Protocol of the Session on October 6, 2011

Die von der Landesregierung genannten Ziele bei der Kohäsionspolitik teilen und unterstützen wir ganz ausdrücklich. Meiner Fraktion ist es wichtig, dass wir auch nach der Neuausrichtung der Kohäsionspolitik weiterhin Mittel zur Schaffung von Arbeitsplätzen, zur Förderung von nachhaltigen Investitionen und zur Modernisierung unseres Landes erhalten, die wir dann auch kofinanzieren können. Die vorgesehenen Mittel - es wurde schon gesagt betragen in dieser Periode etwa 800 Millionen €, 373 Millionen € für den Bereich EFRE, im ESFBereich sind es rund 100 Millionen € und im ELER-Bereich sind es in etwa 302 Millionen €. Die vorgesehenen Mittel kann das Land Schleswig-Holstein wahrscheinlich auch weitestgehend abrufen. Sie verdeutlichen uns, dass die regionale Strukturpolitik in Schleswig-Holstein eigentlich nur noch durch die bestehenden EU-Strukturfonds möglich ist.

(Anette Langner)

Meine Fraktion ist - wie wahrscheinlich die meisten Fraktionen hier im Landtag - der Auffassung, dass alle Regionen innerhalb der EU weiterhin von der europäischen Kohäsionspolitik profitieren müssen, eben auch die wettbewerbsfähigen Regionen, zu denen auch Schleswig-Holstein gehört, müssen weiterhin berücksichtigt werden. Die Wettbewerbsfähigkeit muss schließlich in allen Regionen innerhalb der EU gesteigert werden. Insofern sollten auch den Regionen weitere Zuständigkeiten in diesem Bereich übertragen werden.

Die EFRE-Mittel sind von großer Bedeutung für unsere Strukturpolitik. Besonders betonen möchte ich allerdings die ESF-Mittel, die die aktive Arbeitsmarktpolitik in Schleswig-Holstein überhaupt erst möglich machen, die 100 Millionen € für die sieben Jahre. Zum Glück haben wir im europaweiten Vergleich eine vergleichsweise geringe Jugendarbeitslosigkeit. In anderen Regionen Europas sieht es momentan ziemlich dramatisch aus. Der Qualifizierungsbereich muss deshalb europaweit nicht nur gestärkt, sondern weiter ausgebaut werden.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und Beifall des Abgeordneten Thorsten Fürter [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN] - Zurufe der Abge- ordneten Peter Eichstädt [SPD] und Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Danke, auch ich freue mich über Applaus von der rot-grünen Seite.

(Zuruf des Abgeordneten Peter Eichstädt [SPD])

- Ja, Kollege Eichstädt, das ist halt ein kritisches Publikum. Die sind nicht so leicht zu begeistern wie Sie.

Die EU muss einen größeren Anteil ihrer Mittel in den Bereich Forschung, Innovation und eben auch in die berufliche Bildung investieren.

(Beifall der Abgeordneten Cornelia Conrad [FDP])

In Schleswig-Holstein können und wollen wir auf die ESF-Mittel nicht verzichten. Die EU sollte weiter daran arbeiten, dass bestimmte Regionen stärker unterstützt werden, diese Mittel auch tatsächlich abzurufen. Da muss man sich dann auch einmal die Regelung über die Kofinanzierung anschauen, aber auch über verstärkte Beratung der einzelnen Regionen nachdenken, damit die Umsetzung besser als in der Vergangenheit gelingt.

Der EU-Mitteleinsatz muss insgesamt präziser, zielgerichteter und effizienter werden. Wenn man

die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit einiger Mitgliedstaaten beseitigen möchte, muss man auch verstärkt dafür sorgen, dass die EU-Fördermittel gerade in diesen Ländern bei den Menschen auch tatsächlich ankommen. Missbrauch darf dabei natürlich nicht vorkommen und auch nicht toleriert werden, aber die Verwaltungsverfahren müssen so einfach wie möglich sein. Ich gebe dem Kollegen von Boetticher völlig recht, sie müssen auch etwas flexibler werden. Das Controlling muss ebenfalls verstärkt werden.

Auch wir beantragen, dass der erste Teil des Antrags der Grünen im Ausschuss weiterberaten wird, und freuen uns auf die Ausschussberatung.

(Beifall bei FDP, CDU, SPD und SSW)

Für die Fraktion DIE LINKE erteile ich Herrn Abgeordneten Björn Thoroe das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich die Probleme bei der Kofinanzierung der Mittel aus den europäischen Strukturfonds ansprechen. Es handelt sich dabei um 800 Millionen € in sechs Jahren. Das entspricht ungefähr dem jährlichen Konsolidierungsbedarf, der in der Schuldenbremse festgelegt wurde. Nun hat der Herr Ministerpräsident in seiner Rede vom 19. März letzten Jahres einmal wieder das finanzielle Armageddon heraufbeschworen. Im Original sagte er:

„ … Schleswig-Holsteins finanzielle Situation ist so besorgniserregend, dass wir nicht mehr jeden von der EU zur Verfügung gestellten Euro kofinanzieren können.“

Das ist ein besonders schönes Beispiel dafür, wie das Land kaputtgekürzt wird. Herr von Boetticher hat gerade vorgeschlagen, die Kofinanzierung an Private auszulagern. Das halten wir nicht für den richtigen Weg. Von jedem Euro, der in SchleswigHolstein ausgegeben wird, landen bei den derzeitigen Steuer- und Abgabenbelastungen 50 ct wieder in öffentlichen Haushalten, und zwar im Bundeshaushalt, im Landeshaushalt und in den jeweiligen kommunalen Kassen. Das bedeutet, dass generell jedes europäische Projekt für den Bund, für Schleswig-Holstein und für die Kommunen unmittelbar finanziell nützlich ist, um die jeweiligen Schuldenbremsen einhalten zu können. Jeder Euro europäi

(Christopher Vogt)

scher Mittel, der nicht kofinanziert wird, treibt die Schulden des Landes.

Nun zu einem anderen Problem: Es ist zwar schön, dass die Grünen sich für eine stärkere Fokussierung der europäischen Politik auf Beschäftigungsfragen und auf soziale Fragen einsetzen, aber das zentrale Problem ist ein anderes. Im 40-seitigen Papier der Europäischen Union mit dem Titel „Europa 2020 Eine Strategie für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum“ taucht das Wort Wettbewerb 43-mal auf. Diese Wettbewerbspolitik der Europäischen Union hat zu folgendem Resultat geführt: Einige Länder wurden wettbewerbsfähiger, und zwar nicht zuletzt Deutschland durch massive Lohnsenkungen in den letzten zehn Jahren und durch wahlweise Kürzungen der Pensionen. Daraus folgt unmittelbar, dass andere weniger wettbewerbsfähig sind. Um das zu beheben, schlägt man vor, dass die nicht wettbewerbsfähigen Länder die Löhne senken sollen, um wieder wettbewerbsfähig zu werden. Das dürfte dazu führen, dass wiederum andere Länder weniger wettbewerbsfähig sind, denen dann wiederum vorgeschlagen wird, die Löhne zu senken. Diese Art von Wettbewerb lehnen wir ab.

Zum Schluss möchte ich noch auf den neuen Vorschlag der Europäischen Union kommen. Der Vorschlag sieht die Einführung einer neuen Fördergruppe für Länder mit 75 bis 95 % des europäischen Bruttoinlandprodukts vor. Schleswig-Holstein liegt mit 97 % gerade darüber. SchleswigHolstein würde leer ausgehen. Wir dagegen wollen eine Förderung durch die Europäische Union, die sich an sozialen und ökologisch nachhaltigen Projekten orientiert und nicht starr am Bruttoinlandsprodukt. Wir werden der Überweisung des Antrags an den Europaausschuss zustimmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die Fraktion des SSW erteile ich der Fraktionsvorsitzenden Anke Spoorendonk das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eines wurde dem Europaausschuss bei seinem Besuch in Brüssel in der letzten Woche klar: Erst wenn der neue EU-Finanzrahmen für den Zeitraum 2014 bis 2020 beschlossen ist, wird es möglich sein, zu beziffern, wie hoch das Finanzvolumen der Strukturfonds für die kommende Förderperiode sein wird. Fest scheint auch zu stehen, dass es

schwierig sein wird, den beschlossenen Zeitplan einzuhalten. Die Einschätzung war, dass der mehrjährige Finanzrahmen erst nach der französischen Präsidentschaftswahl in trockenen Tüchern sein wird. Die großen europäischen Politikbereiche von gemeinsamer Agrarpolitik, Regionalpolitik und Forschung werden aber weiterhin eine zentrale Rolle spielen.

Vor diesem Hintergrund ist es umso wichtiger, dass sich auch der Schleswig-Holsteinische Landtag positioniert, und zwar nicht nur zur künftigen Agrarpolitik, darüber haben wir ja schon miteinander diskutiert, sondern auch, wenn es um die Zukunft der Strukturfonds insgesamt geht, denn auch das erfuhren die Mitglieder des Europaausschusses in Brüssel: Stellungnahmen sind gern gesehen, weil sie dazu dienen, die Qualität des Meinungsbildungsprozesses zu verbessern und Fehlentscheidungen vorzubeugen. Für den SSW heißt dies im Umkehrschluss, dass es höchste Zeit ist, diese Diskussion in einer breiteren Öffentlichkeit zu führen. Sich allein auf Beschlüsse des Bundesrats zurückzuziehen, ist eindeutig zu wenig ambitioniert.

(Beifall der Abgeordneten Flemming Meyer [SSW] und Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Der Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stellt sich erst einmal hinter den Vorschlag der EU-Kommission. Gleichwohl verkennt er, dass diese Vonoben-nach-unten-Strategie den Ansatz des Ausschusses der Regionen zumindest infrage stellt, denn zu Recht wird dort problematisiert, was eine Eins-zu-eins-Umsetzung des Kommissionsvorschlages für die bisherigen Ziel-2-Regionen der EU bedeuten wird.

Der SSW teilt daher die Skepsis des AdR gegen die Einführung von neuen Übergangsregionen. Gefragt ist ein besseres und faires Übergangssystem, um sicherzustellen, dass ein Bruch in der regionalen Förderung nicht die Entwicklung der Regionen beeinträchtigt. Der AdR will eine Evolution, keine Revolution, heißt es in einer entsprechenden Stellungnahme. Mir ist bewusst, dass sich die Bundesrepublik, also Bund und Länder gemeinsam ähnlich äußern. Gleichwohl wissen wir, dass genau dieser Punkt im Europaparlament sehr kontrovers debattiert wurde und dass sich eine Mehrheit der Abgeordneten für die Schaffung solcher Übergangsregionen ausspricht.

Weniger kontrovers sehe ich andere Spiegelstriche des Antrags der Grünen. Dennoch wird es bei dem gesamten Paket darauf ankommen, wie die unter

(Björn Thoroe)

schiedlichen Intentionen ausbalanciert werden können. Es darf auch unserer Meinung nach nicht so sein, dass die Stachel der neuen EU-Regionalpolitik - wie bei einem Stachelschwein - in alle Richtungen zeigen. Ich denke, das wäre wirklich kontraproduktiv. Für den SSW steht aber auch fest: Die regionale und die lokale Ebene müssen verantwortlich eingebunden werden, weil es nur so gelingen wird, den Prinzipien des Vertrags von Lissabon Rechnung zu tragen. Wir treten daher grundsätzlich für eine Stärkung des AdR in diesem Prozess ein.

Dass Schleswig-Holstein bei der Weiterentwicklung der Strukturpolitik nicht bei null anfängt, zeigt unter anderem unsere I-Bank, die als unser wichtigstes Förderinstitut schon lange mit dem Instrument der revolvierenden Fonds arbeitet. Der Ansatz ist richtig, weil er zum einen zu einem effizienteren Umgang mit Fördermitteln motiviert, zum anderen aber gerade für ein armes Land wie Schleswig-Holstein eine echte Chance bedeutet. Der Einwurf des Kollegen von Boetticher trifft dabei den Kern des Problems. Es geht insgesamt um die Kofinanzierung. Damit müssen wir uns weiter beschäftigen. Ich muss die Landesregierung dafür loben, dass sie diesen Problembereich so deutlich benannt hat.

(Beifall bei der CDU)

Doch gerade weil hinter der Neustrukturierung der EU-Regionalpolitik auch das Bestreben zu sehen ist, die Nachhaltigkeit in den Vordergrund zu rücken, will ich zuletzt noch einen konkreten Punkt ansprechen. Ich weiß nicht, ob es möglich sein wird, diesen Punkt in die weitere Debatte mit einzubinden. Wir sind uns aber einig: Die Zusammenarbeit von Schule und Arbeitswelt hat sich in den letzten Jahren sehr bewährt. Grund genug also, genau dies weiter einzufordern und zu stärken. Das soll ja auch geschehen. Es wirkt daher mehr als problematisch, wenn bei der Ausschreibung von Maßnahmen, die mit diesem Bereich zu tun haben, jährlich neue Anträge gestellt werden müssen. Bei einem Besuch des Berufsbildungszentrums in Schleswig wurde mir bewusst, wie viele Ressourcen so ein Verfahren in Anspruch nimmt. Für eine Änderung und Vereinfachung lohnt es sich wirklich zu kämpfen; nicht nur wegen des Systems, sondern in erster Linie, weil es um die Zukunft einer ganz schwachen Gruppe von Jugendlichen in unserer Gesellschaft geht. Ich denke, das muss möglich sein, wenn das, was vorhin angesprochen wurde, umgesetzt wird, nämlich dass Kontrollen und Maßnahmen besser in Einklang gebracht werden.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Ich stelle zunächst fest, dass der Berichtsantrag Drucksache 17/1860, Nr. 2, durch die Berichterstattung der Landesregierung seine Erledigung gefunden hat.

Es ist beantragt worden, den Antrag Drucksache 17/1860, Nr. 1, an den Finanzausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 25 und 37 auf:

Gemeinsame Beratung

a) Umsetzung der Resolution des 9. Forums der Parlamente der Südlichen Ostsee in Gdansk und der 20. Ostseeparlamentarierkonferenz in Helsinki

Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW Drucksache 17/1879

b) Vereinbarung von Landtag und Landesregierung über die Unterrichtung und Beteiligung des Landtags in Angelegenheiten der Europäischen Union

Beschlussempfehlung des Europaausschusses Drucksache 17/1849 (neu)

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich erteile das Wort dem Herrn Berichterstatter des Europaausschusses, Herrn Abgeordneten Bernd Voß.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ihnen liegt vor, was einstimmig beschlossen wurde. Ich denke, wir können dem so zustimmen.

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Gibt es Wortmeldungen zum Bericht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache.

(Anke Spoorendonk)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Niclas Herbst für die CDU-Fraktion.