Das Bildungsfreistellungs- und Qualifizierungsgesetz hat lange gehalten. Es war nicht schlecht, entspricht aber nicht mehr heutigen Anforderungen. Wenn man sich einmal anguckt, was andere Bun
Weiterbildung - das wurde schon gesagt - ist kein Privatvergnügen von abhängig Beschäftigten oder von Menschen, die sich per se weiterbilden wollen, zum Beispiel in der politischen Bildung - die kommt in diesem Entwurf praktisch gar nicht vor -; Weiterbildung ist natürlich auch eine Sache der Arbeitgeber. Es gibt weitsichtige Unternehmen - ich sage, das Lübecker Unternehmen Brüggen ist so eines -, die diese Dinge berücksichtigen. Aber es ist nach wie vor so, dass viele Unternehmen mit der Bildungsfreistellung Probleme haben, nach dem Motto: Muss das denn sein, wir leiden an Arbeitsüberlastung, et cetera pp.
In diesem Entwurf ist auch von der Werbung für Weiterbildung, für lebensbegleitendes oder lebenslanges Lernen kaum etwas zu lesen oder zu bemerken.
Es ist klar, dass ein Gesetz notwendige Bewusstseinsänderungen nicht erreichen kann, es kann aber den Rahmen dafür schaffen. Das tut dieses Gesetz meines Erachtens nicht. Wir hatten vor einem Jahr beantragt, dass die Aufgabenverteilung zwischen Kommunen und Land geregelt werden soll, die Voraussetzungen für die Anerkennung von Weiterbildungsträgern und Veranstaltungen zu definieren, die Förderung von Weiterbildungsverbünden - da ist das, was im Gesetz steht, auch sehr mager - und die Bildungsfreistellung zu sichern. Das ist alles relativ schwach ausgebildet in diesem Gesetz.
Der jetzt vorgelegte Entwurf ist trotz des Versuchs der Novellierung des Gesetzes von 1990 nicht zeitgemäß, und er ist nicht dazu angetan, die Motivation der Beschäftigten, Weiterbildungsangebote zu besuchen, zu fördern.
Zum Beispiel soll die jahrgangsübergreifende Verblockung nur noch in Ausnahmefällen möglich sein - also eine klare Reduzierung. Die Möglichkeit, Angebote - auch kurzfristige - wahrzunehmen, ist an eine Sechswochenfrist gebunden. Kurzfristige, spontane und flexible Maßnahmen sind damit nicht möglich, obwohl wir sagen, dass wir flexible Mitarbeiter brauchen. Von der Förderung der Weiterbildungsmaßnahmen sogar von Benachteiligten, über die wir früher einmal gesprochen haben, brauche ich gar nicht erst zu reden; die kommen überhaupt nicht vor.
Der Entwurf der Landesregierung leistet überhaupt nicht die Förderung der Bildung von Zusammenschlüssen im Weiterbildungsbereich, außer dass die Regionalen Bildungszentren erwähnt werden. Das ist natürlich zu wenig, wenn man eine vierte Säule bilden will. Es bleibt also noch sehr viel zu tun, sollte das Gesetz seinen Namen verdienen. Wir plädieren auch für die Überweisung an die Ausschüsse.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Thema Weiterbildung hat in Schleswig-Holstein wie in den meisten Bundesländern Deutschlands Verfassungsrang und gewinnt in unserer Gesellschaft auch zunehmend und zu Recht an Bedeutung. Berufliche Weiterbildung ist ein wichtiger Bestandteil der Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik. Das sogenannte lebenslange Lernen hilft bei der Deckung des steigenden Fachkräftebedarfs - das wurde ausgeführt -, bei der Erhöhung des Frauenanteils bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, bei der Integration von Migranten und ganz allgemein bei der Verringerung und Verhinderung von Arbeitslosigkeit.
Der Bereich der Weiterbildung - ich meine damit ausdrücklich nicht nur den Bereich der beruflichen Weiterbildung - ist ein wichtiges Anliegen meiner Fraktion und dieser Koalition insgesamt. Wir haben uns in dieser Legislaturperiode bereits zweimal hier im Plenum mit diesem Thema befasst; im Juni letzten Jahres durch den Antrag der SPD-Fraktion zur Erarbeitung eines Weiterbildungsgesetzes und im Januar im Rahmen der Großen Anfrage des SSW.
Aus Studien wissen wir, dass sich die Erwachsenen in Schleswig-Holstein gern weiterbilden. Sie sind mit den vorhandenen Weiterbildungsangeboten weitestgehend zufrieden. Ich gebe dem Kollegen Müller allerdings recht: Es könnten noch deutlich mehr Menschen sein, die sich dafür begeistern. Ich gebe Ihnen auch recht, dass wir dafür werben müssen. Es gibt viele - gerade auch kleinere - Unternehmen, die in diesem Bereich sehr erfolgreich sind. In Lübeck gibt es auch größere Unternehmen,
Die Weiterbildungsquote liegt in Schleswig-Holstein bei immerhin 40 %. Das bedeutet jedoch auch, dass das Ziel der Qualifizierungsinitiative von Bund und Ländern aus dem Jahr 2008, die eine Weiterbildungsquote von 50 % vorgesehen hatte, noch nicht erreicht werden konnte.
Die Weiterbildung wird in Anbetracht unserer älter werdenden Gesellschaft nicht nur im Arbeitsleben bedeutender, sondern auch in der Zeit danach. Ältere Menschen wollen sich auch nach dem Arbeitsleben weiterbilden und nutzen die vorhandenen Angebote intensiv. Das kann man sehr gut an den Volkshochschulen beobachten.
Der SSW hat das Thema Weiterbildung durch seine Große Anfrage sehr umfassend angepackt, was ich ausdrücklich anerkennen möchte. Ich teile auch die Auffassung der Kollegin Spoorendonk, die sie hier schon geäußert hat, dass es nicht nur um das Lernen für das berufliche Leben geht, sondern auch für das Leben an sich. Das ist genau der richtige Punkt. Deshalb bin ich der Meinung, dass die Landesregierung in ihrer Antwort auf die Anfrage des SSW zu Recht angekündigt hat, dass das seit 1990 komplett unverändert bestehende Bildungsfreistellungs- und Qualifizierungsgesetz, das BFQG, weiterentwickelt und der heutigen Realität angepasst werden muss.
Der Entwurf der Gesetzesnovelle liegt uns jetzt vor. Aus dem etwas holprigen Begriff „Bildungsfreistellungs- und Qualifizierungsgesetz“, das seit 20 Jahren den Weiterbildungsbereich in SchleswigHolstein regelt, wird jetzt ein Weiterbildungsgesetz, das diesen Namen trägt. Das ist letztlich das, was die SPD-Fraktion mit ihrem Antrag erreichen wollte. Allerdings haben Sie angeregt, dass die Landesregierung ein komplett neues Gesetz nach dem Vorbild Brandenburgs ausarbeiten soll. Dabei stellt sich mir die Frage, warum Sie nicht gleich selbst einen Gesetzentwurf nach dem Vorbild Brandenburgs erarbeitet haben, und warum die Landesregierung dies tun soll. Es ist allerdings völlig okay, dass Sie dies beantragt haben. Ich habe jedoch schon während der Debatte im letzten Jahr angemerkt, dass ich meine Zweifel daran habe, dass wir ein komplett neues Weiterbildungsgesetz brauchen. Wir sollten das BFQG lieber weiterentwickeln.
Die nun vorgeschlagene Umbenennung des BFQG halten wir deshalb für konsequent. Die Novellierung, die dieses Gesetz an einigen Stellen der Wirklichkeit anpasst, halten wir für richtig. Jetzt sieht das Gesetz vor, dass die Investitionsbank vom
Ministerium die Zertifizierung der Bildungsstätten übernehmen soll und dafür auch kostendeckende Gebühren erheben soll. In Hamburg wird dies im Übrigen bereits so gehandhabt. Auch dies sollte man sich an dieser Stelle zu Gemüte führen. Die Regelung für den Bildungsurlaub wird aus unserer Sicht sinnvoller und arbeitnehmerfreundlicher gestaltet. Es wird mehr Wert auf Transparenz und Verbraucherschutz gelegt.
Herr Schippels, das Ziel, einen Landesentwicklungsplan Weiterbildung zu erstellen, wie das im alten BFQB noch steht, wird gestrichen, da dies bis heute nichts geworden ist. Nach über 20 Jahren wird dies auch von Gutachtern nicht als notwendig erachtet, da sich die Angebote im Bereich der Erwachsenenbildung in der Regel sehr schnell ändern.
Der Bildungsausschuss hat im Mai beschlossen, im Herbst eine Anhörung zu allen drei Punkten, also zur Vorlage der Landesregierung, zum SPD-Antrag und zur Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage des SSW, durchzuführen. Wir freuen uns auf die Ausschussberatungen. Vielleicht kommt noch die eine oder andere gute Idee hinzu, um die Weiterbildung in Schleswig-Holstein weiter zu stärken.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Vogt, ein neuer Name für ein neues Gesetz macht ein Gesetz nicht besser.
Das ist ein vorweggenommenes Fazit, das wir aus der Novellierung des Bildungsfreistellungs- und Qualifizierungsgesetzes ziehen. Wir haben einen neuen Titel. Er suggeriert eine Ausweitung der Weiterbildung auf die allgemeine, die kulturelle und die politische Weiterbildung, aber wir müssen uns tatsächlich fragen, ob der Gesetzentwurf auch hält, was er verspricht.
Schaut man sich das Gesetz an, so fällt auf, dass die Novellierung viel Altes enthält, viele Paragrafen bleiben unverändert, in anderen gibt es nur redaktionelle Änderungen. Inhalte werden verschoben,
oder alte Begriffe werden durch neue ersetzt. Es gibt keine Freistellung mehr, sondern eine Bildungsfreistellung. Auch der Bildungsurlaub wird durch Bildungsfreistellung ersetzt. Das ist kein wirklich großer Wurf.
Was ist wirklich neu? - Insgesamt beschäftigen sich das alte und das neue Gesetz vor allem mit Regelungen zum Bildungsurlaub beziehungsweise zur Bildungsfreistellung. Zwar wird in den ersten Paragrafen auch die allgemeine, die politische und die berufliche Weiterbildung definiert, im Gesetz fehlen aber die Rahmenbedingungen des Landes für deren Umsetzung. Zwar werden in § 15 die Volkshochschulen und Bildungsstätten als feste Bestandteile der Weiterbildungsinfrastruktur benannt, und auch die Aufnahme der Regionalen Bildungszentren in den Verbund der Weiterbildungsanbieter in § 23 begrüßen wir, aber zentrale Fragen bleiben unbeantwortet.
Vor allem fehlt es an einer Aussage dazu, wie die Weiterbildungslandschaft in Schleswig-Holstein in Zeiten von demografischem Wandel und knappen Kassen aussehen soll. Wo setzt die Landesregierung ihre Schwerpunkte? Wie lässt sich die Weiterbildungsbeteiligung erhöhen? Wie erreichen wir, dass ein größerer Anteil an Anspruchsberechtigten Bildungsfreistellung beantragt? - Im Jahr 2009 waren es nur 0,7 %. Wie erreichen wir, dass mehr Ältere, mehr Personen mit niedriger Qualifikation, mehr Arbeiter und Arbeiterinnen, mehr Frauen, mehr Nichterwerbstätige und mehr Personen aus ländlichen Gebieten an Weiterbildungsmaßnahmen teilnehmen?
Wie reagieren wir auf diese Herausforderungen? Muss jede Volkshochschule eigenständig bleiben, oder sind auch die Volkshochschulen gemeinsam stärker? Brauchen wir Kooperationen von verschiedenen Anbietern der Weiterbildung, um Angebote auch in der Fläche aufrechterhalten zu können? Wie können kommunale Bildungslandschaften mit Vernetzungen von Volkshochschulen, Musikschulen, Heimatvereinen, Jugendarbeit und anderen auch im ländlichen Raum dazu beitragen, besser und effizienter zu arbeiten als allein? Wie können die Bildungsstätten gestärkt werden? - Die Bildungsstätten haben schon einen Kostendeckungsgrad von zum Teil mehr als 80 %. Sie sind also gut geführt und gut ausgelastet. Wäre auch dort die verstärkte Kooperation und Vernetzung mit anderen Einrichtungen ein zukunftsweisender Weg? Welche Chancen gibt es, die Auslastung weiter zu erhöhen? Könnten zum Beispiel Fort- und Weiterbildungen der Ministerien und der Landtagsverwal
tung vermehrt in den Bildungsstätten stattfinden? So würden die dafür entstehenden Kosten indirekt zumindest zum Teil den Haushalt entlasten.
Dann bleibt im Gesetz ungeklärt, wer welchen Anteil an der Finanzierung der Weiterbildungseinrichtungen trägt. Auch in dem Bereich gibt es ungelöste Probleme. Wie kommen wir zu einer Regelung für die Einbindung von Umlandkommunen in die Finanzierung einer Volkshochschule oder einer Musikschule? - Wie verhindern wir, dass das Netz von Weiterbildung in Zeiten leerer Kassen bei Kreisen und Kommunen kaputtgespart wird? Auf welche Finanzierungstöpfe können wir zugreifen? Wie können die Aktiv Regionen eingebunden werden? Wie nutzen wir die Chance, in der kommenden EU-Förderperiode verstärkt Bildung aus den Strukturfonds mitzufinanzieren? - Voraussetzung für ein erfolgreiches Einwerben der Mittel und eine effiziente Verwendung ist aber auch bei der Landesregierung eine Vernetzung untereinander. Wir brauchen kein Abschotten der Häuser voneinander, sondern ein ministerienübergreifendes Konzept für die Mittelverwendung.
Wir sehen: Es gibt zu viele offene Fragen, auf die die Landesregierung mit ihrem Gesetzentwurf keine Antworten gibt. So, wie es heute vorliegt, hat das Weiterbildungsgesetz seinen Namen also noch nicht verdient. Lassen Sie uns in der Anhörungsphase versuchen, daraus ein wirklich zukunftsfähiges Weiterbildungsgesetz für die allgemeine, politische, kulturelle und berufliche Weiterbildung zu machen!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! - Daraus wird wohl leider nichts werden. Im schwarzgelben Koalitionsvertrag wird beziehungsweise wurde der Verbesserung der Fort- und Weiterbildung das Wort geredet. Das war einer der wenigen Lichtpunkte im Koalitionsvertrag, wenn nicht sogar der einzige. Ich muss noch einmal nachschauen, ob ich da noch etwas anderes finde.
Leider hat die Landesregierung in der Folge dieses kleine Lichtlein ausgeknipst. In einem ersten Schritt geriet die Finanzierung der Volkshochschulen in das Visier der Kürzungskommissare. Bei den Bildungsstätten und bei den Volkshochschulen wurde gnadenlos zusammengestrichen. Nun soll es Einschränkungen beim Bildungsfreistellungsund Qualifizierungsgesetz geben.
Herr Minister de Jager hat uns gesagt, worum es geht. - Es geht um die Entlastung der öffentlichen Haushalte. Da nutzen die vielen blumigen Worte, die auch vom Minister über lebenslanges Lernen gefallen sind, nichts; die können Sie sich in Zukunft sparen.
Sie müssen zur Kenntnis nehmen, dass mit weniger Geld nicht mehr Bildung erreicht werden kann. Vielmehr muss man für Bildung Geld in die Hand nehmen.
Nur 0,69 % der Anspruchsberechtigten nehmen zurzeit die Möglichkeit der Bildungsfreistellung wahr. Das ist eine miserable Quote, und dies wird den Herausforderungen des lebenslangen Lernens nicht einmal im Ansatz gerecht. Die empirische Studie von Infratest - Umdruck 17/2535 - zeigt, dass es einen großen Bedarf an Weiterbildung vor allem aus beruflichen Gründen gibt.
In Schleswig-Holstein gibt es übrigens schon bei den jetzt geltenden Bestimmungen weniger Freistellungen von der Arbeit als im Rest der Republik. Die Unterschiede sind zwar nicht sehr groß, aber dennoch signifikant. Das müssten wir ändern. Das wird leider aber nicht mit diesem Gesetzentwurf funktionieren.
Auch deshalb geht Ihr Vorschlag zur Novellierung des Gesetzes in die falsche Richtung. Im Ausschuss können wir gern darüber diskutieren, inwieweit die Investitionsbank bei der Anerkennung von Weiterbildungsveranstaltungen eingebunden werden sollte.
Darüber hinaus sehen wir neben einigen wenigen sinnvollen redaktionellen Änderungen nur Verschlechterungen im Bereich der Weiterbildung. Dies wird den Anforderungen an eine moderne Wissensgesellschaft nicht gerecht. Herr Vogt, in welchen Bereichen gibt es denn Verbesserungen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer? An welcher Stelle ist die Novelle denn arbeitnehmerfreundlich?