Protocol of the Session on February 24, 2012

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Geschichte der Entwicklungspolitik ist vielschichtig. Nicht immer war, wo Entwicklungshilfe draufstand, auch Entwicklungshilfe drin. Nicht immer waren die Motive eindeutig auf die Lebensverbesserung der Menschen in den Zielländern gerichtet.

Heute wissen wir, dass neben den staatlichen Leistungen auch viele karikative Organisationen effizient Entwicklungshilfe leisten. Deutschland hat sich diesen Milleniumzielen der UN verpflichtet, und es ist bemüht, auch das Ziel der Ausgaben von 0,7 % des Bruttoinlandsprodukts bis 2015 zu erreichen.

Es ist angesprochen worden: Die Bundesländer haben sich auf einer Ministerpräsidentenkonferenz dieser Verantwortung gestellt und 2008 die Milleniumziele auch für die Länder anerkannt. Wie dies allerdings umgesetzt werden soll, ist nicht nur umstritten, sondern auch schwierig. Es ist natürlich nicht so, dass allein die Haushaltsansätze aussagekräftig sind. Dann, liebe Kollegen von den LINKEN, müsste nämlich Brandenburg ganz weit vorn liegen. Da regieren Sie übrigens mit. Die Zahlen dort sind aber die schlechtesten aller Länder überhaupt. Wenn man das schon richtig vergleicht, müsste man das Bruttoinlandsprodukt nehmen, also pro Kopf, und man müsste auch fragen, wie die anderen Leistungen definiert sind, nämlich beispielsweise die Studienplätze, die wir für Ausländer vorhalten, oder auch die Frage, wie die wirtschaftliche Kooperation in den Ländern funktioniert.

Durch Ihren Antrag zieht sich - das ist ja auch sehr typisch - ein roter Faden, nämlich nach den Ausgaben, nach mehr Geld. Da ist es natürlich nicht so; ich glaube, Adam Riese ist für Sie immer noch ein Klassenfeind.

(Heiterkeit und Beifall bei CDU und FDP)

Was aber nun wirklich nicht geht, ist, dass wir über den Finanzausgleich Geld einfordern und erhalten, und dass wir uns zusätzlich über die ganzen Ausgleiche, die wir von den anderen Bundesländern einfordern, Geld besorgen und dieses Geld dann wieder lustig verteilen. So kann doch in Wirklichkeit keine vernünftige Politik laufen. Das würde auch keiner akzeptieren, im Übrigen auch nicht eine Verschuldung, die in diesem Land SchleswigHolstein 9.700 € pro Kopf beträgt. Wir sind lange

selbst Hilfeempfänger geworden. Das geht also nicht, wir können dieses Geld nicht wieder verteilen nach dem Motto, wir haben es ja, und wir schmeißen es raus.

Nein, Entwicklungshilfe heute ist eine sehr viel bessere, eine intelligente Politik. Es geht nämlich um die Frage, wie man in diesen Ländern Wissen mobilisiert. Wir engagieren uns in der entwicklungspolitischen Informations- und Bildungsarbeit. Wir unterstützen die Schulen bei Patenschaften. Wir beteiligen uns an Wissenstransfer, zum Beispiel beim Thema Windenergie in Marokko. Gerade hier sehe ich in der Zukunft die wichtigen Ansätze, um eine Win-Win-Situation für uns, aber auch für die Zielländer zu erreichen.

Ihr Antrag ist in vielen Bereichen völlig irreal. Zum Beispiel geht die Aufteilung auf einzelne Ressorts überhaupt nicht. Darüber hinaus würden wir uns mit einer Patenschaft völlig übernehmen; das schaffen wir sowieso nicht. Im Übrigen sind wir an dem Agenda-21-Projekt in den Kommunen beteiligt. Wir machen globales Lernen an den Schulen und Hochschulen. Wir sind für nachhaltige Beschaffung, und wir finanzieren auch einzelne Projekte. Aus den genannten Gründen können wir Ihrem Antrag in keiner Weise zustimmen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich ein bisschen spaßig zum Abschluss sagen: Wie funktionierte eigentlich Entwicklungspolitik im real existierenden Sozialismus? - Ich möchte dazu in der Sprache der Bürger damals und auch heute noch sagen, wie das ablief. Zu einem Wüstenprojekt, um das es damals ging, haben die Bewohner damals gesagt: Mit den ersten zwei Fünf-JahresPlänen passierte überhaupt nichts. Nachher wurde der Sand knapp. Meine sehr verehrten Damen und Herren, so kann Entwicklungspolitik auch nicht funktionieren.

Heute leben wir in einer Schuldenwüste, und bei uns wird das Geld knapp. Wir bekennen uns zur Entwicklungshilfe. Wir setzen nicht mehr auf Ausgaben, sondern wir machen Transfer von Wissen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Für die SPD-Fraktion erteile ich der Frau Abgeordneten Sandra Redmann das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr von Abercron, zu dem, wie man Geld ver

(Dr. Michael von Abercron)

schwenden kann, werde ich gleich noch etwas sagen, und zwar zu den jetzigen Regierungen im Bund und in den Ländern.

Der vorliegende Antrag der Kolleginnen und Kollegen von den LINKEN legt den Finger in eine offene Wunde der derzeitigen Regierungsarbeit von CDU und FDP: Die institutionelle Förderung des Bündnisses „Eine Welt“ und die Förderung von Maßnahmen zur Nachhaltigkeit sind radikal weggespart worden. Leider gibt es von den Regierungsfraktionen nur Fensterreden über die hohe Bedeutung des Themas, die mit Verweisen auf die Zuständigkeit des Bundes untermalt werden. Die entwicklungspolitische Verantwortung auch des Landes Schleswig-Holstein, zu der Sie überhaupt nichts gesagt haben, Herr von Abercron, ist offensichtlich ein unbekanntes Fremdwort für CDU und FDP.

(Beifall bei der SPD)

Der übliche und zu erwartende Verweis auf die Fördermöglichkeiten für entwicklungspolitische Projekte über die BINGO-Umweltlotterie ist auch nur ein Feigenblatt, um die Untätigkeit zu verstecken; denn Förderanträge können nur gestellt werden, wenn es eine feste und ausreichend finanzierte Geschäftsstelle beim Bündnis „Eine Welt“ gibt. In diesem Zusammenhang von einer engen Zusammenarbeit zwischen Landesregierung und dem Bündnis „Eine Welt“ zu sprechen, wie in der Antwort auf eine Kleine Anfrage zu lesen war, ist schon sehr weit hergeholt. Dabei steht es doch außer Frage, dass die Bereiche Entwicklungszusammenarbeit und interkulturelle Verständigung an Bedeutung gewinnen werden, an Bedeutung gewinnen müssen. Entwicklungspolitische und interkulturelle Aktivitäten, beide Aspekte sind Bausteine einer verantwortungsbewussten Politik, und verantwortungsbewusste Politik ist immer auch zukunftsgerichtete Politik.

Der Blackout in der Entwicklungspolitik der derzeitigen Landes- und Bundesregierung hat leider eine lange Tradition, vor allem aufseiten der FDP. Was will man schon von einem Entwicklungshilfeminister Niebel erwarten, der vor der Wahl angetreten ist, das Ministerium abzuschaffen? Kaum im Amt, lässt er die Bagger allerdings wieder abrollen und setzt stattdessen auf die Wirtschaft allein. Zusätzlich findet noch eine interessante Stellenvermehrung und -besetzung im Ministerium statt. Schade um das Geld, das für die Arbeit in der Entwicklungspolitik nun fehlt.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist Geldverschwendung. Bei den Maßnahmen, die Herr von Abercron eben angesprochen hat, reden wir über Summen, die in den 10.000er-Bereich gehen. In diesem Bereich geht es um den 100.000er-Bereich. Darüber sollte man mal nachdenken.

Das Ministerium mit einem unter SPD-Führung guten Ruf hat sich in der Amtszeit von Herrn Niebel mehr zu einem Entwicklungsministerium für FDPAmtsträger entwickelt - ein merkwürdiges und überflüssiges Verständnis von Entwicklungshilfe.

Jeder, den das interessiert, sollte heute mal den Kommentar in den „Lübecker Nachrichten“ zu der Reise von Herrn Niebel, die gerade erst stattgefunden hat, lesen. Das ist in dem Zusammenhang sehr hilfreich.

Deutschland hat sich verpflichtet, 0,7 % der Wirtschaftsleistung für Entwicklungshilfe auszugeben. Derzeit stagniert der Anteil bei 0,38 %. Daran hat leider auch der 50. Geburtstag des Entwicklungshilfeministeriums Ende letzten Jahres nichts geändert.

Bund und Länder dürfen nicht aus ihrer gemeinsamen Verantwortung für die Erreichung dieses Ziels entlassen werden. Wir sind gut beraten, die wirtschaftlichen Folgen der Globalisierung politisch intensiver zu begleiten und zu steuern als bisher und dieses selbstverständlich auch regional. Wie dies angepackt werden kann, ist im Antrag im Grundsatz gut niedergelegt. Wir hätten die einzelnen Punkte gern ausführlich im Umweltausschuss diskutiert - ich verstehe überhaupt nicht, warum wir das nicht machen sollen -; denn neben dem guten Ansatz und dem richtigen Anstoß enthält der Antrag auch Punkte, die vor einer Abstimmung genauer geprüft werden müssen, und zwar nicht nur aus finanzieller Sicht. Wir werden uns aus diesem Grunde bei der Abstimmung in der Sache der Stimme enthalten.

(Beifall bei der SPD)

Für die Fraktion der FDP erteile ich der Frau Kollegin Klahn das Wort. - Frau Kollegin Redmann, habe ich Sie eben richtig verstanden, dass Sie dennoch Ausschussüberweisung beantragen? - Okay, danke.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte mich bei dem Kollegen

(Sandra Redmann)

von Abercron für den Vortrag, den er gehalten hat, bedanken. Dem ist fast nichts mehr hinzuzufügen.

Wir müssen uns wirklich mal überlegen, ob die Entwicklungspolitik ein landespolitisch extrem wichtiges Thema ist. Vielen Dank, Frau Redmann, es war eine klassische Schaufensterrede.

(Sandra Redmann [SPD]: Nein! - Weitere Zurufe von der SPD)

Wir sind nicht das einzige Land, das sich mit der Thematik Entwicklungspolitik beschäftigt. In Hessen gab es im vergangenen Jahr einen ähnlichen Antrag, Drucksache 18/3644. Vielleicht schauen Sie dort mal nach. Der wurde dort von der SPD und von den Grünen gestellt, und verfolgen Sie dort mal den Ausgang im Ausschuss!

In der Vorbemerkung des Antrags der LINKEN stellen Sie einige interessante Behauptungen zum Thema Entwicklungspolitik auf. Ich möchte hier festhalten: Der Haushalt des Entwicklungshilfeministeriums wächst in 2012 um knapp 2 % auf 6,38 Milliarden €. Das ist der dritte Aufwuchs in Folge. Die Quote der öffentlichen Mittel für Entwicklungszusammenarbeit vom Bruttonationaleinkommen liegt bei 0,39 %. Das ist die höchste Quote seit 1991.

(Beifall bei der FDP)

Klar ist aber auch - ich zitiere mit Erlaubnis den Entwicklungsminister -:

„Viel Geld allein hilft aber nicht unbedingt viel.“

Wichtiger ist es, den Wirkungsgrad der Arbeit zu verbessern.

Seitdem das Entwicklungshilfeministerium nicht mehr nur noch als Versorgungsstation für irgendwelche hessischen SPD-Bezirksverbände dient -

(Lachen bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

- Ich wusste, dass Sie so reagieren. Danke.

(Zurufe)

- Danke, dass Sie für Ruhe gesorgt haben.

Minister Niebel hat dafür gesorgt, dass die zahlreichen technischen Durchführungsorganisationen fusionieren mussten. Es wurde ein unabhängiges Evaluierungsinstitut errichtet. Die Anzahl der vollen Kooperationsländer wurde reduziert, und die Zusammenarbeit mit den Schwellenländern wurde neu ausgerichtet. Entwicklungshilfe bedeutet eigentlich wirtschaftliche Zusammenarbeit. Es geht

um Hilfe zur Selbsthilfe, nicht um unbegrenzte Zuzahlungen.

Konkret zu Ihren Forderungen in dem Antrag! Ich möchte begründen, warum wir ihn ablehnen. Vor dem Hintergrund, dass Entwicklungspolitik Aufgabe des Bundes ist, bedarf es keiner gesonderten Konzepte des Landes dahin gehend, wie diese Milleniumziele erreicht werden können. Unser Anspruch ist, Aufgaben der Verwaltung abzubauen, nicht das Hinzufügen von neuen. Punkt 2 ist erfüllt. Insbesondere durch die Übernahme der Studienplatzkosten an den Hochschulen für Studenten aus Entwicklungsländern wird hier viel geleistet. Das ist eine Maßnahme der entwicklungspolitischen Inlandsarbeit, die absolut sinnvoll ist und fortgeführt werden muss. Umsetzungen der lokalen Agenda-21-Strategien treffen die Kommunen in eigener Verantwortung. Ich möchte hier nicht von oben herab hineinwirken.

Zu Punkt 4: Kaufentscheidungen werden durch die Verbraucher getroffen. Es steht jedem frei, sich für Fair-Trade-Produkte oder für einen Einkauf bei KiK oder Lidl zu entscheiden. Zu Punkt 5: Die Haushaltslage lässt keine weiteren Förderfantasien zu. Zu Punkt 6: Wir lehnen den Aufbau solcher Partnerschaften ab. Das Land hat nicht die Mittel, hier nachhaltig tätig zu sein. Zu Punkt 7: Auch der Bund steht unter dem Druck der Haushaltskonsolidierung. Haushaltsgesetzgeber ist der Deutsche Bundestag, der das in eigener Verantwortung zu entscheiden hat. Wir wären auch nicht erfreut darüber, wenn man uns von außen in unsere Haushaltsaufstellung hereinreden würde. Im Übrigen wurde der Haushaltsansatz erhöht. Vielleicht nehmen Sie das zur Kenntnis.

(Sandra Redmann [SPD]: Das stimmt doch gar nicht!)

Meine Damen und Herren, Entwicklungspolitik allein auf die ODA-Quote herunterzudrücken, ist zu kurz gedacht. Sie gibt unzureichend Auskunft über die tatsächlichen Wirkungen der Beiträge für die Entwicklung eines Landes. So klammert ODA den Abbau von schädlichen Subventionen und Zollschranken aus, obgleich es sich hier um entwicklungsförderliche Beiträge handelt. Auch wenn die erwähnten Studienplatzkosten nicht darunter fallen, werden sie den wichtigsten Beitrag darstellen, den Schleswig-Holstein in der Entwicklungszusammenarbeit leistet.

Ich weiß nicht, ob die Linken es nicht verstehen oder nicht verstehen wollen: Die Haushaltslage des Landes ist so desaströs, dass wir bis 2020