Protocol of the Session on October 6, 2011

(Beifall beim SSW sowie vereinzelt bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LIN- KEN)

(Anke Spoorendonk)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Mir liegen zwei Meldungen zu Dreiminutenbeiträgen vor. Ich erteile zunächst dem Herrn Abgeordneten Ulrich Schippels von der Fraktion DIE LINKE das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin wirklich erschüttert über den Verlauf der Debatte. Wir haben Kritik an der Beantwortung der Großen Anfrage geübt. Das kann jeder nachlesen. Wir haben nämlich eine Kleine Anfrage nachgeschoben, die sich unter Drucksache 17/1772 findet. In dieser Anfrage können Sie nachlesen, weshalb wir Kritik an der Beantwortung der Großen Anfrage geäußert haben.

Wir haben die Große Anfrage übrigens gestellt, damit dieses Thema hier im Landtag debattiert wird. Nach unserer bisherigen Erfahrung wird im Landtag nämlich nicht über Verfassungsschutzberichte diskutiert. Im vergangenen Jahr wurde der Bericht einfach im Innenausschuss beerdigt. Wir wollen dieses Thema hier im Plenum diskutieren, von dem wir meinen, dass es ein sehr wichtiges Thema ist. Deswegen haben wir diese Große Anfrage gestellt. Wir haben vor allen Dingen die Fragen gestellt, die uns wirklich wichtig sind.

Frau Midyatli, ich bin wirklich erschüttert, dass die Sozialdemokratie so mit diesem Thema umgeht. Das hier ins Lächerliche zu ziehen, die ganze Debatte um den Rechtsextremismus, um die NPD, um den Faschismus, und dies von der großen deutschen Sozialdemokratie, das finde ich in dem Wissen um das, was zwischen 1933 und 1945 passiert ist, als auch viele Sozialdemokraten in den Konzentrationslagern gelandet sind, nicht gerechtfertigt. Wir wissen auch, wie die NPD heute agiert. Was geschieht denn im Vorfeld von SPD-Parteitagen? Dort tauchen doch die ewig Gestrigen auf und verbreiten ihre Propaganda. Gerade die SPD steht doch im Visier der NPD. Deshalb hätte ich mir gewünscht, dass die SPD ernsthafter mit diesem Thema umgeht.

Auch wir sind selbstverständlich davon betroffen. Auch viele Menschen mit Migrationshintergrund sind betroffen, weil sie nicht in Diskos hineinkommen, weil sie ausgegrenzt werden, weil sie beschimpft werden, weil sie arbeitslos sind, weil sie verprügelt werden. In Kiel passiert das öfter.

(Ingrid Brand-Hückstädt [FDP]: Täglich!)

- Zum Glück passiert das nicht täglich, Frau BrandHückstädt, aber leider viel zu oft.

Leider viel zu oft geht die NPD nicht nur gegen die SPD vor, sondern auch gegen Büros der LINKEN. Das ist auch in diesem Jahr schon viel zu oft passiert. Ich denke deshalb, mit diesem Thema sollte man anders umgehen, Frau Midyatli.

Eins möchte ich Ihnen aber noch sagen. Sie behaupten, wir würden das Thema hochkochen, um unsere Klientel zu befriedigen. Frau Midyatli, bereits im Jahr 1982, als die Kieler Liste für Ausländerbegrenzung aktiv war, als Sie 7 Jahre alt waren, habe ich mich mit meiner ganzen Existenz gegen diesen Wahnsinn, gegen diesen Rechtsextremismus eingesetzt. Das werde ich machen, solange ich laufen kann. Das müssen Sie mir abnehmen. Ich will hier nichts instrumentalisieren, sondern das ist meine Politik - mit Haut und Haar.

(Beifall bei den LINKEN - Gerrit Koch [FDP]: Und was hat das mit Ihrer Großen Anfrage zu tun?)

Das Wort zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich der Frau Kollegin Antje Jansen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Aber jetzt zur Großen Anfrage!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch ich bin erschüttert angesichts dieser Debatte. Meiner Meinung nach gehört es zum parlamentarischen Verfahren, dass jeder Anfragen stellen kann, die er für seine politische Arbeit benötigt. Das machen wir auch bei Großen oder Kleinen Anfragen. Mit den Großen Anfragen der anderen Fraktionen sind wir auch nicht immer zufrieden. Wir setzen uns aber damit inhaltlich auseinander.

(Beifall bei der LINKEN und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich finde, das gehört zur Fairness des Parlaments, dass mit solchen Anfragen auch inhaltlich umgegangen und dass uns nicht gesagt wird, wir könnten uns ja die Antworten selber aus dem Internet heraussuchen. Die Landesregierung sollte uns die Fragen beantworten, wenn wir das gerne möchten. Dazu ist die Landesregierung auch verpflichtet.

Ich möchte mich noch bei den Kolleginnen Frau Amtsberg und Frau Spoorendonk für die sachliche Debatte bedanken, dafür, dass sie auf dieses Thema

hier mit eingestiegen sind und inhaltlich unsere Fragen bestätigt haben. Ich finde es auch richtig, wenn hier gesagt wird: Der Rechtsextremismus wird hier klein gehalten; den gibt es in dieser Form hier nicht. Aber wir wollen, dass dieses Thema immer auf der Tagesordnung steht, auch wenn der Rechtsextremismus hier nur klein ist. Er existiert tagtäglich im Alltag.

In Lübeck erfahren wir das jedes Jahr. Da fängt man jetzt wieder an, über die Nazi-Demo und Rechtsextremismus und Neofaschismus zu diskutieren. Diese Wortwahl gibt es. Es gibt viele antifaschistische Bürger und Bürgerinnen, die sich jedes Jahr damit auseinandersetzen, sowohl in Lübeck als auch in Neumünster mit dem Club 88.

Ich finde, wir müssen hier darüber diskutieren, auch die großen Volksparteien SPD und CDU, zum Teil auch die FDP, obwohl sie ja keine Volkspartei mehr ist. Da haben wir ins Wespennest gestochen. Sie wollen über dieses Thema nicht mehr diskutieren. Sie wollen den Mantel darüber decken.

(Christopher Vogt [FDP]: So ein Quatsch!)

Damit sind wir nicht einverstanden. Sie sitzen auch deshalb hier mit im Parlament, um diese Fragen zu diskutieren.

Ich muss sagen, von der SPD bin ich auch ein bisschen enttäuscht, dass sie diese Fragen hier im Parlament nicht ernst nimmt und meint, wir hätten diese Fragen hier nicht zu stellen.

(Beifall des Abgeordneten Ulrich Schippels [DIE LINKE])

Ich finde, wir sollten hier sachlich miteinander diskutieren und arbeiten und die Fragen ernst nehmen.

(Beifall bei der LINKEN und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Christopher Vogt [FDP]: Sie hören offenbar gar nicht zu! Sie sitzen doch so nahe dran! - Zuruf der Abgeordneten Antje Jansen [DIE LINKE])

Für die Fraktion der SPD hat jetzt nicht Frau Jansen, sondern Herr Dr. Dolgner das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Schippels! Wir sind aus gutem Grund die einzige Partei in Deutschland, die sich nie umbenennen musste. Denken Sie einmal darüber nach, woran das wohl liegt.

(Beifall bei der SPD)

Ich habe nur gesagt: „Denken Sie darüber nach!“, und ihre Reaktion zeigt mir, dass Sie gerade darüber nachgedacht haben.

(Beifall bei der SPD sowie vereinzelt bei CDU und FDP)

Die SPD hieß 1917 auch SPD. Sie wollen auf die USPD-Abspaltung hinaus, die sich übrigens dann zu einem kleinen Teil wieder mit der SPD zusammengefügt hat und zu einem kleinen Teil zur KPD gegangen ist. Ich kenne übrigens die Beschlüsse, die damals in einem sehr aggressiven Ton gegenüber den Sozialdemokraten von der Komintern gefasst worden sind, mit der Sie natürlich nichts zu tun haben. Aber das ist nicht der Punkt der Debatte.

(Ulrich Schippels [DIE LINKE]: Da haben Sie recht!)

Sie haben auf unsere Geschichte rekurriert, und dann rekurriere ich auch auf unsere Geschichte, wenn Sie auf die Geschichte von anderen rekurrieren.

Ich glaube, ehrlich gesagt, dass der Vorwurf, wir würden uns nicht mit dem Thema auseinandersetzen, vor allem daran liegt, dass Frau Midyatli das Thema hier nicht selbst angesprochen hat. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, da spannen Sie einen sehr, sehr weiten Bogen und haben diesen auch deutlich überspannt.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der FDP)

Frau Midyatli hat in den ersten zwei Minuten ihrer Rede gesagt, was man aktiv gegen Faschismus tun kann und was wir alle dagegen tun sollen. Das waren die ersten zwei Minuten ihrer Rede.

Ich könnte Ihnen jetzt auch erzählen, dass ich in den 90er-Jahren Fahrten nach Auschwitz organisiert habe, dass die Rechten, die später in Rieseby gelandet sind, damals in Büdelsdorf saßen, meinem Heimatort. Glauben Sie mir, die haben mir das nicht goutiert. Aber was soll das im Zusammenhang mit der Diskussion, ob es sinnvoll ist, ob Sie eine Große Anfrage stellen, bringen? In diesem Hause wurde schon über Faschismus diskutiert, da gab es DIE LINKE in Schleswig-Holstein noch gar nicht im Parlament.

(Beifall bei SPD, CDU, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich hatte bei einer Juso-Veranstaltung die Herren von der DVU da.

(Antje Jansen)

(Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Warum bringen Sie das im Zusam- menhang mit der Debatte von vorhin? Es ist doch kein Verbrechen, darüber zu reden!)

- Das hat auch keiner behauptet, Frau Amtsberg. Die Figur, die jetzt gerade versucht worden ist, nennt sich Pappkameraden aufbauen.

Wir haben - Frau Midyatli hat das eben mit ihrem Redebeitrag ganz klargemacht - auf die Widersprüche auch Ihres Redebeitrags hingewiesen. Auf einen komme ich noch zurück und muss Ihnen sagen, Frau Kollegin Jansen: Das mit dem Internet haben nicht wir gesagt, das hat der Kollege Thoroe gesagt, und zwar wörtlich. Lesen Sie das einmal nach.

(Beifall bei SPD, CDU und FDP)

Aus unserer Erfahrung heraus sind wir für eine kämpferische Demokratie. Zu einer kämpferischen Demokratie gehört auch ein Verfassungsschutz. Wir haben Sie auf nichts anderes aufmerksam gemacht als darauf, dass die Daten, die Sie haben wollen und die man für den Kampf gegen den Extremismus auch braucht, natürlich erhoben werden müssen. Das macht man schlicht und ergreifend nicht über Google.

Sie haben aus der Großen Anfrage eine politische Forderung erhoben. Die politische Forderung war, den Verfassungsschutz abzuschaffen.

(Gerrit Koch [FDP]: Genau!)

Das können Sie bei Herrn Thoroe nachlesen. Da steht das so drin.

(Ulrich Schippels [DIE LINKE]: Wir bestäti- gen das auch immer!)