Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Herzlichen Dank, Herr Ministerpräsident, für den Bericht. Lieber Kollege Voß, vielen Dank für den Antrag, der uns heute die Gele
genheit gibt, in Erinnerung zu rufen, wie wichtig die Strukturfonds der Europäischen Union für uns sind.
Sie sprachen es an. In der letzten Förderperiode 2007 bis 2014 - also in sieben Jahren - waren es 800 Millionen €. Das sind pro Jahr etwas über 110 Millionen €. Wer unsere Finanzlage kennt, weiß, wie wichtig dieses Geld ist und wie sinnvoll es sicherlich in vielen Projekten zum Einsatz kommt. Es ist es also absolut wert, darüber eine Debatte zu führen, und zwar nicht nur heute, sondern sie auch im Ausschuss weiterzuführen. Darum kann ich schon einmal sagen, dass ich anschließend auch die Ausschussüberweisung beantragen werde.
Sie haben ein Problem in Ihren Anträgen, nämlich das Problem, dass Sie sich ausschließlich mit der Ausrichtung der europäischen Programme beschäftigen. Es gibt ein viel größeres Problem - das kann ich Ihnen als jemand sagen, der viereinhalb Jahre mit der Umsetzung beschäftigt war -, nämlich die Implementierung bei uns in Schleswig-Holstein. Ich nenne Ihnen verschiedene Punkte. Sie können sie übrigens auch in der aktuellen Parlamentsentschließung des Europäischen Parlaments vom 27. September 2011 nachlesen. Dort hat man sich nämlich mit den Problemen und den Lehren aus der Vergangenheit beschäftigt und aus vielen Regionen Best-Practice-Beispiele, aber eben auch negative Auswirkungen zusammengetragen.
Ein Hauptproblem - nicht nur bei uns - ist nach wie vor die unzureichende Möglichkeit der Kofinanzierung. Da wird uns das Mittel, das Sie eben angesprochen haben - die revolvierenden Fonds -, nur etwas bei direktinvestiven Ausgaben im Bereich von Unternehmen nützen. Das ist aber nur ein ganz kleiner Anteil der Gelder, die wir ausgeben. Ein Großteil - beispielsweise im Umweltbereich und im Agrarbereich - werden nicht kofinanziert durch Unternehmen, sondern durch Vereinigungen und Verbände. Wenn es da in Haushalten an Geld fehlt, dann nützen Ihnen Ihre revolvierenden Fonds gar nichts, sondern wir brauchen eine viel größere Flexibilität auch bei der Zulassung privater Mittel. Es muss eine ganz zentrale Forderung gerade von uns werden, die wir hier doch im Augenblick klamme Haushaltsjahre vor uns haben.
Wir brauchen eine stärkere Einbeziehung bei der Erstellung der operationalen Programme. Das macht nämlich im Augenblick die Verwaltungsebene der EU ganz allein. Hier brauchen wir frühzeitig den Sachverstand der Mitarbeiterinnen und Mitar
beiter unserer Ministerien. Wir brauchen endlich ein vernünftiges Verhältnis zwischen Umfang der Mittelverwendung und Kontrolle. Sie haben immer wieder dieselben Kontrollmechanismen, egal, ob das ganz kleine Beträge sind - 20.000 €, die Sie an einen Verband auszahlen - oder ob Sie 20 Millionen € geben. Der Verwaltungsaufwand und der Kontrollaufwand ist der gleiche. Hier müssen wir viel mehr Wert darauf legen, dass das vernünftig geregelt wird.
Wir brauchen auch ein Stück mehr Flexibilität. Da stoßen mir doch ein oder zwei Punkte im Antrag auf. Wenn Sie klare Prioritätensetzung in Wettbewerbsregionen für Energieeffizienz, erneuerbare Energien und Wettbewerbsfähigkeit von kleinen und mittleren Unternehmen und Innovationen ansprechen, dann finde ich das richtig. Ich finde, man muss darüber reden können, dass das Schwerpunkte für Schleswig-Holstein werden. Warum Sie aber glauben, dass das Schwerpunkte überall in Europa sein müssen und wir uns auf europäischer Ebene dafür einsetzen müssen, ist mir überhaupt nicht klar. Unsere Region hier braucht doch andere Prioritäten, als es vielleicht eine wettbewerbsfähige Region in Spanien oder Italien braucht.
Das muss doch Inhalt unserer Programmausgestaltung sein. Darum sollten wir nicht dafür kämpfen, dass sich die Europäische Union frühzeitig präzise festlegt, sondern dass wir möglichst viel Flexibilität auch in den Instrumenten haben, um sie bei uns für diese Prioritätensetzung auszunutzen.
Ich sage Ihnen auch aus der Erfahrung des Bottomup-Ansatzes, dass wir diesen Ansatz der Beteiligung der Zivilgesellschaft an den Prozessen und den Ansatz, möglichst viele Vereine und Verbände ins Boot zu holen, wie bei der Umsetzung von ELER, in möglichst vielen europäischen Programmen brauchen. Wir sollten uns hier in SchleswigHolstein dafür einsetzen, dass das Realität wird. Es gibt eine Menge Dinge, die wir umsetzen können und wo wir agieren können.
Ich will aber noch zwei oder drei Sachen zu den Inhalten sagen, die Sie vorgebracht haben. Ich glaube, dass wir sicherlich die Strategie 2020 berücksichtigen müssen. Aber ich will Ihnen auch vorlesen, was das Europäische Parlament in seiner Entscheidung und Entschließung vom 5. Juli 2011 zum Fünften
Kohäsionsbericht gesagt hat. Da steht - ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin - unter Punkt 18, dass
„die Kohäsionspolitik nicht zu einem Hilfsmittel oder Instrument werden darf, das sektorbezogene Fragen wie zum Beispiel der Forschungs- und Entwicklungspolitik, der industriellen Innovation oder dem Kampf gegen den Klimawandel dient, da dies die Gefahr in sich bergen könnte, dass ihr Hauptziel verwässert wird, das darin besteht, die Entwicklung des Potenzials der Region zu fördern ….“
Darum müssen wir schon aufpassen, dass wir jetzt nicht die Strukturfonds und Kohäsionsfonds dafür nutzen, einzelne, spezifische Programme, die wir uns vielleicht wünschen - auch an einem lokalen Kontext - hier in einer Art und Weise zu implementieren, dass sie den Gesamtzusammenhang verwischen.
Darum unterstützen wir natürlich die Strategie 2020. Aber eine flächendeckende Europäisierung beispielsweise der Kulturpolitik oder der Bildungspolitik wird es sicherlich mit uns in dieser Art und Weise nicht geben. Sie sehen also, dass es viel Beratungs- und Debattenbedarf gibt. Dem wollen wir gern nachkommen.
Noch eine Sache zum Schluss: Ich weiß, wie schwierig es ist, die Förderperioden vernünftig aufeinander abzustimmen. Die eine läuft aus und die andere beginnt. Meist stimmen die Finanzierungsinstrumente in der Zwischenzeit noch nicht. Da wird in den EU-Zahlstellen, den Verwaltungen der einzelnen Ministerien Unglaubliches geleistet. An so einem Tag wie heute will ich auch einmal Dank an all die Referatsleiter und Referenten sagen, die in diesen Referaten arbeiten und sonst hier nie vorkommen, weil es nie eine Beratung oder große Debatte im Parlament gibt. Heute ist einmal die Gelegenheit, herzlichen Dank an die Häuser zu sagen, die dort wirklich Tolles leisten.
Zur Information: Der Ministerpräsident hatte seine Redezeit um 2 Minuten 30 Sekunden überschritten. Diese Zeit steht allen Fraktionen zur Verfügung. Wir sind deswegen eben in beiden Beiträgen entsprechend großzügig gewesen. Aber zur Information an alle: Sie haben genügend Zeit zur Verfügung.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, vielen Dank für den Bericht und vielen Dank für die 2 Minuten 30 Sekunden, die wir jetzt länger über dieses wichtige Thema reden können.
Ich habe immer das Problem, dass ich mit meiner Zeit nicht auskomme und es noch so viel zu sagen gibt.
Durch das heute von der Europäischen Kommission vorgelegte Gesetzespaket zur Neugestaltung der Strukturfondsförderung ist klar, dass für die neue Planungsperiode ab 2014 erstens weniger Mittel insgesamt zur Verfügung stehen und zweitens ein größerer Anteil der Strukturfondsmittel in die neuen Beitrittsländer gehen wird; drittens wird es eine Verschiebung innerhalb der Fonds geben.
Die Finanzmittel sollen auf einige wenige strategische Prioritäten und auf die Ziele von Europa 2020 konzentriert werden. Ein Anreizsystem, ein System von Konditionalitäten soll Effizienz, Effektivität und Leistungsfähigkeit der Programme steigern.
Im Rahmen der Konsultationsprozesse zur Zukunft der europäischen Kohäsionspolitik hat es einen umfangreichen Katalog von Stellungnahmen gegeben. Die Landesregierung hatte die Möglichkeit der Ministerpräsident hat darauf hingewiesen -, schleswig-holsteinische Interessen in die Stellungnahme der Länder einzubringen. Dies ist sicherlich in der Gewichtung der für Schleswig-Holstein wichtigen INTERREG-Programme oder in der Protokollnotiz, die der Ministerpräsident erwähnt hat, von Hamburg und Schleswig-Holstein zur Förderung von Metropolregionen im Ansatz gelungen.
Es gibt aber noch eine ganze Reihe von Punkten, bei denen wir erst am Anfang der Diskussionen stehen. So lehnen zum Beispiel die Länder - Herr von Boetticher hat das Thema Kofinanzierung angesprochen - die Absenkung der bisherigen Kofinanzierungshöchstsätze der EU auf unter 50 % ab. Die Bundesregierung allerdings begrüßt die Überprüfung der Kofinanzierungssätze als einen Beitrag zur Steigerung der Effizienz. Diesen Widerspruch
Auch die Frage der Übergangsregionen und Zwischenkategorien ist nach meiner Einschätzung aus schleswig-holsteinischer Sicht nicht unbedingt positiv zu bewerten, weil es innerhalb der Regionen zu deutlichen Wettbewerbsverzerrungen kommen kann. Wir erleben das jetzt schon in der Konkurrenz zwischen Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern.
Das, was mir in der ganzen Debatte fehlt und mich im Zuge der fortschreitenden Diskussion über die Zukunft der Strukturfonds zunehmend beunruhigt da bin ich ganz an der Seite der Kollegen von den Grünen -, ist eine Gesamtkonzeption und eine abgestimmte Strategie der Landesregierung, wie sich Schleswig-Holstein in der zukünftigen Debatte positionieren will. Zuerst die Vorstellungen der Kommission abzuwarten und dann eigene Vorstellungen zu entwickeln, halte ich für den falschen Weg. So viel Zeit haben wir nicht mehr. Die Zeit drängt. Die Vorschläge werden jetzt im Rat und im Europäischen Parlament beraten und sollen Ende 2012 angenommen werden. Damit sind Vorfestlegungen getroffen. Dinge, die da beschlossen wurden, macht man nur schwer wieder rückgängig.
Es muss also eine Gesamtstrategie der Strukturfondsförderung für Schleswig-Holstein aus Sicht unserer Interessen geben. Dies sollte folgende Sachverhalte berücksichtigen: Die Kohäsionspolitik ist ein zentrales Element, um einen gemeinsamen Wohlstandsraum zu schaffen. Dies gilt nicht nur für die zwischenstaatliche Ebene, sondern auch ganz besonders für die regionale Ebene. Besonders in den jetzigen Zeiten von Wirtschafts- und Finanzkrisen sind Fördermittel entscheidend, die eine Wirkung über den Tag hinaus entfalten und nicht nur im Hinblick auf wirtschaftliche Erfolge, sondern auch zur sozialen Sicherung und Absicherung einen Beitrag leisten.
Dies bedingt eine ganz klare Ausrichtung der Programme auf die Prioritäten Wissen und Innovation stärken, Ausbildung verbessern, Chancen sichern und Arbeit schaffen, den sozialen Zusammenhalt stärken sowie Daseinsvorsorge gewährleisten. Eine Stärkung und flexible Ausrichtung - da bin ich ganz auf Ihrer Seite, Herr von Boetticher des ESF, auch in der Priorität Wissen und Innovation ist dazu eine wichtige Voraussetzung.
Die Nutzung von Synergieeffekten zwischen den Programmen und einzelnen Zielen wird den Wirkungsgrad der Förderung erhöhen. Das geplante Programm Connecting Europe zum Beispiel, in dem 40 Milliarden € für große Infrastrukturprojekte vorgesehen sind, beinhaltet für Schleswig-Holstein große Chancen bei dem Ausbau der Netzstrukturen für erneuerbare Energien, aber auch beim Ausbau der Hafenhinterlandanbindung.
Das Thema Stadtförderung und Stadt-Land-Beziehungen hat für uns auch eine große Bedeutung. Die Hamburger Studie zum Entwicklungspotenzial im Ostseeraum bescheinigt gerade den Städten eine besondere Dynamik, die nicht in Konkurrenz zum ländlichen Raum steht, sondern auch Wachstumsimpulse für das Umland entfalten kann. Das ist eine ganz interessante Förderrichtung, weil sie uns von dem Gießkannenprinzip wegbringt, mit dem wir Fördermittel über das ganze Land ausstreuen. Sie sehen also, es gibt viele offene Fragen. Es besteht die dringende Notwendigkeit, Konzepte für unser Land zu entwickeln, wenn wir die speziellen Bedarfe Schleswig-Holsteins in die zukünftige Ausgestaltung der EU-Strukturpolitik einbringen wollen und auch weiterhin maximal von der Förderung profitieren wollen.
Herr Ministerpräsident, Sie haben uns heute die allgemeinen Überlegungen aus den Stellungnahmen vorgetragen. Die sind sicherlich wichtig und gut. Ich hätte mir gewünscht, wenn es ein bisschen in die Zukunft gerichtet noch weitere Konkretisierungen über eine strategische Ausrichtung gegeben hätte. Die haben wir heute leider wieder nicht gehört. Ich würde mir wünschen, dass wir in der weiteren Beratung gemeinsam ein Stück vorankommen, und stimme der Überweisung des Antrags an den Ausschuss zu.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vielen Dank, Herr Kollege Eichstädt, für die Vorschusslorbeeren. Das war nicht zu Unrecht. Ich danke auch dem Ministerpräsidenten für seinen Bericht. Es ist bei dem Bericht deutlich geworden, dass sich die Landesregierung sehr umfassend mit dem Thema auseinandersetzt und die Interessen SchleswigHolsteins bei den stattfindenden Diskussionen auch sehr gut vertritt.
Es geht bei den Strukturfonds der EU in der Tat um sehr hohe Finanzmittel für unser Land, die wir an verschiedenen Stellen auch nach 2013 dringend brauchen werden. Die Strukturpolitik wird auch bei der Umsetzung der Europa-2020-Strategie eine wichtige Rolle spielen. Da sich der Umfang der europäischen Mittel wahrscheinlich nicht erhöhen wird, sieht es danach aus, dass wir als wettbewerbsfähige Region innerhalb der EU nach 2013 mit Abstrichen, wahrscheinlich vor allem bei den EFREMitteln, zu rechnen haben. Es gilt also, angesichts unserer schwierigen finanziellen Situation für unser Land das Beste herauszuholen.
Dabei müssen wir auch über das Thema Kofinanzierung sprechen. Der Ministerpräsident hatte bereits Anfang 2010 hier im Landtag sehr offen bekannt, dass wir zukünftig nicht mehr alle EU-Programme werden kofinanzieren können. Damit stehen wir in Europa nicht allein da.
Die von der Landesregierung genannten Ziele bei der Kohäsionspolitik teilen und unterstützen wir ganz ausdrücklich. Meiner Fraktion ist es wichtig, dass wir auch nach der Neuausrichtung der Kohäsionspolitik weiterhin Mittel zur Schaffung von Arbeitsplätzen, zur Förderung von nachhaltigen Investitionen und zur Modernisierung unseres Landes erhalten, die wir dann auch kofinanzieren können. Die vorgesehenen Mittel - es wurde schon gesagt betragen in dieser Periode etwa 800 Millionen €, 373 Millionen € für den Bereich EFRE, im ESFBereich sind es rund 100 Millionen € und im ELER-Bereich sind es in etwa 302 Millionen €. Die vorgesehenen Mittel kann das Land Schleswig-Holstein wahrscheinlich auch weitestgehend abrufen. Sie verdeutlichen uns, dass die regionale Strukturpolitik in Schleswig-Holstein eigentlich nur noch durch die bestehenden EU-Strukturfonds möglich ist.