Protocol of the Session on May 27, 2011

(Zuruf des Abgeordneten Hartmut Hamerich [CDU] - Weitere Zurufe - Glocke des Präsi- denten)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. von Abercron.

(Zurufe)

Wir halten jetzt einmal die Redezeit an.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir können die Diskussion gern intern fortsetzen. Aber ich bleibe bei dem Thema AWZ, weil Sie das angesprochen haben. Ich denke an den Fall, dass jemand einen Druckluftspeicher 12 sm außerhalb machen möchte. Dann müssen Sie sich überlegen, was das für Kosten verursacht. Im Übrigen wissen alle, dass unmittelbar an die AWZ unser Wattenmeer-Nationalpark angrenzt. Es ist nach meinen Überlegungen völlig ausgeschlossen, dass jemand dieses Risiko eingeht, dort eine Genehmigung zu bekommen, um dort Leitungen mit einem Durchschnitt von mehr als einem halben Meter zu legen. Dass dort eine Genehmigung möglich ist, erscheint völlig

ausgeschlossen, zumal wir über ein Demonstrationsvorhaben reden. Es ist wirtschaftlich völlig ausgeschlossen, dass das jemand machen wird. Das wäre wirtschaftliches Harakiri. Deswegen ist es völlig unredlich, an der Stelle so etwas in die Welt zu setzen, zumal wir davon ausgehen, dass nur zwei oder drei Unternehmen in ganz Deutschland das machen würden.

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Selbstverständlich!

Herr Kollege, warum halten Sie dann Kiesabbau, Errichtung von OffshoreWindenergieanlagen, Ölförderung - durch Großkonzerne beantragt - und dergleichen für genehmigungsmöglich, hier im Festlandsockel von Schleswig-Holstein genehmigt? Nur für CCS-Lagerstätten soll das ausschließbar sein?

- Sie überbewerten meine Fähigkeiten und juristischen Kenntnisse, ob das genehmigungsfähig ist. Nach meiner Auffassung wird das sehr schwer möglich sein. Ich habe eben dargelegt, warum. Mehr kann ich dazu nicht sagen.

Meine Damen und Herren, wenn Sie es wirklich ernst meinen mit dem Thema Ausschluss von CCS in Schleswig-Holstein, tun Sie uns bitte einen Gefallen und unterstützen Sie unseren Antrag, statt die Länderklausel durch ihre kontraproduktiven Vorschläge zu torpedieren. Hören Sie auf damit, die Menschen zu verunsichern, dass die Länderklausel nicht wirksam wird. Falsche Behauptungen werden auch durch ständiges Wiederholen nicht richtiger.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das Wort für die SPD-Fraktion erteile ich der Frau Kollegin Marion Sellier.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein großer Teil ist schon von Detlef Matthiessen gesagt worden. Die Einwände beziehungsweise die Position von Herrn von Abercron haben wir auch schon gehört. Der CCS-Gesetzentwurf der Bundesregierung liegt uns wieder einmal vor. Die Zeit zur Um

(Dr. Michael von Abercron)

setzung bis zum Herbst beziehungsweise spätestens bis zum Ende des Jahres läuft langsam ab.

Im Plenum sind wir uns seit geraumer Zeit darüber einig, dass wir eine Lagerung von CO2 im Boden von Schleswig-Holstein nicht wollen. Mehrfach hat sich Ministerpräsident Carstensen dafür ins Zeug gelegt, dass dies im Gesetz über eine Länderklausel tatsächlich ausgeschlossen wird, und er ist wiederholt mit leeren Händen aus Berlin zurückgekommen.

Im April kam nun der neue Entwurf. Er erntete den vereinten Jubel von CDU und FDP, da nun angeblich eine wasserdichte Formulierung für eine Länderklausel zum Ausschluss von CO2-Lagerung durchgesetzt wurde. Vielleicht hätten Ministerpräsident Carstensen und der Jubelchor den Gesetzentwurf erst ganz lesen sollen, bevor das gegenseitige Schulterklopfen losging. Der Gesetzentwurf enthält zwar eine Länderklausel, die allerdings an Vorbedingungen geknüpft ist. Interessant ist der § 3 Abs. 4 unmittelbar vor der Länderklausel:

„Dieses Gesetz gilt nach Maßgabe des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen … auch im Bereich der Ausschließlichen Wirtschaftszone und des Festlandssockels.“

Wirft man einen Blick auf die Karte der potenziellen CO2-Lagerstätten, ist die Nordsee vor unserer Küste fast flächendeckend dafür geeignet, Einspeicherungen vorzunehmen - bis hinein in den Nationalpark Wattenmeer. Richtig toll!

Seit gestern gibt es nun die neue Erkenntnis zur Wirksamkeit der Länderklausel. Nun bestätigen auch die Chefjuristen im Bundestag in ihrer Stellungnahme zur Länderklausel unsere Vermutung. Die von CDU und FDP bejubelte Länderklausel zum Ausschluss von CO2-Speicherungen in den Bundesländern, die Ministerpräsident Carstensen angeblich dem Bundesumweltminister abgetrotzt hat, ist so löcherig wie ein Schweizer Käse und damit so gut wie unwirksam. Mit in die Irre führenden juristischen Aussagen versuchen nun FDP und CDU, von der Wahrheit abzulenken. Es wird hier kein Sand gestreut, es ist bereits Sand im Getriebe.

(Beifall bei SPD, der LINKEN und SSW)

Klar und deutlich gesagt: Herr Carstensen kann sein Versprechen gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern nicht einhalten. Ein gesetzlich flächendeckender Ausschluss von CO2-Speicherung ist in Schleswig-Holstein durch das CCS-Gesetz nicht möglich. Die Landesregierung hat sich von der Bundesregierung mit dieser Länderklausel austricksen lassen.

Mit ihrer Zustimmung zum CCS-Gesetz wäre der Weg zur Einspeisung von CO2 unter der Nordsee frei. Ich bin gespannt, wie dies den Menschen hier in Schleswig-Holstein erklärt werden soll. - Für wie dumm halten Sie die Menschen eigentlich?

(Beifall bei SPD, der LINKEN, SSW und des Abgeordneten Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Der vorliegende Antrag der Regierungsfraktionen schweigt sich zu diesem Thema vollständig aus. Es wird sich weiter bejubelt in der Hoffnung, dass es keiner merkt. Diesem Gesetz darf im Bundesrat von Schleswig-Holstein nicht zugestimmt werden. Daher stimmen wir dem Antrag der Grünen zu, gemäß Artikel 4 der EU-Richtlinie kann die Bundesrepublik CO2-Endlager auf ihrem gesamten Hoheitsgebiet verbieten.

(Beifall bei SPD, SSW und des Abgeordne- ten Thorsten Fürter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das Wort für die FDP-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Oliver Kumbartzky.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich erinnere mich noch sehr gut an die erste Sitzungswoche in dieses Legislaturperiode. Es ging um einen Antrag des SSW, der CCS bundesweit verbieten wollte.

(Beifall beim SSW und des Abgeordneten Ulrich Schippels [DIE LINKE])

Ja, FDP und CDU haben gesagt und beschlossen: Wir wollen, dass Schleswig-Holstein die Handlungshoheit über die eigenen Belange bekommt.

(Beifall bei FDP und vereinzelt bei der CDU)

Wir wollen, dass Schleswig-Holstein selbst entscheidet, was bei uns gelagert wird, aber wir wollen andere Länder nicht bevormunden und ihnen Vorschriften machen.

(Zuruf des Abgeordneten Ulrich Schippels [DIE LINKE])

- Mit anderen Ländern war unter anderem das rotrot regierte Brandenburg gemeint, Herr Schippels.

(Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und das Wattenmeer!)

(Marion Sellier)

Die 2009 beschlossene Forderung war eine Erneuerung des Beschlusses der breiten Mehrheit des Landtags der 16. Wahlperiode. Diesem Anliegen haben in der letzten Tagung der 16. Wahlperiode CDU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zugestimmt. Schleswig-Holstein sollte in die Lage versetzt werden, allein darüber zu entscheiden, das Vorhaben der CO2-Einlagerung auf dem Landesgebiet abzulehnen. Genauso war das.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zuruf des Abgeordneten Dr. Ro- bert Habeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Darf ich darum bitten, den direkten Dialog zwischen den Fraktionsvorsitzenden einzustellen, weil Oliver Kumbartzky für die FDP-Fraktion das Wort hat.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Der Grundkonsens war also - und ich habe damals 2009 in meinem jugendlichen Leichtsinn gedacht, dass er das immer noch wäre -, dass wir über ein bundesweites CCSGesetz dafür sorgen wollen, dass es nicht zu einer CO2-Einlagerung in Schleswig-Holstein kommt. Dass ein Gesetz kommt, hätte man aufgrund der Tatsache, dass es eine europarechtliche Vorgabe gibt, nicht verhindern können. Ein pauschales Nein hätte womöglich dazu geführt, dass gar nicht erst über die Länderklausel verhandelt wird. Dann hätten wir wahrscheinlich das Gegenteil von dem erreicht, was gewollt war.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Meine Damen und Herren, um das besagte Ziel zu erreichen, sollte die Landesregierung Bündnispartner suchen. Gleichzeitig wurde mit der Bundesregierung verhandelt, und zwar mit Erfolg. Der CCSKompromiss, mit dem sich heute der Bundesrat befasst hat - leider war Ministerpräsident Carstensen aus den bekannten Gründen nicht anwesend -, war das Ergebnis zahlreicher Gespräche auf unterschiedlichen Ebenen. Unsere Position, dass unterirdische Lagerstätten für klimaschädliches Kohlendioxid nicht gegen den Willen der Bevölkerung eingeführt werden dürften, hat in Berlin überzeugt. Die FDP-Fraktion begrüßt, dass Umweltminister Röttgen und der damalige Bundeswirtschaftsminister Brüderle die Interessen Schleswig-Holstein berück

sichtigt haben. Wir begrüßen auch den heutigen Beschluss des Bundesrats.

(Beifall bei FDP und vereinzelt bei der CDU)

Bemerkenswert ist übrigens, dass der RWE-Konzern wenige Tage nach der Kabinettsverabschiedung des Gesetzentwurfs inklusive Länderklausel seine Genehmigung für Aufsuchungserkundungen in Schleswig-Holstein zurückgegeben hat.

An dem Tag, an dem der Verhandlungserfolg publiziert wurde, war bei vielen die Freude groß - nur nicht bei der Opposition. Anstatt die Einigung zu begrüßen, wurde in Pressemitteilungen sehr verhalten reagiert, und man begab sich auf die Suche nach dem geheimnisvollen, bekannten Haar in der Suppe.

(Zuruf: Und es ist gefunden worden!)

Das angebliche Haar wurde gefunden.

(Zurufe)

- Genau, es wurde gefunden.