Protocol of the Session on February 24, 2012

Es dürfen aber keine Doppelstrukturen aufgebaut werden. Die Gesundheitsvorsorge ist staatliche Aufgabe, und die Etablierung privater Subsysteme ist auf jeden Fall zu vermeiden.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LIN- KEN)

Die derzeit bestehenden informellen Parallelstrukturen müssen längerfristig aufgelöst werden.

Schließlich zeigt der Antrag der Fraktion noch eine Reihe von rechtlichen Hürden auf, die auch noch genommen werden müssen. So wird vorgeschlagen, die Übermittlungspflicht der Sozialämter an die Ausländerbehörden auf Bundesebene zu streichen, die Leistungsbeschränkung des Asylbewerbergesetzes aufzuheben und rechtliche Lösungen für nicht versicherte EU-Bürgerinnen und Bürger zu finden. Ich denke, dass auch hier Lösungen gefunden werden können.

Zu berücksichtigen wäre auch, dass Kreise und kreisfreie Städte die Aufgaben der Gesundheitsdienste als Selbstverwaltungsaufgabe wahrnehmen und für die Einrichtung der Clearingstellen eventuell Kreis- oder Gemeindeordnungen angepasst werden müssten.

(Gerrit Koch)

Alles zusammengenommen betrachtet der SSW die Zielrichtung des Antrags als wegweisend. Zum Abbau kleinerer Schwächen und zur Weiterentwicklung empfehlen wir die Behandlung im Ausschuss.

(Beifall bei SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Das Wort zu einem Dreiminutenbeitrag erteile ich Herrn Kollegen Dr. Kai Dolgner.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Recht auf Gesundheit ist ein Menschenrecht. In der Abwägung zu dem legitimen Interesse eines Staates auf Migrationskontrolle ist nach unserer Überzeugung das Menschenrecht vorrangig, und zwar absolut vorrangig zu betrachten.

(Beifall bei der SPD)

Die Vorrangigkeit des Menschenrechts konstituiert geradezu eine freie Gesellschaft. Auch wenn es Teile der Bevölkerung vielleicht unpopulär oder unopportun finden, ist das Bekenntnis dazu, dem Menschenrecht auch in unbequemen Situationen Geltung zu verschaffen, unabdingbar, glaube ich.

(Beifall bei der SPD)

Es ist gut, wenn Rechte da sind und kodifiziert sind. Sie müssen aber auch faktisch für die Betroffenen machbar sein. Das ist einer der Kerne des Problems, über das wir heute sprechen und dann noch im Ausschuss entsprechend weiterhin sprechen sollten. Ich froh über diese sehr sachliche Debatte.

Es ist Übrigens nicht egal, wenn Menschen eine Behandlung aus Angst - ob begründet oder unbegründet - nicht eingehen. Es ist erst recht nicht egal, wenn es um Menschen wie Kinder und Jugendliche geht, die in der Souveränität ihrer Entscheidung eingeschränkt sind. Und es ist nicht egal, ob man zum Beispiel zu spät zu einer Krebsbehandlung geht. Hier geht es tatsächlich darum, dass die Gesellschaft ihre Stärke, über ihren Schatten zu springen, auch weiterhin zeigt und die Durchsetzung der Menschenrechte nicht davon abhängig macht, ob der andere, der einen Anspruch erhebt, einen Regelverstoß begangen hat oder ob es unopportun ist, dass er jetzt Kosten verursacht.

Für mich - das sage ich ganz persönlich - hat das zurückzutreten. Das ist eine Frage der Stärke unserer Gesellschaft und des Glaubens an unsere freiheitliche Gesellschaft. Deswegen möchte ich alle

bitten, im Innen- und Rechtsausschuss ernsthaft an einer entsprechenden Lösung zu arbeiten.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort für die Landesregierung erteile ich dem Minister für Justiz, Gleichstellung und Integration, Herrn Emil Schmalfuß.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist richtig, dass das Menschenrecht auf Gesundheit im Sinne von Artikel 12 des internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte unabhängig vom Aufenthaltsstatus besteht. Damit entsteht aber nicht automatisch ein Anspruch darauf, dass ein illegaler Status unentdeckt bleibt. Daran kann jedenfalls in demokratisch-rechtstaatlich verfassten Ländern wie dem unseren kein Zweifel bestehen. Darum ist es auch falsch zu unterstellen, es sei eine Verkürzung oder Einschränkung von Menschenrechten, wenn sich jemand, der medizinische Leistungen regulär in Anspruch nehmen will, einem rechtsstaatlichen Verfahren über seinen Status stellen muss. Um es klar zu sagen: Der Zugang zu Gesundheitsleistungen in Deutschland ist nicht diskriminierend. Die Hilfe zur Gesundheit nach §§ 47 und 48 SGB XII hat weder einen melderechtlichen Status noch einen bestimmten Aufenthaltsstatus zur Voraussetzung. Der Leistungsumfang orientiert sich an den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherungen. Geregelt ist dies im SGB V.

Ausländische Staatsangehörige ohne Papiere haben nach dem Asylbewerberleistungsgesetz Anspruch auf Gesundheitsversorgung bei akuter Erkrankung und Schmerzzuständen. Die Inanspruchnahme entsprechender Leistungen setzt aber in der Tat voraus, dass sich die Betroffenen bei den zuständigen Sozialbehörden melden. Die Sozialämter als öffentliche Stellen müssen die Ausländerbehörde gemäß § 87 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz informieren, wenn sie im Zusammenhang mit der Erfüllung ihrer Aufgaben vom illegalen Status einer Person erfahren. Meine Damen und Herren, es handelt sich dabei um eine Ausprägung des Legalitätsprinzips. Der Staat darf kein illegales Verhalten tolerieren. Das gilt ohne Ansehen der Personen.

Ich finde es bedenklich, wenn der vorliegende Antrag dieses Prinzip infrage stellt, ohne auf damit

(Flemming Meyer)

verbundene Probleme überhaupt einzugehen. Die Vermittlung von anonymen Krankenscheinen würde zwar Gründe beseitigen, aus denen sich Betroffene gegen die Wahrnehmung der entsprechenden Leistungsansprüche entscheiden. Gleichzeitig aber würden Verstöße gegen die geltende Rechtsordnung positiv sanktioniert. Menschen ohne Papiere halten sich illegal in Deutschland auf. Der Staat hat aber die Pflicht, Verstöße gegen das Zuwanderungsrecht zu ahnden. Nur so kann die Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung gewährleistet werden. Nur so werden Anreize für Rechtsverletzungen vermieden.

Die Ausgabe anonymer Krankenscheine stünde im Übrigen im Widerspruch zu den Regelungen im Aufenthaltsgesetz. Das Ziel, eine Kostentragung durch Sozialhilfeträger der gesetzlichen Krankenkassen aufgrund einer anonymen Bescheinigung zu erreichen, stellt dabei eine nicht zulässige Umgehung von Bundesrecht dar. Was nach Bundesrecht illegal ist und sein soll, kann man nicht durch landesrechtliche Winkelzüge legal machen.

Meine Damen und Herren, dass es unabhängig davon ehrenamtliche Aktivitäten wie das Medibüro Kiel gibt, ist der Landesregierung natürlich bekannt. Ich erinnere hier an die Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage im Oktober 2010. Diese zivilgesellschaftlichen Aktivitäten werden von der Landesregierung auch ausdrücklich gebilligt und begrüßt.

(Beifall bei FDP und CDU)

Eine Unterstützung von Patienten, die ihren Aufenthaltsstatus nicht legalisieren wollen, durch den Staat und in gesetzlich definierter Form ist aus den genannten Gründen aber nicht erreichbar. Deshalb empfehle ich die Ablehnung des vorliegenden Antrags.

Meine Damen und Herren, Sie werden Verständnis dafür haben, dass ich heute nur die rechtliche Bewertung des Themas vorgenommen habe. Soweit es um die Frage der Entwicklung eines Gesundheitskonzeptes für die medizinischen Behandlung dieser Menschen geht, fühle ich mich zu einer Stellungnahme fachlich nicht berufen. Dies mag im zuständigen Ausschuss beraten werden.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das Wort zu einem Dreiminutenbeitrag erteile ich dem Kollegen Bernd Heinemann.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Justizminister, ich habe sehr viel Verständnis für Ihren Vortrag. Umso mehr bedauere ich es, dass nach dem, was ich deutlich gemacht habe - es handelt sich um ein Gesundheitsthema; ich habe auch die ganzen Bereiche aufgezählt, um die es geht -, der Gesundheitsminister hier nicht Stellung nimmt. Dieses Thema gehört in die öffentliche Diskussion auch durch die Landesregierung in Person des Gesundheitsministers. Die Aufgaben, um die es hier geht, sind in der Tat - Sie haben es richtig beschrieben - im Moment in diesem Dilemma. Sie beschreiben die eine Seite des Dilemmas, aber es gibt auch eine andere. Da gibt es eine ganze Reihe von gesundheitspolitischen Fragestellungen, die ich in meinem Referat hier vorgetragen habe und die zwingend eine Stellungnahme des Gesundheitsministers erfordern. Deshalb hätte ich mich gefreut, wenn das geschehen wäre.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Ursula Sassen?

Ja, natürlich.

Herr Kollege Heinemann, wenn Sie jetzt hier bedauern, dass sich der für den Gesundheitsbereich zuständige Minister nicht äußert, schließen Sie daraus, dass er sich dieses Themas im Ausschuss nicht annehmen wird, oder wo sehen Sie sonst den Grund Ihres Bedauerns?

- Frau Kollegin, selbstverständlich weiß ich, dass der Gesundheitsminister sich dieses Themas annimmt. Er ist sehr gewissenhaft; das wird er tun. Ich hätte mich nur gefreut, wenn er dieses gesundheitspolitische Thema in dieser öffentlichen Debatte, in diesem Schaufenster für die Öffentlichkeit, zumindest erwähnt und sich dessen angenommen hätte. Insofern ist es richtig

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Schauen Sie auf die Besuchertribüne! - Weitere Zurufe)

- aber die Kameras laufen noch! -, dass sich der Justizminister dieses Themas sehr korrekt angenommen hat. Ich hätte mich aber gefreut, wenn wir das zu einer gesundheitspolitischen Debatte gemacht hätten. Das ist meine Antwort auf Ihre Frage.

(Minister Emil Schmalfuß)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist beantragt worden, den Antrag Drucksache 17/2282 sowie den Änderungsantrag Drucksache 17/2313 federführend dem Innen- und Rechtsausschuss und mitberatend dem Sozialausschuss zu überweisen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 39 auf:

Zukunft der gerichtsinternen Mediation sichern

Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW Drucksache 17/2276 (neu) - 2. Fassung

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Ich sehe, das ist nicht der Fall. Eine Aussprache ist nicht vorgesehen.

Ich schlage vor, über den Antrag Drucksache 17/ 2276 (neu) in der Sache abzustimmen. Wer zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe auf:

Sammeldrucksache über die Vorlagen gemäß § 63 Abs. 1 a der Geschäftsordnung des Schleswig-Holsteinischen Landtags

Drucksache 17/2296

Die Voten für die einzelnen Tagesordnungspunkte, für die eine Gesamtabstimmung nach § 63 Abs. 1 a der Geschäftsordnung vorgesehen ist, entnehmen Sie bitte der Ihnen vorliegenden Drucksache 17/ 2296. Voraussetzung für die Abstimmung ist, dass keine Abgeordnete oder kein Abgeordneter widerspricht. - Dies ist offenbar nicht der Fall.

Ich weise auf folgende Änderung hin: Wie gestern angekündigt, erfolgt die Abstimmung mit Ausnahme von Tagesordnungspunkt 62, Neuausrichtung der Krankenhausfinanzierung. Dieser Tagesordnungspunkt wird von der Tagesordnung abgesetzt.