Lassen Sie mich nun auf einige Regelungsinhalte der großen Novelle eingehen. Da geht es zunächst einmal um mehr Sicherheit. Wir definieren die Schutzziele für die Standards des Datenschutzes neu. Da ist ein Stichwort die Anpassung an den Stand der Technik. Das finde ich sehr positiv. Die Veröffentlichung von Daten im Internet ist - als ein Beispiel - nur erlaubt, wenn gesetzliche Vorgaben dafür da sind oder aber eine Einwilligung vorliegt. Auch das ist ein erheblicher Fortschritt bei der Sicherheit.
Der zweite Punkt ist die Transparenz. Wir schaffen die Möglichkeit der Einsichtnahme - auch das ist bereits angesprochen - in das Verfahrensverzeichnis zum Beispiel auch durch eine Internetveröffentlichung. Wir haben auch die Möglichkeit aufzuklären, wenn falsche Datenspeicherungen vorgenommen worden sind oder Fehler durch eine unrechtmäßige Datenerlangung gemacht worden sind.
Dritter Punkt: mehr Rechtssicherheit. Ganz wichtig sind besondere Maßnahmen beim Einsatz automatisierter Verfahren. Hier ist eine neue Ausnahmeregelung vorgesehen, nämlich wenn die Polizei über Handys oder aber über Digitalkameras solche Daten unverschlüsselt weitergeben muss. Das halten wir für sinnvoll, und das ist im Interesse der Sicherheit absolut notwendig.
Rechtsvereinfachung: Formal privatisierte Unternehmen, wie wir sie häufig auf der kommunalen Ebene haben, unterliegen zukünftig dem Bundesdatenschutzgesetz und sind damit privaten Unternehmen gleichgestellt. Auch dies ist eine Vereinfachung. Das Gleiche gilt für die Videoüberwachung, die nun auch durch das Bundesdatenschutzgesetz abgedeckt ist.
Mehr Transparenz - der letzte Punkt - beim Bericht des Landesverfassungsschutzes. Hier gibt es einen ganz besonderen Ansatz. Wir müssen das Landesverfassungsschutzgesetz ändern, weil wir eine Abwägung vornehmen wollen, wann in den Berichten personenbezogene Daten sinnvollerweise öffentlich gemacht werden sollen. Dies hat, meine ich, eine sehr starke politische Bedeutung. Herr Stegner, Sie haben heute Morgen den Rechtspopulismus angesprochen. Hier wollen wir handeln und nicht nur polemisieren. Wir sind im Zweifel für die Sicherheit. Gerade bei Extremismus muss Sicherheit im Zweifel Vorrang haben.
Lassen Sie mich zum Abschluss sagen: Sicherheit, Transparenz und Vereinfachung, das sind die Ziele. Wir sind der Überzeugung, dies erreichen wir mit den beiden Gesetzentwürfen. Schleswig-Holstein soll beim Datenschutz Vorreiter bleiben und mit der Sicherheit und Technik Schritt halten.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Schleswig-Holstein hat im Jahr 2000 eines der modernsten Landesdatenschutzgesetze beschlossen. Allerdings - das haben wir bereits gehört - machen jetzt die technischen Entwicklungen und die Entwicklungen im Rechtsbereich im Bund und in der EU eine Anpassung des Gesetzes notwendig. Wir haben deshalb heute gleich zwei Gesetzentwürfe vorliegen - die Gründe sind genannt -, einen, der schon im Innen- und Rechtsausschuss beraten wurde, und einen Gesetzentwurf der Landesregierung in erster Lesung.
Zunächst zum Gesetzentwurf der Landesregierung. Wir begrüßen im Wesentlichen die angestrebten Änderungen. Hervorzuheben ist, dass der Entwurf von der statischen Benennung von Einzelschutzmaßnahmen wegkommt und stattdessen zu allgemeinen Datenschutzzielen findet. Im Übrigen sind uns viele der Änderungen, die in dieses Gesetz aufgenommen worden sind, aus den Forderungen des Datenschutzbeauftragten im Datenschutzbericht 2010 bekannt.
Der Datenschutz wird in Zeiten des Internets, der vielen neuen Kommunikationsmöglichkeiten und anderer technischer Errungenschaften zur Übermittlung und Speicherung von Daten zunehmend wichtiger. Jeder Mensch, der sich im Internet bewegt, hinterlässt in seinem Alltag vielfältige Spuren, sei es beim Telefonieren, beim Surfen im Internet, beim Gang zum Arzt oder auch einfach nur beim Einkaufen. Diese Daten könnten unter anderem für Werbezwecke, aber auch für Kriminelles missbraucht werden.
Der Missbrauch von Daten für Werbezwecke ist in jüngster Zeit durch die Diskussion in den Fokus gerückt, die der Datenschutzbeauftragte im Zusammenhang mit dem Gefällt-mir-Button von Facebook angestoßen hat. Auch wenn wir nicht meinen,
dass er in allen Punkten recht hat, halten wir diesen Anstoß für begrüßenswert. Ich glaube allerdings nicht, dass wir mit Verboten und Strafen der Problemlage gerecht werden.
Ich möchte, weil über das Gesetz selbst alles gesagt worden ist - wir werden uns im Ausschuss damit beschäftigen -, auf diesen Aspekt etwas näher eingehen, der in der Diskussion in den letzten Tagen eine Rolle gespielt hat. Die sozialen Netze haben sich lange verselbstständigt und sind zu einem integrierten Bestandteil des Lebens nicht nur junger Menschen geworden. Diese sind sich zu einem großen Teil durchaus darüber bewusst, welche Daten von ihnen im Netz verbleiben und dass sie weiterverwendet werden oder werden können. Sie ordnen diesen Umstand ihrem Wunsch, im Netz zu kommunizieren, aber vielfach und bewusst unter. Ich glaube, wir kommen nicht voran, wenn wir diesen Umstand nicht akzeptieren und weiter dem Phantom eines scheinbar möglichen umfassenden Datenschutzes in Zeiten des Internets hinterherlaufen. Es gilt vielmehr, persönlich abzuwägen zwischen Nutzen und Schaden. Diese Abwägung kommt bei vielen jungen Menschen zu einer eindeutigen, für uns oft überraschenden Entscheidung gegen die totale Abschirmung persönlicher Daten. Das, glaube ich, ist auch ein grundlegender Denkfehler, der in der Diskussion, die der Datenschutzbeauftragte angestoßen hat, eine Rolle spielt. Die Möglichkeiten, die die neuen Technologien für jeden Einzelnen bieten, dürfen nicht unangemessen eingeschränkt werden. Gleichzeitig müssen aber die freiwillig und bewusst hergegebenen Daten, die gesammelt, möglicherweise weitergegeben und ausgewertet werden, vor Missbrauch geschützt werden. Es ist nicht einfach, diesen Spagat zwischen der Freiheit im Netz einerseits und der Sicherheit der personenbezogenen Daten andererseits hinzubekommen.
Unsere Antwort - das wissen Sie - ist die immer wiederholte Forderung nach einer verstärkten Vermittlung von Medienkompetenz, für die sich meine Fraktion schon seit Längerem immer wieder einsetzt.
Es gilt: Nur wer um die Risiken weiß, kann verantwortungsvoll mit seinen Daten im Netz umgehen. Das heißt auch: Wer seine Daten in voller Kenntnis hergibt, tut das dann auch im Rahmen des Rechts auf Selbstbestimmung über seine persönlichen Daten.
Bei einer der wesentlichen Neuerungen im Gesetz handelt es sich genau um diesen Punkt: die Regelungen zur Veröffentlichung von Daten im Internet.
Wir werden dies und anderes im Ausschuss besprechen. Es ist müßig, alle Punkte noch einmal aufzuzählen. Meine beiden Vorredner, vor allen Dingen Herr von Abercron, haben sehr ausführlich darüber gesprochen.
Nicht in den Entwurf aufgenommen worden ist die im Datenschutzbericht genannte Forderung nach einer obligatorischen Bestellung von behördlichen Datenschutzbeauftragten. Das werden wir im Ausschuss sicherlich noch einmal erörtern, ebenso wie die noch offenstehende Ausgestaltung des § 35 Abs. 1 des Landesdatenschutzgesetzes.
Lassen Sie mich zum Abschluss noch etwas zum Gesetzentwurf von CDU und FDP sagen. Diese Novellierung war notwendig, weil die Europäische Datenschutzrichtlinie umgesetzt werden musste, um die Kontrollstellen für den Datenschutz so zu gestalten, dass sie ihre Aufgaben in völliger Unabhängigkeit wahrnehmen können. Der EuGH hatte im Jahr 2010 gefordert, dass die Arbeit der Landesdatenschutzbehörden weisungsfrei erfolgen muss. Die Anpassung ist deshalb schlüssig. Sie hätte etwas früher erfolgen können. So schwierig war das eigentlich nicht. Aber sei’s drum, nur das Ergebnis zählt.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Angesichts einer zunehmend gläsernen Existenz des Bürgers wird es für den Einzelnen immer schwieriger, seine Privat- und Intimsphäre zu verteidigen. Am Anfang des 21. Jahrhunderts hat der Schutz der Privatsphäre und der persönlichen Kommunikation eine völlig neue, zentrale Bedeutung für eine demokratische Gesellschaft. Angesichts einer rasanten technologischen Entwicklung, die anscheinend niemals abgeschlossen sein wird, sondern ein fortdauernder Prozess ist, haben gerade wir als Gesetzgeber darauf zu achten, dass die Grundrechte, insbesondere die Persönlichkeitsrechte, jedes Einzelnen gewahrt werden.
Gerade beim Datenschutz müssen wir uns immer wieder klarmachen, dass eine der demokratischen Grundideen darin besteht, die Eingriffsbefugnisse des Staates zu beschränken, um den freiheitlich denkenden und handelnden Bürger zu stärken, selbst wenn dabei die Interessen des Staates zurückstehen müssen. Diese Beschränkungen sind für uns Liberale fundamentale praktische Existenzbedingungen unserer Staatsform, der Demokratie. Eingriffe in die Grundrechte wurden in den letzten Jahren stets mit der sogenannten Sicherheit für den Bürger begründet. Wir Liberale sagen: In Wirklichkeit wurde der Abbau von Freiheitsrechten betrieben.
So gesehen bin ich mit dem Entwurf der Landesregierung zur Änderung des Landesdatenschutzgesetzes durchaus zufrieden. Die Änderungen des bisherigen Landesdatenschutzgesetzes sind erforderlich. Sie sind der Modernisierung und Anpassung an neue technische und rechtliche Entwicklungen geschuldet und bereinigen altes Überflüssiges. Neue Regelungen im Bundesdatenschutzgesetz und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs wurden bei der Änderung eingearbeitet, und der zunehmenden Nutzung des Internets wurde Rechnung getragen.
Es ist erfreulich, dass in § 21 eine Rechtsgrundlage zur Veröffentlichung von personenbezogenen Daten im Internet geschaffen werden soll, nämlich bei Zustimmung des Betroffenen oder durch den Erlass einer Rechtsvorschrift. Damit wird Rechtssicherheit geschaffen. Die Informationspflicht der Betroffenen sowie des ULD durch die datenverarbeitende Stelle bei unrechtmäßiger Kenntniserlangung von Daten ist ein wichtiges Zeichen von Transparenz.
Weiterhin wird Klarheit über die Verfügbarkeit von Daten und Verfahren, über Vollständigkeit und Zurechenbarkeit, Transparenz, Nichtverkettbarkeit von personenbezogenen Daten und über die Sicherung der Ausübbarkeit der den Betroffenen zustehenden Rechte geschaffen. Damit passen wir uns den internationalen Standards an. Die nunmehr geforderte Verschlüsselung und Protokollierung personenbezogener Daten ist zu begrüßen.
Bei der geplanten Erlaubnis zur Videoüberwachung und -aufzeichnung bei öffentlichen Stellen ist eine Interessenabwägung zwischen deren Aufgabenerfüllung, dem Hausrecht und der schutzwürdigen Belange Betroffener vorgeschrieben. Das ist ebenfalls zu begrüßen. Zudem wird die Erkennbarkeit der Überwachung festgeschrieben, und eine Speicherung oder weitere Verarbeitung dürfen nur
bei Erforderlichkeit erfolgen. Weiter heißt es, für einen anderen Zweck dürften die Aufzeichnungen nur verarbeitet oder benutzt werden, soweit dies zur Abwehr von Gefahren für die staatliche oder öffentliche Sicherheit sowie zur Verfolgung von Straftaten erforderlich sei.
Da ist sie wieder, die viel beschworenen Sicherheit des Bürgers, ohne Zweifel ein hohes Gut. Aber darf die behauptete Sicherheitslage unsere Freiheit einschränken, und wenn ja, wie weit? Wir glauben weiter an die Freiheit und nicht an die Angst.
Wer in den letzten Jahren in England war, hat sich an die Kameras an jedem Ort ab der Einreise und in allen und an allen öffentlichen Einrichtungen und Plätzen längst gewöhnt. Über die Erfolge des sogenannten CCTV streiten sich aber auch in England die Gelehrten.
Dass die Videoüberwachung tatsächlich ein Allheilmittel gegen die Kriminalität ist, darf bezweifelt werden.
New Scotland Yard spricht von einer Aufklärungsrate von nur 3 % was die Videoüberwachung angeht, und dass sich ein Terrorist nicht von Videokameras abhalten lässt, haben nicht nur die Attentäter von New York gezeigt. Es ist also durchaus berechtigt, immer wieder die politische Frage nach dem Nutzen dieses Instruments zu stellen.
Die Fragestellung an sich ist keineswegs ein Angriff auf die staatliche Sicherheit, wie es gern aus dem Süden dieser Republik kolportiert wird, sondern die dringend erforderliche Verteidigung der individuellen Freiheit und eines Wertesystems, das niemals, auch nicht im Namen der Sicherheit, aufgegeben werden darf.
Was den zweiten Teil angeht, so sind die Formalitäten schon von meinen Vorrednern erklärt worden. In der Tat ist für unseren Landesdatenschutzbeauftragten die völlige Unabhängigkeit von staatli
cher Aufsicht geschaffen worden. Das ist gut und richtig so. Dass unser Datenschutzbeauftragter in dieser Unabhängigkeit schon längst angekommen ist, hat er letzten Freitag bewiesen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Diskussionen um den Gefällt-mirButton von Facebook und um Google Street View vor ein paar Monaten haben gezeigt: Das Datenschutzrecht bedarf einer grundsätzlichen Überarbeitung. Die Datenschutzkultur ist in verschiedenen Rechtsräumen offensichtlich ganz unterschiedlich ausgeprägt. Deutschland gilt, obwohl es aus Karlsruhe diverse „Klatschen“ für überzogene Sicherheitsgesetze sowohl im Bund als auch in Schleswig-Holstein gab, international immer noch als Musterländle des Datenschutzes. Schleswig-Holstein hat innerhalb dieses Musterländles dank eines innovativen Datenschutzbeauftragten viele Debatten mit bestimmt und wird dies auch weiterhin tun.