Die Zeit rennt. Deshalb begrüße ich es, dass Sie, Herr Minister, das Verfahren heute noch einmal dargestellt haben. Die Wohlfahrtsverbände - sie sind bis zum heutigen Tag nur unzureichend beteiligt worden - kritisieren zu Recht das Fehlen jeglicher Gestaltungsidee bei diesem Vorhaben.
Die Kommunalisierung kann durchaus positive Wirkungen haben; da jedoch den Kommunen nur geringe finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, haben wir - nicht wir allein, sondern gerade auch die Wohlfahrtsverbände - die Sorge, dass die Möglichkeiten der Suchtberatung eine erhebliche Einschränkung erfahren und die Beratungstätigkeit letztlich eingestellt wird.
Wir sind der Meinung, dass für diesen wichtigen Bereich die Verantwortung des Landes bestehen bleiben muss. Das Land darf nicht wieder, wie bei der Eingliederungsbeihilfe, einfach „den Löffel abgeben“. So ist zum Beispiel die Mitentscheidung über die Verteilung der Gelder der Wiedereingliederungshilfe nicht mehr möglich. Das haben wir in vielen Beratungen, insbesondere im Sozialausschuss, als Lücke erkannt.
Herr Minister, wenn Sie mir heute zusichern, dass die Kommunen Ihnen zugesichert haben, die Mittel für eine ausreichende Förderung dieser Arbeit weiterhin zur Verfügung zu stellen, dann könnten wir LINKE sogar kleine Schritte - Trippelschritte - in Richtung Kommunalisierung mitgehen. Aber unsere Erfahrungen zeigen etwas anderes.
Wir möchten, dass die wichtige Arbeit der Suchtkrankenhilfe und der offenen Hilfen weitergeht. Das Bedarf an Angeboten aus diesem Bereich wird steigen. Wir, das Land, dürfen uns nicht aus der Finanzierungsverantwortung verabschieden. Voraussetzung für eine Kommunalisierung muss die volle Absicherung der Kommunen sein. Anderenfalls wird die gute Arbeit, die im Hilfebereich heute noch geleistet wird, den Menschen in unserem Land nicht mehr zugute kommen.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag der Fraktion DIE LINKE bezieht sich auf die Fragen zum Haushaltsentwurf 2011/2012 zum Einzelplan 10, Kapitel 1002, und die Antworten der Landesregierung bezüglich der Zuschüsse für Zwecke der ambulanten Suchtkrankenhilfe und der dezentralen Psychiatrie.
Der Minister hat es in seinem Bericht schon gesagt: Es sind keine Kürzungen vorgenommen worden. Der Sozialvertrag II enthält Mittel zur Förderung der ambulanten Suchtberatung in Höhe 1.420.350 € und für die dezentrale Psychiatrie in Höhe von 719.650 €.
Der angeforderte und heute gegebene mündliche Bericht zum aktuellen Stand der Vorbereitung und Umsetzung der ab dem 1. Januar 2012 vorgesehenen Kommunalisierung der Fördermittel des Landes aus dem Sozialvertrag II konnte sich vornehmlich nur auf die Vorbereitung und den Verhandlungsstand zwischen dem Sozialministerium und den kommunalen Landesverbänden beziehen, da über den Stand der Umsetzung erst nach dem 1. Januar 2012 berichtet werden kann.
Die LINKE erwartet auch Auskunft darüber, wie die Landesregierung „nach der vollzogenen Kommunalisierung ihre Steuerungsverantwortung für eine flächendeckende und gut erreichbare Suchtkrankenhilfe wahrnehmen und Gleichheit der Lebensbedingungen im Land sicherstellen will“.
Ab dem 1. Januar 2012 wird die Förderung von Maßnahmen der ambulanten Suchtberatung und der dezentralen Psychiatrie nicht mehr von den Wohlfahrtsverbänden, sondern über die Kommunen organisiert werden. Wir sprechen bei der ärztlichen Versorgung von kleinteiligeren Bedarfsplanungen und regionalen Budgets, um den Gegebenheiten vor Ort gerecht zu werden. Dies ist auf die Suchtberatung übertragbar. Jede Kommune weiß am besten, wo Dinge im Argen liegen, und wird zu Problemlösungen beitragen.
Die Formulierungen ,,Steuerungsverantwortung“ und „Sicherstellung der Gleichheit der Lebensbedingungen“ im Antrag der LINKEN haben mich aufhorchen lassen. Das klingt nach Parteiprogramm der LINKEN - ohne Rücksicht auf Effizienz und Finanzierbarkeit. Statt Steuerungsverantwortung
würde ich in diesem Zusammenhang gern am Bedarf orientierte Verantwortung und Selbstverantwortung ins Spiel bringen.
Gleichheit der Lebensbedingungen ist relativ und lässt sich nicht ohne Weiteres in jedem Fall sicherstellen. Stadt und Land haben unterschiedliche Strukturen, Vorzüge und Defizite. Fördermittel sind begrenzt verfügbar und müssen daher zielgerichtet eingesetzt werden. Doppelstrukturen sind zu vermeiden.
CDU und FDP wollen Rahmenbedingungen für ein soziales Netzwerk schaffen, das Hilfsbedürftige auffängt und unterstützt, damit sie die Chance erhalten, ihr Leben eigenständig gestalten zu können. Es ist für alle Beteiligten schwer - besonders auch für die Wohlfahrtsverbände -, neue Wege zu gehen. Unser Ziel muss es sein, die Kommunen in die Lage zu versetzen, eine effiziente Suchtkrankenhilfe dort zu gewährleisten, wo sie gebraucht wird. Das kann nur mit Beteiligung aller Partner und unter Berücksichtigung der verfügbaren Mittel geschehen.
Wir hoffen daher, dass es der Landesregierung gelingt, Einvernehmen mit den Wohlfahrtsverbänden zu erzielen, damit die Kommunalisierung der Fördermittel aus dem Sozialvertrag II gelingt.
Frau Landtagspräsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben den Bericht des Sozialministers gehört. Es war nicht anders zu erwarten, als dass er sich etwas zurückhält.
Ihre vornehme Zurückhaltung gerade an der Stelle, Herr Dr. Garg, an der Sie sagen, Sie könnten jetzt über die Dinge nicht so berichten, weil man noch mit den Kommunen im Gespräch sei, kann ich gut verstehen, weil die Alternative nur gewesen wäre, dass Sie hier deutlich sagen: Wir sind da überhaupt nicht weitergekommen, wir haben große Probleme, das hinzukriegen, was wir uns vorgenommen haben.
Dass Sie dieses System nach einem Regierungswechsel ändern wollen, ist sicherlich noch nicht das Problem. Das ist sicher auch in einigen Bereichen der Sinn eines Regierungswechsels. Nur kriegen Sie es überhaupt nicht hin, und das haben Sie hier verschwiegen. Wenn Sie heute sagen, man hätte noch bis zum 31. Dezember Zeit, und Frau Sassen sogar sagt, man könne erst nach dem 31. Dezember sagen, wie es wirklich aussieht, frage ich mich, wie Sie es sich vorstellen, wie vor Ort die Organisationen, die diese wichtige Arbeiten machen, sich darauf einrichten sollen und können, dass nachher auch alles weiterläuft. Wie sollen sie mit Arbeitsverträgen und ähnlichem umgehen? Fakt ist: Sie haben es angefangen, aber Sie kriegen es einfach nicht hin.
Der Sozialvertrag - das haben wir immer gesagt war eine sehr gute Idee unserer letzten wirklichen Sozialministerin Frau Dr. Trauernicht, die Entwicklung der Standards und sozialen Aufgabenfelder intelligent und mit dem uns drängenden Zwang zur Kostenoptimierung zu verbinden. Frau Sassen, dass ausgerechnet Sie dafür jetzt kein gutes Wort finden, kann ich überhaupt nicht verstehen, weil Sie das mit uns zusammen so gestaltet haben. Wir waren uns einig darüber, dass das der richtige Weg war.
Wir haben damals gesagt: Die Verbände, die Aufgaben für uns übernehmen, erklären sich bereit damals - 10 % an Einsparungsvolumen zu erbringen, dafür aber Gestaltungsspielraum und Handlungssicherheit zu erhalten. Das zählt jetzt alles nicht mehr. Man hat die 10 % genommen, aber der Gestaltungsspielraum und vor allem die Handlungssicherheit ist mit der neuen Regierung zum Teufel gegangen.
Die Qualität und inhaltliche Ausrichtung wurden damals über Zielvereinbarungen festgelegt. Wenn Sie sich einmal erklären lassen wollen, wie Zielvereinbarungen sinnvoll funktionieren, unterhalten Sie sich mit dem Kollegen Heinemann, der kann Ihnen das alles perfekt erklären.
Das war alles ein sinnvoller und kluger Weg, den leider eben die neue Landesregierung unter ihrem jetzigen Sozialminister nicht weitergegangen ist.
Wir halten die jetzt vorgesehene und hier noch einmal vom Minister dargestellte Kommunalisierung für einen Fehler.
Sie kündigt das kooperative Verhältnis mit den Wohlfahrtsverbänden auf und verlagert die Verantwortung und vor allem die Mittel wieder auf die kommunale Ebene, wo sie verteilt werden sollen. Nicht nur wir, auch die Träger befürchten, dass durch diese weitere Ebene, die dort entsteht, im Ergebnis weniger Geld bei den betroffenen Angeboten ankommt als vorher.
Herr Kollege, sind Sie mit mir der Auffassung, dass es nicht primär darum geht, wer welche Gestaltungsspielräume hat, sondern wie es am effizientesten bei den Betroffen ankommt?
- Ich glaube, wir sind sicher einer Meinung, dass wir das Ziel verfolgen sollten. Aber ich bin der Überzeugung, dass mit dem jetzt beschrittenen Weg die Strukturen, die vorhanden waren und die sich seit langer Zeit bewährt haben, mindestens gefährdet, wenn nicht zerschlagen werden. Das werden wir dann - so wie Sie uns angekündigt haben - erst nach dem 31. Dezember 2011 offenbart bekommen.
Obwohl dieses neue Projekt am 1. Januar 2012 beginnen soll - das haben wir eben noch einmal gehört -, ist der Rahmen der Kommunalisierung noch nicht festgezurrt, sonst hätte er hier berichtet werden können. Die Verbände wurden nach unserer Auffassung auch nicht ausreichend in den Prozess eingebunden. Herr Dr. Garg, wenn Sie hier sagen, dass man darüber nicht berichten darf, klingt das zwar sehr edel, aber Sie wissen doch selbst, wie Politik funktioniert. Glauben Sie, dass wir nicht mit den Verbänden und den Organisationen über die dort entstandenen Probleme reden und uns berichten lassen, wo es da hakt und wo es da klemmt?
- Ich würde gern noch ein bisschen mit Ihnen plaudern, aber ich habe im Moment leider keine Zeit, Herr Garg.
Der Landkreistag zum Beispiel steht der geplanten Mittelverteilung skeptisch gegenüber und fordert im Gegensatz zum Städteverband eine veränderte Verteilung der Mittel. Die einvernehmlichen Verteilungsschlüssel des Geldes auf die Kommunen
gibt es bisher nicht. Die Städte begrüßen zwar, dass die bisherige Mittelverteilung beibehalten werden soll, die Städte möchten das zumindest, aber die Kommunen sind anderer Auffassung. Genau das blockiert im Moment die Verhandlungen, die Sie zu führen haben.
Die Chance, über eine Mittelverteilung nachzudenken, die sich an realen Bedürfnissen orientiert und auch präventive Ansätze berücksichtigt, wurde von Ihnen damit gleich mit vertan.
Nun könnte man sicher über die eine oder andere Verschiebung von Mitteln nachdenken. Hier hat sich sicher im besonderen Bereich die Suchtkrankenhilfe in einer Struktur tradiert, durch die eine deutliche Besserstellung der Städte gegenüber den Landkreisen entstanden ist. Darüber kann man sicher nachdenken. Wir haben das in der letzten Wahlperiode auch begonnen. Wir sind allerdings der Meinung, dass auch gerade dies am Besten und eigentlich nur im fairen Dialog mit den Trägern besser auf der Basis der Strukturen des Sozialvertrags II - hätte begonnen werden können. Aber das ist ja jetzt zu den Akten gelegt.
Unter dem Strich bleibt für zwei wichtige Bereiche der unterstützenden und beratenden Hilfen ein vom Ministerium ohne jede Not ausgelöstes Organisations- und Strukturchaos, das jetzt unter Zeitdruck bis zum 1. Januar 2012 in kontroverser Diskussion mit den Städten, mit den Trägern und mit den Landkreistagen gelöst werden muss. Man kann es ganz kurz zusammenfassen. Auch hier bleiben Sie bei Ihrem Motto: „Die meisten Probleme, die wir im Sozialministerium zu lösen haben, haben wir zuvor selbst geschaffen.“