Protocol of the Session on October 6, 2011

Wenn Herr Lauterbach von der SPD am GKV-Versorgungsstrukturgesetz die zu deutliche Handschrift der Kassenärztlichen Vereinigungen kritisiert, ist dies nicht verwunderlich, verfolgte doch die SPD eine eher zentralistische Gesundheitspolitik und plädierte sogar für die Abschaffung der Kassenärztlichen Vereinigungen. Wir, CDU und FDP, stehen für eine Politik, die die Freiberuflichkeit der Ärztinnen und Ärzte stärkt und sektorenübergreifende Zusammenarbeit dort fördert, wo sie dem Patientenwohl dient.

Vor diesem Hintergrund ist auch die Neugestaltung des § 116 b mit seinen Regelungen zur spezialärztlichen Versorgung kritisch zu hinterfragen. Hier bedarf es einer eindeutigen Regelung, die nicht zulasten niedergelassener Fachärzte geht.

Wir nehmen auch die Sorge der Psychotherapeuten ernst, dass sich durch das GKV-Versorgungsstrukturgesetz die Versorgungssituation der psychisch Kranken weiter verschlechtern könnte, und bitten die Landesregierung und die Selbstverwaltung, besonderes Augenmerk auf die psychotherapeutische Versorgungssituation zu richten.

Es gibt noch viele Detailfragen zu klären. Wir begrüßen, dass alle Akteure im Gesundheitswesen Stellung beziehen und Verbesserungsvorschläge machen, damit wir dem großen Ziel der dauerhaften Sicherstellung der medizinischen und pflegerischen Versorgung ein Stück näher kommen.

Der SPD-Antrag zur Weiterentwicklung der Versorgungsstrukturen im Gesundheitswesen ist nun durch einen gemeinsamen Antrag mit der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ersetzt worden. Er hat dadurch zwar leicht an Qualität gewonnen, enthält aber nichts Neues. Dass über die Eselsbrücke

(Minister Dr. Heiner Garg)

des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes die Bürgerversicherung schrittweise eingeführt werden soll, wundert mich nicht.

Bezüglich des viel zitierten Landesbasisfallwertes verweise ich auf den Auszug aus dem Bundesratsverfahren; das betrifft die Sondersitzung des Gesundheitsausschusses am 14. September 2011. Neben einigen anderen Anträgen zum GKV-Versorgungsstrukturgesetz hat Schleswig-Holstein erneut die Angleichung an einen bundeseinheitlichen Basisfallwert gefordert. Wir dürfen sicher sein, dass dies weiterhin ein zentrales Anliegen der Landesregierung und auch von uns bleiben wird.

Der Bericht des Ministers bestätigt, dass die wesentliche Frage nach der Stärkung der Länderkompetenz Inhalt des Gesetzes ist. Das GKV-Versorgungsstrukturgesetz soll am 1. Januar 2012 in Kraft treten. Diese Zeit werden wir nutzen und gegebenenfalls über die bereits von der Landesregierung eingebrachten Anträge hinaus an Verbesserungsvorschlägen mitwirken.

Wir lehnen den Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD aus den genannten Gründen ab, weil - wie gesagt - die Punkte, die dort angemahnt werden, schon im Gesetz zum Ausdruck kommen und die anderen Punkte bereits zuvor behandelt wurden.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das Wort hat nun Herr Abgeordneter Bernd Heinemann von der Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, zunächst einmal herzlichen Dank für Ihren Bericht. Ich hoffe, die Versorgung wird wirklich besser. Das GKV-Versorgungsstrukturgesetz birgt in den bisher vorliegenden Inhalten einige Flexibilisierungen und bietet Chancen. Das haben Sie eindrucksvoll geschildert, Herr Minister. Geplant ist allerdings eine eierlegende Wollmilchsau, und das fast geschenkt. Wenigen im Gesetzentwurf genannten Kostenfaktoren stehen weitreichende optimistische Einsparvisionen durch weniger Behandlungen gegenüber. Da können wir uns wirklich freuen.

Einzig Finanzminister Schäuble macht in seiner Bewertung die Kostenrisiken deutlich: Heilmitteldauerverordnung, Entlassungsmanagement, Zuschläge für besondere Leistungen, Wegfall der Abstaffe

lung von Arzthonoraren, Aufhebung der Grundlohnanbindung bei zahnärztlichen Vergütungen, neue spezialärztliche Versorgungsbereiche ohne Budgetierung, neue Abrechnungsziffern zum Beispiel für Telemedizin und, und, und. Manches ist wirklich sinnvoll.

Der FDP-Bundesgesundheitsminister spricht über Kosten von „nur“ 320 Millionen €, sagen wir einmal: ein Schnäppchen. Wir sind begeistert, sehr begrenzt, toll. Aber der CDU-Bundesfinanzminister kalkuliert mit 4 Milliarden € plus x. Das ist deutlich solider kalkuliert, meine Damen und Herren. Im Gesetzentwurf bleiben die Risiken und die Finanzierung im Dunkeln. Hier ist unser Bundesfinanzminister schlau, denn er hat den Bundeshaushalt gegen einen steigenden Sozialausgleich für die Zusatzbeiträge abgesichert. Das hat er in dieses Gesetz hineindiktiert. Mehrkosten dürfen den Bundeshaushalt nicht belasten.

Nun möchte man die liberalen Gesundheitsminister in Land und Bund fragen: Was machen wir denn nun? Verlierer sind die Beitragszahler, vor allem die Menschen mit geringem Einkommen, die Rentner, also die, die sich nur schwer wehren können. Sie müssen nämlich die gewollten Zusatzbeiträge, die jetzt anstehen, bezahlen, die für die weiteren neuen Kosten und Risiken aufzubringen sind.

Jetzt sollen die Beitragszahler auch noch selbst für den Sozialausgleich derjenigen aufkommen, die durch die sozialen Zusatzbeiträge überfordert werden. Minister Rösler hat den Sozialausgleich aus Steuermitteln versprochen. Da hat er sich wohl versprochen. Denn die Versicherten zahlen jetzt selbst. Die Menschen und nicht nur die unteren Einkommensgruppen werden immer weniger Netto vom Brutto haben, meine Damen und Herren. Wir Sozialdemokraten werden das ändern mit einer leistungsfähigen Bürgerversicherung aus allen Einnahmen, solidarisch, paritätisch und gerecht finanziert.

(Beifall bei der SPD)

Das werden wir tun, unterstützt von einem einheitlichen Basisfallwert. Mehrheiten können sich ändern. Gerecht bedeutet auch - das will ich hier durchaus sagen - gleicher Lohn für gleiche Arbeit bei stationären und ambulanten Ärzten, und zwar von GKV und privater Krankenversicherung gleichermaßen.

(Beifall der Abgeordneten Ranka Prante [DIE LINKE])

(Ursula Sassen)

Das Gesetz wäre auch eine gute Gelegenheit gewesen, eine Alternative zur jetzigen Ausgestaltung der Berufshaftpflicht für alle Gesundheitsberufe zu schaffen. Die Hebammen sind nämlich nur die Spitze des Eisbergs.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Über das neue Entlassungsmanagement freuen wir uns, aber was das für die Praxis in den Krankenhäusern und die Finanzierung bedeutet, bleibt schlicht im Nebel. Die Krankenhäuser haben im Normalfall die Verantwortung. Schön. Aber der Gesetzgeber muss auch beachten, dass die niedergelassenen Ärzte die notwendigen Verordnungen grundsätzlich nur nach persönlicher Untersuchung realisieren können. Nicht überall kann das so funktionieren wie in der Westküstenklinik, die ich gerade besucht habe, wo man kooperiert und dieses Problem gemeinsam - frei praktizierend und stationär lösen will.

Der Informationsaustausch zwischen Krankenhaus, niedergelassenem Arzt und anderen Leistungserbringern ist zwar möglich, aber nicht verbindlich geregelt, weder mit den Hilfsmittelerbringern noch mit den ambulanten Pflegediensten, selbst Richtlinien des gemeinsamen Bundesausschusses hierzu - Fehlanzeige.

Und was ist mit der Entscheidungsfreiheit der Patienten? Wer informiert die Patienten im Rahmen des Entlassungsmanagements über die relevanten ambulanten Behandlungsmöglichkeiten in den Regionen? Vielleicht große private Krankenhäuser mit einladenden Ambulanzen, alles offen? Herr Minister, Privatmonopole sind auch zentral - sehr zentral.

Wenn wir das Problem der ärztlichen Unterversorgung wirklich lösen wollen, müssen wir auch die Überversorgung im Blick behalten, sonst werden bei sehr knappen neu ausgebildeten Allgemeinmedizinerinnen mit Teilzeitarbeitswünschen immer mehr Ärzte benötigt, weil die Überversorgung eben erhalten bleibt. Kauft die KV wirklich Praxen auf, um sie vom Markt zu nehmen? Wir sind gespannt.

Zuschläge dürfen jedenfalls nicht einseitig erhalten bleiben, während Abschläge gestrichen werden. Stattdessen sollte alles getan werden, um die Zusammenarbeit aller Gesundheitsberufe in allen Sektoren zu fördern. Dies gilt besonders für die strukturschwachen Regionen.

Das Gesetz, wie es jetzt vorliegt, ist keine echte Hilfe. Es setzt Fehlanreize zur weiteren Mengenexpansion und zum Konkurrenzkampf zwischen

Sektoren und Berufen. Das GKV-Versorgungsstrukturgesetz ist in der jetzigen Form unklar und schwach. Herr Minister, Ihr Doc-Mobil ist in Schleswig-Holstein schon jetzt gescheitert. Die Ärzte verweigern sich schlicht. Mobilität geht auch anders.

Was wir für die Versorgung in Schleswig-Holstein brauchen, ist eine Versorgung, die sich am Bedarf ausrichtet und für die älter werdende Bevölkerung erreichbar ist. Dafür müssen wir stärker die Sektoren überwinden und Haus- und Fachärzte gegebenenfalls mit Anreizen, übrigens auch der Kommunen, unter einen Hut bringen.

(Beifall der Abgeordneten Ranka Prante [DIE LINKE])

Es darf nicht sein, dass das Einzige, mit dem fest zu rechnen ist, die höheren Honorare und die steigenden Kosten für die Versicherten sind.

(Beifall bei SPD, der LINKEN und SSW)

Deshalb wollen wir die richtigen Anreize auf echter Augenhöhe setzen und eine glaubwürdige Gegenfinanzierung auf den Weg bringen, mit mehr Mitwirkung der Länder, nicht am Katzentisch, sondern wirklich gestalterisch. Stimmen Sie unserem Antrag zu! Machen wir unseren Gesundheitsminister mit diesem Auftrag stark!

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und SSW)

Für die Fraktion der FDP erteile ich Frau Kollegin Anita Klahn das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Minister Dr. Garg, vielen Dank für den ausführlichen Bericht und die Erläuterungen zum bundeseinheitlichen Basisfallwert. Ich glaube, jetzt haben es endlich alle verstanden. Ansonsten verweise ich auf die ergänzenden Antworten der Kollegin Sassen.

Meine Damen und Herren, trotz aller teilweise auch gerechtfertigten Kritik hat Deutschland eines der besten Gesundheitssysteme der Welt: Freie Arztwahl, freie Krankenhauswahl, Therapiefreiheit und freie Wahl der Krankenkassen sind Stärken unseres Gesundheitssystems. Wir alle haben ein Interesse daran, dass es so bleibt. Reformen sind daher notwendig, um eine zukunftssichere Versorgung zu gewährleisten.

(Bernd Heinemann)

Die Sozialdemokratie wollte die Probleme durch mehr Planwirtschaft lösen, hat aber mehr Probleme erzeugt.

(Zurufe von der SPD)

Planwirtschaftliche Vorgaben machen nicht Arzttätigkeit und schon gar nicht den Landarztberuf attraktiver. Dabei ist die flächendeckende Versorgung eines unserer drängendsten Probleme, wie wir gerade letztens bei einem Treffen der KVSH und der Studenten wieder gehört haben.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Baasch [SPD])

FDP und CDU haben mit dem GKV-Finanzierngsgesetz beziehungsweise mit dem Entwurf des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes begonnen, die Fehler der Vergangenheit zu beheben. Mit dem neuen Gesetz wird sich die Versorgung der Patientinnen und Patienten besonders in der Fläche maßgeblich verbessern. Die Bedarfsplanung wird reformiert, neue Versorgungsstrukturen jenseits der klassischen Praxismodelle werden ermöglicht, die wohnortnahe medizinische Versorgung bleibt erhalten. Es kommt weiterhin zu einer besseren Verzahnung zwischen ambulantem und stationärem Bereich. Die Rahmenbedingungen für Ärzte werden allgemein verbessert. Vielleicht nehmen das auch die Kollegen der SPD zur Kenntnis.

Meine Damen und Herren, die wichtigste Aufgabe und aus liberaler Sicht längst überfällig ist eine Regionalisierung und Flexibilisierung der Bedarfsplanung. Fachlich wird dies bereits seit Jahren gefordert. Wir haben es aufgegriffen und setzen es jetzt um. In diesem Zusammenhang danke ich dem stellvertretenden Ministerpräsidenten, Dr. Garg, für sein Engagement in Berlin. Auch durch seinen Einsatz auf Bundesebene konnten die Einwirkungsmöglichkeiten der Länder erweitert werden.

Insofern irritiert mich der Antrag der SPD und mittlerweile auch der Grünen. Sie schreiben, die Länder sollten ein Mitberatungsrecht bei Beschlüssen zur Versorgungsplanung erhalten. Ich frage mich, warum dies nicht schon unter Ulla Schmidt in Angriff genommen wurde, wenn es für die SPD schon immer wichtig war. Zum anderen erhalten die Länder nach § 92 SGB V zukünftig ein Mitberatungsrecht bei den Beratungen des Gemeinsamen Bundesausschusse zu Fragen der Bedarfsplanung, und zusätzlich erhalten die regionalen Gremien, also zum Beispiel die KVSH als unmittelbar Beteiligte, durch § 99 SGB V den erforderlichen Spielraum, um auch die regionale Bedarfsplanung an den tatsächlichen Bedarf anzupassen. Das hat Herr

Dr. Garg in seinem Bericht vorhin ebenfalls deutlich dargestellt.

Meine Kollegen von der SPD und von den Grünen, ich darf also feststellen: Die Forderungen Ihres Antrags sind erfüllt. Es gilt hier der alte Lehrsatz: Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung. Auch Ihnen hätte vielleicht ein Blick in den Gesetzentwurf geholfen.

(Beifall bei der FDP)