Protocol of the Session on March 21, 2012

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Eichstädt, wenn ich hier von Ihnen höre, wie die Beratung im Ausschuss war, haben Sie da für Ihre Anträge gekämpft wie die Löwen, unbändig, jede Woche aufs Neue haben Sie das Thema im Ausschuss auf den Tisch gebracht und jedes Mal gesagt, Mensch, nun müssen wir endlich zu Potte kommen. Offenbar habe ich immer gefehlt - ich habe da kein einziges Wort vernommen, nicht einmal in der letzten Ausschusssitzung wurde von Ihnen ein Wort dazu vorgebracht.

(Werner Kalinka [CDU]: So ist es!)

Wir haben zur Kenntnis genommen - das war übrigens eine Regelung, die wir mit allen einvernehmlich getroffen haben -: Der Bundestag ist nicht in der Lage, uns irgendwelche Ergebnisse seiner Regelungen zu präsentieren außer den Hinweis auf die Entscheidung zum Fall Schily. Das haben wir so hingenommen und gesagt: Okay, jetzt ist unsere Legislaturperiode bald zu Ende, dann stimmen wir einmal darüber ab. - So war das und nicht so, wie Sie es hier schildern.

(Beifall bei FDP und CDU)

Meine Damen und Herren der Opposition, ich ging bis zur Ausschusssitzung leichtsinnigerweise davon aus, Sie hätten dazugelernt und die Gesetzentwürfe unter „war wohl nichts“ abgeheftet oder wenigstens noch einmal angeschaut. Leider habe ich mich geirrt. Zum einen stellen Sie nach wie vor Gesetzesformulierungen zur Abstimmung - Herr Kollege Kalinka hat schon darauf hingewiesen -, die, wenn ich es wohlmeinend formuliere, völlig abwegig sind.

Kollege Kubicki wies freundlicherweise schon in der ersten Lesung vor zwei Jahren darauf hin: Schauen Sie einmal in Drucksache - auch ich nenne jetzt einmal eine Nummer - 17/403 die Regelungen an, die die Rechtsanwälte unter uns Abgeordneten betreffen! Dort ist immer noch die Rede davon, was meine Berufskollegen machen sollen, wenn sie für oder gegen die Bundesrepublik Deutschland auftreten. Sie haben von den Regeln für Bundestagsabge

ordnete abgeschrieben. Die Transferleistung ist Ihnen aber nicht gelungen, weil hier eigentlich von Schleswig-Holstein, Ihrem Lieblingsland, die Rede sein müsste.

Gut, das wollen Sie also nicht ändern, sonst hätten Sie ja einen Änderungsantrag gestellt. Sie nehmen also Ihr Anliegen und Ihre Gesetzentwürfe selbst nicht ernst. Nennen Sie uns einmal einen Grund, warum andere das tun sollten!

(Beifall bei FDP und CDU)

Zum anderen dachte ich, Sie hätten mittlerweile auch bemerken müssen, dass noch so viele Gesetzesworte es nicht verhindern werden, wenn jemand vermeintlich ungesetzlich oder moralisch unerwünscht handeln will.

Die Oppositionsfraktionen stellen in ihrer grandiosen Pressemitteilung vom 7. März darauf ab, dass die Diskussion über den ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff uns doch eines Besseren hätte belehren müssen. Genau dieses Beispiel zeigt aber die Ungeeignetheit der vorliegenden Gesetzesänderungen. Keine einzige der dort vorgeschlagenen Regelungen hätte verhindert, dass der Fall so abgelaufen ist, wie wir es leider beobachten mussten.

Kein einziger Vorwurf gegen ihn wäre vorher ans Licht der Öffentlichkeit gekommen. Oder meinen Sie etwa, Christian Wulff hätte seinem damaligen Landtagspräsidenten in Hannover mitgeteilt, da habe dummerweise jemand seine Hotelrechnung ausgelegt oder aber, er habe unentgeltlich bei jemandem übernachtet? Es ist völlig abwegig, sich vorzustellen, dass Christian Wulff den Kredit an seine Frau gemeldet hätte, wenn der Oppositionsantrag geltendes Recht gewesen wäre. Denn Herr Wulff sah sich - und sieht sich vielleicht immer noch - im Recht, dass das alles keine erwähnenswerten oder meldepflichtigen Vorgänge sind. Ob die Vorwürfe nun stimmen oder nicht, auch die hier vorgelegten Formulierungen hätten die Vorgänge keinen Tag früher ans Licht der Öffentlichkeit gebracht. Wem also würden diese wortgewaltigen neuen Vorschriften nutzen?

(Beifall bei FDP und CDU)

Die hier beantragten Gesetzesänderungen nutzen zunächst denjenigen, die Neiddiskussionen führen wollen. Denn tatsächlich kann man mit den auf Zwang ermittelten Auskünften objektiv wenig Seriöses anfangen. Das Bundesverfassungsgericht hat 2007 in einer Patt-Entscheidung zu der Regelung

(Peter Eichstädt)

für Bundestagsabgeordnete gesagt - ich darf zitieren:

„Wenn lediglich der Zufluss finanzieller Mittel aus jeweils einer Quelle publiziert wird, handelt es sich um informationelle ‚Rohdaten’. … Ohne zusätzliche Erklärung und Gewichtung können die bloßen Informationen über Mittelzuflüsse deshalb in mehrfacher Hinsicht zu Fehlschlüssen verleiten….“

Noch bezeichnender finde ich aber die Feststellung der Hälfte des Gerichts, dass größte Zweifel daran gehegt werden dürften, ob ein Abgeordneter seine Einkünfte auch tatsächlich offenlegen werde. So werde gerade der redliche berufstätige Abgeordnete durch umfangreiche Offenbarungspflichten womöglich zum Gegenstand öffentlicher Diskussionen gemacht, die weniger gesetzestreuen Abgeordneten aber nicht. Und noch etwas sagte die Hälfte des Gerichtes:

„Der in der Bundesrepublik Deutschland allen Bürgern zustehende Schutz der Berufsund Privatsphäre kann nicht unter Berufung auf andere Rechtsordnungen allein für den Abgeordneten zur Disposition gestellt werden.“

Mit Transparenz haben alle Anträge herzlich wenig zu tun. Sie sorgen bestenfalls für eine unkommentierte Informationsflut, mit der niemand ohne Hintergrundwissen über die speziellen und individuellen Umstände seriös umgehen kann. Die paar schwarzen Schafe - sollte es denn welche unter uns geben - beeindruckt man mit dieser Informationssammelwut schon gar nicht, die sammeln nämlich einfach nicht mit.

Wer übrigens hohe moralische Anforderungen an andere stellt, sollte einmal einen Augenblick darüber nachdenken, ob es in Ordnung ist, über eine Pressemitteilung Mutmaßungen über die Vermögensverhältnisse einzelner Kollegen in unserem Haus anzustellen und sie somit an den Pranger zu stellen, ohne aber Ross und Reiter zu nennen.

Wir lehnen die Anträge insgesamt ab und folgen der Beschlussempfehlung des Ausschusses.

(Beifall bei FDP und CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich der Frau Abgeordneten Monika Heinold das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Anträge, die wir heute in zweiter Lesung beraten, haben wir bereits sehr früh in dieser Legislaturperiode eingebracht. Offensichtlich hielt sich bei CDU und FDP die Lust in Grenzen, sich mit der Frage von Transparenz und Offenlegung von Nebentätigkeiten zu befassen, sonst hätten die Anträge wohl nicht über zwei Jahre im Ausschuss geschlummert. Meine These ist: Ihnen wäre die Diskontinuität wahrscheinlich auch ganz recht gewesen.

Worum geht es? - Für Schleswig-Holstein soll die Regelung des Bundestages zu den Offenlegungspflichten von Abgeordneten übernommen werden. Wir haben uns bewusst für das Berliner Modell entschieden. Es ist eine rechtlich sichere, eine erprobte und vom Bundesverfassungsgericht geprüfte Lösung, die wir guten Gewissens übernehmen könnten und übernehmen sollten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei SPD, der LINKEN und SSW - Wolfgang Kubicki [FDP]: Es war ei- ne Patt-Entscheidung!)

Nach diesen Regelungen sollen alle Angaben zur beruflichen Tätigkeit vor der Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag, entgeltliche Tätigkeiten neben dem Mandat sowie Funktionen in Unternehmen, Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts angezeigt werden. Auch Funktionen in Vereinen, Verbänden und Stiftungen sind anzeigepflichtig, genauso wie Beteiligungen an Kapitaloder Personengesellschaften und Vereinbarungen über künftige Tätigkeiten oder Vermögensvorteile. Die Angaben erfolgen für jede Tätigkeit in drei Stufen. Herr Kalinka, genau das - Sie haben es ja genannt - ist der Unterschied zur jetzigen Regelung in Schleswig-Holstein. Das ist kein kleiner Unterschied, sondern das ist ein großer Unterschied. Auch die Möglichkeit, Verstöße gegen die Verhaltensregeln durch ein Ordnungsgeld zu sanktionieren, sind uns zentral wichtig. Das wissen Sie ganz genau.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Was für Bundestagsabgeordnete gilt, kann und muss auch für uns Landtagsabgeordnete gelten. Die von uns vorgeschlagene gesetzliche Regelung ist keine vermessene Forderung, sondern sie ist eine Selbstverständlichkeit. Sie ist überfällig.

(Gerrit Koch)

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, SSW und vereinzelt bei der LINKEN)

Seit Einbringung unseres Antrags hat sich die Situation noch einmal verschärft. Der zwingend notwendige Rücktritt des Bundespräsidenten aufgrund seines unangemessenen Verhaltens

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das hat damit gar nichts zu tun!)

- ich werde Ihnen das gleich erläutern, Herr Kubicki - hat der Politik insgesamt viel Vertrauen gekostet. Und darum geht es. Es geht um den Vorwurf, der Politik ginge es nur um gesponserte Privatreisen, um Gefälligkeiten und um Vorteilsnahmen. Dieser Vorwurf klebt an der Politik wie Pech. Jetzt gilt es - und deshalb ist der Zusammenhang gegeben -, das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Politik wieder zurückzugewinnen.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, der LINKEN und SSW)

Das ist eine große Herausforderung und, Herr Kubicki, allein mit Auftritten in Berliner Talkshows, wo man sich für Ehrlichkeit und Transparenz einsetzt, ist es nicht getan. Was wir brauchen, sind handfeste Ansätze, gesetzliche Regelungen, die auch geahndet werden können, wenn sie nicht eingehalten werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie vereinzelt bei der LINKEN und SSW)

Meine Damen und Herren, Beruf und Politik müssen natürlich miteinander vereinbar sein. Es muss möglich sein, Nebeneinkünfte zu haben und teilweise in seinem Beruf weiter tätig zu sein. Die These aber, dass es Firmeninhabern beispielsweise schade, wenn sie als Abgeordnete ihre Nebeneinkünfte offenlegen müssten, diese These ist erstens falsch und zweitens gilt bei Abgeordneten immer, dass das öffentliche Interesse im Vordergrund steht. Dem muss sich fast alles unterordnen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, der LINKEN und SSW - Zuruf des Ab- geordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

- Ja, Sie können das gern bestreiten, dass das dem öffentlichen Interesse unterzuordnen ist.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Tue ich gar nicht!)

Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf zu erfahren, welche Nebentätigkeiten die Abgeordneten ausüben und wie viel Geld sie damit verdienen. Nur wenn wir mögliche Interessenkonflikte zwischen Poli

tik, Verbänden und einzelnen Unternehmen im Vorwege aufzeigen, wenn uns die Bürgerinnen und Bürger in die Karten schauen können, nur dann gewinnen wir das Vertrauen der Menschen zurück.

Herr Kalinka, Ihre Unterstellung, unsere Gesetzentwürfe würden dazu führen, dass die Abgeordneten unter Generalverdacht gestellt würden, ist schon starker Tobak. Das werfen Sie damit auch dem Bundestag vor. Sie werfen damit den Bundestagsabgeordneten vor, sie hätten ein Gesetz verabschiedet, mit dem sie alle Bundestagsabgeordneten unter Generalverdacht stellen. Das ist doch absurd, das glauben Sie doch selbst nicht.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD sowie vereinzelt bei der LINKEN und SSW)

Auch die Rede von schwarzen Schafen ist völlig unangebracht. Auch das wurde hier genannt. Sondern es geht tatsächlich darum, indem wir Porzellan, was zerschlagen wurde, wieder versuchen zu kitten, dass wir Transparenz herstellen. Wer unseren Anträgen nicht zustimmt, der schadet unserer Demokratie. Ich sage auch das in dieser Deutlichkeit, auch wenn Sie es nicht hören wollen.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Wolfgang Kubicki [FDP]: Was ist das für eine Nummer! Vier Verfassungs- richter haben der Demokratie geschadet? Was für eine Anmaßung!)

- Herr Kubicki, schön, dass Sie sich aufregen, dann bekommt es zumindest jeder mit, dass Sie es sind, der scheinbar federführend das Gesetz nicht will.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Vier Verfas- sungsrichter haben also der Demokratie ge- schadet? Das ist peinlich! Sensationell!)

Wir beantragen die namentliche Abstimmung zu der Drucksache 17/405. Jeder möge bei der namentlichen Abstimmung seinem Gewissen folgen.