Protocol of the Session on January 25, 2012

(Heiterkeit - Zuruf)

- Der Ministerpräsident hat natürlich recht: Der Hirsch trägt ein Geweih, und der Rehbock trägt ein Gehörn.

Meine Damen und Herren, wir reden über das Landesjagdgesetz aus dem Jahr 1999, das novelliert werden soll und das im Jahr 2007 geringfügig modifiziert worden ist. Wir reden darüber, weil wir gesagt haben: Wir müssen uns den Gegebenheiten der heutigen Zeit anpassen. Es hat einige Veränderungen gegeben, die dies erfordern.

Erlauben Sie mir, hier einige Erläuterungen zu Punkten zu machen, die jetzt in der Änderung des Gesetzes stehen, die aber auch in der Anhörung erhebliches Gewicht gefunden haben.

Zunächst einmal zu der von Kollegen Buder angesprochenen großen Diskussion um bleihaltige Munition. In der ursprünglichen Fassung des Landesjagdgesetzes stand sinngemäß: Bei der Jagd auf Wasserwild darf bleihaltige Munition nicht verwendet werden.

Wir wurden darauf hingewiesen, dass das eigentlich so von vielen nie gemeint war, sondern dass es dar

um ging, dass das Gründeln von Wasserwild in bleihaltigen Gewässern gefährlich ist, was dazu führt, dass Greifvögel, vornehmlich Seeadler, Probleme haben.

Daraufhin haben wir gesagt: Dann schreiben wir explizit hinein: Bei der Jagd auf und an Gewässern ist die Verwendung von bleihaltiger Munition zu untersagen.

Das war auch wieder nicht richtig, weil man gesagt hat: Jetzt dürfe aber auf die Ente, wenn sie an Land - natürlich nicht als Infanterist, sondern im Fluge unterwegs ist, mit einer bleihaltigen Munition geschossen werden. Sie müssen sich schon klar äußern, was Sie da wollen.

Wir haben daraufhin gesagt: Wir sind immer kompromissbereit. Also nehmen wir die alte Regelung wieder hinein: Bei der Jagd auf Wasserwild ist auf bleihaltige Munition zu verzichten.

In Ordnung.

Etwas komplizierter wird es bei der bleihaltigen Kugelmunition. Wir dürfen hier nicht Gefahr laufen, das Kind mit dem Bade ausschütten. Ich bin froh darüber, dass es auf Bundesebene eine Initiative gegeben hat zur Untersuchung sowohl der toxikologischen als auch der ballistischen oder physikalischen Eigenschaften von Munition. Es ist nicht entscheidend, jetzt gleich zu sagen: Erst einmal verbieten wir das eine, und dafür nehmen wir das andere. Es gibt keine ausreichenden toxikologischen Untersuchungen über die Schadhaftigkeit von Bleiersatzstoffen in Munition, zumal wir auf der anderen Seite aus tierschutzrechtlichen Gründen verpflichtet sind, tierschutzgerecht zu töten. Ein Vollmantelgeschoss aus Stahl vermag das nicht zu leisten. Man muss also einen Weichkern haben. Ob das Kupfer oder Zink sein kann, werden wir sehen, wenn die Untersuchungen abgeschlossen sind. Aber erlauben Sie uns doch bitte, das abzuwarten und nicht voreilig zu einem Schluss zu kommen, den wir nachher wieder zurücknehmen müssen. Sobald die Ergebnisse vorliegen, sind wir die Ersten, die bereit sind, die Gesetzesformulierung diesen Ergebnissen anzupassen. Überhaupt kein Problem!

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Ein weiterer wichtiger Punkt bei der öffentlichen Anhörung zum Abschussplan - wie gesagt, Detlef Buder, nicht Rotwild, sondern Rehwild - war: Es wurde bemängelt, dass der Abschussplan Rehwild nicht dafür Sorge tragen kann, dass die naturnahe Waldverjüngung in üblicher Form durchgeführt

(Detlef Buder)

werden kann. Ich sage: Wenn dieser Abschussplan Rehwild gewissenhaft und ordnungsgemäß sowohl von der Theorie, das heißt vom Zählen des Wildes was sicherlich nicht 100-prozentig möglich ist -, als auch von der Planung der Abschüsse in dem Revier beantragt und dann auch durchgeführt wird, dann sind wir richtig dafür. Wir können keine Jagd nach Gutsherrenart machen: Jeder schießt das, was er will. Dann haben wir uns an der Natur vergangen.

(Beifall bei der CDU)

Ein dritter Punkt, der anschließend in die Kritik geraten ist, ist die Entnahme aus oder die Unfruchtbarmachung von Gelegen beim Federwild. Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Jahr 2010 haben wir ungefähr 400.000 Nonnengänse an der Westküste gehabt. Der Jahresabschussbericht hat ergeben, dass 4.000 erlegt wurden. 400.000 Nonnengänse! Wir haben noch andere: Kanadagänse, Graugänse und so weiter, die zu einer Zeit bei uns auftreten, wo wir häufig keine Schusszeit haben. Das heißt, wir können nicht darauf reagieren. Also haben wir gesagt: Wir brauchen ein Instrument, um darauf reagieren zu können. Mit herkömmlicher Jagd ist dem Problem nicht beizukommen, weil die Schäden von niemanden zu finanzieren sind.

Wir haben noch einige andere wichtige Dinge in der Anhörung besprochen, die aber eher den redaktionellen Teil betreffen.

Da meine Redezeit abgelaufen ist, schließe ich hiermit. Ich bitte um Zustimmung zu einem vernünftigen Landesjagdgesetz, damit wir der Jägerschaft das Werkzeug an die Hand geben, sich richtig zu verhalten.

(Beifall bei CDU und FDP)

Für die SPD-Fraktion erteile ich der Frau Abgeordneten Sandra Redmann das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die infolge der Föderalismusreform geltende neue Verfassungslage macht Änderungen des Landesjagdgesetzes von 1999 auch aus unserer Sicht notwendig. Dass das Landesjagdgesetz auch an veränderte Gesetze auf EU- und Landesebene angepasst werden muss, ist auch noch verständlich. Was CDU und FDP in ihrem Gesetzentwurf aber noch darüber hinaus vorgelegt haben, ist weitgehend kontraproduktiv oder sogar schädlich für Natur und Umwelt.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Sie haben die Chance verpasst, ein modernes Landesjagdgesetz zu formulieren, das den gesellschaftlichen Anforderungen aller Menschen und der Jägerschaft entspricht. Dies ist ein glatter Fehlschuss, den wir bald vergessen werden.

Immerhin, das Verbot bleihaltiger Munition bleibt bei der Jagd auf Wasserwild wie vorher bestehen und wird nicht aufgeweicht. Das ist aber schon das einzig Gute zum Thema ,,Bleimunition“. Für uns steht fest: Wir müssen weg von bleihaltiger Munition. Dies wird von der weit überwiegenden Mehrheit der Fachleute zu Recht gefordert.

Herr Hamerich, Sie konnten - das ist kein Vorwurf - bei der Anhörung nicht anwesend sein.

(Hartmut Hamerich [CDU]: Ich war dabei!)

Zumindest nach Protokoll bei der Einsetzung - kann ich nur sagen - und auch wenn Sie sich die Unterlagen noch einmal genau anschauen, dann stellen Sie fest: Es gibt eigentlich nur zwei Verbände, die dieser Auffassung sind, während alle anderen Fachverbände in der Anhörung eine andere Auffassung vertreten haben.

Aus meiner Sicht hat die wildbiologische Forschung überzeugend ergeben, dass nicht nur die Aufnahme von Bleischroten durch gründelnde Wasservögel zu Bleivergiftung führt, sondern für Greifvögel wie Seeadler und Rotmilan auch die Aufnahme von Bleimunitionsteilen und -abrieb beim Fressen von Aas geschossener Tiere auf Dauer tödlich wirken kann.

Ein Verbot von bleihaltiger Munition kann jedoch nur greifen, wenn eindeutig bessere Alternativen verfügbar sind. Dies wird bald wissenschaftlich belegbar sein. Daher wäre ein Verbot von bleihaltiger Munition mit einer angemessenen Übergangsfrist die beste Lösung gewesen.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Hierzu schweigt sich der Gesetzentwurf von CDU und FDP jedoch aus. Diese Arbeitsverweigerung bei einem derart wichtigen Thema ist peinlich. Aber auch andere Änderungen zeigen, dass die Interessen des Natur- und Artenschutzes bei den Regierungsfraktionen keinen Stellenwert haben. Mit der vorgesehenen Ausnahmeregelung zum Ausnehmen von Gelegen werden gravierende Eingriffe in die Populationen wild lebender Vogelarten und Störungen zur Fortpflanzungszeit ermöglicht. Bei der Suche nach beispielsweise Gänsegelegen können

(Hartmut Hamerich)

wertvolle Lebensräume zu einer denkbar ungünstigen Zeit durchstreift und geschädigt sowie andere Vogelarten zur Brutzeit gestört werden.

Vielseitig kann auch die neue Regelung interpretiert werden, wonach es verboten ist, ,,die Ausübung der Jagd vorsätzlich zu stören oder zu behindern.“ Sie kann so verstanden werden, dass Jäger nur in ihren Augen störende Waldspaziergänger unter Hinweis auf diese Regelung aus dem Wald verweisen. Wir als SPD setzen mehr auf gegenseitige ich betone: gegenseitige - selbstverständliche Rücksicht.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Auch die Regelung zum Mindestabschussplan für das Rehwild und die damit zusammenhängende Verlängerung der Jagdzeiten hätte anders aussehen müssen. Der unzweifelhaft zu hohe Rehbesatz verhindert den natürlichen Aufwuchs junger Bäume und erschwert die naturnahe Waldbewirtschaftung. Ob jedoch neue bürokratische Regelungen hier alleine helfen, hätte intensiver diskutiert werden müssen.

Für mich lohnt es nicht, über dieses hoffentlich nur mit einer kurzen Halbwertzeit ausgestattete Landesjagdgesetz zu sprechen. Es ist eben nur ein weiterer Fehlschuss von CDU und FDP.

Viel wichtiger für uns ist, mit welchen Inhalten ein wirklich modernes und alle Interessen berücksichtigendes Landesjagdgesetz gefüllt werden muss. Diesen Anspruch haben die regierungstragenden Fraktionen wahrlich nicht erfüllt. Wir lehnen den Gesetzentwurf ab.

(Beifall bei SPD und SSW)

Für die FDP-Fraktion hat Herr Abgeordneter Günther Hildebrand das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit Beginn der Legislaturperiode vor zweieinhalb Jahren hat die Koalition im Umwelt- und Agrarbereich ein großes Arbeitspensum überaus erfolgreich absolviert.

(Widerspruch bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wir haben fast alle entsprechenden Gesetze aufgerufen, beraten und jeweils auf den aktuellen Stand gebracht,

(Marlies Fritzen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Verschlimmbessert!)

wie es durch die EU, durch Bundesgesetze oder neue gesetzgeberische Kompetenzen gefordert war. Wir haben natürlich auch selbst Schwerpunkte gesetzt. Entbürokratisieren, ohne dass die Qualität verlorengeht, war immer unser Ziel, das wir erfolgreich erreicht haben.

Durch die Halbierung der Legislaturperiode hat uns leider das Landesverfassungsgericht darum gebracht, auch die Erfolge, die sich logischerweise erst mit einer gewissen Verzögerung einstellen können, zu erkennen und wirken zu lassen. Wenn wir heute nun die Änderung des Landesjagdgesetzes verabschieden, ist der letzte große Schritt zur Entbürokratisierung und Modernisierung des Naturschutzes in Schleswig-Holstein vollzogen worden.

(Beifall bei der FDP - Werner Kalinka [CDU]: Sehr gut!)

Ich komme nun zu einzelnen Änderungen im Landesjagdgesetz, die teilweise schon angesprochen worden sind. Grundsätzlich kann ich feststellen, dass sich das Landesjagdgesetz über die Jahre durchaus bewährt hat. Somit war es unser Ziel, das Gesetz dort zu ändern, wo es aus unserer Sicht angebracht und möglich war und besser an die Praxis angepasst werden kann. Der Bundesgesetzgeber und die EU haben uns darüber hinaus weitergehende Regelungskompetenzen übertragen, die wir jetzt auch wahrnehmen. So wird es in Zukunft die Möglichkeit geben, die Jagdzeiten per Verordnung zu verlängern. Die Jagdausübenden in Schleswig-Holstein werden damit in die Lage versetzt, in Zukunft sehr viel flexibler auf die Bestandsentwicklung beim Wild zu reagieren. Vor allem hat sich in den letzten Jahren gerade die Population des Rehwildes in Feld und Wald zu einem Problem entwickelt. Die daraus resultierenden Verbissschäden werden immer massiver.

Um dieser Schädigung der Waldbestände Rechnung zu tragen und gleichzeitig Bürokratie abzubauen, haben wir mit dieser Novelle die Möglichkeit geschaffen, die genehmigten Abschusspläne um 30 % nach oben zu überschreiten, ohne dass es einer erneuten Genehmigung bedarf - wie es bisher der Fall ist.