Protocol of the Session on October 5, 2011

Darüber hinaus sehen wir neben einigen wenigen sinnvollen redaktionellen Änderungen nur Verschlechterungen im Bereich der Weiterbildung. Dies wird den Anforderungen an eine moderne Wissensgesellschaft nicht gerecht. Herr Vogt, in welchen Bereichen gibt es denn Verbesserungen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer? An welcher Stelle ist die Novelle denn arbeitnehmerfreundlich?

Die Verschlechterungen betreffen größere Restriktionen bei der Übertragung von Freistellungszeiten auf das nächste Jahr. Das ist doch nicht ar

(Ines Strehlau)

beitnehmerfreundlich. Die Verschlechterungen betreffen die härteren Vorschriften bezüglich der Antragstellung beim Arbeitgeber. Das ist doch wirklich nicht arbeitnehmerfreundlich. Die Verschlechterungen betreffen die Reaktionsmöglichkeiten der Antragstellerinnen und Antragsteller, wenn ihr Antrag auf Freistellung vom Arbeitgeber abgewiesen worden ist. Ist das arbeitnehmerfreundlich, meine Damen und Herren?

Weitere Fragen zur Anerkennung von Trägern und Einrichtungen haben wir vor allem bezüglich der notwendigen hauptamtlichen Strukturen. Unverständlich sind für uns die vorgesehenen Einschränkungen im Bereich der Sozialverträglichkeit der Beschäftigungsverhältnisse.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich wundere mich eigentlich nicht über die jetzt vorgeschlagene Formulierung, die offensichtlich die jetzige Realität vor allem der freiberuflich Beschäftigten im Bildungsbereich und die Realität der Selbstständigen in diesem Sektor an die schlechte Wirklichkeit angleichen soll. So bekommen wir die Probleme der prekären Beschäftigung im Bildungsbereich nicht in den Griff.

Die Erwachsenenbildung ist völlig unterfinanziert. Die Beschäftigten müssen derzeit die Folgen tragen. So geht es nicht weiter.

Jetzt auch noch das Gesetz diesem schlechten realen Standard bei den Beschäftigten anpassen zu wollen, ist der falsche Weg. Wir brauchen mehr Geld im System. Bei der Weiterbildung und bei den Lehrkräften muss mehr Geld ankommen. Wie schon bei den Volkshochschulen und bei den Bildungseinrichtungen geht diese Landesregierung aber leider einen anderen Weg. Herr de Jager, es ist kurzsichtig, bei der Bildung zu kürzen; denn das rächt sich später. Deshalb können wir bei diesem Gesetzentwurf nur den Kopf schütteln.

Allein schon die Umbenennung des Gesetzes macht deutlich, wohin die Reise geht. Sie wollen die Bildungsfreistellung zumindest aus dem Titel des Gesetzes streichen. Darum geht es Ihnen letztlich. Sie wollen die Bildungsfreistellung erschweren. Dabei machen wir nicht mit.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die Fraktion des SSW erteile ich der Fraktionsvorsitzenden Anke Spoorendonk das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Antwort auf unsere Große Anfrage zur Erwachsenen- und Weiterbildung in Schleswig-Holstein hat die Landesregierung den nun vorliegenden Entwurf für ein Weiterbildungsgesetz bereits angekündigt. Zukünftig soll das Bildungsfreistellungsund Qualifizierungsgesetz „Weiterbildungsgesetz“ heißen.

Damit verbunden sind drei Ziele: Erstens sollen die gesetzlichen Grundlagen der Weiterbildung in Schleswig-Holstein im Sinne der wachsenden Bedeutung der Weiterbildung weiterentwickelt werden. Zweitens soll das Verfahren zur Anerkennung von Veranstaltungen der Bildungsfreistellung an Dritte übertragen werden. Drittens soll eine kostendeckende Gebührenregelung für die Anerkennungsverfahren ermöglicht werden. Zumindest den zweiten und den dritten Punkt erreicht die Landesregierung mit dieser Gesetzesnovelle.

Aus Sicht des SSW wird dieses Weiterbildungsgesetz aber in keiner Weise der wachsenden Bedeutung der Weiterbildung gerecht. Mit anderen Worten: Wir haben es hier mit einem Etikettenschwindel zu tun. Wo Weiterbildungsgesetz draufsteht, ist noch lange kein Weiterbildungsgesetz drin.

(Beifall bei SSW und der LINKEN)

Die Novellierung besteht hauptsächlich in der Überarbeitung von Vorschriften für die Anerkennung und Durchführung von Bildungsfreistellung. Die Anerkennung wird im Interesse des Abbaus nichtministerieller Aufgaben und unter Berücksichtigung knapper werdender Ressourcen an die Investitionsbank Schleswig-Holstein übertragen. Zukünftig müssen die Anbieter von Bildungsfreistellung 70 € pro Anerkennung zahlen. Auswirkungen auf das Angebot oder die Teilnahme werden laut Landesregierung nicht erwartet.

Für den SSW steht aber fest, dass wir es hier nicht mit einem Gesetz zur Förderung von Weiterbildung zu tun, sondern hierbei geht es um Sparmaßnahmen. Obwohl in den vergangenen Jahren ziemlich konstant gerade einmal 0,69 % der Berechtigten die Möglichkeit der Bildungsfreistellung genutzt haben, hat die Landesregierung nichts anderes zu tun, als die Rahmenbedingungen für die Bildungsfreistellung zu verschlechtern.

(Beifall bei SSW, der LINKEN und verein- zelt bei der SPD)

(Ulrich Schippels)

In Sachen Bildungsfreistellung muss man sich also die Frage stellen, ob die Landesregierung eigentlich mehr oder weniger Menschen zur Weiterbildung bewegen möchte.

Darüber hinaus beinhaltet der Gesetzentwurf nur unwesentliche Änderungen. Von den Bestimmungen der Bildungsfreistellung darf nur zugunsten der Arbeitnehmer abgewichen werden, die prüfende Behörde muss Zutritt zu den Kursen haben, Widerrufsmöglichkeiten der Anerkennung werden geregelt, und die Idee eines Weiterbildungsentwicklungsplans wird endgültig beerdigt. Dieser Gesetzentwurf enthält nichts, was der wachsenden Bedeutung von Weiterbildung gerecht würde. Die Definition von Weiterbildung ebenso wie die Freiheit der Lehrplan- und Programmgestaltung und die Verankerung von Weiterbildung als vierte Säule des Bildungssystems sind nämlich nicht neu, sondern schon seit 20 Jahren Bestandteil dieses Gesetzes.

Der SSW hätte in Sachen Weiterbildungsgesetz gern den großen Wurf gesehen. Das Bildungsfreistellungs- und Qualifizierungsgesetz wurde 1990 mit dem politischen Ziel eingeführt, die Weiterbildungsteilnahme zu erhöhen und besonders benachteiligten Gruppen den Zugang zu Bildung zu ermöglichen. Von dieser Zielsetzung ist in dem vorliegenden Gesetzentwurf nichts mehr übrig geblieben. Vielmehr fehlt völlig die Idee, wie die Weiterbildung im Land weiterentwickelt und gestärkt werden soll. Obwohl von einem Weiterbildungsentwicklungsplan abgesehen werden soll, muss die Landesregierung doch eine klare Vorstellung von der Struktur, von den Aufgaben, von den Zielgruppen und von der Förderung der Weiterbildung haben.

Von all dem ist in dem Gesetzentwurf nichts zu sehen. Es gibt keine verpflichtende Finanzierung durch das Land, keine Sicherung der Grundversorgung, geschweige denn eine Definition dieser, keine Angaben zur kommunalen Verantwortung für die Volkshochschulen im Land, keine Angaben zu benachteiligten Zielgruppen der Sicherung der Anbieterstruktur oder der Weiterbildungsverbünde. Die Bedeutung von Weiterbildung in ihrer Gesamtheit wird nicht gewürdigt. Das lebenslange Lernen als Zugewinn von Lebensqualität im Lebenslauf wird einfach ignoriert.

Darum ist der Gesetzentwurf nicht nur kein großer Wurf, er ist vor allem eine Beleidigung für die Weiterbildung in diesem Land.

(Beifall bei SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe damit die Beratung.

Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf der Landesregierung, Drucksache 17/1854, federführend an den Bildungsausschuss sowie mitberatend an den Innen- und Rechtsausschuss und den Wirtschaftsausschuss zu überweisen. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dann ist das einstimmig so beschlossen.

Außerdem möchte ich bekanntgeben, dass der Kollege Jens-Uwe Dankert von der FDP-Fraktion heute Nachmittag erkrankt ist. Ich wünsche ihm von dieser Stelle aus eine gute Besserung.

(Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 5 auf:

Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Konsolidierung kommunaler Haushalte (Kom- munalhaushaltskonsolidierungsgesetz)

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 17/1868

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Grundsatzberatung und erteile Herrn Innenminister Klaus Schlie das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Finanzsituation der Kommunen in Schleswig-Holstein stellt sich derzeit sehr heterogen dar. Während es etwa 1.000 Kommunen im Land trotz schwieriger Rahmenbedingungen gelungen ist, ihren Haushalt auszugleichen, mussten Ende 2009 120 Kommunen ein Defizit ausweisen. Das in der Summe bis Ende 2009 aufgelaufene Defizit, das auf diese 120 Kommunen entfällt, beläuft sich auf etwa 650 Millionen € bis 700 Millionen €.

Aber auch innerhalb der Gruppe der 120 defizitären Kommunen gibt es noch beträchtliche Unterschiede. So entfallen etwa 90 % des aufgelaufenen Defizits allein auf 18 Kommunen. Es sind dies Kommunen mit erheblichen Finanzproblemen, Kommunen, die der dringenden Unterstützung bedürfen, um wieder eine Perspektive für einen ausgeglichenen Haushalt einschließlich des Abbaus der Vergangenheitslasten zu erhalten.

(Anke Spoorendonk)

Mit dieser Zielrichtung hat die Landesregierung im Juni einen Gesetzentwurf zur Unterstützung defizitärer Kommunen vorgestellt. Im Rahmen des Anhörungsverfahrens haben die kommunalen Landesverbände die Zielrichtung des Gesetzentwurfs grundsätzlich begrüßt. Hinsichtlich der Ausgestaltung gibt es aber je nach kommunaler Betroffenheit durchaus unterschiedliche Sichtweisen. So werden beispielsweise die für Fehlbetragszuweisungen bereitgestellten Mittel als zu gering bewertet, der Solidarbeitrag der kommunalen Familie hingegen als zu hoch angesehen. Während zum Teil ein strenger Sparkurs einschließlich dessen Überwachung gefordert wird, wird auf der anderen Seite ein Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung befürchtet. Sie sehen also, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, die Landesregierung liegt mit ihrem Gesetzentwurf völlig richtig.

(Beifall bei der FDP - Zuruf: Das ist lustig!)

- Nein, das ist nicht lustig, das ist wahr.

Um einen zentralen Kritikpunkt gleich im Vorfeld aufzugreifen: Es ist richtig, dass die Zuweisungen zugunsten defizitärer Kommunen überwiegend durch schon vorhandene Finanzausgleichsmittel aufgebracht werden. Ich habe daher stets völlig offen und ausdrücklich den solidarischen Kraftakt der kommunalen Familie herausgestellt, der mit dem Gesetzentwurf verbunden ist. Zutreffend ist ebenfalls, dass ein höherer Landesbeitrag natürlich wünschenswert gewesen wäre. Aber schon die vorliegende Landesbeteiligung erhöht das ohnehin vorhandene Defizit im Landeshaushalt. Es ist für mich daher auch eine Frage der politischen Ehrlichkeit und der politischen Glaubwürdigkeit, nicht mehr zu versprechen, als man zu leisten imstande ist. Die auch vereinzelt - wirklich nur vereinzelt geforderte Rückführung der Kürzung der Finanzausgleichsmasse um jährlich 120 Millionen €, die im Übrigen im Jahr 2006 von der Großen Koalition beschlossen wurde - ich erinnere mich richtig, ich war damals nicht Innenminister -, würde zwangsläufig für Schleswig-Holstein

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

- ich weiß auch genau, wer es vorgeschlagen hat, Herr Stegner - den Verlust der Konsolidierungshilfe des Bundes und der Ländergesamtheit in Höhe von 80 Millionen € bedeuten. Dadurch würde ein jährliches Defizit von 200 Millionen € zuzüglich Zinsen entstehen. Ein solcher Vorschlag ist aus meiner Sicht finanzpolitisch schlicht verantwortungslos und gehört ins Reich der politischen Phantasterei.

Lassen Sie mich abschließend noch auf den Vorwurf eingehen, das Instrument der Konsolidierungshilfe stelle eine unangemessene Einschränkung der kommunalen Selbstverwaltung dar. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Hilfestellung zugunsten defizitärer Kommunen ist ausschließlich und nur mithilfe der Solidarität der kommunalen Familie insgesamt und des Landes möglich. Aus meiner Sicht ist es daher eine Selbstverständlichkeit, dass auch die Empfänger der Hilfen im Gegenzug das ihnen Mögliche tun, um wieder einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen. Es ist ebenso selbstverständlich, dass sie sich zu einem derartigen Konsolidierungsweg vertraglich verpflichten.

Die Ursache eingeschränkter Handlungsspielräume liegt in den hohen aufgelaufenen Defiziten einzelner Kommunen. Mit dem Gesetzentwurf sollen die eingeschränkten Handlungsspielräume überwunden werden. Alle potenziellen Empfänger der Konsolidierungshilfen sollten die darin liegende Chance erkennen. Die damit verbundene Verantwortung ist sicherlich auch eine große, aber notwendige Verantwortung für die kommunale Selbstverwaltung.

Meine Damen und Herren, der Zustand aller öffentlichen Haushalte bereitet der Landesregierung große Sorge. Aus meiner Sicht wäre es wünschenswert, die Haushaltskonsolidierung als übergeordnete gemeinsame Aufgabe zu verstehen. Im Interesse unserer Bürgerinnen und Bürger müssen wir wieder tragfähige Haushalte anstreben, um so auch langfristig die notwendigen Gestaltungsspielräume zu erhalten und nicht die Lasten auf die nächste Generation zu verschieben. Das gilt für das Land; das gilt natürlich auch für die Kommunen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Dieser Zielsetzung dient der vorgelegte Gesetzentwurf der Landesregierung. Er ist ein Markstein auf dem Weg dahin, dass wir tatsächlich zu einer vernünftigen Ausgestaltung der kommunalen Handlungsspielräume auch für die Zukunft kommen. Ich bitte um Ihre Zustimmung.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Astrid Damerow von der CDU-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die wichtigste Voraussetzung für kommunale