Protocol of the Session on October 7, 2011

Obwohl ich das alles weiß, sage ich: Wir müssen offen über die Grenzen und über die föderalen Bedingungen, unter denen wir leben, nachdenken. Ich wohne da. Natürlich weiß ich, natürlich wissen wir um die Vorbehalte einer solchen Debatte gerade im nördlichen und im westlichen Landesteil. Deshalb ist der Kampf um die HUSUM Wind kein isolierter Fall. Das Vorgehen der Hamburger Messe und aller anderen Akteure sowie das Achselzucken des Bürgermeisters sind geeignet, die Diskussion über eine zukunftsfähige Aufstellung des Nordens insgesamt zu beenden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb muss man Hamburg deutlich machen, dass das billige Schielen auf den eigenen Vorteil einen hohen Preis haben wird. Wenn die HUSUM Wind eine vertiefte Partnerschaft mit der Hannover Messe eingeht, dann ist das richtig und folgerichtig.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und SSW)

Es ist das eindeutige Signal, dass Kooperationen entweder gegenseitig erfolgen oder eben gar nicht.

Die Enquetekommission hat aktenweise Ansatzpunkte dafür gesammelt, wie und wo wir Synergien aus der Zusammenarbeit ziehen können. In der jüngsten Zeit sind aber noch nicht einmal die Projekte weiter gediehen, die seit Langem in der Röhre sind: eine gemeinsame Förderbank, ein gemeinsa

(Vizepräsidentin Marlies Fritzen)

mes Personalverwaltungssystem, eine gemeinsame Patentverwaltung, Aufsichtsratssitzungen der HSH Nordbank in Kiel; alles Pustekuchen! Von den großen Projekten der Kooperation im Kultur-, Bildungs-, Sozial- und Wirtschaftsbereich ganz zu schweigen. Ich weiß, dass viele Fraktionen gemeinsame Sitzungen mit ihren Hamburger Schwesterfraktionen durchgeführt haben. Aber ich frage: Welche dieser Sitzungen fand in Kiel statt? - Es geht inzwischen um mehr als um die HUSUM Wind. Es geht um eine zukunftsfähige Aufstellung für den Norden insgesamt. Hamburg soll nicht glauben, dass wir allein das Hinterland für die Verbringung des Elbschlicks sind.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU)

Deshalb müssen wir den Kampf um die HUSUM Wind aufnehmen, und wir müssen ihn gewinnen: auf der Regierungsebene, aber auch auf der Ebene der Parteien und Fraktionen.

(Zurufe von der SPD)

Es ist schön, wenn die SPD einen neuen Ausschuss einführen will. Ich hätte es noch schöner gefunden, wenn Sie bei der Gelegenheit Herrn Scholz gesagt hätten, dass er sich Ausschüsse schenken kann, wenn eine hundertprozentige Tochter der Stadt Hamburg, die sich noch in einer bestehenden Kooperation befindet, einfach das abgreift, was in Schleswig-Holstein attraktiv ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Weber?

Ich habe darauf gewartet. Ja.

Ich habe ein bisschen gewartet, um Ihre Rhetorik zu ihrer vollen Entfaltung kommen zu lassen. Herr Kollege Habeck, Sie haben ausgeführt, dass es ein Skandal sei, dass die Hamburger hier etwas Erfolgreiches abgreifen. Können Sie uns erklären, warum die Industrie, die Industrieverbände und der gesamte Bereich der Windenergie - der größere Teil davon - sich ganz in Richtung Hamburg orientieren? Sind Sie

der Auffassung, dass hier marktwirtschaftliche Elemente gar keine Rolle spielen?

- In der Tat bin ich der Auffassung, dass die Politik das Primat der Politik einhalten sollte. Die SPD argumentiert damit, dass die Wirtschaft machen kann, was sie will. Dies halte ich gerade vonseiten der SPD für ein schwieriges Argument.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Herr Minister de Jager, auch Sie werden jetzt zeigen müssen, dass Sie nicht nur brüllen, sondern auch beißen können und nicht ein schwarz-gelber Papiertiger sind. Meine Damen und Herren, wenn die Messe in Husum bleibt, dann geht es weiter, dann geht es vielleicht auch wieder mit der norddeutschen Kooperation voran. Wenn Hamburg sie plattmacht, dann geht mehr kaputt als Arbeitsplätze und Achtung. Deshalb: Hamburg, so geht es nicht!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SSW und vereinzelt bei der FDP)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Jens-Christian Magnussen das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, nach der eben geführten Finanzdebatte ist der Tagesordnungspunkt an dieser Stelle richtig gesetzt. Wir sprechen hier über die wirtschaftliche Entwicklung und über Potenziale von Wertschöpfung. Genau dieses Potenzial bietet dem Land Schleswig-Holstein die HUSUM Wind. Wir sprechen heute über den federführend von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie von den Koalitionsfraktionen CDU und FDP eingebrachten Dringlichkeitsantrag zur HUSUM WindEnergy. Der Erhalt der Messe Husum und der Fortbestand der HUSUM WindEnergy als weltweit führende Windenergiemesse sind für die CDU in Schleswig-Holstein von höchstem Interesse.

Die HUSUM WindEnergy erwartet auch 2012 wieder rund 1.200 Aussteller. Ich glaube, im VDMA sind nur die relativ großen Unternehmen organisiert. Viele kleine und mittelständische Betriebe aus Schleswig-Holstein wie Planungsbüros und alles, was dazugehört, kommen aus Schleswig-Holstein. Sie präsentieren sich in Husum genauso wie die großen Unternehmen.

(Dr. Robert Habeck)

Das sind beeindruckende Zahlen: 36.000 Messebesucher und weltweite Aussteller aus 90 Ländern sind ein Signal der HUSUM Wind, das wir nicht in Richtung Hamburg abgleiten lassen können, ohne uns für den Standort der Husum Wind einzusetzen. Die HUSUM WindEnergy bietet als Schaufenster und Marktplatz zugleich alle zwei Jahre - im Wechsel mit der „Wind“ in Hannover - das wohl beste Umfeld, um neue Geschäftskontakte zu knüpfen und schon bestehende Kontakte weiter zu vertiefen. Seit 1989 wird in Husum Pionierarbeit geleistet. Die erste HUSUM Wind fand 1989 statt. Die HUSUM WindEnergy entstand ab 2007 als Kooperation der Messe Husum und der Hamburg Messe Congress GmbH. Der Standort der Marke HUSUM WindEnergy ist seitdem Husum. HUSUM WindEnergy ist eine kleine Nummer, sie ist nämlich die Nummer eins.

(Beifall bei CDU, FDP und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Dass nun die Marke HUSUM WindEnergy durch die Nichtverlängerung des bis 2012 gültigen Kooperationsvertrags zerstört werden soll, ist vor diesem Hintergrund schwer verständlich. Der VDMA fordert nichts anderes als die vollständige Verlegung und Bündelung der Windenergiemesse in und nach Hamburg auf Kosten der Messestandorte Husum und Hannover. Dabei stelle ich nicht die Vertragsfreiheit eines privatwirtschaftlich finanzierten Branchenverbands infrage, der hier versucht, seine finanziellen Spielräume auszuloten.

Gänzlich unverständlich wird diese Geschichte erst durch das Verhalten der Hamburg Messe Congress GmbH. Die Messe Hamburg ist nach wie vor Mitausrichter und damit Kooperationspartner der HUSUM WindEnergy. Die Eigentümerin der Hamburg Messe Congress GmbH ist die stadteigene Konzernholding, also die Freie und Hansestadt Hamburg. Wenn das so ist, dann frage nicht nur ich mich in diesem Zusammenhang, welche Rolle der Vorstand beziehungsweise die Geschäftsführung der Hamburg Messe Congress GmbH bei dieser Geschichte gespielt hat und auch jetzt noch spielt, wenn diese in dieser Angelegenheit samt VDMA beim Hamburg Wirtschaftssenator Horch vorstellig geworden sind.

Dass dann auch noch der parteilose hamburgische Wirtschaftssenator Horch dieses Ansinnen aufgreift und sich unter Einbeziehung des Senats und des Ersten Bürgermeisters Olaf Scholz in einem Brief an die Windindustrie mit Nachdruck initiativ für einen neuen Windenergiemessestandort Hamburg einsetzt, ohne mit dem Kooperationspartner Rück

sprache zu halten, vermag man im ersten Augenblick nicht zu glauben. Er begründet dieses Vorgehen mit dem Versuch, die Messe in Norddeutschland halten zu wollen. Er stellt dies auch als Chance für den Messestandort Husum dar. Das ist an Scheinheiligkeit kaum zu überbieten.

(Beifall bei CDU, FDP und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

An den nicht vorhandenen Perspektiven in Husum kann es nicht liegen. Gerade einmal vor drei Wochen hat der internationale Branchenverband Global Wind/Energy Council seine Partnerschaft mit der HUSUM WindEnergy um zwei Jahre verlängert. Die Hamburger SPD nimmt durch ihr Vorgehen nicht nur billigend in Kauf, dass eine funktionierende, wachstumsorientierte Kooperation zwischen den beiden Messestandorten Hamburg und Husum auf Jahre hinaus zerstört wird, sondern auch, dass in Schleswig-Holstein Arbeitsplätze gefährdet werden.

Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Schluss kommen. Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Das ist ein sehr umfangreiches Thema. Ich versuche aber, das, was noch verbleibt, in Kurzform zusammenzufassen. Ich kann mich sonst noch einmal zu einem Dreiminutenbeitrag melden. Ich möchte an dieser Stelle nur noch anführen, dass die Notwendigkeit des Verfahrens vom Ministerpräsidenten sofort erkannt und aufgenommen wurde. Gespräche zwischen Husum, Hannover und der Landesregierung stehen in der nächsten Woche an. Die CDU wird diese Gespräche zeitnah mit der Husum Messe fortführen. Für uns ist wichtig: Die CDU Schleswig-Holstein steht weiterhin zum Messestandort Husum, und sie wird weiterhin dafür kämpfen.

Schleswig-Holstein ist mehr als nur Ausgleichsfläche für Hamburg.

(Beifall bei der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, begrüßen Sie bitte mit mir auf der Tribüne Mitglieder der Seniorenunion Leck. - Herzlich willkommen in Kiel im Landeshaus!

(Beifall)

(Jens-Christian Magnussen)

Das Wort für die SPD-Fraktion hat nun die Kollegin Marion Sellier.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Messestandort Husum muss wettbewerbsfähig werden. Gehen wir einmal chronologisch vor!

Mit großer Verwunderung haben wir den Dringlichkeitsantrag der Grünen wahrgenommen und uns letztlich entschlossen, zwar der gefühlten Dringlichkeit zuzustimmen, aber einen eigenen Antrag in der Sache zu stellen. Der aus dem Ursprungsantrag hervorgehende Grundton, mit dem alle Fraktionen des Hauses aufgefordert werden, zum Marsch nach Hamburg aufzubrechen,

(Dr. Robert Habeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben telefoniert!)

um dort in bilateralen Gesprächen mit den Hamburger Kolleginnen und Kollegen Fairness in der norddeutschen Kooperation einzufordern, wird von meiner Fraktion nicht geteilt.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Keine Kommunikation über die Gren- zen hinweg?)

- Es gibt zwar Kommunikation, aber nicht in dieser Form.

Es ist ein in der Geschichte oft angewandter Trick, von inneren Problemen mit dem Hinweis auf einen Feind von außen abzulenken.

(Beifall bei der SPD - Christopher Vogt [FDP]: Das kann ja wohl nicht angehen!)

Das klingt ein bisschen wie der abgewandelte Dithmarscher Kampfruf: „Wahr di, Hamburg, de Buer de kümmt.“ Einen solchen Appell hätte ich von den geschätzten Kolleginnen und Kollegen der Grünen nicht erwartet. Von Ihnen sind wir eigentlich Konzepte und klare Vorstellungen gewohnt.

(Beifall bei der SPD - Unruhe - Christopher Vogt [FDP]: Das ist etwas, was der SPD völ- lig abgeht!)