Protocol of the Session on September 15, 2011

Kommunikation, für die Bildung, für die Partizipation offenzulegen.

(Glocke des Präsidenten)

- Ich komme zu meinem letzten Satz, Herr Präsident.

Im Spannungsfeld von Datenschutz und Mediennutzung bieten ausgezeichnete Medienkompetenz und hinreichende Transparenz den entscheidenden Schutz für Nutzerinnen und Nutzer. Die müssen wissen, welche Daten beispielsweise in einer IPAdresse enthalten sind, wie diese Daten weitergegeben werden und wofür sie überhaupt genutzt werden können; denn die Medien zu nutzen bedeutet, dass man lernt, sie vernünftig zu gebrauchen, dass sie einem nicht fremd sind, dass man ihre Gefahren kennt und ihr Potenzial auszuschöpfen weiß.

Ich werde mich zu einem Dreiminutenbeitrag melden, um zu begründen, wie wir uns bei der Abstimmung verhalten.

(Beifall bei der SPD)

Das war ein ausgesprochen schöner Schlusssatz.

Das Wort für die FDP-Fraktion erteile ich der Frau Kollegin Ingrid Brand-Hückstädt.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vielen Dank für die Lobbekundungen. Ich will auch gleich erklären, wie es dazu gekommen ist, dass wir ein erhebliches Interesse daran hatten, beide, sowohl Facebook als auch den Datenschutzbeauftragten, vor den Innen- und Rechtsausschuss zu laden.

Dass der schleswig-holsteinische Datenschutzbeauftragte Facebook nicht stoppen wollte, das hat sich nach der Sitzung des Innen- und Rechtsausschusses sehr schnell geklärt. Das war in der Tat nicht sein Ziel. Durch die Reichweitenuntersuchungen ist offenkundig geworden, wie viele offene Fragen es gab. Für mich wurde deutlich, dass einige Behauptungen lediglich durch Vermutungen untermauert wurden. Das war der Grund, aus dem wir den Landesdatenschutzbeauftragten und einen Vertreter von Facebook geladen haben.

Vor dem Innen- und Rechtsausschuss nahm Mister Allan - Facebook hat ein Gesicht; das war die große Überraschung - zu der einen oder anderen technischen Unterstellung des ULD Stellung. Man handele zwar nicht nach deutschem Datenschutzrecht,

aber nach europäischem, was in den Ländern zu 99 % ähnlich sei. Er versprach, alle offenen Fragen innerhalb der nächsten zwei Wochen schriftlich zu beantworten.

Ein bisschen Ratlosigkeit machte sich breit, denn wer hat recht? Herr Fürter, ich neige nicht dazu, sofort zu sagen, Facebook habe nicht recht.

Zwei Tage später machte Mister Allan eine Charming-Tour auch beim Bundesinnenministerium, machte seine Aufwartung und erklärte, an einer Selbstregulierung der Branche zum Schutz der Nutzer wolle Facebook teilnehmen.

Mister Allan sagte vor dem Innen- und Rechtsausschuss aber auch, dass er es für problematisch halte, wenn in Zukunft Inhalte von anderen Websites nicht in das Produkt Facebook eingebunden werden können sollen, sein Geschäftsmodell sozusagen auf dem Prüfstand stehe. Die Entwicklung des Internets sei schließlich eine andere.

Bei Gesprächen mit jungen Menschen, die mit Internet und Facebook aufgewachsen sind, werden wir mit Fakten konfrontiert, über die wir uns in der Politik Gedanken machen sollten. Diese jungen Leute fragen: Wo ist das Problem? Wir wissen, was Facebook mit den Daten macht. Wir akzeptieren das, und wenn wir das nicht wollen, machen wir es eben nicht.

Und es gibt die anderen, nicht ganz so Aufgeklärten, aber Abgeklärten, die beispielsweise sagen: „Ich habe mich schon gewundert, warum mir bei meinen Facebook-Clicks immer Seglerkleidung angeboten wird.“ - Er ist begeisterter Segler. Nach der Erklärung über die Funktion von Cookies sagte er nur: „Gott sei Dank belästigen sie mich nicht mit Reiterkleidung.“

(Heiterkeit - Beifall der Abgeordneten Thor- sten Fürter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], Dr. Robert Habeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Lars Harms [SSW])

In der Tat, man kann Mister Allan nur zustimmen. Die Entwicklung des Internets ist eine andere, weil auch die Entwicklung der Nutzer eine andere ist, eine andere, als viele sie sich vorstellen oder wünschen. Aber sie ist nun mal da, und wir, die Politik, können sie nicht ignorieren. Der Boykottappell der Bundesverbraucherschutzministerin an ihre Kabinettskollegen, Facebook nicht zu nutzen, ist wenig hilfreich, eher komplett naiv und vielleicht bayerischer Mentalität zuzuordnen.

(Beifall bei FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

(Peter Eichstädt)

Das heißt jetzt nicht, dass die FDP ab sofort eine lockere Haltung zum Datenschutz hat. Das heißt nur, dass aus unserer Sicht eine gewisse Gelassenheit im Umgang mit dem Internet, Facebook und anderen Social Networks angebracht ist, weil sich Zeiten, Menschen und Gewohnheiten ändern. Das sollten wir positiv begleiten, indem wir zum Beispiel bessere Voraussetzungen für die Medienkompetenzvermittlung schaffen, wie Herr Eichstädt das eben angesprochen hat.

(Beifall bei FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Natürlich müssen wir uns um weltweite Standards kümmern und dafür einsetzen. Es gehört nun nicht zu meiner liberalen Grundhaltung, dass der Datenschutzbeauftragte immer recht hat - bei aller Wertschätzung.

(Beifall der Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD] und Jürgen Weber [SPD] - Jürgen Weber [SPD]: Das musste mal gesagt sein!)

Die vom ULD geplante Insellösung für SchleswigHolstein erscheint mir zum jetzigen Zeitpunkt bei der ungeklärten Rechtslage unangemessen.

(Beifall bei FDP, CDU und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich bin sehr froh, dass Facebook und das ULD durch unseren Antrag endlich eine Gesprächsbasis gefunden zu haben scheinen, um die anstehenden Probleme zu lösen. Darüber - das sagt unser Antrag - wollen wir uns im Innen- und Rechtsausschuss berichten lassen. Denn natürlich ist uns daran gelegen, dass eine Rechtsstreitigkeit zwischen zwei Parteien nicht auf dem Rücken Dritter, der Betreiber und Nutzer in Schleswig-Holstein, ausgetragen wird.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Dr. Christian von Boetticher [CDU])

Der Änderungsantrag von CDU und FDP zur Weiterberichterstattung macht deutlich, dass in diesem Fall nicht der Landtag oder die Landesregierung gefordert ist, sondern dass die Betreiber und die Nutzer gefordert sind.

Dass der Landesdatenschutzbeauftragte unabhängig ist und keiner staatlichen Aufsicht unterliegt, haben wir vor vier Wochen hier beschlossen. Es verwunderte deshalb sehr, dass der erste Antrag der Grünen uns aufforderte, sich dafür auszusprechen, Bußgelder gegen private Anbieter sozialer FacebookDienste nicht festzusetzen, solange eine politische

Lösung nicht gefunden wurde - ein Rechtsverständnis, das man weiter im Auge behalten sollte.

(Zuruf des Abgeordneten Thorsten Fürter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Nein, finde ich nicht. - Immerhin haben Sie den Fehler noch erkannt, wenn auch mit dem neuen Antrag sehr kurzfristig. Der neue Antrag entspricht beinahe dem von CDU und FDP. Stimmen Sie dem einfach zu!

(Beifall bei FDP, CDU und SSW)

Auf der Zuschauertribüne begrüße ich weitere Gäste, und zwar weitere Mitglieder des CDU-Ortsverbandes Eggebek. - Seien Sie uns herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Das Wort für die Fraktion DIE LINKE erteile ich dem Herrn Abgeordneten Heinz-Werner Jezewski.

Vielen Dank, Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Frau Brand-Hückstädt, Sie haben mir in vielem wirklich aus der Seele gesprochen, wenn auch nicht darin, wie wir mit Anträgen umgehen werden. Ich habe ein ganz anderes Problem damit. Die Anträge gehen im Prinzip in die gleiche Richtung. Ich finde es gut, dass Sie etwas von uns übernommen haben, nämlich dass weiter berichtet werden soll. Darauf will ich gar nicht weiter eingehen. Ich glaube einfach, dass wir mit einer Abstimmung über die Anträge in der Sache kein Stück weiter sind. Ich glaube auch, dass wir mittelfristig, vielleicht sogar kurzfristig angesichts der Entwicklungen, die sich auf diesem Gebiet tun, im Innen- und Rechtsausschuss überfordert sind. Ich weiß nicht, ob man das Datenschutzgremium des Landtages irgendwie dazu umbauen kann, dass man einen Kreis hat, in dem man über solche Dinge vernünftig reden kann.

Worum geht es überhaupt? - Das meiste ist gesagt. Ich will ein paar andere Aspekte beleuchten. Facebook will Geld verdienen. Es sollte mich wundern, wenn - von hier aus gesehen ab der dritten Reihe irgendjemand etwas dagegen hat. Facebook will viel Geld verdienen. Auch dagegen werden die meisten von Ihnen nichts haben. Was mich freut, ist, dass die Opfer von Facebook - Frau BrandHückstädt hat es richtig ausgedrückt - mit zielgerichteter Werbung bestraft werden. Die kriegen kei

(Ingrid Brand-Hückstädt)

ne Reiterwerbung, sondern Seglerwerbung, wenn sie Segler sind.

Facebook hinterlässt keine Opfer, die finanziell ruiniert sind, so wie die Glücksspielanbieter, die Sie gestern ins Land zu holen beschlossen haben. Aber Facebook muss sich selbstverständlich, wie alle anderen auch, an Gesetze halten. Der Datenschutzbeauftragte muss mit dem ULD kontrollieren, ob es das tut. Er muss aber auch kontrollieren, ob andere das tun.

Ich verweise auf den Dienst, mit dem wir uns bezüglich der Ausspionierung schleswig-holsteinischer Straßen beschäftigt haben, Google. Wer ein Google-Mail-Konto hat, ist damit einverstanden, dass jede seiner E-Mails, seiner privaten elektronischen Post, gescannt wird und dass Werbung, die ihm Google anbietet, auf Schlagwörtern aufbaut, die in diesen Mails stehen. Das ist im Allgemeinen nicht so bekannt. Aber wer sich darauf einlässt, weiß das. Ich habe so einen Account. Ich schicke nur bestimmte Mails darüber. Dann sollen sie mir doch Werbung schicken. Das ist meine Angelegenheit.

(Thorsten Fürter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Was gibt es denn für Werbung?)

- Herr Fürter, ich weiß nicht, ob Sie das Prinzip kennen. Aber wir haben in Deutschland Vertragsfreiheit. Ich darf einen Vertrag schließen. In diesem Vertrag darf ich Dinge bestimmen, die Sie vielleicht nicht tun würden, weil Sie die für falsch halten. Ich darf zum Beispiel bei einem Internetanbieter meine Steuererklärung online stellen, sodass sie jeder sehen kann. Das ist mein gutes Recht. Würde das Finanzamt das tun oder würden Sie das tun, wäre das ein Verstoß gegen Datenschutzrichtlinien.

Wir müssen lernen, diesen Spannungsbogen zwischen der Vertragsfreiheit und dem vermeintlichen Schutz des Bürgers oder der Bürgerin vor sich selbst auszuhalten. Natürlich müssen wir Leute schützen, die sich nicht selber schützen können. Da bin ich bei Peter Eichstädts Lieblingsthema, nämlich der Medienkompetenzvermittlung. Wer die Kompetenz nicht hat, sich selbst zu schützen, den müssen wir schützen, und den muss das ULD schützen.

Ich zähle jetzt einmal ein paar auf, die nicht auf der Nutzerseite, der Serverseite von Facebook sind, sondern auf der Anbieterseite. Ich habe mir in den letzten Tagen einfach einmal ein paar Internetseiten angeguckt. Wir haben es schon mitgekriegt: die des Kollegen Fürter. Ich kriege drei Cookies, die länger als zwei Jahre bleiben, einer bleibt 24 Monate, ei

ner 26 Monate und einer mehr als 20 Jahre. Ich kann nicht auslesen, was in diesen Cookies steht. Soll ich denn das ULD und den Datenschutzbeauftragten damit beauftragen, festzustellen, ob irgendjemand aus meinem Besuch auf der Seite von Thorsten Fürter ein Profil erstellt?

Ich frage mich: Ist das mangelnde Medienkompetenz bei Thorsten Fürter und dem Ersteller seiner Website? - Offenbar ja.

(Thorsten Fürter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Cookies kannst du aber abschalten!)