Protocol of the Session on September 15, 2011

(Präsident Torsten Geerdts)

- Das war böse.

Kollege Fürter, Sie kandidieren in Lübeck als Bürgermeister. Ist Ihnen das Folgende bekannt: Wenn man die Unterstützerseite im Internet aufruft, wird auf dem PC des Aufrufenden ein Cookie hinterlegt, der bis zum Jahr 2034 seine Gültigkeit behält. Es kann auch sein, dass er sie bis zum Jahr 2038 behält, ich habe es nicht mehr genau im Kopf. Können Sie nachweisen, dass Sie mit dem Cookie, der auf meinem Computer abgelegt ist, keine Profile anlegen und nichts Unrechtmäßiges machen?

- Das ist mir nicht bekannt. Ich kann es aber auch nicht ausschließen. Es kann durchaus sein, dass das geschieht. Ich kann nur sagen: Bei mir kommen solche Daten jedenfalls nicht an. Von jemandem, der an Politik interessiert ist, erwarte ich, dass er ständig auf meiner Seite ist. Ich bekomme interessante Informationen über Sie über Facebook, da auch Sie bei Facebook sind. Wenn bei mir ein Profil darüber ankommen würde, welche Seiten Sie aufrufen, dann können Sie davon ausgehen, dass ich dies politisch zum Thema gemacht hätte. Bisher ist dies nicht der Fall gewesen. Ich hoffe, das bleibt auch so.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir wollen nicht, dass am 1. Oktober 2011 in Schleswig-Holstein Facebook-Aktivitäten von Menschen und Initiativen, aber auch von Unternehmen aus Schleswig-Holstein dichtgemacht werden. Wir wollen, dass es am Ende auch nicht zu Untersagungsverfügungen kommt, und wir wollen, dass keine Bußgelder verhängt werden.

Es gibt aber Dinge, die getan werden können. Die öffentliche Verwaltung kann mit gutem Beispiel vorangehen. Die Landesregierung und die öffentlichen Stellen sollten vormachen, wie es geht. Dadurch wird Politik nicht zum Closed-Shop. Vielmehr bedeutet eine Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten auch, dass seine Auffassung auch für den Staat gilt. Hier erst einmal gegenteilige Meinungen abzuwarten und vielleicht höher zu bewerten sowie die rechtliche Bewertung generell anzuzweifeln, unterminiert die Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten und stellt seine Kompetenz infrage. Solange Facebook keine einwandfreie Lösung anbietet, muss dies ein erster Schritt sein; gerade weil der Staat sich nicht den Regeln des Marktes unterwerfen sollte.

Weiterhin müssen wir auf Bundesebene und auf europäischer Ebene zu Verhandlungen kommen, damit der Datenschutz bei Facebook umgesetzt wird. Der Druck aus Schleswig-Holstein durch den Datenschutzbeauftragten hat gezeigt, dass Facebook generell zu einem Dialog bereit ist. Wir haben im Ausschuss erfahren, dass Facebook für Nichtmitglieder keine spezifische IP-Adresse speichert. Dieses Beispiel zeigt, dass Facebook bereit ist, auf die Auffassung von Datenschützern in Deutschland einzugehen. Hier darf sich die Politik nicht mit windelweichen Zusagen von Facebook-Vertretern begnügen. Der charmanten Auskunft im Ausschuss müssen Taten folgen, und eine Selbstverpflichtung ohne eine zeitliche Bindung oder inhaltliche Rahmendaten ist ebenfalls nicht ausreichend. Die Debatte ist angestoßen. Sie ist bei Weitem nicht entschärft, sie fängt gerade erst an.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Michael von Abercron das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Fast jeder von uns nutzt heute zu ganz unterschiedlichen Zwecken eine Vielzahl von Angeboten im Internet. Die meisten von uns wissen gar nicht, dass wir viele Spuren hinterlassen, auch wenn es heute Möglichkeiten gibt, das Ganze zu anonymisieren. Andere können diese Spuren nutzen, um sich ein Bild über das zu machen, was uns interessiert und bewegt. Man muss nicht gleich an die großen Geheimdienste denken und diese verdächtigen, obgleich Markus Wolf und Erich Mielke vielleicht an dieser neuen Technologie ein großes Interesse und großen Gefallen gefunden hätten.

Aber andere haben ein naheliegendes wirtschaftliches Interesse am Erstellen zum Beispiel von Persönlichkeitsprofilen. Je mehr Profile vorhanden sind, je mehr Nutzer da sind, umso größer ist der Wert eines solchen Unternehmens. Facebook soll inzwischen einen Wert von etwa 50 Milliarden $ haben. Also besonders die sozialen Netzwerke scheinen dafür das beste Geschäftsmodell zu haben.

Anfragen von Bürgern, Unternehmen, öffentlichen Stellen zu den Angeboten des Marktführers Facebook haben das Unabhängige Landeszentrum für den Datenschutz Schleswig-Holstein bewegt, sich mit den datenschutzrelevanten Fragen bei diesem

(Thorsten Fürter)

Anbieter zu befassen. Die veröffentlichten Einschätzungen des ULD haben sogar bundesweit sehr großes Aufsehen erregt und uns als Fachpolitiker alarmiert.

Meiner geschätzten Kollegin Frau Brand-Hückstädt ist es zu verdanken, dass wir die Anregung bekommen haben, unseren obersten Datenschützer Herrn Dr. Weichert und Mister Allan von Facebook im Rechtsausschuss anzuhören. Ich meine, das war ein sehr großer Erfolg; dafür herzlichen Dank.

Diese Anhörung war nicht nur ergiebig. Sie hat uns gezeigt: Die bestehenden Angebote per Facebook verstoßen gegen das Telemediengesetz, gegen das Bundesdatenschutzgesetz und gegen das Landesdatenschutzgesetz. Das ULD hat sogar angekündigt, nach Prüfung, rechtlichen Anhörungen und Verwaltungsverfahren Ende September Unterlassungsverfügungen und sogar Bußgelder verhängen zu können.

Wir stehen uneingeschränkt für die Unabhängigkeit des ULD. Ich freue mich, dass die Grünen ihren Antrag diesbezüglich etwas abgemildert haben. Insoweit stimmen wir in vielen Punkten überein, Herr Fürter, gar keine Frage. Wir finden unseren trotzdem besser.

Nach den ersten Ergebnissen der Sitzung des Innenund Rechtsausschusses gehen wir aber davon aus, dass es nicht zu solchen Sanktionen kommen wird. Mister Allan von Facebook hat zugesichert, dem ULD binnen einer Woche weitere Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Er hat versichert, keine Profile von Benutzern des Gefällt-mir-Buttons zu erstellen. Er hat uns erklären wollen, dass diejenigen, die den Gefällt-mir-Button drücken, tatsächlich auch den datenschutzrechtlichen Bestimmungen vorher zugestimmt haben. Da haben wir natürlich ein paar Probleme, im Übrigen nicht nur da, sondern auch bei den technischen Abläufen. Die Cookies sind eben schon einmal angesprochen worden. Es gibt da noch Klärungsbedarf.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, eine stille und heimliche Reichweitenanalyse von Nutzerdaten ist für uns völlig inakzeptabel.

(Beifall bei CDU und FDP)

- Es kommt noch ein besserer Satz! - Die sozialen Netzwerke dürfen nicht zur Schlagkartei über menschliche Profile verkommen.

Um noch bestehende Mängel und Unklarheiten abzustellen, unterstützen wir den begonnenen Dialog zwischen ULD und Facebook. Wir appellieren an öffentliche wie private Betreiber, ihre Webseiten im

Hinblick auf die Verknüpfung zu sozialen Netzwerken unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten zu überprüfen. Wir wollen für alle Nutzer und öffentliche wie private Anbieter eine praktikable und einfach umsetzbare Lösung. Zum Beispiel wäre die Zwei-Klick-Lösung eine solche Möglichkeit. Wir wünschen uns eine möglichst intensive und zeitnahe Information über den Stand der Verhandlungen von ULD und Facebook.

Alle wollen das Internet nutzen. Aber sie müssen auch lernen, mit der neuen Verantwortung umzugehen. Vom englischen Dramatiker John Osborne stammt der Satz - er hat das dramatisch ausgedrückt -: „Der Computer ist die logische Weiterentwicklung des Menschen; Intelligenz ohne Moral.“ Versuchen wir doch einmal, intelligent zu sein und die Moral mit der multimedialen Welt zu verknüpfen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das Wort für die SPD-Fraktion erteile ich dem Abgeordneten Peter Eichstädt.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz in Schleswig-Holstein hat alle Stellen in Schleswig-Holstein aufgefordert, ihre sogenannten Fanpages bei Facebook und ihre Social Plugins wie den Gefällt-mir-Button von ihren Webseiten zu entfernen. Begründet wurde diese Aufforderung damit, dass derartige Angebote gegen das Telemediengesetz und gegen das Bundes- beziehungsweise Landesdatenschutzgesetz verstießen. Der Datenschutzbeauftragte hat für die geforderte Deaktivierung eine Frist bis Ende September gesetzt und Bußgelder angedroht. Das Ganze ist natürlich in dem Zeitungs- und Medienwald mit großem Donner eingeschlagen.

Nun ist Schleswig-Holstein zweifellos ein schönes und bedeutendes Land, aber angesichts des weltweiten Netzes doch eher ein kleines Land.

(Unruhe)

- Ich weiß nicht, ob es möglich ist, dass auf der Regierungsbank etwas mehr Ruhe herrscht. Ich erwarte nicht, dass Sie mir zuhören; dass ist vielleicht auch gar nicht notwendig. - Herr Präsident, Entschuldigung.

(Dr. Michael von Abercron)

Deshalb ist es auch richtig, dass die Datenschutzbeauftragten aller Länder vereinbart haben, eine gemeinsame Entschließung zur Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder Ende September vorzulegen. Genau da gehört dieses Problem auch hin.

(Beifall bei der SPD)

Facebook hat seinerseits angekündigt, zur Rechtsauffassung des ULD Stellung zu nehmen. Ich will mich gern La-Ola-Wellen anschließen, die hier bereits durch das Haus gerollt sind. Es war wirklich eine gute Idee, Facebook einzuladen. Ich kann auch, wenn es angemessener und zeitgemäßer ist, meinen Like-It-Button drücken. Das war wirklich ganz toll, Frau Brand-Hückstädt und Herr Abercron. Also, betrachten Sie ihn als gedrückt.

(Heiterkeit und Beifall)

Ich hoffe, ich kriege jetzt keine Schwierigkeiten mit Ihnen, Herr Fürter.. Ich habe das hier ja verbreitet. Na gut, ich warte einmal, ob sich der Datenschutzbeauftragte bei mir meldet.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Kai Dolgner [SPD])

- Ich muss leider an meine Redezeit denken, Herr Kollege.

Selbstverständlich ist für uns wie für alle hier im Haus, dass alle deutschen und europäischen Gesetze in diesem Zusammenhang beachtet werden müssen. Dies ist natürlich nicht nur von Facebook zu erwarten, sondern von allen sozialen Netzen, von allen Anbietern wie Google, Facebook, MySpace, studiVZ, Flickr und vielen mehr, die ich hier gar nicht aufzählen kann und die möglicherweise in der Zukunft noch dazukommen werden, und zwar zu einem Zeitpunkt, wo andere, von denen ich eben gesprochen habe, schon lange verschwunden sind.

Meine Damen und Herren, wir müssen akzeptieren, dass die Nutzung sozialer Netzwerke aus der Kommunikation in allen Lebensräumen nicht mehr wegzudenken ist und sie auch niemand weg haben will. Natürlich muss es Regeln geben, die dort eingehalten werden. Allerdings ist dies im Kontext des www nicht einfach.

Ich erinnere an die klare Aussage von Facebook in der Anhörung, seinerseits freiwillig den Datenschutz verbessern zu wollen. Das muss man zur Kenntnis nehmen, das muss überprüft werden, und das geschieht auch.

Was wir auf keinen Fall für einen sinnvollen Weg halten, ist das, was Herr Fürter in seinem Ur

sprungsantrag gefordert hat, den wir bis vor einer Stunde noch auf dem Tisch hatten. In der Zwischenzeit hat ja am Rande des Parlaments eine Diskussion stattgefunden, die ganz offensichtlich auch bei Herrn Fürter und den Grünen zu einem gewissen Erkenntnisgewinn und dann zu dem neuen Antrag geführt hat, der einen Tick besser ist, aber auch nicht wesentlich.

Herr Fürter, Sie haben gestern, um das noch einmal deutlich zu machen - ich weiß nicht, ob Sie eben zugehört haben; aber ich kann Ihnen sonst den Redetext nachher geben -, beim Glücksspielgesetz sehr richtig ausgeführt, dass es - wörtlich „schwachsinnig“ sei, anzunehmen, man könne in Schleswig-Holstein Regelungen für InternetGlücksspiel treffen. Das funktioniere nicht in einem weltweiten Netz. Ich finde, es ist ein vergleichbarer Schwachsinn, dieses bei der Frage des Facebook-Like-Buttons zu versuchen.

(Beifall bei SPD und FDP)

Das wird nur funktionieren, wenn es hier mindestens bundesweit, möglichst europaweit eine einheitliche Regelung gibt, die mit möglichst allen Anbietern getroffen wird. Die Datenschutzbeauftragten sind dabei, dies zu organisieren.

In der letzten Woche haben wir hier noch das Landesdatenschutzgesetz auf den Weg gebracht - um zu einem anderen Aspekt aus Ihrem Antrag zu kommen -, das ausdrücklich festlegt, dass der Datenschutzbeauftragte unabhängig ist, vor allem unabhängig von staatlichen Stellen und Parlamenten, natürlich mit Ausnahme seiner Berufung. Wenn Sie hier vorschlagen, dass das Parlament ihm Hinweise oder sogar Weisungen geben soll, wie er in bestimmten Fragen zu verfahren hat, dann haben Sie das, was wir letztes Mal bei der Behandlung dieses Gesetzes besprochen haben, nicht verstanden.

Zu einem anderen Aspekt. Es gibt auch den persönlichen Datenschutz, und dieser muss, wie der Hamburger Datenschutzbeauftragte es genannt hat, „selbst und bewusst“ eingehalten werden. Nutzerinnen und Nutzer können und sollen alle Fähigkeiten und Informationen erhalten, um selber zu entscheiden, ob sie mit der Weitergabe bestimmter Daten einverstanden sind. Dieses Wissen ist notwendig und kann nicht durch Datenschutzrichtlinien des Staates ersetzt werden. Wenn das Internet von einer Person genutzt werden soll, dann ist diese nicht nur gezwungen, sondern auch bereit dazu, einen Teil ihrer Daten im Austausch für neue Formen der

(Peter Eichstädt)

Kommunikation, für die Bildung, für die Partizipation offenzulegen.