Mit der Drucksache 17/2269 haben die Mitglieder des Innen- und Rechtsausschusses dem Landtag einen Entschließungsantrag mit der Bitte um Übernahme vorgelegt. Wer dieser Entschließung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Die Gegenprobe. - Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.
Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Entwicklung medizinischer Versorgungsstrukturen im Land
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Ich sehe, das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Grundsatzberatung und erteile zunächst das Wort für die CDU-Fraktion der Frau Abgeordneten Ursula Sassen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am 1. Januar dieses Jahres ist das GKVVersorgungsstrukturgesetz in Kraft getreten. Mehr als eineinhalb Jahre haben sich Bund und Länder mit dem Gesetzeswerk auseinandergesetzt. Schleswig-Holstein hat sich sowohl mit eigenen Anträgen als auch mit Unterstützung von Anträgen anderer Bundesländer eingebracht, um das Ziel der Sicherstellung einer flächendeckenden, bedarfsgerechten medizinischen Versorgung der Bevölkerung in Schleswig-Holstein zu erreichen.
Auch wenn es Kritikpunkte aus den Reihen der gesundheitspolitischen Akteure gab - die Interessenlage ist nun mal sehr unterschiedlich -, gibt es auch Lob. So hat zum Beispiel die Bundesärztekammer in ihrem Mitteilungsblatt von Dezember 2011 verlauten lassen, dass die Inhalte in Teilen zwar hinter den Erwartungen zurückgeblieben seien, aber nach jahrzehntelanger Kostendämpfungspolitik mit die
sem Gesetz ein gänzlich anderer Ansatz verfolgt werde. Zitat des Präsidenten der Bundesärztekammer, Dr. Frank Ulrich Montgomery:
„Bei aller Kritik an einzelnen Bestimmungen erkennen wir an, dass die Koalition mit dem GKV-Versorgungsstrukturge setz ernsthafte Schritte gegen den Ärztemangel und für eine bessere Patientenversorgung eingeleitet hat.“
Wer aber das GKV-Versorgungsstrukturgesetz als reines „Landarztgesetz“ abtut, trifft nicht den Kern dieses Gesetzes, da es die Grundlagen für eine sektorenübergreifende Bedarfsplanung und eine bessere Versorgungssteuerung auf Landesebene schafft. Bei einer vernünftigen, an den regionalen Gegebenheiten orientierten und kooperativen Zusammenarbeit auf Augenhöhe kann es mit den neuen Möglichkeiten des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes gelingen, die sektorenübergreifende Zusammenarbeit patientenorientiert zu optimieren.
Mit dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen zur Entwicklung medizinischer Versorgungsstrukturen, „Ausführungsgesetz zum GKV-Versorgungsstrukturgesetz“, das Ihnen vorliegt, wollen wir ein Gemeinsames Landesgremium im Sinne des § 90 a SGB V errichten, das grundsätzliche Fragen der Bedarfsplanung zur flächendeckenden ärztlichen Versorgung behandelt und auf die Regionen bezogene Versorgungsstrukturen entwickelt. Hierbei soll es Aspekte der fachspezifischen Versorgungslücken und der demografischen Entwicklung berücksichtigen. Das Gemeinsame Landesgremium gibt darüber hinaus Empfehlungen zu sektorenübergreifenden Versorgungsfragen ab, so steht es in § 2 unter „Aufgabenstellung“. An dieser Thematik arbeit die Landesregierung nicht im Rahmen dieses Gesetzes, das wir ja erst beschließen wollen, sondern zusammen mit Herrn Professor Beske unserem Wunsch entsprechend in einem Gremium, das sich auch mit der der medizinischen und pflegerischen Patientenversorgung beschäftigt, was uns sehr freut.
In § 3 des Gesetzentwurfs wird auf die ständigen Mitglieder des Gemeinsamen Landesgremiums eingegangen. Es wurde eine ausgewogene Beteiligung der Interessenvertreter berücksichtigt.
Das Land führt den Vorsitz und richtet eine Geschäftsstelle ein. Einzelheiten werden in einer Geschäftsordnung geregelt. Jeder Vertreter hat eine Stimme.
Darüber hinaus kann das Gemeinsame Landesgremium die Hinzuziehung von Sachverständigen ohne eigenes Stimmrecht beschließen.
Mit Artikel 2 soll eine Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Krankenhausfinanzierungsgesetzes dahin gehend vorgenommen werden, dass künftig die Kassenärztliche Vereinigung nach § 19 a des Ausführungsgesetzes des Krankenhausfinanzierungsgesetzes als unmittelbar Beteiligte, also mit Stimmrecht, bei Fragestellungen der intersektoralen Zusammenarbeit verankert wird.
Zwischenzeitlich haben sich aufgrund gesetzlicher Vorgaben die Rahmenbedingungen geändert, sodass über Behandlungen nach § 116 b SGB V nicht mehr in der bisherigen Beteiligungsrunde nach dem Ausführungsgesetz des Krankenhausfinanzierungsgesetzes entschieden, sondern dies auf die Selbstverwaltung übertragen wird. Damit werden die Kassenärztliche Vereinigung, der Landesverband der Krankenkassen und die Landeskrankenhausgesellschaft die Entscheidung darüber treffen, ob Voraussetzungen zur ambulanten Behandlung nach § 116 b gegeben sind. Daher ist darüber nachzudenken, ob der Artikel 2 unseres Gesetzes in diesem Sinne noch erforderlich ist. Der Gemeinsame Bundesausschuss wird bis zum 31. Dezember 2012 neue Richtlinien erarbeiten. Bis dahin bleiben die alten Bestimmungen gültig.
Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt hat auf der Titelseite von Februar 2012 zum Kongress „Vernetzte Gesundheit“ die Aussage gebracht:
Unser Gesetzentwurf ist eine Antwort auf diese Aufforderung. Und wie ich Herrn Dr. Garg auf dem Kongress „Vernetzte Gesundheit“ verstanden habe, erwartet er eine weitere „Lieferung“ von der Bundesregierung, nämlich ein Entbürokratisierungsgesetz, damit, um mit den Worten von Herrn Dr. Garg zu sprechen, und dies ist mein letzter Satz, „der Arzt ins Behandlungszimmer und nicht in die Schreibstube gehört“.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Was ist passiert, meine Damen und Herren, dass nicht die Regierung, sondern die ihr behilflichen Fraktionen ganz schnell und mal eben ein Gesetz verabschieden wollen, am liebsten ohne Aussprache? Zunächst: Ein neues Landesgremium GKV-Versorgungsstrukturgesetz wird von uns Sozialdemokraten begrüßt. Regional planen, alle kennen das Land und die Besonderheiten, das macht Sinn. Jetzt wird die Versorgung an die Wirklichkeit in unserem Land angepasst. Endlich. So weit, so gut.
- Jetzt kommt es. - Die Aufgabenstellung des Gemeinsamen Landesgremiums klingt auf den ersten und schnellen Blick einleuchtend. Aber warum muss eine Geschäftsstelle beim Land eingerichtet werden, und was bedeutet das für eventuelle Planstellen? Von wem werden diese besetzt, mit welchem Ziel? Sicherlich sollen keine Posten für verdiente Regierungsmitarbeiter geschaffen werden. Das machen Sie bestimmt nicht, das wäre ja ein Karnevalsscherz.
Aber gibt es andere Möglichkeiten, die Geschäftsstelle zum Beispiel mit den Beteiligten selbst oder sogar rotierend zu besetzen? An die Vertretung der Patienten wurde gleich gar nicht gedacht. Es geht um die Versorgung von uns. Dann sollten wir als Patienten auch vertreten sein, meine Damen und Herren.
Wir Sozialdemokraten haben nicht nur dazu Fragen, es soll ja schließlich ein gutes Gesetz verabschiedet werden. Das gilt auch für das Privileg als unmittelbar Beteiligte nach § 19 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes für die Kassenärztliche Vereinigung. Dieser Vorstoß ist 2011 schon einmal rechtlich gescheitert und muss nun erst mal gutachterlich erneut geprüft werden. Dafür brauchen wir Zeit.
Wir würden auch gern mit den Kassenärzten im Rahmen dieser Gesetzesänderung darüber sprechen, wie die KV zum Beispiel selbst durch eine Satzungsänderung eine sektorenübergreifende Verstän
digung und einen gestaltenden Austausch mit der Krankenhausgesellschaft formal neu organisieren könnte. Nur der Vollständigkeit halber sei daran erinnert, dass wir alle in Augenhöhe die Versorgung organisieren wollen.
Meine Damen und Herren, es gibt viele Fragen, die mit den wie auch immer Beteiligten zu klären sind, und sicherlich auch viele gute Ideen, bevor wir uns hinterher alle über einen Schnellschuss ärgern.
Wir haben mit diesem Gesetz eine weitere Chance, die arzt- und sektorenzentrierte Sichtweise zu überwinden. Aber schon das GKV-Versorgungsstrukturgesetz selbst leidet beispielsweise an der weitgehenden Ausblendung des Krankenhaussektors. Wirklich zukunftweisende sektorenübergreifende Strukturveränderungen sind ohne das umfassende Mitdenken der Krankenhäuser im Land undenkbar.
Insbesondere die Durchsetzung einer sektorenübergreifenden wirksamen Versorgungsplanung ist in strukturschwachen Regionen für die Schaffung zusätzlicher Versorgungskapazitäten ohne die Krankenhausversorgung kaum machbar. Dabei bricht sich ganz nebenbei die Erkenntnis Bahn, dass die diagnosebezogenen Fallgruppenabrechnungen das kleine Krankenhaus auf dem Land eigentlich gar nicht mehr vorsehen. Es wird, wie wir nun in Brunsbüttel sehen, immer enger für die Versorgung im ländlichen Bereich.
Hier versprechen wir uns durch das neue Landesgremium eine Lockerung betonierter Sektorengrenzen, wenn es die beteiligten Akteure zulassen, das Gremium richtig besetzt ist und die Rahmenbedingungen stimmen. Wir sind da zuversichtlich und versprechen uns für die medizinischen Versorgungszentren eine neue Aufbruchstimmung, also auch hier eine Perspektive.
Was wir nicht wollen, ist eine weitere Schwächung der Grundversorgung und der Allgemeinmedizin. Es entsteht der Eindruck, dass das GKV-Versorgungsstrukturgesetz vor allem zugunsten der auch finanziell fortschreitenden Spezialisierung immer weiterreichendere Offerten bietet. Besonders wichtig ist uns Sozialdemokraten zum Beispiel die Beteiligung der Kommunen in diesem Versorgungsgremium, denen im Zweifel das Hemd „direkte Standortversorgung“ näher ist als die Hose „schönes Kreiskrankenhaus“.
Im letzten Jahr habe ich einen Gemeindebürgermeister aus Dithmarschen kennengelernt, der sich mit seiner Gemeindevertretung für den Erhalt einer Landarztpraxis den weiteren Ausbau der Straße,
Beleuchtungsprojekte und eines teilweisen Bauhofs verkniffen hat, damit er durch einen Anbau eine Arztpraxis einrichten und damit zwei Gewerbebetriebe im Ort halten kann. Standortfragen im Bereich der medizinischen Versorgung werden also immer wichtiger.
Mit dem neuen Gesetz können Kommunen unter Umständen sogar direkt in die Versorgung einsteigen und müssen das in Zukunft vielleicht sogar, wenn sie strukturell nicht völlig abgehängt werden wollen.
Ein Thema für dieses Gremium könnte auch die Stärkung des öffentlichen Gesundheitsdienstes mit Versorgungsplanungsexperten sein. Dies setzt die Beiziehung dieses Sachverstandes allerdings zwingend und gegebenenfalls auch formal voraus. Das Gremium bietet viele Chancen, wenn es nicht zahnlos bleibt. Die Empfehlungen, die gemeinsam entstehen, sollten dann auch umgesetzt werden. Viele Chancen und viele Fragen! Gut ist die Etablierung dieses Landesgremiums vor allem dann, wenn sie dafür sorgt,
gegenseitige Schuldzuweisungen für Versorgungslücken, für Unterfinanzierung, für Überlastungen und Engpässe zu verhindern. Dazu sollte es taugen.
Der letzte Satz, Herr Präsident! - Allerdings, ein gutes Gesetz setzt gute und umfassende Beratungen voraus. Wer wirklich ein nachhaltiges und gutes Gesetz will, der muss alle damit verbundenen Fragen vorher beantworten und auch Nachfragen bei allen Beteiligten vorher ermöglichen, und das mit der nötigen Sorgfalt und Zielstrebigkeit. Wir zählen auf Sie, eine sorgfältige Vorbereitung zu machen. Ich hätte mich gefreut, wenn die Landesregierung selber dieses Gesetz eingebracht hätte. Aber wenn es schnell gehen soll,