Teilhabe an großen Teilen des gesellschaftlichen Lebens. Es ist Aufgabe der Landesregierung, dies zu ändern. Die Garantie von Sozialtarifen für Einkommensarme muss gesetzlich vorgeschrieben werden. Ohne diese Vorgabe wird die Verantwortlichkeit, wie bislang geschehen, zwischen den Energieversorgern und Gesetzgebern hin- und hergeschoben. Wir, DIE LINKE, fordern die gesetzliche Festschreibung von Sozialtarifen, um das Menschenrecht auf Energieversorgung zu verwirklichen.

(Beifall bei der LINKEN)

Vier Unternehmen dominieren die Entscheidung, wie und woraus in Deutschland und damit auch in Schleswig-Holstein Strom erzeugt wird, beeinflussen die Preise und erzielen 10 bis 15 Milliarden € zu viel Profit. Diesen Profit müsste man verwenden, um die Energieerzeugung umzustellen und Sozialtarife durchzusetzen.

(Beifall bei der LINKEN)

(Oliver Kumbartzky)

Um diesen Profit zu erhalten, wollen Sie von der FDP und der CDU in einer Harakiri-Aktion die Solarförderung stutzen. Dezentrale Energieversorgung ohne Einfluss von Vattenfall, EnBW, E.ON und RWE ist für CDU und FDP eine Horrorvorstellung. Deshalb handeln sie entsprechend und setzen tausende Arbeitsplätze im Bereich der Solarenergie aufs Spiel.

DIE LINKE will eine dezentrale Energieversorgung in öffentlicher Hand, denn Kommunalbetriebe können Überschüsse in die Kommune investieren. Außerdem fordern wir die Übernahme der Stromnetze in die öffentliche Hand.

(Beifall bei der LINKEN)

In Schleswig-Holstein sind eine Vielzahl von Konzessionsverträgen neu vergeben worden. Eine Kommunalisierung der Netze mit einem Neuaufbau der Unternehmen verfolgen unter anderem Brunsbüttel, Heiligenhafen, Plön und Uetersen. Auch die Preise für die Endverbraucher sinken dann. Ein Beispiel: Seit Oktober 2006 liegt die Gasversorgung in Ahrensburg in den Händen der Stadt. Ergebnis: Die Kundinnen und Kunden zahlen deutlich weniger. Insgesamt 1,4 Millionen € konnte die Gasversorgung Ahrensburg ihren Kundinnen und Kunden nach dem ersten Abrechnungsjahr zurückzahlen. Das ist Energieversorgung, wie wir sie uns vorstellen.

(Beifall bei der LINKEN)

Bisher war die energiepolitische Geschichte Schleswig-Holsteins im Bereich der erneuerbaren Energien nicht von Erfolg gekrönt, obwohl das nördlichste Bundesland alle Voraussetzungen für in die Zukunft gerichtete Erzeugung, Nutzung und Verbreitung hat. Ohne einen schnellen Netzausbau kann der Strom die Menschen nicht erreichen. Studien unter anderem vom Bundesverband Windenergie belegen dies. Den 400 Millionen € für abgenommenen Strom stehen schätzungsweise 20 Millionen €, die für nicht produzierten Strom gezahlt wurden, gegenüber. DIE LINKE will auch deshalb die Übernahme der Stromnetze durch die öffentliche Hand. Die öffentliche Hand hat ein Interesse daran, die Netze auszubauen, die fossil-atomare Lobby nicht. Wenn Sie dann noch den Ausbau mit Erdkabeln realisieren, haben Sie auch eine Akzeptanz in der Bevölkerung erreicht, und einer erfolgreichen Energiewende steht nichts mehr im Weg.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein Menschenrecht auf Strom durch Sozialtarife gewährleisten, den Umbau auf regenerative Ener

gieversorgung vorantreiben und die Energieversorgung in öffentlicher Hand organisieren sind die Gebote der Stunde. Dafür steht in diesem Dreiklang nur DIE LINKE.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort für die SSW-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Lars Harms. - Die Zwischenzeit nutze ich, um auf der Zuschauertribüne den langjährigen DGB-Nord-Vorsitzenden Peter Deutschland zu begrüßen!

(Beifall)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bereits seit Jahren kennen wir das Problem, dass die Netze überlastet sind und der Strom aus regenerativen Energien nicht ins Netz eingespeist wird. Lange Zeit führte dies zu finanziellen Verlusten bei den jeweiligen Betreibern, und die Kommunen hatten Mindereinnahmen bei der Gewerbesteuer. Im Jahr 2009 hat der Bundesgesetzgeber das EEG dahin gehend geändert, dass im Falle der Nichteinspeisung der Stromproduzent eine Entschädigungszahlung bekommt. Wir glauben auch, dass das eigentlich kein schlauer Schachzug war. Mit anderen Worten: Die Stromkunden bezahlen nun für Strom, der nicht genutzt wird. Das ist natürlich in irgendeiner Art und Weise verkehrte Politik.

Mit ihrem Antrag wollen die Grünen nun einen Feldversuch starten, um diese Problematik zu umgehen. Die Lösung: Strom soll zu Gas umgewandelt werden. Damit wird ein Teil der Energie umgewandelt und ist somit anderweitig nutzbar. Aus Sicht des SSW ist der Ansatz durchaus nachvollziehbar. Es wird Strom in einen Energieträger umgewandelt, um ihn in anderer Form nutzen können, anstatt den bezahlten Strom nicht zu nutzen. Allerdings muss man dazu sagen, dass dies ökologisch wenig sinnvoll ist. Es ist nur ökonomisch sinnvoll, was dort vorgeschlagen wird. Zum anderen wäre dies ein Weg, um den Windstrom zu speichern. Wie gesagt, der Ansatz ist durchaus nachvollziehbar.

Aber ich halte dies trotzdem für den falschen Weg, um unser Netzproblem zu lösen. Genau das ist eigentlich das Problem, das wir haben. Ich erwarte von einer Partei, die ein Energieministerium fordert, mehr Selbstbewusstsein gegenüber den Netz

(Björn Thoroe)

betreibern. Auch wenn ich viel Sympathie für diese Idee habe, sehe ich in dem Projektvorschlag doch die Gefahr, dass wir mit derartigen Verfahren den Druck von den Netzbetreibern nehmen. Genau das ist eigentlich das Kernproblem, dass die Netzbetreiber mit uns immer noch machen, was sie wollen. Die einzige Reaktion, die jetzt kommt, ist: Na ja, dann nehmen wir eben den Druck von den Netzbetreibern und machen ein Projekt. - Ich glaube, meine Damen und Herren, es ist genau der falsche Weg, den Druck da aus der Leitung zu nehmen.

Die Union, zumindest Teile der Union, treibt es aber auf die Spitze, wenn aus ihren Reihen vorgeschlagen wird, den Ausbau der erneuerbaren Energien an den Netzausbau zu koppeln. Damit erteilt man dann den Netzbetreibern die Absolution, die Hände in den Schoß zu legen, und konterkariert seinen eigenen Beschluss zum Atomausstieg und zur Energiewende. Außerdem erweckt es den Anschein, dass die Wirtschaftsexperten der Union nicht erkannt haben, wie groß das wirtschaftliche Potenzial beim Ausbau der erneuerbaren Energien ist.

(Unruhe)

Entschuldigung: Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist hier ziemlich laut. Ich möchte darum bitten, zwar nicht die Gespräche nach draußen zu verlegen, sonst sind wir hier bald alleine, aber ein wenig mehr Ruhe einkehren zu lassen.

Vielen Dank, Herr Präsident. Es ist hier jetzt herrlich ruhig.

(Christopher Vogt [FDP]: Das kann sich än- dern!)

- Das kann sich ändern.

Kommen wir nun zum Solarantrag der Grünen. Es mag durchaus richtig sein, eine Debatte zu führen, wie viel uns der Strom aus regenerativen Energien wert ist und ob das EEG überarbeitet werden sollte. Aber wenn wir diese Debatte führen, dann sollte sie auch ehrlich geführt werden. Das EEG wurde nicht auf den Weg gebracht, um kurzfristige Gewinnmaximierungen in bestimmten Branchen zu schaffen. Mit dem EEG wird das Ziel verfolgt, den regenerativen Energien am Strommarkt eine Startchance zu geben, um sich zu etablieren. Das war ein guter politischer Beschluss, für den es viele gute Gründe gibt.

Wenn jetzt eine Absenkung der Vergütung im Solarbereich vollzogen wird, dann darf dies nur mit Augenmaß geschehen und nicht mit der Brechstange. Nur mit einer moderaten Reduktion der Solarstromförderung ist es möglich, den Solarindustriestandort Deutschland zu erhalten und weiter auszubauen. So sieht es selbst die Solarbranche bei uns im Land. Kein Wirtschaftzweig in Deutschland kann derartige Kürzungen verkraften. Damit stehen bundesweit nicht nur tausende von qualifizierten Arbeitsplätzen auf dem Spiel, auch der technische Vorsprung wird aufs Spiel gesetzt. Union und FDP auf Bundesebene gefährden mit ihrem Beschluss eine Zukunftstechnologie in der Bundesrepublik Deutschland.

(Beifall beim SSW)

Auch wir, meine Damen und Herren, sehen die negativen Auswirkungen auf unsere Wirtschaft aufgrund der drastischen und schnellen Reduzierung. Gleichwohl ist uns bekannt, dass die Gesamtstrommenge auf dem Photovoltaiksektor in den letzten Jahren enorm gestiegen ist, soll heißen, über die Jahre hätte dies auf jeden Fall zu einer starken Reduzierung der Energieeinspeisevergütung geführt, weil die Förderkulisse nicht ausreicht. Von daher halten wir eine vorsichtige Reduzierung der Förderkulisse durchaus für vertretbar, jedoch ist die Einmalabsenkung zu kurzfristig und zu hart. Damit würden eine Wachstumsbranche „abgewürgt“ und die geschaffenen Strukturen nachträglich zerstört. Das ist schwarz-gelbe Wirtschaftpolitik, die wir nicht teilen.

Der Atomausstieg wurde mit einer breiten politischen Mehrheit beschlossen. Damit wurde in Deutschland die Energiewende eingeleitet. Wir alle wussten, wenn auch nicht im Detail, dass dieser Beschluss nicht einfach umzusetzen ist. Jetzt dürfen wir aber nicht lockerlassen und vom Ziel abweichen. Maßnahmen, die den Netzausbau verzögern oder dem Ausbau der erneuerbaren Energien schaden, sind kontraproduktiv. Die zerstörerische Kürzung der Solarförderung, wie sie jetzt vom Bund vorgesehen ist, und nur um diese geht es, lehnen wir ab. Dies ist schädlich, kostet Arbeitsplätze, vernichtet Einkommen in der Region und richtet sich gegen die Energiewende. Vernünftige Menschen können eine solche Energie- und Wirtschaftspolitik nur ablehnen. Wir werden dies auf jeden Fall tun.

(Beifall beim SSW)

(Lars Harms)

Meine Damen und Herren, ich rufe jetzt die Dreiminutenbeiträge auf und erteile zunächst der Frau Abgeordneten Dr. Gitta Trauernicht das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! CDU und FDP haben einen Antrag vorgelegt, mit dem sie die Landesregierung um einen jährlichen Bericht zum Stand der Energiewende bitten. Das ist ein bemerkenswerter Vorgang, denn offensichtlich glauben die Regierungsfraktionen selbst nicht daran, dass die Landesregierung einen entsprechenden Überblick hat, oder es soll ein Jubelbericht sein, für den es allerdings überhaupt gar keinen Anlass gibt.

(Christopher Vogt [FDP]: Das ist eine Lo- gik!)

Es ist ein dürftiger Antrag, denn dieser Antrag macht deutlich, dass von der CDU- und von der FDP-Fraktion keinerlei Bedarf für Forschung gesehen wird. Es gibt keinen Handlungsbedarf bei der Solarförderung, Sie sehen keine Notwendigkeit, beim Netzausbau über den Tellerrand zu gucken, Sie setzen keinen Bezug zur dezentralen Energieversorgung, sehen folglich auch keinen Bedarf zur Kooperation mit den Kommunen, Sie sagen kein Wort zur Bürgerbeteiligung und vieles andere mehr.

(Christopher Vogt [FDP]: Dazu haben wir schon Beschlüsse!)

Nun könnte man fragen: Was soll’s? Die Bevölkerung nimmt Ihnen ein ehrliches Engagement für die Energiewende ohnehin nicht ab. Mit dem Namen der CDU wird eher der Begriff der „Energiewendehälse“ verbunden. Das ist im Bewusstsein der Bevölkerung tief verankert.

(Beifall bei der SPD und der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Zu tief hat sich das Engagement der CDU für die Atomkraft in die Köpfe und Herzen der Menschen eingebrannt. Ihre düsteren Szenarien sind allen noch präsent. Ich selbst erinnere noch gut die Worte des Wirtschaftsministers a. D. Austermann und seines Staatssekretärs de Jager, dass, wenn die Kernkraftwerke vom Netz gingen, in Schleswig-Holstein die Lichter ausgingen. Oder der Ministerpräsident, der fachmännisch immer wieder davor warnte, dann müssten wir Atomstrom aus Tschechien oder Frankreich einführen.

(Zurufe von der CDU)