- Herr Koch, nach Ihren vorherigen Aussagen gegen die Nazis hoffe ich, dass Sie beim nächsten Mal - der März ist nicht mehr weit - auch unter diesem Aufruf stehen. Das würde mich freuen. Dann können wir Seite an Seite gegen die Nazis in Lübeck etwas ausrichten.
Herr Präsident! Kollege Koch, lassen Sie uns einmal darüber reden, wie wir zum Rechtsstaat stehen. Meines Wissens ist es immer noch so - Sie als Jurist wissen es besser -, dass jemand ein Straftäter ist, wenn ein Gericht ihn verurteilt hat. Davor gilt die Unschuldsvermutung.
Ich will jetzt eine Erklärung abgeben. Ich weiß ja, dass Sie charmanter und intelligenter sind als Ihr Fraktionsvorsitzender. - Herr Hildebrand, ich gucke Sie zwar an, aber ich meine nicht Sie als Stellvertreter, sondern ich meine den richtigen. - Trotzdem werde ich es Ihnen nicht durchgehen lassen, dass Sie das tun, was auch er hier vor einigen Monaten schon einmal gemacht hat.
Die Staatsanwaltschaft Lüneburg ermittelt seit fast einem Jahr, ob ich den Aufruf „Castor? Schottern!“ unterschrieben habe und ob, wenn ich dies getan habe, dadurch ein Straftatbestand vorliegt. Die
Staatsanwaltschaft ermittelt, und irgendwann wird die Staatsanwaltschaft mir vielleicht mitteilen, dass sie nicht der Ansicht ist oder dass sie der Ansicht ist, und dann werden die Gerichte darüber entscheiden.
Kollege Koch, wenn Sie diese Tatsache in die rhetorische Frage kleiden: Was sollen wir davon halten, dass ein Mitglied der LINKEN hier im Haus zu Sachbeschädigung aufruft? -, ich habe das jetzt nicht wörtlich zitiert, aber das war der Tenor Ihrer Frage -, dann verwahre ich mich ausdrücklich gegen die in dieser Frage enthaltende Unterstellung und fordere Sie auf klarzustellen, was Ihr Rechtsverständnis ist. Entscheiden Sie, ob jemand zu einer Straftat, zu einer Sachbeschädigung aufruft, oder entscheidet das ein Gericht?
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Koch gab den Anlass für die jetzt noch andauernde Diskussion und nicht der Verfassungsschutzbericht.
Das hat auch damit zu tun, dass der Kollege Koch natürlich wieder versucht, Nähen zwischen Demokraten und Menschen oder Organisationen herzustellen, die in diesem Verfassungsschutzbericht genannt sind. Und das ist einfach unredlich und gehört sich nicht.
(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und SSW - Gerrit Koch [FDP]: Das steht im Verfassungsschutzbe- richt!)
Das Zweite: Die Lübecker Bürgerschaft hat aufgerufen, und sie ruft schon seit Jahren, wenn die Nazis Ende März, Anfang April durch Lübeck marschieren, zu Demonstrationen gegen diese Naziaufmärsche auf.
da rufen auch Organisationen auf, die auch im Verfassungsschutzbericht stehen. Sollen wir in Zukunft darauf verzichten, nur weil die aufrufen, selbst deutlich zu machen, dass wir diesen Naziaufmarsch nicht wollen? Ist das die Nähe, die Sie schon ablehnen? - Ich glaube, dass es nicht vernünftig ist, wenn Sie versuchen, solche Strukturen zu konstruieren.
Herr Abgeordneter Baasch, mögen Sie bitte zur Kenntnis nehmen, dass in der Lübecker Bürgerschaft meines Wissens keine Verfassungsfeinde sitzen und dass ich nicht von dem Aufruf der Lübecker Bürgerschaft gesprochen habe, sondern von dem anderen, der auch in der Zeitung veröffentlicht wurde?
- Herr Kollege Koch, ich habe das schon verstanden. Ich habe aber versucht, Ihnen zu erklären, dass Sie mit dem Aufruf der Lübecker Bürgerschaft zu einer Demonstration aufrufen, wo auch zum Beispiel die von Ihnen so gegeißelte Gruppe Avanti zur selben Demonstration aufruft. Aber Sie ziehen deswegen Ihren Aufruf nicht zurück. Selbst der Landtag hat aufgerufen, daran teilzunehmen. Deswegen sage ich: Sie konstruieren Nähen, die Sie eigentlich auch selbst mit herstellen, aber dann bei anderen Leuten sagen Sie: Das dürft ihr nicht. - Das ist nicht in Ordnung. Sie versuchen zu spalten, und das ist schädlich.
Auf der Kundgebung vor dem Bahnhof in Lübeck hat unter anderem - neben vielen Politikern - auch der Bischof Ulrich gesprochen. Natürlich wird dort zur Gewaltfreiheit aufgerufen. Natürlich wird dort zur Zivilcourage aufgerufen. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich finde nichts dabei, wenn wir gemeinsam da stehen und dies auch dokumentieren. Ich finde, es ist auch deutlich, dass wir als Demokraten an jeder Stelle gemeinsam auftreten und deutlich machen, dass Nazis nicht die Straße überlassen wird. Ich finde, das ist eigentlich selbstverständlich.
Das sage ich auch ganz deutlich: Wir sind in Lübeck alle stolz darauf, dass es uns mittlerweile gelungen ist, dass die Nazis nicht mehr durch das Holstentor und durch die Altstadt marschieren, sondern dass es uns gelingt, sie aus der Stadt herauszuhalten. Das wollen die Lübecker auch. Die Lübecker finden es unerträglich, dass sie jedes Jahr wieder diese Belastung haben.
Was dann den von Ihnen immer wieder angesprochenen Aufruf anbelangt: Ich glaube, dass in der Diskussion nicht so entscheidend ist - zumindest sollte es so sein -, wer darunter steht. Das konstruieren Sie, und Sie wollen damit spalten. Aber andere haben ein anderes Problem damit. Die fragen, ob es eigentlich richtig ist, zu Sitzblockaden aufzurufen. Da ist es auch völlig egal, wer sitzt und wo er sitzt, sondern es geht darum: Darf man dieses Instrument des friedlichen Protests anwenden? Genau darum dreht sich die Diskussion.
Ich sage Ihnen noch einmal: Die Lübecker sind stolz darauf und froh darüber, dass die Nazis aufgrund dieser Sitzblockaden nicht mehr durchs Holstentor und durch die Altstadt laufen können.
Deswegen ist es auch ein probates Mittel, dazu aufzurufen. Aber ich weiß auch, dass es da große Probleme mit der Polizei gibt, wenn man so etwas macht.
Wir reden auch - das finde ich auch wichtig - mit der Polizei. Wir Landtagsabgeordnete waren beim Polizeipräsidium in Lübeck und haben mit Herrn Hüttmann darüber gesprochen und uns ausgetauscht.
Wir wissen auch, wie wir in Zukunft sensibler damit umgehen werden. Das haben wir gemeinsam vereinbart.
Aber eines sage ich Ihnen: Es geht in der Diskussion nicht um die Nähe, die Sie immer herstellen wollen, sondern um die Frage, ob man das darf oder tun sollte. Ich finde, wenn wir als Demokraten vernünftig miteinander reden und uns nicht spalten, können wir in dieser Frage viel mehr gemeinsam erreichen, und das sollten wir auch in Zukunft tun.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sprechen über den Verfassungsschutzbericht und die Gewichtigkeit der Gefahren. Ich glaube, dass es wichtig ist, dass wir den sehr bedenkenswerten Beitrag der Kollegin Spoorendonk und die damit zusammenhängenden Fragen stärker in den Mittelpunkt stellen. Das, was die Kollegin Spoorendonk dazu ausgeführt hat, in welcher Form man auf Gefahren reagieren kann, verdient eine tiefere Betrachtung.
Es kann auch uns passieren, dass solch ein Attentat geschieht, das ist überhaupt gar keine Frage. Aber der Punkt ist natürlich der, dass wir schon seit Jahrzehnten auch aus weltweiten Strukturen resultierende Gefahren haben und die entsprechende Wirkung sehen. Das ist vielleicht ein Unterschied zur Situation in Norwegen, so schlimm beide Bereiche sind.
Das, was Sie, Frau Kollegin Spoorendonk, dazu gesagt haben, wie man in veränderten Zeiten reagiert, lohnt eine ernsthafte Erörterung. Die sollten wir im Ausschuss oder bei anderer Gelegenheit einmal vornehmen. Denn die Themen Terrorgefahr und Attentatsgefahr sind die dominanten Themen dieses Verfassungsschutzberichts. Dahinter stehen andere Themen - in der Gewichtung erkennbar - deutlich zurück, jedenfalls aus meiner Sicht.