Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit der Sexualmedizin in Kiel ist neben der Arbeit mit und über Sexualstraftäter und deren Opfer auch die Forschung und Therapie von Menschen mit sexuellen Störungen oder Problemen mit ihrer sexuellen Identität. Auch diesen Menschen muss die notwendige Hilfe gewährt werden. So übernimmt die Sexualmedizin auch bei der Patientenversorgung eine wichtige Aufgabe.
Ich stelle fest: Alle Aufgaben, die von der Sexualmedizin wahrgenommen werden, können nicht aufgegeben werden und sollen nicht aufgegeben werden, weil ein öffentliches Interesse daran besteht, diese zu erhalten.
Wir wissen alle hier im Hohen Haus um die defizitäre Lage der Sexualmedizin, und wir alle kennen auch die finanziellen Verhältnisse des UKSH. Jedoch, wenn man die Aufgaben und das Personal auf eine gemeinnützige GmbH überträgt, erschließt sich der Vorteil hiervon erst einmal nicht. Eine Wirtschaftlichkeit stellt sich nur aufgrund der Rechtsform wohl kaum ein.
Jedoch muss es der Hochschulleitung möglich sein, organisatorische Umstrukturierungen zu machen. Die Organisationsform der Sexualmedizin in Kiel muss uns in erster Linie gleichgültig sein. So bestätigt es auch Professor Bosinski. Die Hochschulen sind, wie auch immer von uns als FDP-Fraktion gefordert, hier in ihrer Entscheidung grundsätzlich frei und autonom.
Hier unterscheidet sich auch der von CDU und FDP eingebrachte Antrag grundsätzlich von dem der Opposition. Sie wollen allein an den alten Strukturen festhalten, ohne wirklich dabei eine nachhaltige Lösung für die Sexualmedizin zu finden; so verstehe ich auf jeden Fall Ihren Antrag.
An der Thematik wird ein Problem ganz deutlich: Es ist für die Mitglieder der Universität - für mich gilt das ebenfalls - bisher kein strategisches Konzept erkennbar. Eine Ausrichtung hinsichtlich Forschungsschwerpunkten, interdisziplinären Studiengängen, Aufnahme neuer Lehrinhalte und so weiter ist nicht erkennbar und muss nun in weiteren Ge
sprächen mit dem UKSH gefunden werden. Es muss künftig sichergestellt sein, dass auch in ausreichendem Umfang Lehre zur Verfügung gestellt werden kann.
Wir fordern daher das UKSH auf, die Forschung, Lehre und Patientenversorgung, die durch die Sexualmedizin geleistet wird, mindestens im Rahmen eines interdisziplinären Zentrums aufrechtzuerhalten.
Die Universität als Ort der Forschung und Lehre ist meines Erachtens der beste Ort, um diese Aufgabe zu erfüllen. Deswegen fordert die FDP-Landtagsfraktion den Erhalt der Sexualmedizin und ihrer umfassenden Aufgaben.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Laut geschätzten Zahlen von Opferschutzverbänden werden jährlich in Deutschland zwischen 200.000 und 350.000 Kinder sexuell missbraucht. In regelmäßigen Abständen geht ein berechtigter Aufschrei durch die Medien und die Politik. Die Debatten zeigen, wie ohnmächtig wir sind.
Es fällt uns schwer, einen angemessenen Umgang mit sexuellem Missbrauch zu finden. Ich bin deshalb froh, dass es Opferschutzverbände gibt, die Opfer sexuellen Missbrauchs beraten und Hilfestellungen im Alltag geben.
Ich bin auch froh, dass es Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gibt, die wissenschaftlich zur sexuellen Identität und zu sexuellen Störungen arbeiten. Sie füllen eine Lücke in einem sehr sensiblen und wichtigen Bereich. Die Kieler Sexualmedizin um Professor Bosinski leistet diese Arbeit. Es wäre verheerend, sie den Bach heruntergehen zu lassen.
Vor wenigen Wochen - Kollege Weber hat das auch schon erwähnt - gab es eine ähnliche Debatte zur Sexualmedizinischen Ambulanz in Frankfurt im Hessischen Landtag. Meine Kollegin bei den Grü
nen, Sarah Sorge, wurde sogar von Sexualstraftätern gebeten, sich für den Erhalt der Sexualmedizin in Frankfurt einzusetzen.
Wir müssen uns der politischen Verantwortung gegenüber den Betroffenen stellen. Deshalb sind wir Grünen für den Erhalt der Kieler Sexualmedizin.
Wir brauchen die Arbeit der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, um uns nachhaltig mit Sexualstraftaten auseinanderzusetzen und sie fachlich begutachten zu lassen. Aber es geht nicht ausschließlich nur um Opfer von sexuellem Missbrauch und deren Tätern. Es geht bei der Arbeit des Instituts auch um sexuelle Identität. Im Institut wurden in den vergangen Jahren viele trans-, inter- und homosexuelle Menschen beraten. Gerade vielen jungen Menschen wurde im Umgang mit ihrer eigenen Identität geholfen. Der Umgang mit sexueller Identität ist in weiten gesellschaftlichen Teilen ein Tabuthema. Ich erinnere beispielsweise an die Debatte zur Homophobie, die wir vor einiger Zeit hier im Haus hatten, wo es weite Teile in diesem Haus gab, die geleugnet haben, dass Homophobie ein Problem auch bei uns hier in Schleswig-Holstein ist.
Es geht bei der Sexualmedizin um unsere politische Verantwortung für einen wichtigen Bereich und um nichts anderes. Politisch haben wir als Land eine große Verantwortung. Es hilft keinem - das sage ich ganz ausdrücklich auch noch einmal an Sie gerichtet, Frau Funke -, den Schwarzen Peter immer weiterzuschieben. Bereits seit 1997 gab es immer wieder öffentliche Debatten. Wenig ist hingegen passiert. Sowohl die Christian-Albrechts-Universität wie auch das UK-SH haben durch Presseäußerungen, aber auch durch Äußerungen bei uns im Bildungsausschuss im letzten Jahr deutlich gemacht, dass sie die Arbeit der Sexualmedizin für richtig halten und sehr schätzen, aber dass sie in der finanziellen Lage, in der sie sich befinden, einfach nicht weiterkommen.
Leider ist nichts passiert, gerade im Bereich der Finanzen, Herr de Jager. Und ich frage mich, Herr de Jager, ob das daran liegt, weil Sie schon seit einiger Zeit im Wissenschaftsministerium die Verantwortung tragen, oder obwohl Sie diese Verantwortung tragen. Festzuhalten bleibt jedenfalls, dass von Ihrer Seite sehr, sehr wenig passiert ist und sie dazu nichts beigetragen haben.
Es kommt einem Trauerspiel gleich, dass CDU und FDP letzte Woche im Bildungsausschuss - Herr Günther, hören Sie zu, Sie waren letzte Woche ja schon nicht da! - zur Sexualmedizin nicht sprechfähig waren. Wir haben letzte Woche im Ausschuss beantragt, dass die Landesregierung ressortübergreifend, mit UK-SH und Christian-Albrechts-Universität ein Konzept zum Erhalt der Sexualmedizin entwickeln soll.
Am Wochenende hat scheinbar die FDP endlich auch den Ernst der Lage erkannt. Warum fällt Ihnen eigentlich erst jetzt auf, dass die Sexualmedizin in Kiel wichtige Arbeit leistet, Frau Funke?
Was haben Sie eigentlich in den letzten Jahren für Initiativen im Hochschulbereich vorzuweisen? Richtig: nichts! Ihr gemeinsamer Antrag mit der CDU ist nicht viel mehr als blanker Populismus. Er wird nichts bewirken.
Wenn es nach Ihnen geht, sollen UKSH und Universität - Sie haben das gerade auch bestätigt, Frau Funke - allein eine Lösung finden. Das ist genau das, was jetzt der Fall ist, genau das ist das Problem. Sie müssen allein eine Lösung finden, eine Hilfestellung oder Begleitung von der Landesregierung gibt es eben nicht. Daran ändert auch kein Parteitagsbeschluss der FDP etwas.
Sie müssen uns als parlamentarische Opposition ja nicht glauben, aber glauben Sie dann doch wenigstens der Polizeigewerkschaft, einer ganzen Reihe von juristischen Verbänden, zu denen Sie, Herr Kubicki, auch gute Verbindungen haben, oder auch dem Uni-Asta, der hier vor der Tür protestiert hat. Sie alle haben an uns appelliert, dass wir uns aktiv für den Erhalt der Sexualmedizin einsetzen und nicht nur Lippenbekenntnisse abgeben.
Herr Kollege, ist Ihnen bekannt, dass die heute von CDU und FDP beschriebene Position, die hier heute zur Abstimmung steht, der Position des Richterverbandes Schleswig-Holstein und der Strafverteidigervereinigung entspricht?
- Das ist mir sehr wohl bekannt. Aber es gibt auch eine ganze Reihe von anderen Stellungnahmen, beispielsweise auch von den Studierenden - das habe ich gerade eben schon gesagt -, auch von den Einrichtungen vor Ort.
Es ist doch sehr auffällig, Herr Kubicki, dass Sie immer wieder nach Parteitagen mit irgendwelchen politischen Schnellschüssen kommen und sich vorher mit diesem Thema überhaupt nicht auseinandergesetzt haben.
(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, der LINKEN und SSW - Christopher Vogt [FDP]: Das stimmt doch überhaupt nicht! Lesen Sie doch einmal die Zeitung!)
Lassen Sie uns gemeinsam die Sexualmedizin retten! Hören wir doch endlich auf, dieses Thema auch heute hier, Herr Kubicki; Sie werden gleich nicht die Hand für den Erhalt der Sexualmedizin erheben, weil Ihre Fachpolitiker gerade die Ausschussüberweisung beantragt haben - zu vertagen. Das haben wir schon letzte Woche im Ausschuss gehabt. Arbeiten Sie lieber für den Erhalt, machen Sie aktiv etwas, hören Sie auf, an das UK-SH zu appellieren, und stimmen Sie dem Antrag der Opposition zu! Dazu gibt es keine Alternative, jedenfalls nicht, wenn man für den Erhalt der Sexualmedizin hier streiten will.
Vielen Dank, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist gemein, hinter dem Kollegen Andresen sprechen zu müssen, wenn er so gut gesprochen hat. Da ist so gut wie alles dringewesen.
Es ist sowieso viel zu den Gefahren, die die Schließung der Sektion für Sexualmedizin an der CAU mit sich bringen würde, gesagt worden. Meine Fraktion teilt diese Argumente. Wir werden uns dagegen wehren, eine renommierte und europaweit anerkannte Lehr- und Forschungseinrichtung zu schließen, um vielleicht ein paar Euro für den Landeshaushalt zu gewinnen.
Ich möchte noch einmal den Blick speziell auf die Bedeutung der Sektion Sexualmedizin für den Präventionsbereich und die gesellschaftlichen Entwicklungen in den letzten Jahren richten. Für das Jahr 2009 weist die polizeiliche Kriminalstatistik 15.000 Fälle sexuellen Missbrauchs an Kindern aus. Das ist - da sind sich die Fachleute ausnahmslos einig - nicht einmal die Spitze des Eisbergs, denn die Dunkelziffer ist immens hoch. Seriöse Quellen sprechen von einer Dunkelziffer von mindestens 90 %. Das heißt, auf einen angezeigten Fall kommen neun nicht angezeigt Fälle, aus 15.000 Fällen werden so mindestens 150.000 Fälle.
Die teilweise recht aufgeregte Berichterstattung über sexuellen Missbrauch in Internaten und Einrichtungen zur Jugendpflege in den letzten Jahren hat dazu geführt, dass von der Bundesregierung übrigens von der CDU/FDP-geführten Bundesregierung - der Runde Tisch „Sexueller Kindesmissbrauch in Abhängigkeits- und Machtverhältnissen in privaten und öffentlichen Einrichtungen und im familiären Bereich“ eingerichtet wurde.