Protocol of the Session on November 17, 2011

Meine Damen und Herren, weil uns diese Argumente nicht überzeugen, haben wir logischerweise an der Forderung festgehalten und ein Verbot in den Koalitionsvertrag mit der CDU hineinverhandelt. Wir stehen weiterhin dazu, dass wir die Haltung von Wildtieren im Zirkus nicht für artgerecht halten. Deshalb wird die Landesregierung den Antrag der Länder Hessen und Hamburg im Bundesrat unterstützen - so wie sie es auch schon im entsprechenden Ausschuss getan hat.

Wir gehen davon aus, dass dieser Antrag eine breite Mehrheit im Bundesrat finden wird. Schlussendlich sind wir uns zu diesem Thema auch in diesem Hause weitestgehend einig.

Der Gesetzgeber muss jedoch noch einige Fragen abschließend klären, vor allem, wie eine Übergangsregelung gestaltet werden soll. Denn es ist klar, dass die Zoos in Deutschland nicht dazu in der Lage sein werden, alle Tiere sofort zu übernehmen. Außerdem darf die Regelung nicht dazu führen, dass es durch Übergangsfristen zu Hamsterkäufen bei Elefanten kommt.

(Heiterkeit)

- Das muss doch einmal gesagt werden, nicht?

(Beifall bei FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich möchte noch auf die möglicherweise unterschiedlichen Auffassungen zu den Raubkatzen hinweisen. Es ist völlig klar, dass natürlich auch die Raubkatzen dazugehören. Das möchte ich ausdrücklich sagen. Allerdings ist es wohl nach ziemlich intensiven Gesprächen im Bundesrat zu einer Einigung gekommen. Ich glaube, 15 von 16 Ländern haben für diese Regelung, den Antrag der Länder von Hamburg und Hessen, gestimmt; es gab eine Enthaltung. Wenn wir den Katalog in schriftli

(Günther Hildebrand)

cher Form mit diesem Antrag erweitern, gefährden wir möglicherweise die Mehrheit im Bundesrat und hätten möglicherweise nachher nichts in Händen. Das hielte ich für die schlechteste Lösung. Deshalb werden wir die Beschlusslage des Bundesrats mit unserem Antrag unterstützen. Wir können uns abschließend aber sicherlich darauf verständigen, dass es nicht zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den Parteien kommt.

(Beifall bei FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Das Wort hat nun Herr Abgeordneter Detlef Matthiessen von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Haltung von Wildtieren in Zirkussen wird seit Langem kontrovers diskutiert. Mit dem Besuch des Zirkus Krone in Husum, Rendsburg, Kiel, Hamburg, Lübeck und weiteren Städten in Norddeutschland ist das Thema in der Öffentlichkeit wieder hochgekocht. Inzwischen hat der Bundesrat einen Vorstoß gemacht - das kommt in dem Koalitionsantrag zum Ausdruck -, den ich sehr begrüße. Er geht aber aus meiner Sicht nicht weit genug. Das wurde auch schon ausgeführt. Es fehlen entscheidende Tierarten, die im Zirkus leben und eine Rolle spielen, zum Beispiel Seehunde oder Raubkatzen.

Viele Menschen, große und kleine, gehen gern in den Zirkus, weil sie dort etwas erleben, das ihre Gefühlswelt anspricht, das Vergnügen bereitet. Das sind Clownsnummern, das sind Akrobatikkunststücke, aber das sind natürlich auch die Tierdressuren, die das Publikum anrühren und begeistern.

Es ist schon erstaunlich, welche Geschicklichkeit Elefanten an den Tag legen können. Es ist beeindruckend, gefährliche Raubtiere wie Löwen oder Bären aus der nächsten Nähe anzusehen. Das hat auch mich und viele hier im Haus als Kind fasziniert.

Mich hat in der Kindheit auch die Dr.-Doolittle-Geschichte geprägt, die des englischen Tierarztes vielleicht auch für meine Berufsauswahl -, der die Sprachen der Tiere spricht und unter abenteuerlichen Bedingungen die Seehunddame Sophie aus dem Zirkus befreit und ans Meer bringt, damit sie

wieder heim ins Polarmeer zu ihrem geliebten Seehundgatten kann.

Genauso wie wir uns fragen müssen, wie tiergerecht unsere Nutztierhaltung ist, ob das Hundegesetz noch zeitgemäß ist, wie es in unseren Tierheimen aussieht, genauso müssen wir die Situation in der Tierhaltung in den Zirkussen auf den Prüfstand stellen.

Es gibt einen grundsätzlichen Unterschied zwischen Wildtieren und domestizierten Tieren. Der Löwe ist eindeutig ein Wildtier und bleibt es auch, wenn er bereits in Gefangenschaft geboren wurde, in Bezug auf seine Instinkte, seine Bedürfnisse und seine Ansprüche an die Lebensumwelt.

Bei Elefanten kann man sich streiten, zugegebenermaßen, denn Elefanten werden ja zum Beispiel in Indien bereits seit sehr langer Zeit von Menschen gehalten und als Arbeitstiere genutzt. Allerdings ist es allein aufgrund der Größe und Bewegungsbedürfnisse dieser Tiere bei den gegebenen Rahmenbedingungen in Zirkussen mit wenig Platz, viel Herumreisen dort schlichtweg nicht machbar - trotz aller Zuwendung, die die Betreuer aufwenden mögen -, diesen Tieren ein auch nur einigermaßen artgerechtes Unterbringen und Verhalten zu ermöglichen.

Die grüne Bundestagsfraktion fordert seit Langem ein Haltungsverbot bestimmter wildlebender, nicht domestizierter Tierarten im Zirkus und hat dazu auch Anträge gestellt, die bislang aber an SchwarzGelb im Bund gescheitert sind, genauer gesagt man muss schon einmal differenzieren -: im Wesentlichen an der Union.

Die Haltung von Wildtieren im Zirkus läuft grundsätzlich dem Tierschutzgedanken zuwider, wie er im Tierschutzgesetz und vor allem in unserer Verfassung formuliert ist. Das scheint allmählich auch in den Köpfen anzukommen. Das ist gut so. Denn Tierschutz hat Verfassungsrang.

Er ist mit anderen Rechtsgütern, zum Beispiel der Freiheit der Berufsausübung des Artikels 12 unseres Grundgesetzes, gleichgestellt. Auch die Dienstleistungsbestimmungen der EU können nationale Tierschutzbestimmungen nicht hemmen, solange keine Diskriminierung im Wettbewerb verfolgt wird. Das ist erkennbar nicht Ziel und Motiv, auch nicht verkapptes Motiv des Bundesgesetzgebers, wenn er denn endlich zu einem Verbot des Haltens von Wildtieren im Zirkus käme.

Wie immer gibt es nicht nur Gründe für solch ein Gesetz. Es gibt auch Gründe dagegen. Das will ich

(Günther Hildebrand)

nicht verschweigen. Gerade beim Thema Tiere im Zirkus sind diese gut nachvollziehbar. Zirkus, das ist ein Stück unserer Kultur, Zirkus macht glücklich, Zirkus bezaubert und lässt den Alltag vergessen. Jeder von uns trägt Bilder schönster Erinnerung, auch Bilder der Erinnerung an Dressurnummern. Zirkus ist ein Stück unserer Kultur. Das soll auch so bleiben. Viele erfolgreiche Zirkusprojekte zeigen: Es geht auch ohne Wildtiere.

In Spanien war der Stierkampf ein tief verwurzelter Bestandteil der Kultur. Selbst dort verabschiedet man sich davon. Das ethische Empfinden, das kulturelle Denken schreitet fort.

Das drückt sich auch in Änderungen des Tierschutzrechts aus. Das Tier rückt in den Mittelpunkt der Betrachtung. Der Mensch mit seinen Nutzungsansprüchen an das Tier muss sich zurücknehmen. Wildtiere im Zirkus - das ist nicht mehr zeitgemäß.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, ich meine aber, dass die Landespolitik auf dem Weg zu einer bundesgesetzlichen Regelung nicht handlungslos bleiben soll. Ich meine schon, dass auch wir für Zirkusse, die durch Schleswig-Holstein kommen, Reisebücher vorschreiben müssen, dass ein Reiseplan mitgeteilt wird. Da die Veterinärkontrolle durch ständigen Ortswechsel außerordentlich schwierig ist, brauchen wir solche Kontrollbücher und so weiter. Das möchte ich gern im Ausschuss beraten. Ich könnte mir vorstellen, auch aus Gründen des Eilbedürfnisses - ich glaube, am 25. wird im Bundesrat entschieden -, dem Koalitionsantrag zuzustimmen und den Antrag, den wir gestellt haben, dann im Ausschuss weiter zu behandeln.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Für den SSW erteile ich dem Kollegen Flemming Meyer das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie wir jetzt schon mehrmals gehört haben, gab es bereits 2003 hier im Landtag eine Initiative der FDP gegen die Haltung von Wildtieren in Zirkusbetrieben. Der Antrag war sehr umfangreich gefasst, da er sich nicht auf bestimmte Tierarten beschränkte. Ich möchte für den SSW feststel

len, dass sich an unserer Haltung seit damals nichts geändert hat.

Seinerzeit sollte auch über eine Initiative des Landes Hessen im Bundesrat entschieden werden, die ein Verbot von Affen, Elefanten und Bären im Zirkus vorsah. Darüber hinaus wurde die Einrichtung eines Zirkuszentralregisters zur besseren Kontrolle der Tierhaltung gefordert. Das war also vor circa acht Jahren. Wenn ich den heute vorliegenden Antrag sehe, muss ich schlussfolgern, dass sich seitdem nichts an den unzumutbaren Haltungsweisen von Wildtieren in Zirkussen geändert hat.

Wildtiere stellen besonders hohe Ansprüche an ihre Unterbringung, Ernährung und Pflege sowie an die Sachkunde des Halters. Wir wissen, dass diese Ansprüche in einem reisenden Zirkus häufig nicht erfüllt werden können. Einen Großteil ihres Lebens verbringen sie in engen Transportwagen, und die wenigsten Zirkusbetriebe verfügen über geeignete Winterquartiere. Das Resultat sind Bilder von Großkatzen, die in engen Käfigen auf und ab laufen, oder von Elefanten, die angekettet sind und weben. Das sind Verhaltensstörungen, die darauf zurückzuführen sind, dass diese Tiere nicht artgerecht gehalten werden. Darüber hinaus werden Tiere dressiert, Sachen zu machen, die sie in freier Wildbahn niemals machen würden. Tiger springen gewöhnlicherweise nicht durch brennende Reifen, und Elefanten machen auch nicht freiwillig einen Kopfstand. Es geht um nicht domestizierbare Tiere, die in Zirkussen dressiert werden, Dinge zu machen, die wider ihrer Natur sind. Dies ist nicht zu vergleichen mit Hunden, die ihrem Herrchen mit kleinen Kunststücken eine Freude machen wollen.

Wir haben zwar seit 2009 das Zentralregister, dieses wird jedoch von Experten als stumpfes Schwert eingeschätzt, da entscheidende Forderungen nicht aufgenommen wurden. Die hessische Tierschutzbeauftragte weist darauf hin:

„Es hätten bundesweit alle Veterinärämter verpflichtet werden müssen, alle ihre Informationen über einzelne Zirkusbetriebe dort einzutragen. Das ist jedoch nicht geschehen, und so machen manche Ämter Meldung, andere nicht - daher wird es immer ein lückenvolles Register bleiben.“

Mit anderen Worten: Mit dem Register haben wir nichts gewonnen.

Zu einem Verbot bestimmter Tierarten in Zirkussen konnte sich die Bundesregierung bisher nicht durchringen. Immer wieder wurde vonseiten des Bundes auf ein EU-Verfahren gegen das komplet

(Detlef Matthiessen)

te Wildtierverbot in Zirkussen hingewiesen, das in Österreich bereits 2006 eingeführt wurde. Dieses Argument zieht aber nicht. Die Europäische Kommission hat das österreichische Wildtierverbot in Zirkussen als rechtmäßig bewertet und damit eine Beschwerde des Europäischen Zirkusverbandes widerlegt. Neben Österreich haben auch Bulgarien, Dänemark und Polen ein totales Wildtierverbot. In Schweden, Finnland und Ungarn sind bestimmte Tierarten verboten, und das bereits seit Ende der 90er-Jahre. Es geht also doch; denn auch dort gibt es interessante Zirkusse.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Der Tierschutz ist in unserer Verfassung verankert. Wir haben strenge Kontrollen, wenn es um die Haltung und den Transport von Schlachtvieh geht. Dort werden die Kontrollen besser umgesetzt als bei Zirkussen. Vielerorts wird ein Auge zugedrückt, um die örtlichen Gemeinden nicht mit den entstehenden Unterbringungskosten zu belasten. Dies ist doch keine Lösung. Man kann die Gemeinden, die in solchen Fällen ihrer Verpflichtung nachkommen, doch nicht noch zusätzlich bestrafen.

Eine aktuelle Forsa-Studie hat ergeben, dass sich 65 % der Bevölkerung für ein Verbot exotischer Tierarten in Zirkussen aussprechen. Daher sollten wir uns den Anträgen aus Hamburg und Hessen anschließen. Der SSW stimmt den vorliegenden Anträgen zu, denn, so meine ich, die Argumente sind auf unserer Seite.

(Beifall bei SSW und bei der LINKEN)

Vielen Dank. - Für die Fraktion der SPD hat sich die Kollegin Sandra Redmann zu einem Dreiminutenbeitrag gemeldet. - Ich erteile Ihnen hiermit das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hätte lieber auf diesen Dreiminutenbeitrag verzichtet, aber nun geht es leider doch nicht. Wir wollten gern die Ministerin mit einem breiten Votum aus dem Landtag in die Bundesratsdiskussion nach Berlin schicken. Das hat Herr Matthiessen eben ausgeführt. Wir hätten dafür auf einen für uns ganz wichtigen Punkt verzichtet, nämlich die Aufführung der Großkatzen. Das ist offenbar von der CDU-Fraktion nicht gewünscht; ich betone ausdrücklich CDU-Fraktion. Wir wollen unseren An

trag gern in den Ausschuss haben, und dem können Sie nicht folgen. Ich muss ehrlich sagen, das finde ich peinlich.

Wir waren bereit, Ihrem Antrag zuzustimmen, damit die Ministerin im Bundesrat stärker auftreten kann. Das Einzige, was wir wollten, ist, unseren Antrag wiederum in den Ausschuss zu schieben, um dann dort zu diskutieren, ob wir nicht eine landesspezifische Lösung bei uns mit den Kreisveterinären hinbekommen. Dass das jetzt nicht möglich sein soll, obwohl wir uns in dieser Form bewegt haben, lässt mich leider vermuten, dass der CDUFraktion doch nicht daran gelegen ist, hier ein gemeinschaftliches Votum hinzubekommen. Das ist schade, muss ich ehrlich sagen.

(Beifall bei SPD und der LINKEN)

Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich Herrn Abgeordneten Johannes Callsen das Wort.