Protocol of the Session on March 21, 2012

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben schon erwartet, dass Herr Kollege Dr. Stegner im Zuge des Wahlkampfs Klamauk mit Politik verwechselt.

(Widerspruch bei der SPD)

Herr Kollege Dr. Stegner, ich hätte mir gewünscht, dass jedenfalls die Grünen, die auf anderen Gebieten ein bisschen solider arbeiten, sich etwas mit der Materie beschäftigen, bevor sie einen solchen An

(Dr. Ralf Stegner)

trag einbringen. Allein die Tatsache, Herr Dr. Stegner, dass Sie heute in der „Welt“ als Schlagzeile lesen können: „EU verweigert Persilschein für deutsches Glücksspiel“ -

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Sagt die „Welt“!)

- Nichts sagt die „Welt“, sondern sagt die EU-Kommission, sagt eine Sprecherin von Herrn Barnier. Wenn Sie das nicht glauben, lesen Sie doch nach, was in der dpa-Meldung steht.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ihr Problem ist ein gewisses Maß an Realitätsverweigerung. Dafür ist das Parlament eigentlich nicht zuständig.

Allein die Tatsache, dass die Kommission acht Seiten braucht, um Ihnen zu erklären, wo nach wie vor die Mängel liegen und was man erwartet, was geändert werden muss, allein die Tatsache, dass dort steht - Sie können ja englisch lesen, Herr Beck möglicherweise nicht -, dass Sie bisher nicht erklärt haben, wie Sie willkürfrei jetzt 20 Lizenzen vergeben wollen, sollte Sie zum Nachdenken bringen über die Behauptung, hier sei von der EU-Kommission grünes Licht gegeben worden. Das ist mitnichten der Fall. Nicht alles, was Sie drängt, ist dringlich. Wir sind gern bereit, mit Ihnen im April darüber zu diskutieren, wenn Sie vielleicht verstanden haben, um was es geht. Aber Klamauk machen wir nicht mit. Deshalb werden wir die Dringlichkeit verneinen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich der Frau Kollegin Monika Heinold.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Notifizierungsverfahren des Glücksspielstaatsvertrags ist endgültig abgeschlossen. Die Ratifizierung kann beginnen. Was nicht automatisch gegeben ist, ist Rechtskonformität. Das ist im EU-Verfahren aber auch üblich. Es wäre unüblich, wenn die EU sagen würde: Wir garantieren für die nächsten Jahre im Rahmen des Wettbewerbsrechts, dass wir so oder so entscheiden. Das ist also keine Besonderheit.

(Vereinzelter Beifall bei der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wichtig ist, dass die EU-Kommission ausdrücklich anerkannt hat, dass der Staatsvertrag ein Evaluationsverfahren enthält, dass sich die Länder verpflichten, nach zwei Jahren zu gucken, ob das alles trägt. Damit hat die EU praktisch ihr Go zu einem Burgfrieden gegeben, diesen Staatsvertrag in Kraft zu setzen.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Was wir jetzt am allerwenigsten gebrauchen können, ist das schleswig-holsteinische Störfeuer. Denn es sind Ihr Gesetz und Ihr Alleingang, die dazu beitragen können, dass die Rechtskonformität nicht gegeben ist, weil Sie aktiv die Kohärenz durchbrechen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zurufe von CDU und FDP - Jürgen Weber [SPD]: Das ist gewollt!)

Wenn Sie mit den Spielanbietern sprechen - ich spreche mit Ihnen genauso wie Sie -, sagen die völlig eindeutig, sie werden die schleswig-holsteinischen Lizenzen nutzen, um bundesweit Spieler und Spielerinnen zu akquirieren. Natürlich werden die das machen.

(Zuruf von der SPD: So ist es!)

Damit ist die Kohärenz durchbrochen.

Gerade weil die EU gestern das Go gegeben hat sie sagt nicht, auf immer Rechtssicherheit, aber sie sagt: Das Verfahren ist beendet, es kann ratifiziert werden, ihr könnt loslegen -, ist jetzt der Zeitpunkt gekommen,

(Zuruf von der CDU: Das steht da aber nicht drin! - Herlich Marie Todsen-Reese [CDU]: Sie verstehen nur, was Sie verstehen wollen!)

dass Schleswig-Holstein seinen Alleingang verlässt, um dazu beizutragen, dass wir eine rechtskonforme Lösung haben.

Stellen Sie endlich Ihr unsolidarisches Störfeuer ein! Handeln Sie endlich im Interesse des Landes und nicht nur im Interesse von Anwälten, die an dieser Rechtsstreiterei ohne Ende verdienen, und von Glücksspielanbietern, die sich schon freuen, weil sie bald die Millionen im Sack haben!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Das Wort für die Fraktion DIE LINKE erteile ich Herrn Abgeordneten Ulrich Schippels.

(Wolfgang Kubicki)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren von CDU und FDP, Sie haben sich verzockt und stecken jetzt den Kopf in den Sand, weil Sie Ihren Fehler nicht eingestehen wollen. Sie haben hier bei den ganzen Debatten immer wieder gesagt, dass wir das Glücksspielgesetz machen müssen, weil der Glücksspielstaatsvertrag sowieso an der Notifizierung scheitert. Das war die Hauptbegründung für das Glücksspielgesetz in Schleswig-Holstein. Jetzt sehen wir, dass es eben nicht so ist.

Bei allen Interpretationsmöglichkeiten der Entscheidung, Sie haben sich verzockt und müssten das eigentlich einsehen. Hier und heute müssen wir den Sonderweg Schleswig-Holsteins in dieser Sache beenden. Das werden Sie nicht tun. Dies ist mir ziemlich klar geworden. Sie wollen Ihre Fehler nicht einsehen, und zwar deswegen nicht, weil wir kurz vor der Wahl stehen. Das ist nicht klug.

Die Diskussion um die Dringlichkeit zeigt doch, wie wichtig es ist, hier und heute über dieses Thema zu reden. Dringlich ist es vor allem deshalb Herr Stegner hat bereits darauf hingewiesen -, weil Sie sonst diese Verträge machen, die uns über etliche Jahre binden werden. Insofern bitte ich Sie, der Dringlichkeit zuzustimmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort für die SSW-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Lars Harms.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erstens. Es geht nicht um den Inhalt, sondern um die Dringlichkeit. Zur Dringlichkeit gehört der Grundsatz: notifiziert ist notifiziert. Wenn notifiziert ist, dann hat das natürlich seine entsprechenden Folgen. Und dann haben wir uns natürlich mit dieser neuen Situation, die von einer Seite des Hauses immer bezweifelt wird, zu befassen. Das allein ist Dringlichkeit genug.

(Beifall bei SSW, SPD und der LINKEN)

Zweitens. Es ist nicht dringlich, auf die Bedenken beziehungsweise Fragestellungen einzugehen, die die EU aufgeworfen hat, denn die sollen in zwei Jahren evaluiert werden. Ich gebe Ihnen recht, Herr Kollege Kubicki, darüber können wir uns in zwei Jahren unterhalten, wenn der Staatsvertrag hier gegolten hat. Das ist sicherlich nicht dringlich. Es ist

aber dringlich, darüber nachzudenken, wie man sich verhält, wenn alle anderen 15 Bundesländer diesen Staatsvertrag umsetzen,

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

und ob wir uns wirklich ausklinken, lieber Kollege Kubicki. Auch das ist es wert, darüber im Parlament zu diskutieren. Auch das ist nach meiner Auffassung dringlich.

Drittens. Es ist auch dringlich, darüber nachzudenken, ob kurz vor der Wahl noch Lizenzen erteilt werden. Das wird ja nach dem derzeit geltenden Glücksspielgesetz technisch möglich sein. Auch darüber müssen wir uns im Parlament dringlich unterhalten, weil ich der Auffassung bin, dass man vor dem Hintergrund der derzeitigen Rechtslage, dass wir zum einen ein Gesetz und zum anderen einen Glücksspielstaatsvertrag haben, die beide notifiziert sind - das muss man ja ehrlich zugestehen -, im Parlament darüber debattieren muss, welchen Weg man geht, und dass man nicht eine Regierung, die noch bis Anfang Mai im Amt ist, alleine entscheiden lässt, welcher Weg gegangen wird. Nach meiner Auffassung ist es dringlich, dass sich das Parlament über dieses Thema unterhält.

(Beifall bei SSW und SPD)

Der vierte Punkt, der besonders dringlich ist, ist die Gefahr, dass beide Regelwerke hinten herunterfallen in dem Moment, wo die anderen 15 Bundesländer den einen Weg gehen und das Land SchleswigHolstein einen anderen Weg geht, wodurch die sogenannte Kohärenz durchbrochen wird, sodass dann die EU mit Recht sagt: Es gibt im gesamten Staat Bundesrepublik Deutschland keine einheitlich geltende Regel. Das widerspricht EU-Recht. Damit sind alle Regeln, die aufgestellt worden sind, nicht rechtens. - Ich finde, diesen Weg darf man nicht gehen. Auch hier ist es wichtig und dringlich, darüber zu reden, damit wir uns nicht in eine Sache verrennen, sodass wir nachher riesige Kosten dadurch haben, dass neue Gesetze geschaffen würden und dies bei denen, die Lizenzen bekommen haben, Schadensersatzforderungen auslöst. Auch hierüber zu debattieren, ist dringlich.

Es geht also in dieser Debatte nicht unbedingt um die Inhalte, sondern alleine die Tatsache, dass ein notifizierter Glücksspielstaatsvertrag vorliegt, ist Grund genug für dieses Parlament, sich ernsthaft darüber zu unterhalten und es nicht der Regierung alleine zu überlassen.

(Beifall bei SSW, SPD und der LINKEN)

Das Wort für die CDU-Fraktion erteile ich dem Kollegen Hans-Jörn Arp.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hier und heute über die Dringlichkeit zu reden, halte ich für nicht angemessen. Dringlich wäre gewesen, Herr Dr. Stegner, Sie hätten gestern erst einmal den Brief der Kommission gelesen, bevor Sie sich dazu geäußert hätten. Das hätte in der Sache sehr viel mehr geholfen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Wenn Sie ihn gelesen hätten, dann hätten Sie feststellen können, dass die Kommission mit einem Vertragsverletzungsverfahren droht, dass die Kommission sagt, und zwar in einer Sprache, die Sie wahrscheinlich nicht kennen, nämlich sehr höflich und diplomatisch: Es ist gut, dass ihr 15 euch in Deutschland bewegt habt. Aber was sagt ihr zu der Begrenzung der 20 Lizenzen? Was sagt ihr dazu, dass der Staat das Monopol hat? Was sagt ihr dazu, dass ihr Spielcasinos nicht aufnehmt? Was sagt ihr dazu, dass ihr Pokerspiele nicht aufnehmt? - Das alles sind Fragen, die die Kommission gestern in dem Brief gestellt hat, die nicht beantwortet sind. Es ist klar: Wenn die anderen 15 Länder diesen Weg gehen, dann gehen sie einen rechtswidrigen Weg. Deswegen gibt es keine Dringlichkeit. Wenn es überhaupt eine Dringlichkeit gibt, dann besteht diese in den anderen 15 Ländern, darüber nachzudenken, ob sie sich nicht dringend einem anderen Weg anschließen sollten.

(Beifall bei CDU und FDP - Lachen bei der SPD)

Der Ministerpräsident hat zu Recht gesagt, wenn es einen notifizierten Vertrag aus Brüssel gibt, dann werden wir wieder darüber diskutieren. Es ist kein Notifizierungsverfahren gewesen. Erkundigen Sie sich bitte. Es ist eine Stellungnahme der 15 Ministerpräsidenten angefordert worden. Hierzu haben sie in Lübeck eine Protokollnotiz abgegeben. Dies alles ist nicht erfüllt. Eine Notifizierung ist bis heute nicht abgeschlossen. Und deshalb gibt es überhaupt keinen Grund für uns, heute darüber zu diskutieren. Wenn Sie wollen, blamieren Sie sich im April wieder. Wir stehen gern zu einer Debatte bereit.

(Beifall bei CDU und FDP)